PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Sie war der Stern der Münchner Boheme, Virtuosin der freien Liebe, Avantgardistin der Alleinerziehenden, Vorläuferin des modernen intellektuellen Prekariats und nicht zuletzt eine bis heute unterschätzte Schriftstellerin. Man hat in ihr die Urgroßmutter der sexuellen Revolution identifiziert, aber den Preis übersehen, den sie zahlte.Am 25. Juli 1918 stürzt Franziska zu Reventlow in Locarno vom Fahrrad. Nach einer Notoperation stirbt sie am frühen Morgen des 26. Juli 1918 an Herzversagen - 47 Jahre alt.Weil sie, obwohl ein Mädchen, kompromisslos »ich« sagte, wurde die junge Comtesse v...
Sie war der Stern der Münchner Boheme, Virtuosin der freien Liebe, Avantgardistin der Alleinerziehenden, Vorläuferin des modernen intellektuellen Prekariats und nicht zuletzt eine bis heute unterschätzte Schriftstellerin. Man hat in ihr die Urgroßmutter der sexuellen Revolution identifiziert, aber den Preis übersehen, den sie zahlte.
Am 25. Juli 1918 stürzt Franziska zu Reventlow in Locarno vom Fahrrad. Nach einer Notoperation stirbt sie am frühen Morgen des 26. Juli 1918 an Herzversagen - 47 Jahre alt.
Weil sie, obwohl ein Mädchen, kompromisslos »ich« sagte, wurde die junge Comtesse von ihrer Familie verstoßen und beinahe entmündigt. Die Vielliebende fand es verantwortungslos, an Männern, die ihr gefielen, vorüberzugehen. Sie streifte manchen intim, den man immer noch kennt, etwa Rainer Maria Rilke, Karl Wolfskehl oder Ludwig Klages. Zum ersten Mal wird die Biografie ihrer Lieben erzählt, denn auch Lieben sind Lebewesen: Sie werden geboren, reifen und sterben, aber nicht alle. In Kerstin Deckers ebenso tragischem wie komischem Bericht dieses Lebens bleibt vom Bild der robusten Männersammlerin fast nichts übrig. Es entsteht ein einzigartiges Mutter-Kind-Porträt und das Bild einer Frau, die eine so weltüberlegen-hochironische Prosa schrieb, dass es Männern schwerfiel, an eine Autorin zu glauben.
Am 25. Juli 1918 stürzt Franziska zu Reventlow in Locarno vom Fahrrad. Nach einer Notoperation stirbt sie am frühen Morgen des 26. Juli 1918 an Herzversagen - 47 Jahre alt.
Weil sie, obwohl ein Mädchen, kompromisslos »ich« sagte, wurde die junge Comtesse von ihrer Familie verstoßen und beinahe entmündigt. Die Vielliebende fand es verantwortungslos, an Männern, die ihr gefielen, vorüberzugehen. Sie streifte manchen intim, den man immer noch kennt, etwa Rainer Maria Rilke, Karl Wolfskehl oder Ludwig Klages. Zum ersten Mal wird die Biografie ihrer Lieben erzählt, denn auch Lieben sind Lebewesen: Sie werden geboren, reifen und sterben, aber nicht alle. In Kerstin Deckers ebenso tragischem wie komischem Bericht dieses Lebens bleibt vom Bild der robusten Männersammlerin fast nichts übrig. Es entsteht ein einzigartiges Mutter-Kind-Porträt und das Bild einer Frau, die eine so weltüberlegen-hochironische Prosa schrieb, dass es Männern schwerfiel, an eine Autorin zu glauben.
Kerstin Decker, geboren 1962 in Leipzig, ist promovierte Philosophin und Autorin des 'Tagesspiegel'. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter die hochgelobten Biografien über Lou Andreas-Salomé, Frieda von Bülow, Elisabeth Förster-Nietzsche und Franziska zu Reventlow.
Produktbeschreibung
- Verlag: Berlin Verlag
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 384
- Erscheinungstermin: 1. Juni 2018
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 144mm x 38mm
- Gewicht: 561g
- ISBN-13: 9783827013620
- ISBN-10: 3827013623
- Artikelnr.: 49603026
Herstellerkennzeichnung
Berlin Verlag
Hedemannstraße 14
10969 Berlin
info@piper.de
In sich selbst gefangen
Kerstin Decker porträtiert Franziska zu Reventlow
Anlässlich des hundertsten Todestages Franziska zu Reventlows (1871 bis 1918) will Kerstin Decker mit ihrer Biographie das Bild der "gefallenen Gräfin, die sich beständig in Liebes- und Geldnöten befand" geraderücken. Dass das Leben Reventlows bisher vor allem als Emanzipationsgeschichte erzählt worden ist, sei zwar nicht falsch. Doch tatsächlich sei der Kampf um oder gegen etwas kein "Reventlow-Modus", und diese Optik verfehle deren eigentliche Vorstellung, in der Welt zu sein - "frei, gleichsam von Anfang an frei".Diesen Wunsch nach absoluter Freiheit deutlich zu machen, ist eines der Ziele des Buches. Dazu gehört für Decker die "Biografie
Kerstin Decker porträtiert Franziska zu Reventlow
Anlässlich des hundertsten Todestages Franziska zu Reventlows (1871 bis 1918) will Kerstin Decker mit ihrer Biographie das Bild der "gefallenen Gräfin, die sich beständig in Liebes- und Geldnöten befand" geraderücken. Dass das Leben Reventlows bisher vor allem als Emanzipationsgeschichte erzählt worden ist, sei zwar nicht falsch. Doch tatsächlich sei der Kampf um oder gegen etwas kein "Reventlow-Modus", und diese Optik verfehle deren eigentliche Vorstellung, in der Welt zu sein - "frei, gleichsam von Anfang an frei".Diesen Wunsch nach absoluter Freiheit deutlich zu machen, ist eines der Ziele des Buches. Dazu gehört für Decker die "Biografie
Mehr anzeigen
ihrer Liebe", "denn auch Lieben sind Lebewesen: Sie werden geboren, reifen und sterben, aber nicht alle."
Es ist hinreißendes Buch geworden, das komisch und tragisch zugleich erzählt von der Vielliebenden und ihren Männern. Um die fünfzig sollen es gewesen sein, darunter Namen wie Rainer Maria Rilke und Karl Wolfskehl. Ihrer Sehnsucht nach fester Bindung widersprach ihre Unfähigkeit, sie zu ertragen, so auch bei der Beziehung zu Ludwig Klages, mit dem sie ein tiefes Gefühl verband. Auch die Schattenseiten der von Reventlow gelebten sexuellen Freiheit lässt Decker nicht aus; tatsächlich bleibt vom Bild der "robusten Männersammlerin" kaum etwas übrig. "Das wahnsinnige Ausmaß von Lebenskraft und die Gefangenschaft daheim. Das hat mich aus dem Gleichmaß gebracht." In dieser Selbstdeutung Reventlows sieht Decker den Schlüssel zu ihrem unsteten Leben. Sie wird für die Biographin zur "Seilgängerin mit Stelzen".
In die Darstellung der Männerbeziehungen bettet Decker auch die Geschichte der Mutterliebe: Für ihren Sohn Rolf, den Halt ihres Lebens, nahm die Rebentlow viele Einschränkungen hin. Da sie nicht wollte, das etwas von den Irrtümern ihrer Erziehung an ihm wiederholt werde, verhinderte sie den Zugriff des wilhelminischen Schulsystems auf Rolf Reventlow - dieses galt ihr genau wie die Kirche als Ort der systematischen Zerstörung junger Seelen.
Es ist Kerstin Decker hoch anzurechnen, dass sie Reventlows Traktat "Was Frauen ziemt", eine Auftragsarbeit für Oskar Panizza, die er Ende 1899 in seiner Zeitschrift "Züricher Diskußionen" unter dem Titel "Viragines und Hetären" veröffentlicht hat, nicht - wie andere Biographen - unterschlägt. Handelt es sich hier doch um ein Pamphlet gegen die moderne Frauenbewegung und den ersten bayerischen Frauentag, der Ende Oktober 1899 in München stattfand. Reventlow beschimpfte die Frauenrechtlerinnen als "Bewegungsweiber", "sexuelle Zwischenform" und "hermaphroditische Geister" und erklärt ihnen, was eine richtige Frau sein sollte - Hetäre und Mutter.
Man wünschte sich allerdings, die Autorin hätte einen Blick auf die jüngsten Forschungen zu Schwabing, der Boheme und zur modernen Frauenbewegung in München um 1900 geworfen. Weder lässt sich "Schwabing" mit der Boheme gleichsetzen noch Schwabing oder die Boheme auf den Kosmiker-Kreis und Reventlow reduzieren. Aufgeräumt wurde mit den bis heute kursierenden Mythen zuletzt in dem Sammelband "Typographie und Erinnerung. Erkundungen der Maxvorstadt" (F.A.Z. vom 25. Januar).
Denn mit Schwabing ist recht eigentlich die Maxvorstadt gemeint, die im neunzehnten Jahrhundert als repräsentatives Viertel angelegt wurde und sich zu einem politischen und kulturellen Zentrum Münchens entwickelt hatte, ehe das Dorf Schwabing eingemeindet war. Im letzten Drittel des Jahrhunderts waren viele Künstler hierhergezogen. Als Reventlow Anfang der 1890er Jahre erstmals nach München kam, das damals als liberalste Stadt im ganzen deutschen Reich galt, lebten hier bereits viele Frauen, Adelige und Bürgerliche, die schon lange vor Reventlow aus dem höheren Töchterdasein und der traditionellen Rolle der Frau ausgestiegen waren und für ihre Selbstbestimmung eintraten.
Dem letzten Kapitel ist anzumerken, dass Decker ein spektakulärer Fund noch nicht zur Verfügung stand: "Die Kehrseite des deutschen Wunders", ein Bericht Reventlows, in dem sie über ihre Aufenthalte in Deutschland während des Ersten Weltkriegs und die von ihr ins Werk gesetzte Desertion ihres Sohnes Rolf in die Schweiz im August 1917 berichtet. Er wurde jüngst im Nachlass des Schriftstellers Henri-Pierre Roché an der Universität von Texas in Austin gefunden. Roché, ein früherer Liebhaber Reventlows, kennt man auch als Autor von "Jules et Jim". "Ich habe dem Kaiser meinen Sohn weggenommen", lautet triumphierend Reventlows letzter Satz. Er ist ein prototypischer Ausdruck der Lebenshaltung Franziska zu Reventlows, die die eigene Person immer vor alle Ansprüche der Gesellschaft in den Vordergrund gestellt hat.
INGVILD RICHARDSEN
Kerstin Decker:
"Franziska zu Reventlow". Eine Biografie.
Berlin Verlag, Berlin 2018. 384 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist hinreißendes Buch geworden, das komisch und tragisch zugleich erzählt von der Vielliebenden und ihren Männern. Um die fünfzig sollen es gewesen sein, darunter Namen wie Rainer Maria Rilke und Karl Wolfskehl. Ihrer Sehnsucht nach fester Bindung widersprach ihre Unfähigkeit, sie zu ertragen, so auch bei der Beziehung zu Ludwig Klages, mit dem sie ein tiefes Gefühl verband. Auch die Schattenseiten der von Reventlow gelebten sexuellen Freiheit lässt Decker nicht aus; tatsächlich bleibt vom Bild der "robusten Männersammlerin" kaum etwas übrig. "Das wahnsinnige Ausmaß von Lebenskraft und die Gefangenschaft daheim. Das hat mich aus dem Gleichmaß gebracht." In dieser Selbstdeutung Reventlows sieht Decker den Schlüssel zu ihrem unsteten Leben. Sie wird für die Biographin zur "Seilgängerin mit Stelzen".
In die Darstellung der Männerbeziehungen bettet Decker auch die Geschichte der Mutterliebe: Für ihren Sohn Rolf, den Halt ihres Lebens, nahm die Rebentlow viele Einschränkungen hin. Da sie nicht wollte, das etwas von den Irrtümern ihrer Erziehung an ihm wiederholt werde, verhinderte sie den Zugriff des wilhelminischen Schulsystems auf Rolf Reventlow - dieses galt ihr genau wie die Kirche als Ort der systematischen Zerstörung junger Seelen.
Es ist Kerstin Decker hoch anzurechnen, dass sie Reventlows Traktat "Was Frauen ziemt", eine Auftragsarbeit für Oskar Panizza, die er Ende 1899 in seiner Zeitschrift "Züricher Diskußionen" unter dem Titel "Viragines und Hetären" veröffentlicht hat, nicht - wie andere Biographen - unterschlägt. Handelt es sich hier doch um ein Pamphlet gegen die moderne Frauenbewegung und den ersten bayerischen Frauentag, der Ende Oktober 1899 in München stattfand. Reventlow beschimpfte die Frauenrechtlerinnen als "Bewegungsweiber", "sexuelle Zwischenform" und "hermaphroditische Geister" und erklärt ihnen, was eine richtige Frau sein sollte - Hetäre und Mutter.
Man wünschte sich allerdings, die Autorin hätte einen Blick auf die jüngsten Forschungen zu Schwabing, der Boheme und zur modernen Frauenbewegung in München um 1900 geworfen. Weder lässt sich "Schwabing" mit der Boheme gleichsetzen noch Schwabing oder die Boheme auf den Kosmiker-Kreis und Reventlow reduzieren. Aufgeräumt wurde mit den bis heute kursierenden Mythen zuletzt in dem Sammelband "Typographie und Erinnerung. Erkundungen der Maxvorstadt" (F.A.Z. vom 25. Januar).
Denn mit Schwabing ist recht eigentlich die Maxvorstadt gemeint, die im neunzehnten Jahrhundert als repräsentatives Viertel angelegt wurde und sich zu einem politischen und kulturellen Zentrum Münchens entwickelt hatte, ehe das Dorf Schwabing eingemeindet war. Im letzten Drittel des Jahrhunderts waren viele Künstler hierhergezogen. Als Reventlow Anfang der 1890er Jahre erstmals nach München kam, das damals als liberalste Stadt im ganzen deutschen Reich galt, lebten hier bereits viele Frauen, Adelige und Bürgerliche, die schon lange vor Reventlow aus dem höheren Töchterdasein und der traditionellen Rolle der Frau ausgestiegen waren und für ihre Selbstbestimmung eintraten.
Dem letzten Kapitel ist anzumerken, dass Decker ein spektakulärer Fund noch nicht zur Verfügung stand: "Die Kehrseite des deutschen Wunders", ein Bericht Reventlows, in dem sie über ihre Aufenthalte in Deutschland während des Ersten Weltkriegs und die von ihr ins Werk gesetzte Desertion ihres Sohnes Rolf in die Schweiz im August 1917 berichtet. Er wurde jüngst im Nachlass des Schriftstellers Henri-Pierre Roché an der Universität von Texas in Austin gefunden. Roché, ein früherer Liebhaber Reventlows, kennt man auch als Autor von "Jules et Jim". "Ich habe dem Kaiser meinen Sohn weggenommen", lautet triumphierend Reventlows letzter Satz. Er ist ein prototypischer Ausdruck der Lebenshaltung Franziska zu Reventlows, die die eigene Person immer vor alle Ansprüche der Gesellschaft in den Vordergrund gestellt hat.
INGVILD RICHARDSEN
Kerstin Decker:
"Franziska zu Reventlow". Eine Biografie.
Berlin Verlag, Berlin 2018. 384 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Ingvild Richardsen lernt Franziska zu Reventlow jenseits des Bildes der "gefallenen Gräfin" in Geld- und Liebesnöten kennen mit dieser, wie sie findet, großartigen Biografie von Kerstin Decker, die zu Reventlows hundertstem Todestag erscheint. Mit Sinn für Humor und Tragik erzähle Decker nicht nur von der bedingungslosen Freiheitssehnsucht und dem erheblichen Männerverschleiß der Gräfin - darunter Rainer Maria Rilke und Karl Wolfskehl, wie Richardsen informiert, sondern sie zeige zudem, was für ein Balanceakt Reventlows Leben oft war. Mit Interesse liest die Rezensentin darüber hinaus, wie Reventlow ihren Sohn Rolf vor dem wilhelminischen System und der Kirche bewahrte. Dass die Autorin außerdem auf Reventlows von anderen Biografen unterschlagenes Pamphlet gegen Frauenrechtlerinnen - die sie als "sexuelle Zwischenformen" verunglimpfte - eingeht, findet die Kritikerin erfreulich. Einige Fehleinschätzungen zur Schwabinger Boheme findet Richardsen verzeihlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Kerstin Decker ist die ungekrönte Königin der literarischen Biografie (...).« Westzeit 20181201
"Denn Liebesgenuss hat noch nie genutzt, man darf zufrieden sein, wenn er nicht schadete."
Dieser Aphorismus des griechischen Philosophen Epikur kam mir bei der Lektüre der Biografie von Franziska zu Reventlow in den Sinn.
Fanny (so ihr richtiger Vorname) ist von Kindesbeinen an …
Mehr
"Denn Liebesgenuss hat noch nie genutzt, man darf zufrieden sein, wenn er nicht schadete."
Dieser Aphorismus des griechischen Philosophen Epikur kam mir bei der Lektüre der Biografie von Franziska zu Reventlow in den Sinn.
Fanny (so ihr richtiger Vorname) ist von Kindesbeinen an unangepasst und extrem freiheitsliebend. So verwundert es auch nicht wirklich, dass die Tochter eines preußischen Landrats des Mädchenpensionats verwiesen wird.
In einem Pfarrhaushalt soll sie nach Willen der Eltern wieder auf den rechten Pfad geführt werden, doch sie flieht von dort und landet in der Münchner Boheme.
Ihre Ehe mit einem Lübecker hält nicht lange. Zwar finanziert ihr Ehemann ihr Malstudien im fernen Schwabing, aber sexuelle Untreue kann er dann doch nicht tolerieren. Und so ist Fanny schnell auf sich gestellt und schlägt sich finanziell - zunächst alleine, bald auch für ihren unehelichen Sohn Rolf verantwortlich - mehr schlecht als recht durch.
Sie nimmt was sie kriegen kann, das gilt für Jobs (Übersetzerin, Witzautorin, Prostituierte) genauso wie für Männer - es sei denn, sie stoßen sie körperlich ab. Fannys Leben ist ein ständiger Kampf ums Überleben, finanziell aber auch körperlich, immer wieder muss sie sich schweren Operationen unterziehen.
Ein ständiger Kampf war für mich leider auch die Lektüre dieser Biografie. Die Schilderung Ihrer Kindheit und Jugend ist Kerstin Decker noch interessant gelungen, doch je mehr Fanny sich in ihre zahlreichen Männerbekanntschaften verzettelte, desto weniger konnte ich ihrer Geschichte abgewinnen. Ich dachte, ich dürfte das Leben einer unangepassten Feministin nachvollziehen, der die persönliche Freiheit über alles ging. Gefunden habe ich eine zwar starke Frau, die vielen Schicksalsschlägen trotzte und die sich über gesellschaftliche Regeln hinwegsetzte, dabei aber nie wirklich frei war, sondern gerade finanziell immer wieder abhängig von anderen.
Sprachlich war Deckers Stil eine echte Herausforderung für mich. Immer wieder streut sie philosophische Bezüge ein, bezieht sich auf Philosophen, die ich, da ich im Gegensatz zur Autorin kein Philosophie-Studium vorweisen kann, nur dem Namen nach kenne. Der Lebensweg der Protagonistin wird sehr lückenhaft nachgezeichnet, viele Fragen bleiben offen, etwa was genau die Ursachen für die zahlreichen Operationen waren.
Mein Fazit: Das Buch ist literarisch sehr fragwürdig, in großen Teilen schwer verständlich, wirr und abschweifend. Fanny von Reventlow war sicher eine sehr außergewöhnliche Frau, sie hat bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, aber leider überwiegend negativen. Dies gilt auch für die Biografie.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Diese Biographie beschreibt auf eine feine, charmante, etwas romanenhafte Art, mit einem deutlichen philosophischen Anschlag, den Lebensweg einer bemerkenswerten, künstlerisch begabten Frau, die ihrer Zeit in Sachen persönlicher Freiheit, Frauenrechte uvm. weit voraus war.
Franziska zu …
Mehr
Diese Biographie beschreibt auf eine feine, charmante, etwas romanenhafte Art, mit einem deutlichen philosophischen Anschlag, den Lebensweg einer bemerkenswerten, künstlerisch begabten Frau, die ihrer Zeit in Sachen persönlicher Freiheit, Frauenrechte uvm. weit voraus war.
Franziska zu Reventlow (1871-1918) wollte sich nicht in die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit zwängen lassen, die einem heute, insb. bezüglich der Rolle der Frauen, grausam wie haarsträubend erscheinen. „Das unanständigste Wort, das ein junges Mädchen um 1900 sagen konnte, hatte drei Buchstaben: Ich.“ S. 356. Franziska zu Reventlow lebte, wie es ihr richtig erschien, tat Dinge, die sie tun wollte. Natürlich musste sie dafür teuer bezahlen. Sie ließ sich aber kaum bekehren. Dazu war sie zu anders als ihre angepassten Zeitgenossen, so voller Leben, so klar und so frei im Kopf. Sie wollte erst Malerin werden. Auf jeden Fall ihre eigene Herrin sein. Sie hat früh mit dem prüden Elternhaus gebrochen und vieles ausprobiert: Unternehmertum, Schauspielerei, u.a. auch Romane aus dem Französischen übersetzt. Am Ende ist sie Schriftstellerin geworden. Und Lebenskünstlerin bis zum Ende geblieben.
Diese Lebensgeschichte ist vom Gesichtspunkt zwischenmenschlicher Beziehungen erzählt worden. Franziskas Männergeschichten bilden den Schwerpunkt, alles andere erscheint in dieser Darstellung eher nebensächlich, als eine Art schmückendes Beiwerk. Zwischendurch hatte ich meine Zweifel, ob diese Wahl eine optimale Lösung war. In der Mitte gab es viel von zwischenmenschlichen Verwicklungen: All die Männer mit ihren Geschichten und Präferenzen, all die z.T. chaotische Zustände, eine Art Karussell, bei dem einem schon beim bloßen Hinschauen leicht schwindelig wird.
Über die Liebe wurde hier intensiv, von diversen Blickwinkeln betrachtet, nachgedacht, ob tief oder oberflächlich, ob sie sich in Singular- oder Pluralform vollzieht. Auch über das Leben, nicht nur Fannys, wurde hier philosophiert, sowie über das Sterben, den Tod, den Sex, die non-konventionelle Kindererziehung, über Selbstwerdung, den richtigen Platz im Leben suchen und finden, Geldverdienen müssen, die Arbeit, die Rolle der Frauen uvm.
Die Biographie ließ sich recht angenehm lesen: manchmal poetisch, hier und da etwas abschweifend, nachdenklich und zum Nachdenken anregend. Eine Portion Feinhumorigkeit und Ironie, die auch Franziska zu Reventlow eigen waren, rundete das Lesevergnügen ab. „Humor ist eine Art Höflichkeit des Geistes angesichts der Unvollkommenheit der Welt. Franziska zu Reventlow besaß ihn in einem staunenswerten Maße, gepaart mit einer frappierenden Urteilskraft.“ S. 357.
Oft wurde aus ihren Tagebüchern und Romanen zitiert, im Text hervorgehoben durch Kursiv, was Franziska den Lesern noch näherbringt und tiefere Einblicke in ihr Wesen ermöglicht. Viele kluge, poetische, schöne Sätze trifft man in diesem Buch, die ganze Zitatenhefte füllen können:
„Das Glück schreibt nicht, es neigt nicht zur Mitteilsamkeit, es ist. Das ist ihm genug.“ S. 99.
„Wahre Komik ist nicht das Gegenteil des Leidens, sie erwächst aus dem tiefsten Grund des Leidens, und da weilt sie nach wie vor öfter.“ S. 108.
„Ich hab‘ dem Greuel zum Abschied einen Kuss gegeben, und er zerschmolz vollständig. Ob vielleicht doch etwas Wahres hinter all dieser verlogenen Fratzenhaftigkeit steckt?“ S. 282.
Das Buch ist prima gemacht: Festeinband in einem bemerkenswerten Blau, Lesebänchen, Umschlagblatt passend dazu. Schön als Geschenk.
Fazit: Es ist keine Biographie im klassischen Sinne. Als Sachbuch kommt sie unbedingt nicht rüber, eher wie ein Roman. Diese Erzählform wirkt sich aber durchaus vorteilhaft aus und passt zu Franziska von Reventlow. Eine bereichernde Leseerfahrung war diese Biographie auf jeden Fall. Paar erfüllte Lesestunden habe ich damit verbracht. Nach einer Pause lese ich sie bestimmt nochmals. Wohl verdiente 5 Sterne gibt es von mir und eine klare Leseempfehlung.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für