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Einen »Nordlandsmenschen« hat Theodor Fontane sich selbst genannt, doch die Grand Tour durch Italien ließ er sich nicht entgehen: Vom Anhalter Bahnhof in Berlin reiste er 1874 mit der Eisenbahn und Frau Emilie nach Verona, Venedig, Florenz, Rom und Neapel. Er genoss die Annehmlichkeiten des modernen Reisens inklusive reduziertem Rundreisebillett, Baedeker, Gepäckträger, Grandhotel und Absinth im Café. In Notizbüchern und Briefen hielt er seine Beobachtungen fest, die großen Sehenswürdigkeiten in den Museen und die flüchtigen Begegnungen mit den Menschen. Und obwohl Fontane dem Süden gegenüber…mehr

Produktbeschreibung
Einen »Nordlandsmenschen« hat Theodor Fontane sich selbst genannt, doch die Grand Tour durch Italien ließ er sich nicht entgehen: Vom Anhalter Bahnhof in Berlin reiste er 1874 mit der Eisenbahn und Frau Emilie nach Verona, Venedig, Florenz, Rom und Neapel. Er genoss die Annehmlichkeiten des modernen Reisens inklusive reduziertem Rundreisebillett, Baedeker, Gepäckträger, Grandhotel und Absinth im Café. In Notizbüchern und Briefen hielt er seine Beobachtungen fest, die großen Sehenswürdigkeiten in den Museen und die flüchtigen Begegnungen mit den Menschen. Und obwohl Fontane dem Süden gegenüber skeptisch blieb (»Sehnsucht nach Teppich und Doppelfenster!«), finden sich seine Italien-Eindrücke in den großen Romanen wieder: »Das ist ja wie Capri!«, sagt Effi Briest, als sie mit Instetten nach Rügen kommt. In Schach von Wuthenow und L'Adultera befreien sich die Frauen der Gesellschaft in Preußen durch Flucht nach Italien.Dieter Richter folgt Fontanes Spuren sichtlich vergnügt und gewohnt kenntnisreich. Auf den noch nicht ausgetretenen Touristenpfaden entdeckt er bisher unbekannte Verbindungen zwischen Werk und Leben. Mit vielen Abbildungen und zwei erstmals vollständig publizierten Reiseerinnerungen Fontanes aus dem Nachlass.
Autorenporträt
Dieter Richter, geboren 1938 in Hof/Bayern, studierte Germanistik, Altphilologie und Theologie. Von 1972 bis 2004 lehrte er als Professor für Kritische Literaturgeschichte an der Universität Bremen. Bei Wagenbach außerdem lieferbar: »Der Vesuv«, »Goethe in Neapel«, »Das Meer« und »Der Süden«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2019

REISEBUCH
Dichter auf Tour
Theodor Storm hat kleine Kreise gezogen, Friedrich Hölderlin mittlere und Theodor Fontane große:
Wer sich an ihre Fersen heftet, erlebt überraschende Facetten von Europa
VON STEFAN FISCHER
Deutsche Dichter waren gerne auf Reisen. Friedrich Hölderlin und Gottfried Seume sind mutmaßlich sogar am selben Tag aufgebrochen zu zwei legendären Touren: Am 6. Dezember 1801 hat sich Seume zu Fuß nach Syrakus aufgemacht, derweil Hölderlin sich, vielleicht allerdings auch erst tags darauf, in Richtung Bordeaux begeben hat. Anders als bei Seume sind etliche Details dieser Reise nicht exakt gesichert, was etwa die genaue Strecke angeht oder die Frage, welche Etappen Hölderlin zu Fuß zurückgelegt hat.
Thomas Knubben hat sich trotzdem unbeirrt auf den Weg gemacht, zu Fuß von Nürtingen aus an den Atlantik, auch er im Winter. Sein Bericht „Hölderlin. Eine Winterreise“, der nun in einer Sonderausgabe neu aufgelegt worden ist, erzählt von des Dichters Reise, der in Bordeaux eine Stelle als Hauslehrer antreten sollte. Nach wenigen Monaten ist er jedoch zurückgekehrt, die Gründe sind unklar. Womöglich hat er erfahren, dass seine große Liebe Susette Gontard im Sterben lag. Bei der Rückkunft in die schwäbische Heimat war nicht mehr zu übersehen, wie zerrüttet Hölderlins Geisteszustand war.
Je weiter Knubben gen Westen vorankommt, desto mehr schiebt sich seine eigene Reise vor die des Dichters. Es ist eine Wanderung durch die französische Provinz, die „außerhalb der größeren Städte zumeist in einem beklagenswerten Zustand“ sei: keine Cafés, Restaurants, Läden, nicht einmal Bars. In den Wäldern dazwischen gerät Knubben zweimal in Treibjagden, auch das Wetter setzt ihm zu. Aber noch jeden Abend rettet er sich in ein Quartier, zumeist ein Chambre d’hôtes, die französische Ausprägung eines Bed and Breakfast. Die Begegnungen und Gespräche dort werden zum Antrieb durchzuhalten, und sie erzählen eine Geschichte über das Leben in Frankreich jenseits der Metropolen und touristischen Regionen. Sie handelt nicht zuletzt von der Freundlichkeit und auch dem Interesse der Menschen.
Hölderlin selbst hat über diese Reise kaum etwas hinterlassen. Ganz anders Theodor Fontane über seine beiden Italienrundfahrten 1874 und 1875, auf denen er stets rasch Bekanntschaften geschlossen hat – allerdings kaum mit Einheimischen wie Knubben bei seiner Hölderlin-Spurensuche, vielmehr mit anderen Deutschen.
Dieter Richter berichtet darüber in dem sorgsam und anschaulich komponierten Bändchen „Fontane in Italien“ (SZ vom 15. Oktober). Der Reiseschriftsteller, Theaterkritiker und spät zum Romanautor gereifte Fontane ist nicht warm geworden mit dem Süden. Es gebe „wohlthuendere, herzerquickendere Gegenden“, kanzelte er die Landschaft generell ab. Ein Italienreisebuch hat er folgerichtig nie geschrieben – in seinen Romanen allerdings spielt das Land eine immer wieder erhebliche Rolle, als Ziel von Hochzeitsreisen der Figuren und aufgrund seiner Kultur. Richter bringt die Belletristik zusammen mit Tagebucheinträgen von Fontane, der sich selbst als „Nordlandsmenschen“ bezeichnet hat, und seiner Frau Emilie, die ihn auf der ersten dieser beiden Reisen begleitet hat.
Fontane war anglophil, seinen Namen hat er sich erschrieben mit Büchern über England und Schottland. Auszüge aus diesen sowie auch späteren Reisetexten bündelt der Band „Theodor Fontane. Mehr als Weisheit aller Weisen galt mir Reisen, Reisen, Reisen“ mit jeweils hilfreichen Einleitungen von Gotthard Erler. Es geht nach Edinburgh und Inverness, nach London, Paris, Amiens, Kopenhagen und eben Italien. Schließlich in die Heimat, an die Ostsee und in die Mark Brandenburg. Die Texte sind so ausgewählt, dass Fontanes Witz zutage tritt. Sie sind auch spannend, weil Fontanes Reisen an der Schwelle stehen zwischen Bildungsreisen, wie sie etwa Goethe unternommen hat, und dem frühen organisierten Massentourismus.
Der Band ist originell illustriert mit Collagen von Carsten Busse, in denen historische Bildnisse sich überlagern. Noch stärker aufs Optische fokussiert sich Hans-Jürgen Gaudeck. Der Berliner Aquarellist hat sich darauf verlegt, literarische Texte, in denen Landschaften charakterisiert werden, zu ergänzen um seine Bilder, die mal eine Übersetzung, mal eine Interpretation, mal auch ein Widerspruch sind zu dem Geschriebenen. Zu Fontane hat Gaudeck seit 2011 bereits drei Bücher veröffentlicht. Sein aktuelles Werk „Wie fließend Silber funkelte das Meer“ taucht ein in Theodor Storms Kosmos. Der ist regional begrenzt, Storm war kein Reisender, beruflich ist der in Husum Geborene bis Potsdam und Thüringen gekommen. Seine Literatur ist ganz der Nordseeküste verhaftet. Gaudeck fängt in seinen Bildern die Gespensterhaftigkeit des „Schimmelreiters“ ein, aber auch viel Heiteres. Es gibt kaum ein Rot in den Aquarellen, dafür das Blau des Himmels und der See, das Grünbraun der Vegetation – und das Gelb des Sonnenlichts, das mal Bestätigung und mal Kontrast ist zu Storms Zeilen.
Gotthard Erler (Hrsg.): Theodor Fontane. Mehr als Weisheit aller Weisen galt mir Reisen, Reisen, Reisen. Faber & Faber Verlag, Leipzig 2019. 224 Seiten, 24 Euro.
Hans-Jürgen Gaudeck: Theodor Storm. Wie fließend Silber funkelte das Meer. Steffen Verlag, Berlin 2019. 84 Seiten, 19,95 Euro.
Thomas Knubben: Hölderlin. Eine Winterreise. Klöpfer, Narr Verlag, Tübingen 2019. 240 Seiten, 34 Euro.
Dieter Richter: Fontane in Italien. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2019. 144 Seiten, 18 Euro.
Theodor Storms Geburtsstadt Husum ist Schauplatz vieler seiner Geschichten.
Foto: Hans-Jürgen Gaudeck
„Wenn der halbe Mond ein karges Licht herabließ, glaubte ich eine dunkle Gestalt zu erkennen“, heißt es in Storms „Schimmelreiter“.
Abbildung: Hans-Jürgen Gaudeck
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2019

Irrungen, Wirrungen

Italien war das Sehnsuchtsziel der Massen, und die Bahn half ihnen, es zu erreichen: Von 1864 bis 1884 verdoppelte sich in Neapel die Zahl der ausländischen Gäste - einer von ihnen war Theodor Fontane, ganz Vertreter dieses bürgerlichen Saeculums. Seine Reisen nach London, Schottland, zu Preußens Schlachtfeldern und in die Mark sind kaum weniger bekannt als die Romane, in denen ebenfalls und viel gereist wird. Dass er zweimal auch in Italien war, von seiner Frau Emilie begleitet, ist wenigen bewusst; dass Goethes Arkadien nicht seines werden würde, damit war zu rechnen. Dieter Richter ist es in einem sehr lesbaren Essay gelungen, die Umstände, die Resonanz und die möglichen Folgen dieser Bildungsreisen in argumentativ klaren Schritten darzulegen sowie die Ambivalenz des Autors gegenüber seinem Ziel verstehbar zu machen und mit dem Autor selbst zu überwinden: Nicht der Vesuv, die Müggelberge sind seine Bestimmung! Er reist kein Jahr, wie das die Alten noch für wahre Bildung nötig hielten, doch er gibt sich ausgesprochen Mühe, schon beim ersten Mal - und er schreibt dabei: Verona, fünf Tage je Venedig und Florenz, 18 Tage Rom und 13 für Neapel; elf Monate darauf noch einmal, nun nach Pisa und in die Emilia Romagna. Zwei dieser Städtebilder ihrer zweiten Reise, zu Pisa und Bologna, hat Richter aus der Handschrift erstmals vollständig ediert. Meist folgten die Fontanes ihrem Baedeker, allemal beim Quartier, ins erste Haus am Platz. Wer mag, kann aus ihrer Neigung bei der Wahl, der "Birreria" in Rom, dem "Bauer-Grünwald" in Venedig, die Sehnsucht nach "dem Deutschen" ablesen, die bisweilen von "den Deutschen", die man traf, gelindert wurde - und geweckt. Der Romancier Fontane trat später auf. Rom hat, als Reiseziel, in seinem großen Werk den Platz, den es in der Gesellschaft Preußens hatte. Als Gradmesser von Bildungswissen oder Herzensgüte und als Ziel von Hochzeitsreisen. In "L'Adultera" wie in "Graf Petöfy", in "Effi Briest" wie im "Stechlin": Stets schafft die italienische Hochzeitsreise Maßstäbe für das Leben in Preußen, für den Protagonisten, mehr noch für den Leser. Und selbst wenn die Hochzeitsreise nicht nach Italien führt, in "Mathilde Möhring" und "Irrungen, Wirrungen", markiert sie vor der Folie des Wunschziels die beschränkten Möglichkeiten ihres Personals. Eine Hochzeitsreise besiegelt gar als bloßes Motiv innerhalb der Erzählung Preußens moralischen Niedergang: Die auf ein Jahr als Camouflage geplante Italien-Reise Schachs von Wuthenow und der pockennarbigen Victoire, die von ihm schwanger ist. Schach entzieht sich seiner Pflicht der falschen Ehre wegen und erschießt sich.

mbe

"Fontane in Italien" von Dieter Richter. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2019. 141 Seiten, einige Abbildungen. Gebunden, 18 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dieter Richter ist ein glänzender Essayist. Für alle, die wissen, dass Arkadien jenseits der Alpen liegt, ist dieses Buch die ideale Lektüre.« Ijoma Mangold, ZDF, über »Der Süden. Geschichte einer Himmelsrichtung«