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Geschenkausgabe im kleinen Format, bedrucktes Ganzleinen mit Lesebändchen.Wer Äußerstes erlebt hat, ist auch zum Äußersten bereit - das zeigt dieser vielfach ausgezeichnete und hoch spannende Roman über zwei Frauen, die sich wie zufällig begegnen und die doch eine gemeinsame Geschichte und vergleichbare Erfahrungen verbindet: Egal welches politische System auch herrscht, Opfer sind immer die Frauen.Der international gefeierte Nummer- 1-Bestseller aus Finnland! Ausgezeichnet unter anderem mit dem Finlandia-Preis, dem Nordischen Literaturpreis und dem Europäischen Buchpreis.
Geschenkausgabe im kleinen Format, bedrucktes Ganzleinen mit Lesebändchen.
Wer Äußerstes erlebt hat, ist auch zum Äußersten bereit - das zeigt dieser vielfach ausgezeichnete und hoch spannende Roman über zwei Frauen, die sich wie zufällig begegnen und die doch eine gemeinsame Geschichte und vergleichbare Erfahrungen verbindet: Egal welches politische System auch herrscht, Opfer sind immer die Frauen.
Der international gefeierte Nummer- 1-Bestseller aus Finnland! Ausgezeichnet unter anderem mit dem Finlandia-Preis, dem Nordischen Literaturpreis und dem Europäischen Buchpreis.
Wer Äußerstes erlebt hat, ist auch zum Äußersten bereit - das zeigt dieser vielfach ausgezeichnete und hoch spannende Roman über zwei Frauen, die sich wie zufällig begegnen und die doch eine gemeinsame Geschichte und vergleichbare Erfahrungen verbindet: Egal welches politische System auch herrscht, Opfer sind immer die Frauen.
Der international gefeierte Nummer- 1-Bestseller aus Finnland! Ausgezeichnet unter anderem mit dem Finlandia-Preis, dem Nordischen Literaturpreis und dem Europäischen Buchpreis.
Sofi Oksanen, geboren 1977, Tochter einer estnischen Mutter und eines finnischen Vaters, studierte Dramaturgie an der Theaterakademie von Helsinki. Mit ihrem dritten Roman "Fegefeuer" gelang ihr der literarische Durchbruch: Der Roman stand monatelang auf Platz eins der finnischen Bestsellerliste, wurde in 38 Länder verkauft und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Finlandia-Preis, dem Nordischen Literaturpreis und dem Europäischen Buchpreis.
Produktdetails
- btb 71304
- Verlag: btb
- Originaltitel: Puhdistus
- Artikelnr. des Verlages: 52459691
- Seitenzahl: 544
- Erscheinungstermin: 9. November 2015
- Deutsch
- Abmessung: 156mm x 101mm x 32mm
- Gewicht: 244g
- ISBN-13: 9783442713042
- ISBN-10: 3442713048
- Artikelnr.: 42685501
Herstellerkennzeichnung
btb Taschenbuch
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Du alte Fliege, wenn ich dich kriege
Von der Allgegenwart der Gewalt und dem weiblichen Talent zur Umkehr: Die schrille Erfolgsautorin Sofi Oksanen hat die traumatische Geschichte Estlands zur Familientragödie verdichtet.
Von Pia Reinacher
Schrill und intellektuell, knallig und ernsthaft: wer Bilder Sofi Oksanens betrachtet, ist erst einmal verblüfft über die widersprüchliche Selbstinszenierung dieser Schriftstellerin und Dramaturgin in der Öffentlichkeit. Halb düstere Gothic-Göttin, halb luftige Märchenfee oder extravagante Diva, setzt sich die finnisch-estnische Bestsellerautorin mit allen weiblichen Reizen in Positur. Die verfilzten Dreadlocks sind kunstvoll zu einem Kopfputz drapiert, Augen und Mund
Von der Allgegenwart der Gewalt und dem weiblichen Talent zur Umkehr: Die schrille Erfolgsautorin Sofi Oksanen hat die traumatische Geschichte Estlands zur Familientragödie verdichtet.
Von Pia Reinacher
Schrill und intellektuell, knallig und ernsthaft: wer Bilder Sofi Oksanens betrachtet, ist erst einmal verblüfft über die widersprüchliche Selbstinszenierung dieser Schriftstellerin und Dramaturgin in der Öffentlichkeit. Halb düstere Gothic-Göttin, halb luftige Märchenfee oder extravagante Diva, setzt sich die finnisch-estnische Bestsellerautorin mit allen weiblichen Reizen in Positur. Die verfilzten Dreadlocks sind kunstvoll zu einem Kopfputz drapiert, Augen und Mund
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maskenhaft stark bemalt. Oft tritt sie in bis zum Boden wallenden Wickelkleidern auf, die mit roten Stöckelschuhen kombiniert werden. Nichts an dieser überreizten Inszenierung ist dem Zufall überlassen. Selbst der Riss im Bild scheint einkalkuliert. Die grünen Augen hinter dem Metallbrillengestell einer Musterschülerin blicken ruhig und kraftvoll auf die Welt. Und dieser entschlossene Blick setzt alle vorschnellen Einordnungen des exzentrischen Outfits wieder außer Kraft.
Sofi Oksanens in Finnland sehr erfolgreicher Roman "Fegefeuer" thematisiert die traumatische Geschichte Estlands im Zweiten Weltkrieg, dessen Bevölkerung zwischen die Fronten der Großmächte geriet und dabei förmlich zerquetscht wurde. Um die Schmerzerfahrung und die fatale Ausweglosigkeit des verratenen und sich selbst verratenden Volkes darzustellen, verklammert Sofi Oksanen das Bedeutende mit dem Unbedeutenden; das Politische mit dem Privaten; die Geschichte eines geschundenen Landes mit dem misshandelten Körper zweier unterschiedlicher Frauenfiguren; das von Krieg, Okkupation, Genozid und Deportation traumatisierte Estland mit der Tragödie einer ganzen Familie.
Die vom Leben gebeutelte und illusionslos gewordene Aliide Tru findet 1992, ein Jahr nach der Befreiung des Landes aus den Fängen der Sowjetunion, im Garten ihres Bauernhauses in einem estnischen Dorf die halbtote Zara - zufällig, wie sie zunächst glaubt. Das malträtierte Mädchen, eine Russin aus Wladiwostok, das von ihrer Großmutter Estnisch lernte, hatte sich aus Berlin hierhergeflüchtet. Erst durch den Mord an ihrem Zuhälter gelang ihr die Befreiung von den Qualen sexueller Ausbeutung. Mit dem Versprechen auf viel Geld hatte sie sich leichtgläubig aus Sibirien in die deutsche Hauptstadt locken lassen - weg von der Mutter, unter deren apathischer Stummheit und Lieblosigkeit sie eine Kindheit lang litt. Rettungslos verstrickt im Netz von Brutalität, Ausbeutung und Drogen, flüchtet sie intuitiv dahin, woher ihre Familie ursprünglich stammte und wo sie einmal ein schönes Leben kannte - nach Estland. Trotz abgrundtiefem Misstrauen nimmt die hart gewordene Frau das Mädchen in ihr Haus auf und erweckt es langsam wieder zum Leben.
Die stockende, argwöhnische Bewegung der beiden ungleichen Frauen aufeinander zu geschieht unwillkürlich, schicksalshaft, instinktgesteuert. Beide haben sie unter Despotismus, Demütigung und Ausbeutung gelitten: das Mädchen als Kind einer vom Krieg traumatisierten und deportierten Mutter und später als Prostituierte. Die alte Frau durch das Martyrium von Verhör, Vergewaltigung und Folter, das sie während der kommunistischen Okkupation wegen Unterstützung von Widerstandskämpfern erleiden musste. Sie beschützte ihre Schwester und deren Mann, in den sie selbst verliebt war, vorerst und versteckte sie in ihrem Haus. Später verriet sie aus Groll über die verschmähte Liebe ihre Schwester und deren Tochter und lieferte sie damit der Deportation nach Sibirien aus.
Diese Geschichte einer Familie, deren moralische Grundfesten durch die schleichende Infizierung mit dem Bösen immer mehr zerfallen, verspiegelt Sofi Oksanen mit der Geschichte Estlands, die eine jahrzehntelange Tragödie von Verrat, Fremdbestimmung und Terror ist. Nach und nach dämmert dem Leser, dass zwischen den beiden Frauen, beinahe fünfzig Jahre nach Kriegsende, der letzte Akt einer Familientragödie gespielt wird. Sofi Oksanen hat für ihre Protagonistinnen eine ganz besondere Rolle vorgesehen. Wie misstrauisch sich die junge und die alte Frau auch begegnen, wie bedroht sie sich gegenseitig fühlen, so begreifen sie doch mit der Zeit, dass sie Opfer und Täter ein und desselben Dramas geworden sind. Zara nämlich ist die Enkelin der vertriebenen Schwester Aliides, die von dieser in die Verbannung geschickt wurde.
Dass sie dabei die Falle des Geschlechter-Klischees vermeidet, macht ihre Botschaft umso eindringlicher. Diese Frauen taugen nicht zur Galionsfigur einer übersteigerten feministischen Ideologie. Dazu ist ihr Verhalten zu widersprüchlich, der eigene Anteil an der Schuld zu groß. Der Riss von Hass und Verderben geht auch durch sie. Aber sie setzt auf die weibliche Fähigkeit zur Läuterung und Umkehr. Oksanen demonstriert an den beiden Frauenfiguren die letzten Zuckungen des Monströsen - doch sie traut dem Weiblichen auch die Kraft zur Versöhnung und zur Heilung zu. Diesen geknechteten, aber durch ihr Martyrium stark gewordenen Frauen hat sie die Rollen der Emanzipation von Gewalt und Herrschaft förmlich auf den Leib geschrieben. Ihnen schreibt sie den unbändigen Willen zu, über sich selbst hinaus wachsen, das Gesetz von Repression und Terror außer Kraft zu setzen und die Wunden zu heilen. Es ist der Glaube an eine weibliche Urkraft, die sich in dieser Botschaft verrät - eine lautstarke Demonstration des Femininen angesichts des zerstörerisch Männlichen.
Dieser Roman wirkt wie eine Bildmaschine, die ihre verstörenden, grausamen, hyperrealistischen Bilder hinausschleudert und damit Ekel, Zorn, Abstoßung, Angst und Verwunderung provoziert. Denn dass man das Buch mit Genuss lesen würde, wäre irreführend. Denn dem Leser wird nichts erspart. Nicht die Faszination und die Fratze der Gewalt. Nicht die Einsicht in die Allgegenwärtigkeit des Bösen. Nicht die Konfrontation mit den monströsen Wechselfällen des Lebens.
Nichts geschieht in diesem Roman ohne die auktoriale Regie der Autorin. Je länger, desto gebannter entdeckt man, dass der Text ein engmaschiges Gewebe von Verweisen, Symbolen, Indizien, Spiegelungen und Verstrebungen ist. Noch das abseitigste Detail entpuppt sich als zeichenhaft aufgeladene Andeutung, die im Kern das historische Planspiel vorausdeutet. Die harmlose Fliege mit den hauchdünnen Flügeln, die auf den ersten Seiten des Romans durch die Küche der alten Frau schwirrt, die Eier, mit denen sie Fleisch und Eingemachtes infiziert, die kalte Wut der Frau, mit der sie dem Tier nach dem Leben trachtet und der vom vielen Anfassen glatt gewordene Holzstiel der Klatsche, mit dem es nach langer Verfolgung erschlagen wird - alles gerinnt zum grotesken Zeichen einer von Gewalt, Hass und Zerstörung regierten Welt. Gewiss, ab und zu übertreibt es die Autorin mit der Symbolträchtigkeit. Auch der eine oder andere graziöse Kitsch aus der Märchenkiste lässt sich nicht ganz wegleugnen - aber er ist doch nie so, dass die Wucht des Erzählten beschädigt würde.
Sofi Oksanen ist mit "Fegefeuer" ein imponierender Wurf gelungen. Mit dem monumentalen historischen Panorama legt sie ein eindringliches und ergreifendes, packendes und empörendes Dokument zur Geschichte des estnischen Volkes vor. Ohne Beschönigung und Pathos konfrontiert sie ihre Leser mit den beschämenden historischen Fakten. Ihr Archiv des Schreckens enthüllt mit einem Schlag, welch unauslöschlichen Verletzungen die grandiosen politischen Schachzüge für immer in den Seelen der Einzelnen einbrannten. Das ist Geschichtsschreibung aus der Perspektive der Erleidenden, die mit ihren brillantesten Möglichkeiten vorführt, was Literatur zu leisten vermag.
Sofi Oksanen: "Fegefeuer". Roman. Aus dem Finnischen von Angela Plöger. Verlag Kiepenheuer & Witsch,. Köln 2010. 400 S., geb., 19. 95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sofi Oksanens in Finnland sehr erfolgreicher Roman "Fegefeuer" thematisiert die traumatische Geschichte Estlands im Zweiten Weltkrieg, dessen Bevölkerung zwischen die Fronten der Großmächte geriet und dabei förmlich zerquetscht wurde. Um die Schmerzerfahrung und die fatale Ausweglosigkeit des verratenen und sich selbst verratenden Volkes darzustellen, verklammert Sofi Oksanen das Bedeutende mit dem Unbedeutenden; das Politische mit dem Privaten; die Geschichte eines geschundenen Landes mit dem misshandelten Körper zweier unterschiedlicher Frauenfiguren; das von Krieg, Okkupation, Genozid und Deportation traumatisierte Estland mit der Tragödie einer ganzen Familie.
Die vom Leben gebeutelte und illusionslos gewordene Aliide Tru findet 1992, ein Jahr nach der Befreiung des Landes aus den Fängen der Sowjetunion, im Garten ihres Bauernhauses in einem estnischen Dorf die halbtote Zara - zufällig, wie sie zunächst glaubt. Das malträtierte Mädchen, eine Russin aus Wladiwostok, das von ihrer Großmutter Estnisch lernte, hatte sich aus Berlin hierhergeflüchtet. Erst durch den Mord an ihrem Zuhälter gelang ihr die Befreiung von den Qualen sexueller Ausbeutung. Mit dem Versprechen auf viel Geld hatte sie sich leichtgläubig aus Sibirien in die deutsche Hauptstadt locken lassen - weg von der Mutter, unter deren apathischer Stummheit und Lieblosigkeit sie eine Kindheit lang litt. Rettungslos verstrickt im Netz von Brutalität, Ausbeutung und Drogen, flüchtet sie intuitiv dahin, woher ihre Familie ursprünglich stammte und wo sie einmal ein schönes Leben kannte - nach Estland. Trotz abgrundtiefem Misstrauen nimmt die hart gewordene Frau das Mädchen in ihr Haus auf und erweckt es langsam wieder zum Leben.
Die stockende, argwöhnische Bewegung der beiden ungleichen Frauen aufeinander zu geschieht unwillkürlich, schicksalshaft, instinktgesteuert. Beide haben sie unter Despotismus, Demütigung und Ausbeutung gelitten: das Mädchen als Kind einer vom Krieg traumatisierten und deportierten Mutter und später als Prostituierte. Die alte Frau durch das Martyrium von Verhör, Vergewaltigung und Folter, das sie während der kommunistischen Okkupation wegen Unterstützung von Widerstandskämpfern erleiden musste. Sie beschützte ihre Schwester und deren Mann, in den sie selbst verliebt war, vorerst und versteckte sie in ihrem Haus. Später verriet sie aus Groll über die verschmähte Liebe ihre Schwester und deren Tochter und lieferte sie damit der Deportation nach Sibirien aus.
Diese Geschichte einer Familie, deren moralische Grundfesten durch die schleichende Infizierung mit dem Bösen immer mehr zerfallen, verspiegelt Sofi Oksanen mit der Geschichte Estlands, die eine jahrzehntelange Tragödie von Verrat, Fremdbestimmung und Terror ist. Nach und nach dämmert dem Leser, dass zwischen den beiden Frauen, beinahe fünfzig Jahre nach Kriegsende, der letzte Akt einer Familientragödie gespielt wird. Sofi Oksanen hat für ihre Protagonistinnen eine ganz besondere Rolle vorgesehen. Wie misstrauisch sich die junge und die alte Frau auch begegnen, wie bedroht sie sich gegenseitig fühlen, so begreifen sie doch mit der Zeit, dass sie Opfer und Täter ein und desselben Dramas geworden sind. Zara nämlich ist die Enkelin der vertriebenen Schwester Aliides, die von dieser in die Verbannung geschickt wurde.
Dass sie dabei die Falle des Geschlechter-Klischees vermeidet, macht ihre Botschaft umso eindringlicher. Diese Frauen taugen nicht zur Galionsfigur einer übersteigerten feministischen Ideologie. Dazu ist ihr Verhalten zu widersprüchlich, der eigene Anteil an der Schuld zu groß. Der Riss von Hass und Verderben geht auch durch sie. Aber sie setzt auf die weibliche Fähigkeit zur Läuterung und Umkehr. Oksanen demonstriert an den beiden Frauenfiguren die letzten Zuckungen des Monströsen - doch sie traut dem Weiblichen auch die Kraft zur Versöhnung und zur Heilung zu. Diesen geknechteten, aber durch ihr Martyrium stark gewordenen Frauen hat sie die Rollen der Emanzipation von Gewalt und Herrschaft förmlich auf den Leib geschrieben. Ihnen schreibt sie den unbändigen Willen zu, über sich selbst hinaus wachsen, das Gesetz von Repression und Terror außer Kraft zu setzen und die Wunden zu heilen. Es ist der Glaube an eine weibliche Urkraft, die sich in dieser Botschaft verrät - eine lautstarke Demonstration des Femininen angesichts des zerstörerisch Männlichen.
Dieser Roman wirkt wie eine Bildmaschine, die ihre verstörenden, grausamen, hyperrealistischen Bilder hinausschleudert und damit Ekel, Zorn, Abstoßung, Angst und Verwunderung provoziert. Denn dass man das Buch mit Genuss lesen würde, wäre irreführend. Denn dem Leser wird nichts erspart. Nicht die Faszination und die Fratze der Gewalt. Nicht die Einsicht in die Allgegenwärtigkeit des Bösen. Nicht die Konfrontation mit den monströsen Wechselfällen des Lebens.
Nichts geschieht in diesem Roman ohne die auktoriale Regie der Autorin. Je länger, desto gebannter entdeckt man, dass der Text ein engmaschiges Gewebe von Verweisen, Symbolen, Indizien, Spiegelungen und Verstrebungen ist. Noch das abseitigste Detail entpuppt sich als zeichenhaft aufgeladene Andeutung, die im Kern das historische Planspiel vorausdeutet. Die harmlose Fliege mit den hauchdünnen Flügeln, die auf den ersten Seiten des Romans durch die Küche der alten Frau schwirrt, die Eier, mit denen sie Fleisch und Eingemachtes infiziert, die kalte Wut der Frau, mit der sie dem Tier nach dem Leben trachtet und der vom vielen Anfassen glatt gewordene Holzstiel der Klatsche, mit dem es nach langer Verfolgung erschlagen wird - alles gerinnt zum grotesken Zeichen einer von Gewalt, Hass und Zerstörung regierten Welt. Gewiss, ab und zu übertreibt es die Autorin mit der Symbolträchtigkeit. Auch der eine oder andere graziöse Kitsch aus der Märchenkiste lässt sich nicht ganz wegleugnen - aber er ist doch nie so, dass die Wucht des Erzählten beschädigt würde.
Sofi Oksanen ist mit "Fegefeuer" ein imponierender Wurf gelungen. Mit dem monumentalen historischen Panorama legt sie ein eindringliches und ergreifendes, packendes und empörendes Dokument zur Geschichte des estnischen Volkes vor. Ohne Beschönigung und Pathos konfrontiert sie ihre Leser mit den beschämenden historischen Fakten. Ihr Archiv des Schreckens enthüllt mit einem Schlag, welch unauslöschlichen Verletzungen die grandiosen politischen Schachzüge für immer in den Seelen der Einzelnen einbrannten. Das ist Geschichtsschreibung aus der Perspektive der Erleidenden, die mit ihren brillantesten Möglichkeiten vorführt, was Literatur zu leisten vermag.
Sofi Oksanen: "Fegefeuer". Roman. Aus dem Finnischen von Angela Plöger. Verlag Kiepenheuer & Witsch,. Köln 2010. 400 S., geb., 19. 95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Andreas Breitenstein ist von diesem Roman schlicht hingerissen. Das weit gefasste Thema, die literarische Umsetzung - im fällt dazu nur ein Vergleich ein: Pasternaks "Doktor Schiwago". Sofi Oksanen verarbeitet in ihrem Familienroman die ganze tragische Geschichte Estlands im 20. Jahrhundert. Der Einmarsch der Russen 1940 und die beginnende Gleichschaltung, der Russlandfeldzug der Deutschen, den viele Balten unterstützten, weil es eben gegen die Russen ging. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele Esten deportiert. Darunter befanden sich auch solche, die sich an der Vernichtung der Juden beteiligt hatten. Dies alles und mehr packt Oksanen in ihren Roman, der in den Zeitabschnitten 1939 bis 1951 und 1991 bis 1992 spielt, erzählt Breitenstein. Die Hauptfiguren sind zwei Frauen, die auf ganz unterschiedliche Art traumatisiert sind. Doch sind es nicht einfach Opfer, sondern schuldbeladene Opfer. Breitenstein ist hoch beeindruckt, mit welcher Dichte Oksanen Szenen und Figuren beschreibt. Kein Wunder, war der Roman doch eigentlich zuerst ein Theaterstück. Von dieser Autorin erwartet Breitenstein jedenfalls noch "galaktische Ereignisse".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
» Fegefeuer ist ein kühner, grandios geschriebener und auch perfekt übersetzter Roman zur rechten Zeit. Man kann ihn neben Imre Kertész ins Regal stellen« Frankfurter Rundschau
"Mit einem Ton, der sich zwischen Ian McEwans 'Abbitte' und den allerbesten Schriftstellern Europas bewegt, verspricht dieser bittere Edelstein großartige Dinge von der talentierten Sofi Oksanen." Kirkus Reviews
Gebundenes Buch
Sofi Oksanen hat mit "Fegefeuer" einen Roman geschrieben, der wahrlich unter die Haut geht.
Die alte Aliide Tru findet auf 1992 auf ihrem Hof in Estland eine verwahrloste junge Frau, Zara. Während sich die beiden annähern, wird schnell klar, dass Zara vor ihrem Mann und seinen …
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Sofi Oksanen hat mit "Fegefeuer" einen Roman geschrieben, der wahrlich unter die Haut geht.
Die alte Aliide Tru findet auf 1992 auf ihrem Hof in Estland eine verwahrloste junge Frau, Zara. Während sich die beiden annähern, wird schnell klar, dass Zara vor ihrem Mann und seinen Misshandlungen geflohen ist. Alliide weiß nicht, ob sie der jungen Frau trauen kann, hat sie doch selbst vor 50 Jahren ihre Erfahrungen mit den russischen Besatzern gemacht.
Mal lakonisch, mal mit herb-abstoßendem Ton erzählt Sofi Oksanen das Leben der beiden Frauen. Sehr gute Lektüre.
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Broschiertes Buch
Eine Familiengeschichte erzählt über drei Generationen und vier politischen Systemen. Neben einigen geschichtlichen Fakten eines kleinen Landes am Rande Europas, werden mögliche Verstrickungen innerhalb einer Familie mit den Zuständen in den Diktaturen des 20. Jh. verbunden. …
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Eine Familiengeschichte erzählt über drei Generationen und vier politischen Systemen. Neben einigen geschichtlichen Fakten eines kleinen Landes am Rande Europas, werden mögliche Verstrickungen innerhalb einer Familie mit den Zuständen in den Diktaturen des 20. Jh. verbunden. Ganz aktuell werden die Probleme einer jungen Generation nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems beschrieben. Der Aufbruch in eine neue Ära mit den Erfahrungen und sozialen Prägungen aus einer untergegangenen Zeit erzeugen bei den 2 Protagonistinnen , wie nicht anders zu erwarten, ganz unterschiedliche Verhaltensweisen.<br />Ein spannend geschriebenes, mit teilweiser brutaler Sprache bei der Darstellung unvorstellbarer Geschehnisse. Man gerät in einen Sog von Geschichten, die den Lesern packen und z.T. schon vermuten lassen, dass einige Abgründe bevorstehen.
Der Leser kann Zusammenhänge innerhalb einer Familie erkennen, die den handelnden Personen wahrscheinlich für immer verborgen bleiben. Das erzeugt eine ungeheure Spannung und macht den Leser zu einem ungewollten Mitwisser.
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Gebundenes Buch
Das beste Buch, dass ich je gelesen habe. Und ich dachte politsches würde mich wenig interessieren... falsch gedacht. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen. Man versetzt sich voll und ganz in diese Geschichte rein, man will das Buch nicht zur Seite legen, man kann die Handlungen, Ängste und …
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Das beste Buch, dass ich je gelesen habe. Und ich dachte politsches würde mich wenig interessieren... falsch gedacht. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen. Man versetzt sich voll und ganz in diese Geschichte rein, man will das Buch nicht zur Seite legen, man kann die Handlungen, Ängste und Gedanken der beiden Frauen voll und ganz nachvollziehen, man denkt über die Geschichte nach auch wenn man mit total anderen Dingen als Lesen beschäftigt ist. Dieses Buch regt stark zum Nachdenken an und sowas ist eine sehr gelungene Nebenwirkung! :)
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Broschiertes Buch
Eine Ahnung vom Ende
Die finnische Autorin Sofi Oksanen hat die Handlung ihres dritten Romans «Fegefeuer», dem ein Jahr vorher ein gleichnamiges Theaterstück vorausging, in Estland angesiedelt, dem sie durch ihre estnische Mutter verbunden ist und dessen Sprache sie beherrscht. …
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Eine Ahnung vom Ende
Die finnische Autorin Sofi Oksanen hat die Handlung ihres dritten Romans «Fegefeuer», dem ein Jahr vorher ein gleichnamiges Theaterstück vorausging, in Estland angesiedelt, dem sie durch ihre estnische Mutter verbunden ist und dessen Sprache sie beherrscht. Als ausgewiesene Feministin angesehen, sind ihre bisherigen Themen konsequent frauenbezogen gewesen, sie widmen sich Problemen wie Gleichberechtigung oder Gewalt gegen Frauen in patriarchalisch geprägten Gesellschaften. Schon der Titel dieses autofiktiven Romans, in dem sie Autobiografisches mit Erfundenem vermischt, deutet voraus, dass es um Unerquickliches gehen dürfte, dass die Hölle darin zur Realität wird, und diese Hölle heißt hier UDSSR. Die zornige Autorin scheut sich nicht vor schwierigen Themen, das kommunistische System, nach ihren eigenen Worten eines der schlimmsten der Weltgeschichte, sei bisher im Gegensatz zum Nationalsozialismus viel zu selten thematisiert worden.
Zara, eine junge russische Prostituierte, landet auf der Flucht vor ihren brutalen Zuhältern bei Aliide, einer alten Bäuerin in Estland. Widerwillig nimmt diese die geschundene junge Frau auf und versteckt sie in ihrem Haus. Erst allmählich stellt sich heraus, dass Zara nicht zufällig bei Aliide Unterschlupf gesucht hat, ihre Oma ist deren Schwester. Diesem nur wenige Tage im Jahre 1992 dauernden Handlungsstrang, also nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Unabhängigkeit Estland, steht ein zweiter gegenüber, der zeitlich mehr als vierzig Jahre zurückliegt und Aliides Leben als junge Frau schildert. Deren Schwester heiratet Hans, einen estnischen Nationalisten, und stürzt sie damit in ein lebenslanges Trauma, war Hans doch ihr Märchenprinz. Sie selbst heiratet später einen kommunistischen Apparatschik, und in einer spannenden Geschichte um Schicksal, Gewalt, Eifersucht, Verrat, Angst und Scham schält sich nach und nach das Bild einer menschlichen Tragödie heraus, die sich damals abgespielt hat, während Stalins Schreckensherrschaft. Bei dieser kurzen Skizzierung will ich es bewenden lassen, mehr zu verraten wäre einfach unfair den potentiellen Lesern gegenüber.
Die Autorin versteht es meisterhaft, mit einfacher Sprache verwickelte Zusammenhänge zu schildern, sie erweitert immer nur fein dosiert mit zusätzlichen Details ihr fiktionales Werk, das sich dann allmählich puzzleartig zu einem Panorama fügt. Und trotz der sprachlichen Schlichtheit schafft sie es, ihre Figuren und das Umfeld, in dem sie leben, glaubhaft und plastisch vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen, das Rotlicht-Milieu in Berlin ebenso wie das Landleben in Estland. Ähnlich polarisierend sind auch ihre beiden Protagonistinnen angelegt, Russin aus Wladiwostok gegen Estin, Jung gegen Alt, Nutte gegen Bäuerin, und die zwei wichtigen Männerfiguren sind ebenfalls konträr, estnischer Nationalist gegenüber sowjetischem Apparatschik. All das verleiht der atmosphärisch dicht erzählten Geschichte eine zusätzliche Dramatik. In Form der erlebten Rede rekapitulieren ihre Figuren häufig das Geschehene und dessen Hintergründe, eine detektivische Methode zur Klärung des Erkenntnisstands, die auch dem Leser hilft, den Durchblick zu behalten. Ergänzend werden Tagebucheinträge des untergetauchten estnischen Nationalisten eingeblendet, letzte Klärung bringen dann viele am Ende des Romans angefügte KGB-Dossiers, die das fünfte Kapitel bilden, ein raffinierter Schluss, der dem Roman fast so etwas wie Authentizität verleiht.
Ohne Pathos stellt Oksanen mit ihrem großartigen Roman geschundene Frauen in den Mittelpunkt, denen jedwedes Grundvertrauen abhanden gekommen ist, die ihr Martyrium mit unglaublicher Zähigkeit ertragen, es mutig abzuwenden versuchen und dabei selbst auch nicht schuldlos bleiben. Trotz der menschlichen Abgründe, in die uns Sofi Oksanen blicken lässt, trotz aller brutalen Härte, ist am Ende ihres raffinierten Psychodramas ein versöhnlicher Ausgang immerhin zu erahnen.
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Gebundenes Buch
Es ist lange her, seit ich das letzte Mal solch ein faszinierendes, wenn auch heftiges Buch in den Händen halten durfte. Der meiner Ansicht nach zurecht vielfach ausgezeichneter Roman erzählt die Geschichte einer einsamen alten Frau, die während des zweiten Weltkriegs in der …
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Es ist lange her, seit ich das letzte Mal solch ein faszinierendes, wenn auch heftiges Buch in den Händen halten durfte. Der meiner Ansicht nach zurecht vielfach ausgezeichneter Roman erzählt die Geschichte einer einsamen alten Frau, die während des zweiten Weltkriegs in der Estnischen Sowjetrepublik furchtbares erleben muss und die die Geschehnisse rückblickend verarbeitet. Der Roman ist zwischen 1936 bis 1992 angesiedelt, die Zeitsprünge die der Leser bei jedem Kapitel erfährt, wecken tiefe und widersprüchliche Gefühle, nebenbei lernt man etwas über die Geschichte des besetzten Estlands kennen, über die kommunistischen Ideologien und deren Lücken.
Der finnischen Autorin gelingt es eine unbeschreibliche Atmosphäre zu schaffen, teilweise hält man den Atem an, die Hände werden feucht und das Herz rast. Die Ereignisse werden mit solch eindringlicher Härte niedergeschrieben, dass man oft das Buch erschöpft zur Seite legen muss. Frau Oksanen mutet uns diese Brutalität zu, zwar geht sie nicht bis zum Letzten , entlässt jedoch den Leser mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. Dieses Buch werde ich mit Sicherheit noch einmal lesen.
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