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Die Werkausgabe, deren erste drei Bände im Herbst 2003 mit großer Resonanz in Presse und öffentlichkeit erschienen sind, präsentiert zum ersten Mal sämtliche zu Lebzeiten des Autors zur Veröffentlichung freigegebenen Werke - von den frühen, noch nie in Buchform erschienenen Arbeiten über die großen Romane und Stücke bis zu der späten, bislang nur in Zeitungen und Zeitschriften aufgenommenen Prosa. Revidiert und kritisch durchgesehen, folgt die Ausgabe streng der Intention des Autors. Ein weiteres Novum jedes Bandes ist seine im Nachwort wiedergegebene Entstehungsgeschichte, sein Ort im…mehr

Produktbeschreibung
Die Werkausgabe, deren erste drei Bände im Herbst 2003 mit großer Resonanz in Presse und öffentlichkeit erschienen sind, präsentiert zum ersten Mal sämtliche zu Lebzeiten des Autors zur Veröffentlichung freigegebenen Werke - von den frühen, noch nie in Buchform erschienenen Arbeiten über die großen Romane und Stücke bis zu der späten, bislang nur in Zeitungen und Zeitschriften aufgenommenen Prosa. Revidiert und kritisch durchgesehen, folgt die Ausgabe streng der Intention des Autors. Ein weiteres Novum jedes Bandes ist seine im Nachwort wiedergegebene Entstehungsgeschichte, sein Ort im Bernhardschen Kontinent sowie seine Wirkungsgeschichte. Als zusätzliche Besonderheit werden die neun großen Romane Bernhards in Einzelausgaben vorgestellt.
Nach den Bänden 1, 2 und 14 folgen im Mai 2004 der Band 11 Erzählungen I und der Band 15 Dramen I.
Autorenporträt
Thomas Bernhard, 1931 in Heerlen (Niederlande) geboren, starb im Februar 1989 in Gmunden (Oberösterreich). Er zählt zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern und wurde unter anderem 1970 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1972 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Suhrkamp Verlag publiziert eine Werkausgabe in 22 Bänden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2001

Allegorisches Grübeln
Formwillen: Thomas Bernhards Kurzprosa, didaktisch kommentiert

Die "Suhrkamp BasisBibliothek" hat sich längst einen Namen gemacht. Als "Arbeitstexte für Schule und Studium" präsentiert der Suhrkamp Verlag diese Zusammenarbeit mit dem Schulbuchverlag Cornelsen. Doch nicht nur prüfungsgepeinigte Proseminaristen treibt es in die Arme der vielschichtig angelegten Didaktik, mit der diese unprätentiösen Bändchen aufwarten. Auch Lehrer und Liebhaber vertrauen sich gerne den jeweiligen Kommentatoren an, zumal die Bände mit erschöpfenden Hintergrundinformationen, Zeittafeln, Entstehungsgeschichten, Rezeptionsgeschichten, Erklärungsmodellen, Interpretationsskizzen, Wort- und Sacherläuterungen und Literaturhinweisen gespickt sind.

Auch der neueste Band der Reihe, Thomas Bernhards Erzählungen, schickt den Leser wohlpräpariert in die Lektüre. Das Buch reiht sich qualitativ ins Mittelfeld der bisher erschienenen Bände der Reihe. Klugen Erläuterungen zur Verortung der Einzeltexte im Gesamtwerk Bernhards und zu leitmotivischen Zusammenhängen stehen unübersehbare Mängel gegenüber: übertriebene Erklärungen von Austriazismen, Neigung zum "name-dropping", terminologische Assoziationsfreudigkeit ("allegorisches Grübeln"), das Übersehen von Anspielungen im Kommentarteil (zum Beispiel auf Kleist in "Der Zimmerer") und die Unklarheit über die Motivation gerade dieser Auswahl - obgleich der etwas rhapsodischen "Begründung der Auswahl" ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Warum fehlt beispielsweise die Erzählung "An der Baumgrenze", die thematisch und stilistisch so viel von Bernhards kürzeren Werken in sich vereinigt?

All das schmälert aber nicht das Verdienst, einen Autor, der in unseren Bildungsanstalten keinen leichten Stand hat, in verträglichen Portionen verdaulich gemacht zu haben. Eine unverzichtbare Sensibilisierung für den Formwillen der Kurzprosa Bernhards leisten beispielsweise die schlichten und treffenden Hinweise zu "Form und Genese modernen Erzählens" und zu Bernhards sprachlichen und thematischen Gravitationszentren im Kommentarteil. Gerade durch diese Vorbereitung wird sich der Leser vorbehaltloser den Exzessen der längeren Prosa des Übertreibungskünstlers ausliefern können.

Die Wahl des falschen Plurals von Trauma im Kommentarteil mag durchaus seine Berechtigung haben, durchwaltet doch den Bernhardschen Textkörper ein einziges Trauma: die Sprachlosigkeit als Sprachexzeß. Mit den Worten des Über- und Bewältigungswerks "Auslöschung": "Die großen Existenzüberbrücker sind immer die großen Übertreibungskünstler gewesen."

BERNHARD MALKMUS

Thomas Bernhard: "Erzählungen". Herausgegeben und kommentiert von Hans Höller. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 200 S., br., 15,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2004

Leise rieselt der Schnee
Die ersten Bände der großen Thomas Bernhard-Werkausgabe
Ein Knabe geht mit drei Christkerzen durch den Wald. Unter seinen „festen Schritten knirschte der kristallene Schnee und im Mondlicht dampfte der Atem”. Die Sterne stehen strahlend am Himmel. Es ist der Abend vor Weihnachten. In einer Kirche versenkt sich das Kind in drei Heiligenfiguren. Sie führen den Jungen zu den „sieben Tannen, die die Welt bedeuten”. Während die Tannen der Schönheit, der Wahrheit, der Reinheit, der Vernunft und des Glaubens recht gesund aussehen, sind die Hoffnung und die Liebe etwas mickrig geraten. Dennoch: „Alles war wunderschön.” Der Junge beschließt, die „Liebe” und die „Hoffnung” fortan zu pflegen, und ist dadurch, wie sich das im Märchen gehört, „von allen der Glücklichste”.
Die Erzählung erscheint 1952 und 1953 fünfmal in österreichischen Tageszeitungen. Es ist der bis dahin erfolgreichste Text eines Autors, dem die Kritik später seine „radikal einseitigen” und „schwarzseherischen Ansichten”, seine Lust an der Zerstörung und „ihrer exhibitionistischen Darstellung” vorwerfen wird. Kurz: Es ist der erfolgreichste Text des frühen Thomas Bernhard.
Kristallener Schnee? Glitzernde Sterne? Romantisches Mondlicht? Liebe, Hoffnung und Glück? Wie passt das zu einem Dichter, dessen literarische Weltuntergangsbilder von verkrüppelten Geistern, inzestuösen Missgeburten und viehischer Stumpfheit dominiert werden? Wie passt die versöhnliche und süße Harmonie zum Alpen-Beckett, dessen Tiraden gegen Gott und die Welt zu den wüstesten, kraftvollsten und schönsten Hassausbrüchen der Weltliteratur gehören? Die neue Bernhard-Werkedition, betreut von Martin Huber und Wendelin Schmidt-Dengler, gibt ihren Lesern in den drei ersten Bänden solche Fragen auf und präsentiert einen neuen Bernhard.
Im doppelten Märchenwald
Zu Bernhard verhält man sich sehr schnell so, wie der Maler Straub, die Hauptfigur im Roman „Frost”, gegenüber seiner Umgebung: „Es wird einem ein Mensch vorgestellt, und man hat über diesen Menschen bereits die Akten geschlossen. Der Mensch kann dann sagen, was er will, . . . er kann nicht mehr heraus.” Es ist deshalb ein kluger Eröffnungszug der Herausgeber, dass sie die beiden Romane „Frost” und „Verstörung”, die nach dem Willen des Autors den Leser „ins Grauen hineintreiben sollen und das Bernhard-Bild nachhaltig geprägt haben, dass sie diese maßlos kalten, irritierenden Produkte einer von der Welt bedrängten und die Welt verdrängenden Phantasie mit dem vorgezogenen vierzehnten Band der Werkausgabe – „Erzählungen” und „Kurzprosa” – gemeinsam edieren. Denn dieser Band enthält Texte, die entweder wenig oder gar nicht bekannt sind und die ihr Autor nach dem Neueinsatz seines Werks zu Beginn der 1960er Jahre nicht mehr zu seinem Œuvre gezählt wissen wollte.
Die „Frühen Erzählungen” zeigen einen Schriftsteller in der klassischen Tradition novellistischen und parabelhaften Schreibens. Sie handeln von unheimlichen Himmelslichtern, die das Unglück ankündigen, von Künstlerschicksalen oder von Bekehrungen zum christlichen Glauben, geboren aus der tiefsten Verzweiflung. Ein größerer Abstand als zwischen der eingangs zitierten lieblichen Weihnachtsgeschichte und dem Sprachkosmos aus Angst, Ekel und Schmerz, den Bernhard später zu schaffen vermochte, lässt sich scheinbar kaum denken. Dennoch präludiert das Prosawerk der 1950er Jahre das folgende Werk. Letztlich nämlich sind die Winterszenerie der Weihnachtsgeschichte „Von sieben Tannen und vom Schnee . . .” und die Kältelandschaften der frühen Romane nur zwei Seiten der einen Medaille: des Märchens.
Hält man beides übereinander, dann fallen etwa in „Frost” jene Situationen auf, in denen Spaziergänger im Wald auf einsame verwunschene Hütten treffen; man bemerkt deutlicher Szenen, in denen plötzlich eine Figur hinter einem Baum hervorspringt und sich einem singenden Wanderer in den Weg stellt; es fallen die Plätze voller unheimlicher Zeichen, voller Gnomen und Zwerge auf, wo verführerische Frauen das Böse repräsentieren und junge Männer durch diese Zauberwelten hindurchgehen müssen, um sich aus deren Bann zu befreien.
Bei aller Abgeklärtheit des erwachsenen Blicks, der die Doppelbödigkeit des Lebens durchschaut und den Mitspielern die Masken herunterreißt, sind diese Zauberwelten die Angstwelten der Kinder. In „Frost” sagt Straub über sich selbst: „Meine Zukunft liegt wie in einem Wald ein Bach . . .; und der Wald ist endlos und so finster, wie man sich unwillkürlich einen Wald vorstellt in einer ganz kindlichen Vorstellung, die gleich in Düsternis übergeht und nicht mehr aus der Düsternis herauskommt”. Wie stets erweist sich Bernhard als der beste Interpret seiner selbst. Er kennt seine Obsessionen genau, darunter eben auch seine „Kindheitshölle”.
Die Ausgabe provoziert eigene Lektüregänge durch ein scheinbar bekanntes Werk, auch wenn sie keine Archivalien zutage befördern wird. Bernhard hat dies verboten. „Nach meinem Tod darf aus meinem . . . Nachlaß . . . kein Wort mehr veröffentlicht werden”, heißt es in seinem Testament. Die Edition umgeht dieses Verbot, indem sie im Kommentarteil über die Entstehungsgeschichte der Werke, über die Überlieferungslage, die Textzeugen und die Wirkungsgeschichte informiert und auf diese Weise Einblicke in den Nachlass gewährt. Der Kommentar führt uns in die Werkstätte eines Autors, dessen Auflehnung gegen ein naives Vertrauen ins Erzählen (und damit gegen das eigene Frühwerk) auch die Arbeitstechniken erfasst.
Dazu gehört die fortgesetzte Selbstkorrektur im Typoskript durch maschinen- und handschriftliche Überschreibungen, die die Zeilen aus dem linearen Verlauf herauswuchern lassen; dazu gehören Techniken des Verschiebens von Textpassagen, des Collagierens von Erzählbausteinen, die auf die Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Elemente und eben damit auf die einheitliche Richtung der poetischen Arbeit verweist. Unaufhörlich umkreist Bernhard eine überschaubare Menge an Motiven und Themen. Diese Fixierung gehört zu einer Ästhetik des Scheiterns, die jede Formulierung per se mangelhaft findet. „Kein Aufgeschriebenes stimmt”, erklärt der Erzähler im Roman „Frost”.
Editionspuristen wird diese Werkausgabe wohl missfallen, weil die Herstellung von Mischtexten, die unterschiedlich motivierten Eingriffe und die Auswahlkriterien der Druckvorlagen einige Fragen offen lassen. Mit plausiblen Gründen wird manches an Bernhards Orthographie und Syntax als „Eigenheit” behandelt, anderes als „Fehler”. Bisweilen sind Verstöße gegen die Sprachnorm für die Editoren akzeptabel, hin und wieder aber werden Kommata eingefügt, wenn beispielsweise „durch ihr Fehlen die Lektüre unnötig behindert würde” – welche Kriterien aber entscheiden über nötige und unnötige Unterbrechung des Leseflusses?
Meistens sind die revidierten Erstausgaben maßgebend, gelegentlich die vom Autor überarbeiteten Fassungen, vereinzelt wird beides kombiniert. Man wünscht sich also den informativen und spannenden Anhang ausführlicher, gerade weil er an der Grenze des von Bernhard Intendierten entlang führt.
Wer nicht vernichtet, wird ediert
Die neue Ausgabe erhebt Bernhard editionspolitisch in den Klassikerstand. Gefördert wird sie „von der Republik Österreich, Bundeskanzleramt”. Einmal mehr also umarmt das Land einen Dichter, der seine Heimat mit aller im zur Verfügung stehenden Akribie beschimpft hat. Der letzte Wille Bernhards lautete anders: „Ausdrücklich betone ich, daß ich mit dem österreichischen Staat nichts zu tun haben will und ich verwahre mich nicht nur gegen jede Einmischung, sondern auch gegen jede Annäherung dieses österreichischen Staates an meine Person und meine Arbeit betreffend in alle Zukunft.”
Dass man allerdings dem „österreichischen Staat” nicht durch die Archivierung des eigenen Werks, die Bernhard selbst auffallend sorgfältig vorgenommen hat, sondern nur durch dessen Vernichtung entkommen würde, hätte Bernhard wissen müssen. In seiner Kurzgeschichte „Genie” kann man es nachlesen.
STEFFEN MARTUS
THOMAS BERNHARD: Werke. Band 1: Frost. Band 2: Verstörung. Band. 14: Erzählungen. Kurzprosa. Herausgegeben von Martin Huber und Wendelin Schmidt-Dengler. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 380, 250 und 320 Seiten, 34,90, 29,90 und 32,90 Euro.
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