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Er ist ein feiner Herr und trägt teure Schuhe, er ist ein Flaneur in den Straßen von Paris. Als eines Abends ein Hund aus einem brennenden Haus direkt in seine Arme springt, ist es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Hund, der mit Flüchtlingen aus Afrika nach Frankreich kam, führt Mulder zu den "Sans-Papiers" und Obdachlosen, er macht den Sauberkeitsfanatiker mit dem Geruch der Banlieue vertraut und lässt den einsamen Kunstliebhaber unerwartete Bekanntschaften schließen. Ein bewegender Roman über eine Welt, die unwiderruflich in zwei Hälften zerfällt.

Produktbeschreibung
Er ist ein feiner Herr und trägt teure Schuhe, er ist ein Flaneur in den Straßen von Paris. Als eines Abends ein Hund aus einem brennenden Haus direkt in seine Arme springt, ist es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Hund, der mit Flüchtlingen aus Afrika nach Frankreich kam, führt Mulder zu den "Sans-Papiers" und Obdachlosen, er macht den Sauberkeitsfanatiker mit dem Geruch der Banlieue vertraut und lässt den einsamen Kunstliebhaber unerwartete Bekanntschaften schließen. Ein bewegender Roman über eine Welt, die unwiderruflich in zwei Hälften zerfällt.
Autorenporträt
Adriaan van Dis, 1946 geboren, studierte in Amsterdam, bevor er Journalist und Moderator seiner eigenen Fernsehshow wurde. Er veröffentlichte Romane, Erzählungen und Drehbücher und erhielt einige renommierte Preise. Bei Hanser erschienen Indische Dünen (Roman, 1997), Palmwein oder Die Liebe zu Afrika (2000), Doppelliebe. Geschichte eines jungen Mannes (Roman, 2004) und Ein feiner Herr und ein armer Hund (Roman, 2009).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2009

Auf den Hund gekommen

Elend der Papierlosen: Der niederländische Autor Adriaan van Dis hat eine Parabel über das Zusammenleben verfasst, die durch die Pariser Protestwellen hochaktuell geworden ist.

Die Literatur ist in dieser Saison gleich mehrfach auf den Hund gekommen. Marion Poschmann betreibt in ihrer "Hundenovelle" gassigehenden Vernunftsexorzismus. Auch in Michael Köhlmeiers "Idylle mit ertrinkendem Hund" wird ein streunendes Tier zur seelischen Trittleiter. Dabei bleibt stets in der Schwebe, ob das Tier nun der bessere Mensch ist oder nur der bessere Therapeut. Beides lässt sich auch im neuen Roman des Niederländers Adriaan van Dis nicht abschließend klären. Moralisch wird dem Tier zunächst einiges zugetraut.

Es führt nicht nur sein Herrchen vor, sondern mit ihm die Verhältnisse in seinem Pariser Wohnviertel; es zwingt seinen distinguierten Besitzer in die vor Schmutz und Armut starrenden Winkel der Stadt, beschnüffelt sie mit Hundeenthusiasmus, so lange, bis dem Herrchen schwarz wird vor Augen, denn "noch vor wenigen Tagen wäre er an diesen Menschen vorübergegangen, doch seit dem Hund schüttelte er viele schmuddelige Hände".

Mulder ist holländischer Privatier, der seinen Lebensabend Austern schlürfend in Paris verbringt - bis er Zeuge eines Unglücks wird: ein besetztes Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zu Mulders Wohnung, illegale Einwanderer, vaterlose Kinder, Frauen, unzählige Sprachen, Hautfarben, Religionen und kein fließendes Wasser. Dann brennt es im Haus.

Aus voyeuristischem Impuls nähert sich Mulder der Unglücksstelle. Er sieht, wie Leichen abtransportiert und Verletzte geborgen werden. Er registriert mit nervöser Erregung, wie Feuerwehrmänner versuchen, in das brennende Haus zu gelangen, wie sie einem Hund die Leiter reichen, wie dieser Hund schließlich mit apokalyptischem Mut durch ein "Fenster von Funken" springt. Im freien Fall von einem Feuerwehrmann abgebremst, landet er buchstäblich in Mulders Armen: ein "feiner Herr" und ein stinkender "armer Hund" mit versengten Pfoten und einem brennenden Schwanz.

Wie auch in den anderen Hunderomanen geht es van Dis um menschliche Problemlagen. Die Kreatur taugt hier zum Seelenspiegel - auch Mulders Hund, der lange Zeit unter den Illegalen, Armen und Zwielichtigen gewohnt hat und auch nach intensiver Shampoonierung nicht bereit ist, von seinen sozialen Gewohnheiten zu lassen. Aus der Menschenperspektive wird er zum Sozialarbeiter, zieht Mulder an seiner Leine durch eine Stadt, die dieser zu kennen glaubt und die sich zunehmend als Trugbild einer selektiven Wahrnehmung erweist. Der Hund leckt über dreckspeckige Bettlerbacken, steckt seine Nase in uringetränkte Lumpen, interessiert an jedem noch so existentiellen Geruch. "Ihm schien der Hund nicht sehr wählerisch." So wird Mulders Reflex ganz plastisch, wenn er ihm nach den Spaziergängen am liebsten Rachenspray verpassen möchte.

Eine von Mulders Hauptbeschäftigungen besteht im Polieren verunreinigter Gegenstände. Das hat pathologische Prägnanz; bei van Dis dient der Tick vor allem metaphorischen Zielen. Es ist nicht abwertend gemeint, wenn man "Ein feiner Herr und ein armer Hund" einen engagierten Roman nennt. Noch unter dem Eindruck der brennenden französischen Vorstädte hat ihn der Autor, der den Niederländern auch als Fernsehmoderator bekannt ist, schon 2007 veröffentlicht. Jetzt wird sein état des lieux durch die jüngsten Protestwellen in Frankreich bestätigt. Besonders durch das Elend der Papierlosen, die oft jahrelang in französischen Niedriglohnsektoren schuften - in Restaurants, Reinigungen oder auf Baustellen -, ohne Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis, ohne Krankenversicherung, ohne Unterkunft und doch unverzichtbar im Getriebe französischer Lebensart.

"Schuldgefühl", heißt es im Roman über Mulder, "war sein Antrieb, ein völlig unbegründetes Schuldgefühl." Mulder besucht die Angehörigen der Toten in ihren schäbigen Hinterhofmoscheen, Wellblechtempeln und verlotterten Quartieren. Ein schwarzer Mann sagt, der Tod sei eine Reise "vom Sichtbaren zum Unsichtbaren". So gesehen, lässt sich Mulders Reise in ihrer Umkehrung vom Unsichtbaren zum Sichtbaren auch als Verlebendigung lesen. Er besudelt dabei Zwirn und Geist, etwa wenn er Anstoß nimmt an der frommen Einfalt einiger Brandopfer, und betet doch selbst, dass der gute Hund ihn nie verlassen möge. "Tu was!", scheint der ihm zu sagen. Und Mulder, der Hygieniker, gehorcht. Er lässt sich mit der albanischen Mafia ein, kauft einen gefälschten Pass für einen Messdiener, bezahlt die Überführung eines Leichnams nach Sri Lanka und verliebt sich in die Witwe des Toten, die große Freiheitsfigur dieses Romans, die auch Mulder am Ende wieder wird loslassen müssen.

Bei van Dis funktionieren Begegnungen als biographische Scharniere. Sie sind nie von Dauer und tragen mitunter schwer an ihrer didaktischen Last. Auch der Hund ist nur ein Episodentier. Er gehört einem kleinen Mädchen, einem Brandopfer, das ihn nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zurückfordert. "Wir gehören zusammen. Wir sind beide Feuerträger", erklärt sie. Eine brennende Kerze, ein unschuldiges Wedeln, der versengte Schwanz: plötzlich passt alles zusammen. Und so stellt sich ganz zum Schluss die Schuldfrage noch einmal vom Hund her. Bereichert um die Einsicht der weltverändernden Kraft eines Blicks, kann Mulder jetzt nicht ohne Sentiment sagen: "Ich glaube an den Menschen, wie er zufällig ist und der versucht, das Beste daraus zu machen." Man vergibt diesem Buch seine plakativen Momente, seinen moralisierenden Impuls. Adriaan van Dis ist eine anrührende Parabel über das Zusammenleben gelungen. Sie ist von märchenhafter Allgemeingültigkeit und peinlicher Aktualität.

KATHARINA TEUTSCH

Adriaan van Dis: "Ein feiner Herr und ein armer Hund". Roman. Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Hans. Carl Hanser Verlag, München 2009. 239 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hunde als Protagonisten in der Literatur haben Konjunktur stellt Katharina Teutsch fest, der Adriaan van Dis' Roman um einen wohlhabenden Niederländer, dem aus einem brennenden Pariser Haus mit illegalen Einwanderern ein Hund regelrecht in die Arme springt, ausnehmend gut gefallen. Durch den Hund lernt der Protagonist die Rückseite des Pariser Lebens kennen und öffnet seinen bis dahin doch sehr "selektiven" Blick für die illegal in Frankreich lebenden Menschen, teilt die Rezensentin mit. Teutsch beschreibt den Roman als "engagierte" Literatur und möchte das auf keinen Fall negativ verstanden wissen. Auch wenn der Roman mitunter etwas "plakativ" und moralisch daherkommt: Es ist eine "Parabel über das Zusammenleben", die nicht nur sehr berührt, sondern zudem auch quälend aktuell ist, preist Teutsch hingerissen.

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