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Éric Vuillard
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Die Tagesordnung
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- Verlag: Büchergilde Gutenberg
- ISBN-13: 9783763270514
- Artikelnr.: 56878870
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Desavouierendes Hohngelächter
Der französische Schriftsteller Éric Vuillard hat mit der Erzählung «Die Tagesordnung» den erzwungenen Anschluss Österreichs thematisiert, wobei er, wie schon in anderen seiner Werke, auch hier ein geschichtliches Ereignis und …
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Desavouierendes Hohngelächter
Der französische Schriftsteller Éric Vuillard hat mit der Erzählung «Die Tagesordnung» den erzwungenen Anschluss Österreichs thematisiert, wobei er, wie schon in anderen seiner Werke, auch hier ein geschichtliches Ereignis und seine Folgen in extrem verknappter Form neu erzählt. Insoweit kann er als legitimer Nachfolger von Stefan Zweig angesehen werden, der dieses Genre mit seiner Sammlung «Sternstunden der Menschheit» äußerst erfolgreich kreiert hat. Im Unterschied zu ihm jedoch benutzt Vuillard nicht die strenge, auf ein ‹unerhörtes Ereignis› gerichtete Novellenform, er fächert seinen Stoff vielmehr deutlich weiter auf. Hier beginnend mit einem geheimen Treffen der deutschen Großindustriellen bei Göring am 20. Februar 1933 und endend bei der läppischen Entschädigungs-Zahlung Alfried Krupps an die Zwangsarbeiter 1958.
In den 16 Kapiteln der Erzählung entwickelt der Autor seine Version der historischen Ereignisse, indem er sie, fiktional ergänzt, aus einer ironischen Distanz schildert. Sein Schwerpunkt ist dabei die emotionale Ebene, die den oft lächerlich profanen Hintergrund bildet. «Die Literatur erlaubt alles», sagt Vuillard und macht sich in diesem Sinne, mit deutlich erkennbarer Wonne, gleich am Anfang über den Geldadel lustig. Vierundzwanzig Herren steigen im Treppenhaus eines pompösen Palais nach oben zu den Nazigrößen, die sie herbeigerufen haben und sie auch gleich abkassieren werden für den bevorstehenden Wahlkampf. «Demnach könnte ich sie endlos über die Penrose-Treppe schicken» macht der Autor sich über sie lustig, Geben und Nehmen liege ja dicht beieinander in Politik und Geldadel. Ähnlich spöttisch berichtet er auch über einen Besuch von Lord Halifax, entschiedener Verfechter der britischen Impeasement-Politik, bei Göring in der Schorfheide. Auch das demütigende Treffen Schuschniggs mit dem Führer auf dem Berghof wird in mehreren Kapiteln geschildert als Vorstufe zur längst beschlossenen Annektierung Österreichs. Ribbentropps Abschiedsbesuch in Downing Street ist eine ebenso amüsante Episode wie das mit ‹Blitzkrieg› überschriebene Kapitel des deutschen Einmarsches, der dann im blamablen ‹Panzerstau› am 12. März 1938 steckenblieb. Vor die Proklamation des Führers vom Balkon der Wiener Hofburg fügt der Autor noch ein Kapitel ein, in dem er das Theatralische der ‹großen Politik› durch ein riesiges Requisiten-Lager in Hollywood demonstriert, wo zeitgleich mit den Ereignissen bereits sämtliche Nazikostüme für Spielfilme verfügbar waren, Chaplin lässt grüßen! In den letzten beiden Kapiteln thematisiert er das Grauen, indem er von gleich vier Selbstmorden am Tag der Annexion berichtet. Am Ende schließlich holen den senilen Gustav Krupp die toten Zwangsarbeiter ein, die ihn in der Villa Hügel aus dem Dunkeln anklagend anstarren.
Diese 2017 mit dem Prix Goncourt prämierte Erzählung zeichnet sich durch eine irritierende Leichtigkeit aus, in der da ganz unbefangen über das mit Abstand Düsterste in der Menschheits-Geschichte berichtet wird. Sie erinnert damit entfernt auch an «Die Wohlgesinnten» von Jonathan Littel, ein aus der Täter-Perspektive erzählter französischer Holocaust-Roman, der, wen wundert’s, überaus kontrovers diskutiert wurde. Muss man nichtdeutscher Autor sein, um so unbeschwert und beiläufig über die Nazis erzählen zu können?
Wer bei Vuillard sauertöpfisch nach historischer Seriosität fragt, hat dessen Hintertreppen-Methode nicht verstanden. Es sei ihm um das Profane hinter den großen Ereignissen gegangen, um die grotesken Witzfiguren, die als historische Akteure so oft großspurig am Werke seien. Denn vieles erweist sich ja im Nachhinein tatsächlich als reine Farce, und genau das wiederholt sich auch noch ständig bis in die Gegenwart hinein, man denke nur an das Erstarken der Populisten in Europa. Insoweit ist es durchaus legitim, fragwürdige Politiker genüsslich zu desavouieren, sie also sarkastisch mit Hohn zu überschütten zur unverhohlenen Freude des Lesers.
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Französischer Autor über die Industrie unter Hitler und den Anschluss Österreichs
Vergessene Geschichte aufarbeiten oder was will der Autor mit dieser kurzen Novelle, wenn wir dieses Buch nicht lieber als Sachbuch ohne Fußnoten ansehen.
Es beginnt mit deutschen …
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Französischer Autor über die Industrie unter Hitler und den Anschluss Österreichs
Vergessene Geschichte aufarbeiten oder was will der Autor mit dieser kurzen Novelle, wenn wir dieses Buch nicht lieber als Sachbuch ohne Fußnoten ansehen.
Es beginnt mit deutschen Industriellen, die bei den Nazis zu Gast sind und sie vor den letzten Wahlen finanziell unterstützen, damit endlich die lästige Demokratie abgeschafft wird. Dann kommt der englische Politiker Halifax zu Besuch, ohne Tacheles zu reden.
Das Hauptthema aber ist der Besuch Schuschnigg auf dem Obersalzberg bei Hitler und wie er keinen Widerstand gegen Hitlers Wünsche äußert, der auch verfassungsrechtliche Bedenken vom Tisch wischt. Warum Österreich keine Hilfe bei europäischen Nachbarn geholt hat, bleibt unbeantwortet. Nur wie Ribbentrop den Engländern die Nachricht des Einmarsches in einen langen Dinner aufschwatzt wird breit dargestellt.
Auch dieser Einmarsch geht schief. Deutsche Panzer bleiben vor Linz wegen Benzinmangels liegen. Die Wochenschau zeigt später nur Jubelbilder. Nazi-Fake-News. Göring will den Einmarsch als Hilfeleistung für die österreichischen Nazis verstehen. Abgehörte Telefonate überführen ihn beim Prozess in Nürnberg.
Tote gab es auch, denn vier Personen haben sich am Tag des Einmarsches umgebracht. Nicht zu vergessen die Toten Juden.
Und was fragt Gustav Krupp: „Wer sind eigentlich all diese Leute?“ und meint die vielen Kriegsarbeiter von Krupp. Nur jeder zehnte überlebt. Sie und nur sie bekommen nach langem Kampf etwas Entschädigung, je weniger, desto mehr Zwangsarbeiter sich später melden. „Die Juden hätten schon zu viel Geld gekostet.“
Aber der deutschen Großindustrie geht es nach wie vor gut.
Ein Buch, das in seiner Einfachheit und Kürze besticht und vergessene Themen aus dem Nähkästchen holt. Es setzt Schwerpunkte und Blitzlichter auf die Historie. Anfangs hatte ich Bedenken 5 Sterne zu vergeben, weil das Buch kein richtiger Knaller ist, aber die Kürze des Buches lässt nicht mehr zu und einen Tag darf man ruhig in dieses Buch investieren.
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