Donald Trump hat getwittert. Olaf Scholz hat einen Facebook-Account. Karl Lauterbach setzt sich zu Lanz. Claudia Roth färbt sich die Haare orange.
All das sind Maßnahmen, um öffentlich sichtbar zu werden (und zu bleiben). Wer aber glaubt, dass dieses politische Bedürfnis erst seit Einzug moderner
Medien existiert, der irrt sich gewaltig. Augustus war einer der ersten, die meisterhaft auf der…mehrDonald Trump hat getwittert. Olaf Scholz hat einen Facebook-Account. Karl Lauterbach setzt sich zu Lanz. Claudia Roth färbt sich die Haare orange.
All das sind Maßnahmen, um öffentlich sichtbar zu werden (und zu bleiben). Wer aber glaubt, dass dieses politische Bedürfnis erst seit Einzug moderner Medien existiert, der irrt sich gewaltig. Augustus war einer der ersten, die meisterhaft auf der Klaviatur der Selbstdarstellung und des Framings zu spielen wussten. Aus dem brutalen Vernichter der Republik, unter dessen Säuberungen Hunderte wohlhabende Römer ihr Leben (und ihr Vermögen) ließen, wurde der Begründer der Pax Romana. Er schrieb nicht nur seine eigene Biografie, sondern seine Standbilder blieben wie ein inverser Dorian Gray stets jugendlich viril, während Augustus selber schon ein Greis war.
Das Bucerius Kunst Forum zeigt im Schwerpunkt Antiken aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel, mit zahlreichen herausragenden Kunstwerken aus der Epoche des Augustus bis etwa 100 n. Chr., die nicht nur eine starke öffentliche Präsenz des Imperator Caesar Augustus belegen, sondern auch seine im Lauf der Zeit wechselnden Rollen. Auf den ersten Blick sind alle Augustusportraits ähnlich, aber es gibt dennoch Typusentwicklungen, wie die Autoren anschaulich in ihren Beiträgen illustrieren. Die Veränderungen gehen einher mit Augustus‘ politischem Werdegang und der öffentlichen Wirkung, die er erzielen wollte. Das betrifft Münzbilder, aber auch Narrative, bis hin zu monumentalen Skulpturen. Gleichzeitig gestaltet Augustus die Stadt Rom von Grund auf um. Dass er „eine Stadt von Ziegeln vorgefunden und eine aus Marmor hinterlassen hätte“ ist ein Zitat aus seiner Autobiografie, das zwar nicht ganz der Wahrheit entspricht, dafür aber ein schönes Beispiel für antikes Framing darstellt. Die Autoren zeigen, wie auch Augustus‘ Frau Livia Drusilla in dieses Gesamtbild eingefügt und ihre öffentliche Wahrnehmung gesteuert wird.
Der hohe Anteil an (qualitativ sehr hochwertigen) Fundstücken aus Pompeji führt zu einem weiteren Themenkomplex, der nur insofern Berührungspunkte mit Augustus hat, als dass die private Wohnkultur daraufhin untersucht wird, ob sich der „neue Stil“ auch hier widerspiegelt. Die Hinweise darauf sind eher spärlich, aber ihr Fehlen gibt wiederum Auskunft darüber, dass die römische Politik sich nicht direkt in das Privatleben einmischte. Es gibt eine ausgeprägte Wertschätzung für die „Alte Kunst“, die sich z. B. in Wandbildern zeigt, die zum Zeitpunkt des Untergangs von Pompeji bereits Jahrhunderte alt waren.
Die Ausstellung und die zumeist eingängig geschriebenen Fachartikel liefern keine grundlegende Neubewertung der Medienpolitik unter Augustus. Der Imperator war nicht der Erste, der sein öffentliches Bild kontrollierte, aber er war der Erste, dem es, auch aufgrund seiner langen Regentschaft gelang, dieses Bild bis in die hintersten Winkel seines Reiches zu tragen. Das belegen die Objekte und die Beiträge in großer Deutlichkeit. Bahnbrechend neu ist das nicht, aber es ist spannend zu sehen, dass auch unsere Politiker immer noch nach denselben Prinzipien handeln – und bewertet werden. Wenn die Kontrolle über das öffentliche Bild entgleitet, kann ein unbedachtes Lachen schon mal die Kanzlerschaft kosten....
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)