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München 1975: Disko, freie Liebe, Kokain- und Champagnerexzesse, das ist die Welt von Rufus Himmelstoss. Der egozentrische Frauenheld lebt konsequent über seine Verhältnisse. Als er im Suff einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine junge Mutter und ihre beiden Kinder sterben, geht er im Obdachlosenmilieu auf Tauchstation. Zwischen Wodka und Wohnheim fasst Rufus Himmelstoss einen weitreichenden Entschluss. Für sich. Und für seinen Sohn...
Rasante Fabulierfreude, vielschichtige Figuren und treffsichere Dialoge zeigen einen Erzähler auf der Höhe seiner Kunst; innovative Bildfolgen und
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Produktbeschreibung
München 1975: Disko, freie Liebe, Kokain- und Champagnerexzesse, das ist die Welt von Rufus Himmelstoss. Der egozentrische Frauenheld lebt konsequent über seine Verhältnisse. Als er im Suff einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine junge Mutter und ihre beiden Kinder sterben, geht er im Obdachlosenmilieu auf Tauchstation. Zwischen Wodka und Wohnheim fasst Rufus Himmelstoss einen weitreichenden Entschluss. Für sich. Und für seinen Sohn...

Rasante Fabulierfreude, vielschichtige Figuren und treffsichere Dialoge zeigen einen Erzähler auf der Höhe seiner Kunst; innovative Bildfolgen und elegant-leichte Zeichnungen einen Comic auf der Höhe der Zeit: Mit Vatermilch erbringt Uli Oesterle den Beweis, dass eine Graphic Novel über Alkoholismus und Verantwortung tiefgehend und sensibel sein kann und zugleich wahnsinnig unterhaltsam.
Autorenporträt
Uli Oesterle wurde 1966 in Karlsruhe geboren. Nach einer Ausbildung zum Grafiker an der Akademie für Gestaltung in München ist er seit Anfang der 1990er-Jahre als freiberuflicher Illustrator, Grafiker und Comicautor tätig. 1995 gründete er gemeinsam mit Thomas von Kummant, Benjamin von Eckartsberg und anderen die Ateliergemeinschaft »Die Artillerie«. Seit den frühen 1990er-Jahren veröffentlichte Uli Oesterle zahlreiche Comics für Magazine wie Strapazin und Men's Health oder die amerikanische Anthologie The Dark Horse Book of Hauntings. Sein Debütalbum Schläfenlappenphantasien wurde im Jahr 2000 auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen für den »Max und Moritz«-Preis nominiert; für die Einzelveröffentlichung des ersten Kapitels von Hector Umbra erhielt Oesterle 2004 u.a. eine Nominierung beim Comic-Festival im französischen Angoulême und den »ICOM Independent Comic Preis«. Oesterles Arbeiten wurden bisher in fünf Sprachen übertragen. 2016 erhält er den mit 15.000 EUR dotierten Comicbuchpreis der Berthold-Leibinger-Stiftung für sein Projekt »Vatermilch«, das bei Carlsen erscheinen wird. Uli Oesterle lebt und arbeitet in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.05.2020

Gegen die
Ausnüchterung
Trash und große Kunst: Uli Oesterles
Graphic Novel über das Leben seines Vaters
VON THOMAS VON STEINAECKER
Bei diesem Comic muss man eigentlich am Schluss beginnen. Beim todtraurigen Nachwort, in dem Uli Oesterle beschreibt, wie er in diesem Buch seine eigene schwierige Beziehung zu seinem Vater verarbeitete, der im München der 1970er als Markisenvertreter über seine Verhältnisse lebte, zum Alkoholiker wurde, Frau und Kind verließ und schließlich in die Obdachlosigkeit abrutschte. Bis zu seinem Tod, 37 Jahre später, bestand nahezu kein Kontakt mehr. Für die Graphic Novel beginnt Oesterle dann intensiv zu recherchieren; ja, für ein paar Tage lebt er sogar auf der Straße.
Nach den inoffiziellen internationalen Comic-Gesetzen hätte all das eigentlich unweigerlich zu einem Memoir werden müssen. „Vaterland“ etwa, das Erinnerungsbuch der kanadisch-jugoslawischen Zeichnerin Nina Bunjevac, folgte einem ähnlichen Muster: unnahbarer Vater tot, Kind begibt sich auf die Suche nach ihm und der eigenen Identität. Die Aura der Authentizität tut ihr übriges. Umso mehr erstaunt es, dass Oesterle zwar den autobiografischen Hintergrund seiner Geschichte so schonungslos und detailliert offenlegt, sich in seinem Comic mit dem wunderbaren Titel „Vatermilch“ jedoch für eine Fiktionalisierung entscheidet.
So stellt sich gleich zu Anfang „Schulmädchenreport“-Stimmung ein: Im München Mitte der 1970er lässt es der schmierige Vertreter Rufus Himmelstoss – nomen est omen – ordentlich krachen; tagsüber legt er auf seinen Touren durch die tristen Vororte reihenweise gelangweilte Hausfrauen flach, um dann nachts bei Koks und Champagner in der legendären Schwabinger Disko „Yellow Submarine“ das Geld auszugeben, das er nicht hat. Natürlich kommen da seine Frau und sein kleiner Sohn Victor zu kurz. Wenn Rufus dann doch in der kleinen Wohnung aufkreuzt, bringt er es fertig, seinem Sohn gleichzeitig eine Superhelden-Puppe zu schenken und ihn anzupumpen. Als Rufus seinen Job verliert, hat das fatale Folgen: Im Suff verursacht er einen tödlichen Unfall und begeht Fahrerflucht. Wenig später muss er vor jenen Clubs um Almosen betteln, in denen er einst feierte. In einer Parallelhandlung im Jahr 2005 erleben wir den inzwischen erwachsenen Victor, der vom Tod seines lange verschollenen Vaters erfährt, ohne davon sonderlich bewegt zu sein: „Die Hinterbliebenen behalten den Verstorbenen im Gedächtnis, wie er zu Lebzeiten aussah. Ich erinnere mich nicht.“ Doch schnell wird klar, dass Victor mehr mit Rufus gemein hat, als ihm lieb sein kann. Zwar ist er Comiczeichner, der gerade an seinem opus magnum arbeitet; aber am Ende wiederholen sich auf frappierende Weise die Muster von früher: Victor will vor allem in Ruhe in seinem Atelier zeichnen, trinkt zuviel und verliert langsam den Zugang zu seinem heranwachsenden Sohn und seiner Frau. Das Buch endet mit gleich mehreren Cliffhangern: In den 1970ern machen sich zwei Polizisten auf die Suche nach dem unbekannten Verursacher des Autounfalls und Rufus muss sich in seinem neuen Leben auf der Straße zurechtfinden, wo ganz eigene Regeln und Hierarchien gelten; im Gegenwartsstrang wiederum beginnt sich Victor mit sich selbst und das heißt auch mit seinem Vater auseinandersetzen. Drei weitere Bände „Vatermilch“ sollen in den nächsten Jahren folgen.
Uli Oesterle ist ziemlich einzigartig. Das bewies er in seiner letzten Graphic Novel „Hector Umbra“ von 2009: großartige Zeichnungen in der Tradition der nouvelle ligne claire und eine Geschichte in einem völlig aus dem Ruder laufenden Mix aus Trash und großer Kunst, aus Fantasy, Horror und Alltagsdrama, dazu angesiedelt im nicht unbedingt für seine Coolness bekannten München, als hätten sich Roland Emmerich und Klaus Lemke zusammengetan, mal was für die Neunte Kunst zu tun. Das alles katapultierte Oesterle damals in die Oberliga der deutschsprachigen Comicszene. Auch in „Vatermilch“ bleibt er sich treu. Eigentlich hätte die Geschichte des gescheiterten Glücksritters Rufus Himmelstoss, der alle, die mit ihm in Kontakt kommen, ins Unglück stürzt, das Potenzial zur Tragödie. Aber auch in den Momenten des schlimmsten Scheiterns verhindern Genre-Versatzstücke, dass die Geschichte zu emotional wird: Rufus wird nicht einfach mal so gekündigt, sondern bekommt vor dem Nachtclub von seinem erbosten Chef filmreif eine verpasst; der schreckliche Autounfall, den Rufus verursacht, wird durch die Fahndung des ungleichen Polizisten-Duos nach dem Täter zum Krimi Marke „Tatort“; Victors Alltagssorgen wiederum leben von Situationskomik.
Und dort, wo Oesterle in brillanten Großansichten das Schwabinger Nachtleben von damals authentisch visualisiert, kann er es sich nicht verkneifen, wie in einem Pop-Märchen, aus heiterem Himmel Rufus auf Freddy Mercury als guten Engel treffen zu lassen, obwohl der eigentlich erst ein paar Jahre später in München feierte.
Ob diese Mischung aus Realismus und Karikatur die richtige für einen solchen Stoff ist, wird sich letztlich erst erweisen, wenn auch die restlichen Bände der Tetralogie vorliegen. Bis dahin lässt sich allerdings konstatieren, dass der Spaß des Zeichners am temporeichen, Volten schlagenden Fabulieren auf jeder Seite ansteckend wirkt. Und in seinen besten Momenten reflektiert der Comic genau jene Klischees, die er vergnüglich variiert. In der Ausnüchterungszelle wird Victor klar, dass er sich zeit seines Lebens aus Ermangelung eines richtigen Vaters stets Figuren zum Vorbild nahm, die ein im 21. Jahrhundert längst obsoletes Modell der Maskulinität propagierten: Bud Spencer, Lemmy Kilmister und Bruce Lee.
Uli Oesterle: Vatermilch. Buch 1: Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss. Carlsen Verlag, Hamburg 2020. 128 Seiten, 20 Euro.
Im Münchner Club „Yellow
Submarine“ gibt er das Geld aus,
das er nicht hat
Fantasy, Horror, Alltagsdrama,
als hätten Roland Emmerich
und Klaus Lemke kooperiert
Eine Mischung aus
Realismus und Karikatur:
Der Schwabinger Lebemann Rufus Himmelstoss trinkt,
feiert und landet letztlich auf der Straße. Sein Sohn sucht sich derweil andere Vorbilder.
Foto: Carlsen
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2020

Absturz in München
Uli Oesterles maßstabsetzender Comic "Vatermilch"

Wer Neologismen verwendet, riskiert Missverständlichkeit. Aber nicht bei einem Begriff wie "Vatermilch", auch wenn niemand dieses Wort je zuvor gehört haben dürfte. Als Variation von "Muttermilch" ist es jedenfalls denkbar anschaulich - auch in seinem semantischen Gehalt: Es geht dabei um das, was der Vater einem Kind auf dessen Lebensweg mitgibt, womit er es großzieht. In Uli Oesterles neuem Comic, der den Titel "Vatermilch" trägt und bei Carlsen erscheint, ist das der Alkohol.

Nicht, dass Rufus Himmelstoß, ein Jalousienvertreter im München der frühen siebziger Jahre, seinem kleinen Sohn Victor Alkohol verabreichte. Aber er selbst ist ein schwerer Trinker, und im Rausch erscheint die Welt für ihn als Kinderspiel, während er die Familie vernachlässigt. Oesterle gibt im Nachwort zu "Vatermilch" Auskunft über den autobiographischen Charakter dieser Geschichte: Er selbst, Jahrgang 1966, ist das Vorbild für den kleinen Victor, und die Initialzündung für den Comic war 2010 die offizielle Mitteilung über den Tod seines Vaters, dem er seit 1973 nur noch zweimal begegnet war. Was Oesterle jetzt mit anderen Figurennamen erzählt, ist die Rekonstruktion der Ursachen und Folgen des Bruchs zwischen seinen Eltern. Und zugleich ist der Band eine Selbstbefragung, inwieweit das väterliche Vorbild die eigenen Verhaltensweisen noch immer bestimmt.

Selten ist ein scheiterndes Leben mit größerer Unmittelbarkeit in Szene gesetzt worden als im Fall von Rufus Himmelstoß. Wobei dessen Absturz in eine Bildsprache gekleidet ist, die sich ästhetisch an der Grafik der Handlungszeit orientiert, aber auch das Vorbild von Zeichnern wie Will Eisner, David Lloyd und Manu Larcenet erkennen lässt - kurz gesagt: einigen der Besten. Durch die Beschränkung auf jeweils nur eine dominante Zusatzfarbe - Aubergine für die siebziger Jahre, Flieder für den Beginn des neuen Jahrtausends - wird die Grundstimmung gesetzt: ein fahles Dasein. Und doch sorgen eingeschobene ganzseitige Bilder immer wieder für Ausbrüche aus dem Raster, wie sie sich Rufus Himmelstoß erträumt. Denunziert wird dieser Vater nicht.

Für die damals noch im Entstehen begriffene Geschichte erhielt Uli Oesterle 2016 den Leibinger-Comicbuchpreis. Nun löst er die dadurch geweckten hohen Erwartungen ein - und das schon mit dem Auftakt. Denn "Vatermilch" ist auf vier Bände ausgelegt. Zusammen werden es fast fünfhundert Seiten. Nach der Lektüre des ersten Teils sei die Prognose gewagt: kein Bild zu viel.

apl

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Diese Veröffentlichung hat dem Rezensenten Ralph Trommer bestätigt, dass Uli Oesterle einer der begabtesten Comicbuch-Autoren Deutschlands ist: In zwei Strängen werden Szenen aus dem Leben von Rufus, einem 70er-Jahre-Tunichtgut, neben solche aus dem Alltag des Familienvaters Victor im Jahr 2005 geschaltet, so Trommer. Dass Victor selbst Rufus' Sohn ist und mit der Frage hadert, ob ein besseres Vorbild ihm selbst die Vaterrolle erleichtert hätte, macht die Graphic Novel in Trommers Augen zu einem tiefgründigen Leseerlebnis, das aber dennoch mit Selbstironie und Leichtfüßigkeit punktet, wie der Rezensent versichert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine aufgekratzte Münchner Mischung mit viel wildem Schwabing." Christa Sigg Abendzeitung 20200530