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Roman einer Legende Mordechai de Paauw blickt, 97-jährig, auf sein Leben zurück: desillusioniert, überheblich, hilflos. Ende eines Titans. Als er in den dreißiger Jahren auf die Idee kam, Testosteron aus Wurstzipfeln zu gewinnen, war das genial. Als die aus der Idee hervorgegangene pharmazeutische Fabrik begann, das Produkt an ahnungslosen Fabrikarbeiterinnen zu testen, wurde es monströs. De Paauw besaß kaum Schulbildung, war jedoch schon als sehr junger Mann Direktor der Familienfirma, Hollands größter Fleischfabrik. Tatkräftig und kühn, aber durchdrungen von unbedingtem Erfolgswillen…mehr

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Produktbeschreibung
Roman einer Legende
Mordechai de Paauw blickt, 97-jährig, auf sein Leben zurück: desillusioniert, überheblich, hilflos. Ende eines Titans. Als er in den dreißiger Jahren auf die Idee kam, Testosteron aus Wurstzipfeln zu gewinnen, war das genial. Als die aus der Idee hervorgegangene pharmazeutische Fabrik begann, das Produkt an ahnungslosen Fabrikarbeiterinnen zu testen, wurde es monströs. De Paauw besaß kaum Schulbildung, war jedoch schon als sehr junger Mann Direktor der Familienfirma, Hollands größter Fleischfabrik. Tatkräftig und kühn, aber durchdrungen von unbedingtem Erfolgswillen instrumentalisierte er jeden, der ihm und seinen Plänen von Nutzen sein konnte - den wehrlosen Bruder, den aus Nazi-Deutschland emigrierten Wissenschaftler Rafael Levine, in dem unschwer Ernst Laqueur zu erkennen ist, und alle, deren Existenz von der Firma abhing.
Autorenporträt
Saskia Goldschmidt, geb. 1954 in Amsterdam, studierte an der Kunsthochschule Utrecht; sie ist Schriftstellerin und Schauspielerin; 'Die Glücksfabrik' ist ihre vielbeachtete zweite Veröffentlichung nach der Familienbiographie 'Um jeden Preis glücklich'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lea Beiermann ist mehr als enttäuscht von Saskia Goldschmidts Roman. Den Lebensrückblick des Glücksritters Mordechai de Paauw entwirft die Autorin zum Leidwesen der Rezensentin nämlich nicht szenisch als komplexes Familienepos, sondern eindimensional als Verlaufsprotokoll. Was geschieht, ist für Beiermann vohersehbar, das Personal erscheint ihr wie Schachbrettfiguren, und was an Themen der Zeit (Dreißiger Jahre) hätte interessant sein können, umschifft die Autorin laut Beiermann für ein bisschen "viriles Papperlapapp".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2014

Schürzenjagd mit Bildstörung
In Saskia Goldschmidts neuem Roman fällt interessanter Erzählstoff der falschen Perspektive zum Opfer

Mordechai de Paauw, der Protagonist in Saskia Goldschmidts "Die Glücksfabrik", ist kein Held, in keiner Spielart des Begriffs. Aus seiner Perspektive wird erzählt: der eines siechen Alten, der auf dem Sterbebett sein Leben Revue passieren lässt. Von diesem letzten Moment ist vielleicht gar nicht mehr zu erwarten als Eindimensionalität. Gut möglich, dass unser Leben nicht in HD und Dolby Surround an uns vorbeirauscht, sondern als Bildstörung. Dumm nur, wenn dieser Moment dann auf der Zehn-Zoll-Buchdiagonale zu 320 Seiten anwächst.

Die Erzählung des sterbenden de Paauw beruht auf wahren Begebenheiten und böte Potential für einen komplexen Roman: Ein geldgieriger Unternehmer modelt seine Fleischerei in den dreißiger Jahren mit Hilfe eines genialen Chemikers in einen Pharmakonzern um. Erst wird Insulin aus Pankreas gewonnen, später Testosteron aus Stierhoden - und die Pille entwickelt. Das Geld sprudelt, der Größenwahn des Unternehmers kennt keine Grenzen und wird schließlich ihm und seiner Familie zum Verhängnis. Ein bewährtes Modell, die Hybris.

Leider gleicht der Bericht des Mordechai de Paauw größtenteils einem Verlaufsprotokoll, in dem alles Szenische gemieden wird. Die Tagesordnungspunkte sind so vorhersehbar wie die eines Kegeltreffs. Was sich zum großen, psychologisch dichten Familienepos hätte entwickeln können, versandet in Klischees.

Das beginnt schon bei den Zwillingsbrüdern de Paauw, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Im Schatten des Moguls Mordechai steht sein schmächtiger Bruder Aron. Während Mordechai vollkommen gewissenlos alle Schürzen jagt, die vor ihm im Wind flattern, ist Aron die personifizierte Moral. So weit, so gut, so Kain, so Abel. Und gut, denkt man außerdem, dass die Autorin Saskia Goldschmidt ist. Sonst könnte man bei ihren nahezu karikierten jüdischen Figuren vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs nicht nur Eindimensionalität annehmen.

Die Unterschiedlichkeit der Zwillingsbrüder wird von Mordechai immer wieder konstatiert - so wie auch alles andere konstatiert wird, um jeden noch so kleinen Interpretationsspielraum zu schließen. "Aron war ein Verlierer", heißt es da, oder: "Ich bin praktisch veranlagt, kreativ und willensstark." Das sind Beschreibungen, die nicht nur Personalchefs gähnen machen.

Die Figuren verkommen zur Besetzung eines Kasperletheaters, bei dem Gut und Böse so fein säuberlich getrennt sind wie Kasperle und Krokodil. Mordechai de Paauw ist nicht nur restlos böse, sondern, was schlimmer ist, die uninteressanteste Figur dieser Besetzung. Wäre er nicht so plump in seinem Denken, hätte seine Schürzenjagd mit Hang zur Vergewaltigung vielleicht etwas Humberthaftes. Vielleicht würden wir Mitgefühl empfinden. Angesichts seiner vollkommenen Unreflektiertheit kommt es dazu jedoch nie. Als beispielhaft dafür sei der Moment von Mordechais größter Erleuchtung genannt: "Noch niemals war mir der Gedanke gekommen, dass die Mädchen auf meiner Couch meine Avancen als widerlich empfinden könnten." Da weiß man nicht, ob lachen oder weinen.

Mordechais Frau Rivka ist dagegen ein "Prachtweib", wie Aron de Paauw immer wieder anmerkt, eine Rahel Varnhagen dieses Romans. Sie ist Emanze avant la lettre, eine charmante, intelligente Frau, die es erstaunlich lang an der Seite ihres Ehemanns aushält und dabei verblüffend stark wirkt. Hätte Saskia Goldschmidt doch ihre Perspektive gewählt! Oder die Arons. Oder die Levines, des Chemikers, der als deutscher Jude aus seiner Heimat fliehen muss und später als jüdischer Deutscher auch in den Niederlanden unerwünscht ist.

Alle relevanten Themen aber, all die Probleme der Zeit, Fragen nach Menschlichkeit, nach Identität und sozialen Rollen werden durch Mordechai de Paauw umschifft. Was übrigbleibt, ist ein bisschen viriles Papperlapapp. Der Roman bietet wenig Heldenhaftes, weil er sich nicht mit der Psyche seiner Figuren befasst, sondern der oberflächlichen Perspektive seines Protagonisten verhaftet bleibt. Und der ist höchstens eines: ein Weiberheld.

LEA BEIERMANN

Saskia Goldschmidt:

"Die Glücksfabrik". Roman.

Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke.

Deutscher Taschenbuch

Verlag, München 2014.

328 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"'Die Glücksfabrik' führt den Leser mit einer wortgewaltigen, ambivalente Gefühle erzeugenden Fiktion durch fast ein Jahrhundert Medizin-, Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte (...)."
Tanya Kaner, OncoMag 29.09.2017