Alice Bota
Broschiertes Buch
Die Frauen von Belarus
Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit Gespräche mit Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa, Veronika Zepkalo und anderen Nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2022
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Die Revolution hat ein weibliches GesichtDie Bilder haben die Welt gerührt und erschüttert: Friedliche Demonstranten in Belarus trotzten dem brutalen Regime - immer und immer wieder. Die Osteuropa-Korrespondentin Alice Bota erzählt die Geschichten der drei maßgeblichen Protagonistinnen, die zu Politikerinnen wider Willen wurden: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo. Sie zeichnet die Geschichte des Aufstands nach und wirft die Frage auf, warum der Westen so wenig Unterstützung leistet. Das eindrückliche Porträt eines mutigen Aufstands - fast vor unserer Haustür...
Die Revolution hat ein weibliches Gesicht
Die Bilder haben die Welt gerührt und erschüttert: Friedliche Demonstranten in Belarus trotzten dem brutalen Regime - immer und immer wieder. Die Osteuropa-Korrespondentin Alice Bota erzählt die Geschichten der drei maßgeblichen Protagonistinnen, die zu Politikerinnen wider Willen wurden: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo.
Sie zeichnet die Geschichte des Aufstands nach und wirft die Frage auf, warum der Westen so wenig Unterstützung leistet. Das eindrückliche Porträt eines mutigen Aufstands - fast vor unserer Haustür.
Die Bilder haben die Welt gerührt und erschüttert: Friedliche Demonstranten in Belarus trotzten dem brutalen Regime - immer und immer wieder. Die Osteuropa-Korrespondentin Alice Bota erzählt die Geschichten der drei maßgeblichen Protagonistinnen, die zu Politikerinnen wider Willen wurden: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo.
Sie zeichnet die Geschichte des Aufstands nach und wirft die Frage auf, warum der Westen so wenig Unterstützung leistet. Das eindrückliche Porträt eines mutigen Aufstands - fast vor unserer Haustür.
Alice Bota wurde am 15. Dezember 1979 im polnischen Krapkowice, Oberschlesien, geboren. 1988 Emigration nach Norddeutschland. 1999 machte sie Abitur, kurz darauf Studium der Politikwissenschaft und Neueren Deutschen Literatur in Kiel, Poznan (Polen), Berlin und Potsdam. Mehrere Stipendien in den USA, Russland und Polen. 2005 wurde sie an der Deutschen Journalistenschule in München angenommen. Seit Juni 2007 arbeitet sie als Redakteurin für DIE ZEIT und ist Mitglied des außenpolitischen Teams. Auszeichnungen: Axel-Springer-Preis (2009), Newcomer des Jahres (Platz 3 mit Khuê Pham und Özlem Topcu, 2013), Berliner Fortschrittspreis (2015), Deutscher Journalistenpreis (2016), N-Ost Reportagepreis (2017). Publikationen: Wir Neuen Deutschen (Rowohlt 2012, mit Khuê Pham und Özlem Topcu), Testfall Ukraine (Suhrkamp 2015, Essay-Sammlung). Seit November 2015 leitet Alice Bota das ZEIT-Büro in Moskau und ist für den postsowjetischen Raum zuständig. Sie reist regelmäßig in die Ukraine,Südkaukasus und Belarus.
Produktdetails
- Verlag: Berlin Verlag
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 240
- Erscheinungstermin: 29. Juli 2021
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 142mm x 25mm
- Gewicht: 294g
- ISBN-13: 9783827014429
- ISBN-10: 3827014425
- Artikelnr.: 61382611
Herstellerkennzeichnung
Berlin Verlag
Hedemannstraße 14
10969 Berlin
info@piper.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Franziska Davies wünscht dem Buch der deutschen Journalistin Alice Bota viele Leser, auf dass wir Belarus und seine Frauen nicht vergessen. Die Außenperspektive der Autorin, ihre Kenntnisse und die Gespräche, die sie mit politischen Aktivistinnen geführt hat, machen das Buch für Davies äußerst lesenswert. Es geht um weibliche Symbolik und die tiefreichenden Versehrungen durch Lukaschenkos Schlägertrupps, erklärt Davies. Die Porträts in dem "sehr gut lesbaren" Buch findet sie eindrucksvoll.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Eine zutiefst europäische Geschichte
Eine Schilderung des Kampfes der Frauen in Belarus öffnet den Blick in die Gesellschaft des Landes
Ihr Buch solle eine "Übersetzungshilfe" sein, schreibt die Autorin im Vorwort zu "Die Frauen von Belarus": "Es will eine Gesellschaft, die fern und fremd erscheint, in Deutschland vertrauter machen." Das gelingt ihr mit diesem gut lesbaren Buch. In seinem Zentrum stehen die Proteste gegen den Machthaber Alexandr Lukaschenko, die nach der gefälschten Präsidentenwahl vor einem Jahr begonnen haben. Aber es bleibt nicht bei der - für sich genommen schon lesenswerten - Schilderung dieser Bewegung und der brutalen Reaktion des Machtapparates stehen, die auf zahlreichen Gesprächen mit
Eine Schilderung des Kampfes der Frauen in Belarus öffnet den Blick in die Gesellschaft des Landes
Ihr Buch solle eine "Übersetzungshilfe" sein, schreibt die Autorin im Vorwort zu "Die Frauen von Belarus": "Es will eine Gesellschaft, die fern und fremd erscheint, in Deutschland vertrauter machen." Das gelingt ihr mit diesem gut lesbaren Buch. In seinem Zentrum stehen die Proteste gegen den Machthaber Alexandr Lukaschenko, die nach der gefälschten Präsidentenwahl vor einem Jahr begonnen haben. Aber es bleibt nicht bei der - für sich genommen schon lesenswerten - Schilderung dieser Bewegung und der brutalen Reaktion des Machtapparates stehen, die auf zahlreichen Gesprächen mit
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Beteiligten beruht.
Alice Bota zeichnet ein plastisches Porträt jener Gesellschaft, ihrer Wurzeln, Widersprüche und Wandlungen, aus der diese Proteste erwachsen sind, deren Größe und Ausdauer alle überrascht haben - den Machthaber, die Protestierenden und die Beobachter innerhalb wie außerhalb des Landes. Der Ansatz, die Frauen von Belarus in den Vordergrund zu stellen, ist dabei keine Verengung auf einen Aspekt. Er ist vielmehr ein überzeugendes Mittel, um die Lebensumstände sowie das Denken und Fühlen sichtbar werden zu lassen, die den Alltag eines großen Teils der Menschen in Belarus bestimmen.
Die Bedeutung der Frauen für die Proteste in Belarus ist in der Berichterstattung über die Ereignisse immer wieder hervorgehoben worden. Zweimal im Laufe des Sommers 2020 waren es Frauen, die den Ereignissen eine entscheidende Wende gaben. Das erste Mal im Frühsommer, als sich zwei Ehefrauen und die Wahlkampfmanagerin der drei Männer zusammentaten, die Lukaschenko als seine gefährlichsten Widersacher angesehen und deshalb ausgeschaltet hatte - zwei durch Verhaftung, der dritte konnte Belarus gerade noch rechtzeitig verlassen. Lukaschenko nahm das weibliche Trio anfangs nicht ernst - aber nicht das wurde zu seinem größten Problem. Die drei Frauen Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Marija Kolesnikowa, die Bota in einfühlsamen Porträts vorstellt, bildeten in allem, in Wortwahl, Auftreten und Aussehen, den maximalen Kontrast zu dem breitbeinigen, manchmal vulgären Machthaber und ließen so die nach Veränderung strebenden Teile der Gesellschaft umso deutlicher erkennen, warum sie seiner überdrüssig waren.
Das zweite Mal in der Woche nach der gefälschten Wahl im August, als sich nach drei Nächten der Gewaltorgien der Sicherheitskräfte an einem Morgen vor einem Markt in Minsk hell gekleidete Frauen mit Blumen in der Hand den behelmten Männern in den schwarzen Uniformen entgegenstellten. Das war der Moment, in dem jene Massenbewegung wirklich begann, die in den folgenden Wochen mehrmals Hunderttausende auf die Straßen brachte. Die Frauen hatten nicht nur starke Bilder geschaffen, die den Gegensatz zwischen dem gewalttätigen Regime und seinen gewaltfreien Gegnern versinnbildlichten - sie hatten die Sicherheitskräfte auch vor ein ernstes Problem gestellt. Der Ehrenkodex einer patriarchalen Gesellschaft verbot ihnen, in der Öffentlichkeit auf die vermeintlich schwachen Frauen ebenso einzuprügeln wie auf Männer. Der Moment der Unsicherheit des Regimes darüber, wie es gegen diesen Gegner vorgehen sollte, machte die Großdemonstrationen möglich. Als die Sicherheitskräfte im Herbst ihre Hemmungen abzulegen begannen und auch auf Frauen ungehemmt eindroschen, ging auch die Zeit der großen Kundgebungen zu Ende.
Die belarussischen Proteste werden gerne auch als weibliche Emanzipationsbewegung, als Selbstermächtigung von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft beschrieben. Die große Stärke von Alice Botas Buch ist, dass sie nicht bei dieser naheliegenden Darstellung stehen bleibt, sondern genau hinschaut: Wie haben diese Frauen vorher gelebt? Woran haben sie ihr Leben ausgerichtet, was haben sie vom Staat erwartet? Wie wirkt das zwiespältige Erbe der Sowjetunion fort, in der Frauen zwar einerseits voll in die Arbeitswelt integriert waren, in der andererseits aber im privaten Leben traditionelle Rollenbilder dominierten? Wie haben sich die sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche der vergangenen 30 Jahre auf Frauen ausgewirkt? Über diesen Zugang erklärt die Autorin nicht nur den Aufruhr gegen Lukaschenko, sondern auch das lange Funktionieren seiner Herrschaft - schließlich waren Frauen eine wichtige Stütze seiner Herrschaft, als er noch Zustimmung in der Gesellschaft erfuhr.
Alice Bota schreibt über die in vielem konservative belarussische Gesellschaft aus einer klar feministischen Perspektive. Aber sie lässt ihre eigene Haltung hinter die Neugier und den Respekt zurücktreten, mit denen sie den belarussischen Frauen in ihrer Lebenswelt begegnet. Deutlich wird das zum Beispiel an ihrer Beschreibung des Wegs, den die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin (und mutmaßliche Wahlsiegerin) Swetlana Tichanowskaja zurückgelegt hat. Zu Beginn ihrer Kandidatur war Tichanowskaja vor allem Hausfrau und Mutter, die nur vorübergehend ihren verhafteten Mann Sergej Tichanowski vertreten wollte; der hatte sich zu seiner Kandidatur gegen Lukaschenko noch entschlossen, ohne sie auch nur um ihre Meinung zu fragen. Tichanowskajas öffentliche Aussage, am liebsten würde sie wieder Frikadellen für ihre Familie braten, ließ Lukaschenko spotten - und sorgte dafür, dass sich in ihr viele belarussische Frauen wiedererkannten, die zuvor nicht auf die Idee gekommen wären, sich politisch zu engagieren.
Alice Bota, die für die Wochenzeitung Die Zeit aus Moskau berichtet, ist keine unbeteiligte Beobachterin. Sie steht auf der Seite ihrer Protagonistinnen - und das ist auch gut so. Es gibt Umstände, unter denen Journalisten nicht neutral bleiben können. Belarus ist ein solcher Fall. Besonders deutlich wird das in dem Kapitel, in dem die Autorin das Engagement einer jungen Ärztin schildert, die Fälle von Folter und Misshandlung in Haft dokumentiert. An diesen Stellen wird die Lektüre unangenehm - und gerade dann wünscht man dem Buch viele Leser, damit im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gegenwärtiger wird, was weniger als tausend Kilometer entfernt von der deutschen Grenze gerade geschieht. Denn auch wenn Belarus und seine Gesellschaft in Deutschland vielen fern und fremd erscheinen, ist der Kampf der Belarussinnen und Belarussen das, als was Alice Bota ihn gleich zu Beginn ihres Buches charakterisiert: "Eine zutiefst europäische Geschichte."
REINHARD VESER
Alice Bota: Die Frauen von Belarus. Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit.
Berlin Verlag, Berlin 2021. 240 S., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alice Bota zeichnet ein plastisches Porträt jener Gesellschaft, ihrer Wurzeln, Widersprüche und Wandlungen, aus der diese Proteste erwachsen sind, deren Größe und Ausdauer alle überrascht haben - den Machthaber, die Protestierenden und die Beobachter innerhalb wie außerhalb des Landes. Der Ansatz, die Frauen von Belarus in den Vordergrund zu stellen, ist dabei keine Verengung auf einen Aspekt. Er ist vielmehr ein überzeugendes Mittel, um die Lebensumstände sowie das Denken und Fühlen sichtbar werden zu lassen, die den Alltag eines großen Teils der Menschen in Belarus bestimmen.
Die Bedeutung der Frauen für die Proteste in Belarus ist in der Berichterstattung über die Ereignisse immer wieder hervorgehoben worden. Zweimal im Laufe des Sommers 2020 waren es Frauen, die den Ereignissen eine entscheidende Wende gaben. Das erste Mal im Frühsommer, als sich zwei Ehefrauen und die Wahlkampfmanagerin der drei Männer zusammentaten, die Lukaschenko als seine gefährlichsten Widersacher angesehen und deshalb ausgeschaltet hatte - zwei durch Verhaftung, der dritte konnte Belarus gerade noch rechtzeitig verlassen. Lukaschenko nahm das weibliche Trio anfangs nicht ernst - aber nicht das wurde zu seinem größten Problem. Die drei Frauen Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Marija Kolesnikowa, die Bota in einfühlsamen Porträts vorstellt, bildeten in allem, in Wortwahl, Auftreten und Aussehen, den maximalen Kontrast zu dem breitbeinigen, manchmal vulgären Machthaber und ließen so die nach Veränderung strebenden Teile der Gesellschaft umso deutlicher erkennen, warum sie seiner überdrüssig waren.
Das zweite Mal in der Woche nach der gefälschten Wahl im August, als sich nach drei Nächten der Gewaltorgien der Sicherheitskräfte an einem Morgen vor einem Markt in Minsk hell gekleidete Frauen mit Blumen in der Hand den behelmten Männern in den schwarzen Uniformen entgegenstellten. Das war der Moment, in dem jene Massenbewegung wirklich begann, die in den folgenden Wochen mehrmals Hunderttausende auf die Straßen brachte. Die Frauen hatten nicht nur starke Bilder geschaffen, die den Gegensatz zwischen dem gewalttätigen Regime und seinen gewaltfreien Gegnern versinnbildlichten - sie hatten die Sicherheitskräfte auch vor ein ernstes Problem gestellt. Der Ehrenkodex einer patriarchalen Gesellschaft verbot ihnen, in der Öffentlichkeit auf die vermeintlich schwachen Frauen ebenso einzuprügeln wie auf Männer. Der Moment der Unsicherheit des Regimes darüber, wie es gegen diesen Gegner vorgehen sollte, machte die Großdemonstrationen möglich. Als die Sicherheitskräfte im Herbst ihre Hemmungen abzulegen begannen und auch auf Frauen ungehemmt eindroschen, ging auch die Zeit der großen Kundgebungen zu Ende.
Die belarussischen Proteste werden gerne auch als weibliche Emanzipationsbewegung, als Selbstermächtigung von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft beschrieben. Die große Stärke von Alice Botas Buch ist, dass sie nicht bei dieser naheliegenden Darstellung stehen bleibt, sondern genau hinschaut: Wie haben diese Frauen vorher gelebt? Woran haben sie ihr Leben ausgerichtet, was haben sie vom Staat erwartet? Wie wirkt das zwiespältige Erbe der Sowjetunion fort, in der Frauen zwar einerseits voll in die Arbeitswelt integriert waren, in der andererseits aber im privaten Leben traditionelle Rollenbilder dominierten? Wie haben sich die sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche der vergangenen 30 Jahre auf Frauen ausgewirkt? Über diesen Zugang erklärt die Autorin nicht nur den Aufruhr gegen Lukaschenko, sondern auch das lange Funktionieren seiner Herrschaft - schließlich waren Frauen eine wichtige Stütze seiner Herrschaft, als er noch Zustimmung in der Gesellschaft erfuhr.
Alice Bota schreibt über die in vielem konservative belarussische Gesellschaft aus einer klar feministischen Perspektive. Aber sie lässt ihre eigene Haltung hinter die Neugier und den Respekt zurücktreten, mit denen sie den belarussischen Frauen in ihrer Lebenswelt begegnet. Deutlich wird das zum Beispiel an ihrer Beschreibung des Wegs, den die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin (und mutmaßliche Wahlsiegerin) Swetlana Tichanowskaja zurückgelegt hat. Zu Beginn ihrer Kandidatur war Tichanowskaja vor allem Hausfrau und Mutter, die nur vorübergehend ihren verhafteten Mann Sergej Tichanowski vertreten wollte; der hatte sich zu seiner Kandidatur gegen Lukaschenko noch entschlossen, ohne sie auch nur um ihre Meinung zu fragen. Tichanowskajas öffentliche Aussage, am liebsten würde sie wieder Frikadellen für ihre Familie braten, ließ Lukaschenko spotten - und sorgte dafür, dass sich in ihr viele belarussische Frauen wiedererkannten, die zuvor nicht auf die Idee gekommen wären, sich politisch zu engagieren.
Alice Bota, die für die Wochenzeitung Die Zeit aus Moskau berichtet, ist keine unbeteiligte Beobachterin. Sie steht auf der Seite ihrer Protagonistinnen - und das ist auch gut so. Es gibt Umstände, unter denen Journalisten nicht neutral bleiben können. Belarus ist ein solcher Fall. Besonders deutlich wird das in dem Kapitel, in dem die Autorin das Engagement einer jungen Ärztin schildert, die Fälle von Folter und Misshandlung in Haft dokumentiert. An diesen Stellen wird die Lektüre unangenehm - und gerade dann wünscht man dem Buch viele Leser, damit im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gegenwärtiger wird, was weniger als tausend Kilometer entfernt von der deutschen Grenze gerade geschieht. Denn auch wenn Belarus und seine Gesellschaft in Deutschland vielen fern und fremd erscheinen, ist der Kampf der Belarussinnen und Belarussen das, als was Alice Bota ihn gleich zu Beginn ihres Buches charakterisiert: "Eine zutiefst europäische Geschichte."
REINHARD VESER
Alice Bota: Die Frauen von Belarus. Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit.
Berlin Verlag, Berlin 2021. 240 S., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»'Es will eine Gesellschaft, die fern und fremd scheint, in Deutschland vertrauter machen.' Das gelingt ihr mit diesem gut lesbaren Buch.« Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210810
Belarus – bei vielen von uns ist dieses Land, gleich hinter unserem Nachbarn Polen, ein weißer Fleck auf der inneren Landkarte. „Lukaschenko“, „letzte Diktatur Europas“, „Todesstrafe“, „irgendwie russlandtreu, glaube ich“ … Aber dann …
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Belarus – bei vielen von uns ist dieses Land, gleich hinter unserem Nachbarn Polen, ein weißer Fleck auf der inneren Landkarte. „Lukaschenko“, „letzte Diktatur Europas“, „Todesstrafe“, „irgendwie russlandtreu, glaube ich“ … Aber dann hört es auch schon auf. Im Sommer 2020 änderte sich diese Unsichtbarkeit, als die Belarussen auf die Straße drängten, um gegen Lukaschenkos Fälschung der letzten Wahlen zu protestieren. Für kurze Zeit waren wir gebannt von dem Mut der Bürger, die, trotz der Repressalien, der Verhaftungen, der Gefahr, gefoltert zu werden, weiter demonstrieren gingen und gerechte Wahlen forderten. Doch irgendwann wurden die Proteste kleiner, die internationale Presse zog ab, das Land blieb sich selbst überlassen, während der Rest der Welt sich wieder auf Corona und die drohende Herbstwelle konzentrierte.
Aber für viele Belarussen ist der Kampf und Alptraum noch lange nicht zu Ende. Ende Januar 2022 sitzen noch über 1000 politische Gefangene in belarussischen Gefängnissen (Quelle: www.100xsolidaritaet.de), die meisten wegen ihrer Beteiligung an den Protesten. Etliche befinden sich nach wie vor im Exil, versuchen, von dort aus weiterzumachen. Kämpfen für ein freieres Land und gerechte Wahlen und haben Sehnsucht nach der Heimat und ihren Angehörigen.
„Die Frauen von Belarus“ von Alice Bota ist ein großartiger Beitrag, diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Titel mag am Anfang etwas verwirren, lässt er doch glauben, die Proteste in Belarus wären rein weiblich und vielleicht sogar feministischer Natur gewesen. Doch der Grund Botas, sich auf die Frauen der Ereignisse zu konzentrieren, wächst vor allem daraus, dass im Herzen der Aktionen tatsächlich Frauen stehen – wenn auch in manchen Fällen unfreiwillig. Und diese Tatsache in einer politischen Umgebung, die weitestgehend von Männern gemacht ist, ein komplementär wichtiger und prägender Umstand ist.
Bota stellt drei Frauen in den Mittelpunkt ihres Buches: Swetlana Tichanowskaja, Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo, drei komplett unterschiedliche Frauen, die an Stelle ihrer Männer gerückt sind, nachdem diese von Lukschenko ausgeschaltet wurden. Und sich schließlich zusammengeschlossen haben, mit Tichanowskaja als offiziell zugelassener Präsidentschaftskandidatin, was zeigt, dass Lukschenko die Lehrerin und Hausfrau wohl grob unterschätzt haben muss.
Ich bin kein großer Sachbuchleser, aber „Die Frauen von Belarus“ hat mir sehr gut gefallen. Bota hat mich da abgeholt, wo mein Wissensstand war, nämlich so gut wie bei null. Und sie schafft es, alle nötigen Informationen so aufzuarbeiten, dass man ein gutes Bild bekommt, ohne sich von Fakten, Daten und Namen erschlagen zu fühlen. Gekonnt wechselt sie vom großen Bild ins Detail, was einem die persönlichen Schicksale näher bringt, verstehen lässt, wie viel Trauer und Ängste und Qualen viele Belarussen immer noch jeden Tag ertragen müssen.
Seit Putin die Ukraine überfallen hat, fällt der Name Belarus ab und an wieder in den Nachrichten. „Handlanger Russlands“, der Faktor X, von dem zusätzliche Gefahr für das Kriegsgeschehen aus nördlicher Richtung ausgehen kann. Die Menschen, die weiterhin für Demokratie und Gerechtigkeit kämpfen, ohne Unterstützung anderer Länder aber kaum eine Chance haben, sind weitestgehend in Vergessenheit geraten und auf sich selbst gestellt. Gerade deswegen sind Bücher wie „Die Frauen von Belarus“ so extrem wichtig. Und darum wünsche ich diesem spannenden und interessanten Buch viele, viele Leser.
Nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2022.
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