Helmut Walser Smith
Gebundenes Buch
Deutschland
Geschichte einer Nation
Übersetzung: Wirthensohn, Andreas
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"PFLICHTLEKTÜRE FÜR JEDEN, DER SICH FÜR DEUTSCHLANDS VERGANGENHEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT INTERESSIERT." -CHRISTOPHER CLARKUm 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte zu verantworten hat. Ist dieses "Deutschland" eine Nation mit einer festen Identität und einem angestammten "Volk", oder ist es weit eher ein historischer Raum, in dem sich konkurrierende Vorstellungen davon, was...
"PFLICHTLEKTÜRE FÜR JEDEN, DER SICH FÜR DEUTSCHLANDS VERGANGENHEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT INTERESSIERT." -CHRISTOPHER CLARK
Um 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte zu verantworten hat. Ist dieses "Deutschland" eine Nation mit einer festen Identität und einem angestammten "Volk", oder ist es weit eher ein historischer Raum, in dem sich konkurrierende Vorstellungen davon, was Deutschland ist oder werden soll, permanent ablösen?
Helmut Walser Smith geht in seinem elegant geschriebenen Werk der "longue durée" der deutschen Geschichte nach und hält die Idee der Nation und die Ideologie des Nationalismus so hellsichtig auseinander, wie es wohl nur einem Beobachter von außen möglich ist. Imaginationen von Deutschland und deutsche Wirklichkeiten stoßenin seinem geradezu anti-essentialistischen Buch hart aufeinander und entladen sich im 20. Jahrhundert in nationalistischen Exzessen, die Walser Smith ebenso eindringlich wie schonungslos schildert. Bis hin zur Bundestagsrede von Navid Kermani und den aktuellen Versuchen der AfD, sich der deutschen Geschichte zu bemächtigen, reicht diese kluge Meditation über Deutschland und das Erbe seiner Vergangenheit.
Wer ist Deutschland und wenn ja wie viele? Ein innovativer Blick auf Deutschland und seine Geschichte "Walser Smith schreibt elegant und bietet eine Fülle von klugen Einsichten und Beobachtungen." Tim Blanning, Wallstreet Journal
Um 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte zu verantworten hat. Ist dieses "Deutschland" eine Nation mit einer festen Identität und einem angestammten "Volk", oder ist es weit eher ein historischer Raum, in dem sich konkurrierende Vorstellungen davon, was Deutschland ist oder werden soll, permanent ablösen?
Helmut Walser Smith geht in seinem elegant geschriebenen Werk der "longue durée" der deutschen Geschichte nach und hält die Idee der Nation und die Ideologie des Nationalismus so hellsichtig auseinander, wie es wohl nur einem Beobachter von außen möglich ist. Imaginationen von Deutschland und deutsche Wirklichkeiten stoßenin seinem geradezu anti-essentialistischen Buch hart aufeinander und entladen sich im 20. Jahrhundert in nationalistischen Exzessen, die Walser Smith ebenso eindringlich wie schonungslos schildert. Bis hin zur Bundestagsrede von Navid Kermani und den aktuellen Versuchen der AfD, sich der deutschen Geschichte zu bemächtigen, reicht diese kluge Meditation über Deutschland und das Erbe seiner Vergangenheit.
Wer ist Deutschland und wenn ja wie viele? Ein innovativer Blick auf Deutschland und seine Geschichte "Walser Smith schreibt elegant und bietet eine Fülle von klugen Einsichten und Beobachtungen." Tim Blanning, Wallstreet Journal
Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, und ist Autor der Bücher "Die Geschichte des Schlachters. Mord und Antisemitismus in einer deutschen Kleinstadt" sowie "Fluchtpunkt 1941. Kontinuitäten der deutschen Geschichte".
Produktdetails
- Verlag: Beck
- Originaltitel: Germany. A Nation in Its Time: Before, During and After Nationalism, 1500-2000
- Seitenzahl: 667
- Erscheinungstermin: 4. Oktober 2021
- Deutsch
- Abmessung: 245mm x 168mm x 46mm
- Gewicht: 1172g
- ISBN-13: 9783406774157
- ISBN-10: 3406774156
- Artikelnr.: 61375679
Herstellerkennzeichnung
C.H. Beck
Wilhelmstrasse 9
80801 München
produktsicherheit@beck.de
Welche Farbe soll der Nachbar Frankreich haben?
Helmut Walser Smith präsentiert in seiner Geschichte der deutschen Nation interessante Funde. Aber Systematik ist nicht sein Fall.
Von Stephan Speicher
Die Nation ist eines der großen Themen des modernen Staates, sie ist "zuerst da, ist sie doch der Ursprung von allem", schreibt im Januar 1789 der Abbé Sieyès in "Was ist der dritte Stand?". Und weiter: "Ihr Wille ist immer gesetzlich, denn er ist das Gesetz selbst." Die Staaten, die man dem Westen zurechnet, Großbritannien und Frankreich, die Vereinigten Staaten, Niederlande oder Italien, verstehen sich als Nationalstaaten.
Im Ersten Weltkrieg waren die Ententemächte als Vertreter des modernen
Helmut Walser Smith präsentiert in seiner Geschichte der deutschen Nation interessante Funde. Aber Systematik ist nicht sein Fall.
Von Stephan Speicher
Die Nation ist eines der großen Themen des modernen Staates, sie ist "zuerst da, ist sie doch der Ursprung von allem", schreibt im Januar 1789 der Abbé Sieyès in "Was ist der dritte Stand?". Und weiter: "Ihr Wille ist immer gesetzlich, denn er ist das Gesetz selbst." Die Staaten, die man dem Westen zurechnet, Großbritannien und Frankreich, die Vereinigten Staaten, Niederlande oder Italien, verstehen sich als Nationalstaaten.
Im Ersten Weltkrieg waren die Ententemächte als Vertreter des modernen
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demokratischen Prinzips (der russische Verbündete passte natürlich nicht ganz dazu) überzeugt, dass nur auf eine Nation sich gründende Staaten lebensfähig seien, nicht also die Donaumonarchie oder das Osmanische Reich, die in den Friedensverträgen von 1919/20 zerteilt wurden. Und selbst die Sowjetunion, die doch im Namen jede nationale, ethnische oder auch nur territoriale Bestimmung vermied, bemühte sich rasch um eine nationale Identität. Berühmt ist der Toast auf das russische Volk, den Stalin beim Bankett zur Feier des Sieges über Hitler-Deutschland ausbrachte.
Über die Nation kann man immer noch ein Buch schreiben, so viele es davon auch schon gibt. Und über die deutsche Nation, einen besonders heiklen Fall, erst recht. Man muss nur über eine fruchtbare Frage verfügen. Hat Helmut Walser Smith, Historiker an der Vanderbilt University in Nashville, für sein Buch "Deutschland. Geschichte einer Nation" eine solche Frage entwickelt? Er nimmt zunächst eine vorsichtige Haltung zu seinem Gegenstand ein. Nationen seien nicht zeitlos und selbstverständlich, aber eben auch keine willkürlichen Erfindungen.
Demzufolge gibt es offenbar ein Substrat, auf dem sich Nationen entwickeln können, ohne dass aber diese Nationenbildung schon präformiert wäre. Aber welches ist dieses Substrat, im Allgemeinen und im besonderen deutschen Fall? Vielleicht die gemeinsame Sprache? Die Geschichte? Etwas Drittes, ganz anderes? Dazu gibt Walser Smith keine Auskunft. Das ist ein Problem, auf das der Leser mehrfach trifft. Der Autor greift einen Faden auf, lässt ihn aber bald wieder fallen.
Eine interessante Idee ist es, geographische und speziell kartographische Bemühungen zu untersuchen, mit denen Deutsche sich Klarheit über die von Ihnen bewohnten Regionen verschaffen wollten. Im Spätmittelalter sind es noch Reisehandbücher, mit denen sich vor allem Pilger orientieren, das zu bereisende Land wird entlang der Wegstrecke beschrieben - in einer Dimension. Die Karte, zweidimensional, kann Territorien abbilden. Allerdings werden sie erst durch die nachträgliche Kolorierung gut erkennbar. Der deutsche Kartograph Erhard Etzlaub gab zu seiner Karte des "Romwegs" (1500) Hinweise, wie Frankreich oder die Niederlande etwa farblich zu markieren seien. Wie sehr die Entwicklung der Kartographie mit der einer Vorstellung von Nationen korreliert, bleibt aber offen. Es gab, wie Walser Smith feststellt, lange Zeit keine Karten, die die Verbreitung der Konfessionen zeigten. Daraus geht aber gewiss nicht hervor, das konfessionelle Fragen irrelevant gewesen wären, sondern eher, dass sich nur langsam ein territoriales Denken herausbildet.
Das beeinflusst auch die Entstehung eines nationalen Bewusstseins. Politische Herrschaft wird im Mittelalter und weitgehend auch in der frühen Neuzeit über die Loyalität zum Monarchen und seiner Dynastie gesichert, das Land spielt noch eine geringe Rolle. Wohl erhob der französische König Philipp IV. schon Ende des dreizehnten Jahrhunderts Steuern "ad defensionem natalis patriae", zur Verteidigung des Vaterlands, wo wir geboren sind, aber der Gedanke setzt sich nur langsam durch.
Dass die Revolution und die Napoleonischen Kriege nationale Empfindungen aufwühlen und von ihnen aufgewühlt werden, ist eine Binsenweisheit. Aber was ist im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts vorbereitend geschehen? Den Übergang von dynastisch fundierter Herrschaft zum Territorialstaat zeigt Walser Smith am Beispiel Österreichs unter Joseph II. Der Gedanke vom "Tode für das Vaterland" hat eine besondere nationale Pointe, wie Moses Mendelssohn in einer Kritik der gleichnamigen Schrift des Philosophen Thomas Abbt von 1761 ausführt: Nicht nur wird das Opfer des Lebens nun dem Land gebracht statt dem Dynasten, das Übel des Krieges ist für Mendelssohn auch mit dem "wichtigen Vortheil verknüpft", die Entfernung der Stände zu vermindern und die Bürger "einer republikanischen Gleichheit näher" zu bringen.
Mit der Gleichheit ist ein Ideal der Nation benannt. Auf Abbt und Mendelssohn hinzuweisen ist eine gute Idee des Autors. Aber über das Verhältnis, das die Deutschen zum Reich und zu den Einzelstaaten hatten, deren Untertanen sie waren, weiß er nicht viel zu sagen: nicht über den Reichspatriotismus und auch nicht über die Hoffnungen, die (wie manche andere) der junge Reichsfreiherr vom Stein in patriotischer Hinsicht auf Preußen setzte, als er 1780 in dessen Dienste trat.
Walser Smith macht eine Reihe interessanter Bemerkungen, hat immer wieder schöne Funde, aber er lässt auch vieles am Rande liegen, was stärkere Beachtung verdiente. Die Reichsgründung 1870/71 wird selbstverständlich notiert, aber wie sich nach 1848 das nationale Thema neu aufbaut, wie das Reich sich von 1871 an mit den Einzelstaaten arrangiert, welche Reibungen entstehen, wie stark man den alten Dynastien noch anhängt und zugleich dem neuen Gesamtstaat, darüber würde man doch gern mehr lesen.
Zur Nation gehört die Empfindung der Gleichheit ihrer Bürger und also das Interesse für die unteren Bevölkerungsschichten; den Gedanken Mendelssohns greift Walser Smith am Beispiel Georg Büchners und Adolf Menzels auf. Warum ist dann nicht von Bismarcks Sozialversicherungen die Rede? Und wichtiger noch: Warum so wenig und höchstens nebenher über die Nation als Kommunikationsgemeinschaft einer republikanischen Verfasstheit?
Es gehört zu dem im Ganzen wohlwollenden Bild der deutschen Nation, dass das Nachkriegsdeutschland - hier konzentriert der Autor sich bis 1989 auf den Westen - sehr günstig abschneidet, es habe sich vom Nationalismus, nicht von der Nation abgekehrt. Seine These, es habe nach 1945 eine "Renaissance des Nachdenkens über die Nation" gegeben, hätte aber bessere Belege verdient, als hier gegeben werden. Für die Frage nach der Nation seit 1945 ist Walser Smiths Gesichtspunkt die in seinen Augen gelungene Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen. Aber dass die EU bei ihm so gar kein Interesse erregt, obgleich sie doch die große Herausforderung für den Nationalstaat ist, das zeigt zuletzt noch einmal, wie wenig systematisch, wie bloß von einzelnen Einfällen geleitet dieses Buch durch seinen Stoff gleitet.
Helmut Walser Smith: "Deutschland". Geschichte einer Nation. Von 1500 bis zur Gegenwart.
Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C. H. Beck Verlag, München 2021. 667 S., Abb., geb., 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über die Nation kann man immer noch ein Buch schreiben, so viele es davon auch schon gibt. Und über die deutsche Nation, einen besonders heiklen Fall, erst recht. Man muss nur über eine fruchtbare Frage verfügen. Hat Helmut Walser Smith, Historiker an der Vanderbilt University in Nashville, für sein Buch "Deutschland. Geschichte einer Nation" eine solche Frage entwickelt? Er nimmt zunächst eine vorsichtige Haltung zu seinem Gegenstand ein. Nationen seien nicht zeitlos und selbstverständlich, aber eben auch keine willkürlichen Erfindungen.
Demzufolge gibt es offenbar ein Substrat, auf dem sich Nationen entwickeln können, ohne dass aber diese Nationenbildung schon präformiert wäre. Aber welches ist dieses Substrat, im Allgemeinen und im besonderen deutschen Fall? Vielleicht die gemeinsame Sprache? Die Geschichte? Etwas Drittes, ganz anderes? Dazu gibt Walser Smith keine Auskunft. Das ist ein Problem, auf das der Leser mehrfach trifft. Der Autor greift einen Faden auf, lässt ihn aber bald wieder fallen.
Eine interessante Idee ist es, geographische und speziell kartographische Bemühungen zu untersuchen, mit denen Deutsche sich Klarheit über die von Ihnen bewohnten Regionen verschaffen wollten. Im Spätmittelalter sind es noch Reisehandbücher, mit denen sich vor allem Pilger orientieren, das zu bereisende Land wird entlang der Wegstrecke beschrieben - in einer Dimension. Die Karte, zweidimensional, kann Territorien abbilden. Allerdings werden sie erst durch die nachträgliche Kolorierung gut erkennbar. Der deutsche Kartograph Erhard Etzlaub gab zu seiner Karte des "Romwegs" (1500) Hinweise, wie Frankreich oder die Niederlande etwa farblich zu markieren seien. Wie sehr die Entwicklung der Kartographie mit der einer Vorstellung von Nationen korreliert, bleibt aber offen. Es gab, wie Walser Smith feststellt, lange Zeit keine Karten, die die Verbreitung der Konfessionen zeigten. Daraus geht aber gewiss nicht hervor, das konfessionelle Fragen irrelevant gewesen wären, sondern eher, dass sich nur langsam ein territoriales Denken herausbildet.
Das beeinflusst auch die Entstehung eines nationalen Bewusstseins. Politische Herrschaft wird im Mittelalter und weitgehend auch in der frühen Neuzeit über die Loyalität zum Monarchen und seiner Dynastie gesichert, das Land spielt noch eine geringe Rolle. Wohl erhob der französische König Philipp IV. schon Ende des dreizehnten Jahrhunderts Steuern "ad defensionem natalis patriae", zur Verteidigung des Vaterlands, wo wir geboren sind, aber der Gedanke setzt sich nur langsam durch.
Dass die Revolution und die Napoleonischen Kriege nationale Empfindungen aufwühlen und von ihnen aufgewühlt werden, ist eine Binsenweisheit. Aber was ist im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts vorbereitend geschehen? Den Übergang von dynastisch fundierter Herrschaft zum Territorialstaat zeigt Walser Smith am Beispiel Österreichs unter Joseph II. Der Gedanke vom "Tode für das Vaterland" hat eine besondere nationale Pointe, wie Moses Mendelssohn in einer Kritik der gleichnamigen Schrift des Philosophen Thomas Abbt von 1761 ausführt: Nicht nur wird das Opfer des Lebens nun dem Land gebracht statt dem Dynasten, das Übel des Krieges ist für Mendelssohn auch mit dem "wichtigen Vortheil verknüpft", die Entfernung der Stände zu vermindern und die Bürger "einer republikanischen Gleichheit näher" zu bringen.
Mit der Gleichheit ist ein Ideal der Nation benannt. Auf Abbt und Mendelssohn hinzuweisen ist eine gute Idee des Autors. Aber über das Verhältnis, das die Deutschen zum Reich und zu den Einzelstaaten hatten, deren Untertanen sie waren, weiß er nicht viel zu sagen: nicht über den Reichspatriotismus und auch nicht über die Hoffnungen, die (wie manche andere) der junge Reichsfreiherr vom Stein in patriotischer Hinsicht auf Preußen setzte, als er 1780 in dessen Dienste trat.
Walser Smith macht eine Reihe interessanter Bemerkungen, hat immer wieder schöne Funde, aber er lässt auch vieles am Rande liegen, was stärkere Beachtung verdiente. Die Reichsgründung 1870/71 wird selbstverständlich notiert, aber wie sich nach 1848 das nationale Thema neu aufbaut, wie das Reich sich von 1871 an mit den Einzelstaaten arrangiert, welche Reibungen entstehen, wie stark man den alten Dynastien noch anhängt und zugleich dem neuen Gesamtstaat, darüber würde man doch gern mehr lesen.
Zur Nation gehört die Empfindung der Gleichheit ihrer Bürger und also das Interesse für die unteren Bevölkerungsschichten; den Gedanken Mendelssohns greift Walser Smith am Beispiel Georg Büchners und Adolf Menzels auf. Warum ist dann nicht von Bismarcks Sozialversicherungen die Rede? Und wichtiger noch: Warum so wenig und höchstens nebenher über die Nation als Kommunikationsgemeinschaft einer republikanischen Verfasstheit?
Es gehört zu dem im Ganzen wohlwollenden Bild der deutschen Nation, dass das Nachkriegsdeutschland - hier konzentriert der Autor sich bis 1989 auf den Westen - sehr günstig abschneidet, es habe sich vom Nationalismus, nicht von der Nation abgekehrt. Seine These, es habe nach 1945 eine "Renaissance des Nachdenkens über die Nation" gegeben, hätte aber bessere Belege verdient, als hier gegeben werden. Für die Frage nach der Nation seit 1945 ist Walser Smiths Gesichtspunkt die in seinen Augen gelungene Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen. Aber dass die EU bei ihm so gar kein Interesse erregt, obgleich sie doch die große Herausforderung für den Nationalstaat ist, das zeigt zuletzt noch einmal, wie wenig systematisch, wie bloß von einzelnen Einfällen geleitet dieses Buch durch seinen Stoff gleitet.
Helmut Walser Smith: "Deutschland". Geschichte einer Nation. Von 1500 bis zur Gegenwart.
Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C. H. Beck Verlag, München 2021. 667 S., Abb., geb., 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Gustav Seibt hat Freude an dem Buch des Historikers Helmut Walser Smith, auch wenn er nicht recht klug wird daraus. Die Schilderungen im Buch findet er anschaulich, die Details entzückend, allein, welchem Zweck sie dienen, scheint ihm nicht klar. So viel erkennt Seibt immerhin: Es geht um "Wahrnehmungen von Deutschland seit der Frühen Neuzeit", etwa durch "militärische Raumerfassung", also nicht um eine politische Nationalgeschichte im herkömmlichen Sinn. Seibt scheint das durchaus faszinierend, aber zwei Schwächen entdeckt er auch: Walsers unscharfe Verwendung des Begriffs "Nation" und die inhaltliche Leerstelle betreffend das Alte Reich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Smith liefert ein lesenswertes und bestens lesbares Werk, das uns jenen luziden Blick von außen beschert, der Nationen von Nationalismus unterscheidet."
WELT am Sonntag
"Pflichtlektüre für jeden, der sich für Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft interessiert."
Christopher Clark
Ein[] anspruchsvolle[s] theoretische[s] Konzept mit anschaulichen Beschreibungen. () Reizvoll ist der mediengeschichtliche Zugang des Autors zu seinem Thema.
Falter, Thomas Leitner
Womöglich bedarf es der Perspektive von außen, um nüchtern und gleichzeitig optimistisch auf die Entstehung und Geschichte der deutschen Nation, ihre Befindlichkeiten und ihre mögliche Zukunft zu sehen.
SWR2 Lesenswert, Clemens Klünemann
Helmut Walser Smith behandelt das schwierige Thema der Nationwerdung Deutschlands mit großer Sachkenntnis und Eindringlichkeit.
Bücherschau, Friedrich Weissensteiner
"[um] die jüngste Vergangenheit nicht aus dem Sinn zu verlieren, bietet das gehaltvolle Buch von Helmut Walser Smith mannigfache Anregungen
literaturkritik.de, Jens Flemming
"Nationalgeschichte für das post-nationale Zeitalter."
James Sheehan, Stanford
"Walser Smith schreibt elegant und bietet eine Fülle von klugen Einsichten und Beobachtungen."
Tim Blanning, Wallstreet Journal
WELT am Sonntag
"Pflichtlektüre für jeden, der sich für Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft interessiert."
Christopher Clark
Ein[] anspruchsvolle[s] theoretische[s] Konzept mit anschaulichen Beschreibungen. () Reizvoll ist der mediengeschichtliche Zugang des Autors zu seinem Thema.
Falter, Thomas Leitner
Womöglich bedarf es der Perspektive von außen, um nüchtern und gleichzeitig optimistisch auf die Entstehung und Geschichte der deutschen Nation, ihre Befindlichkeiten und ihre mögliche Zukunft zu sehen.
SWR2 Lesenswert, Clemens Klünemann
Helmut Walser Smith behandelt das schwierige Thema der Nationwerdung Deutschlands mit großer Sachkenntnis und Eindringlichkeit.
Bücherschau, Friedrich Weissensteiner
"[um] die jüngste Vergangenheit nicht aus dem Sinn zu verlieren, bietet das gehaltvolle Buch von Helmut Walser Smith mannigfache Anregungen
literaturkritik.de, Jens Flemming
"Nationalgeschichte für das post-nationale Zeitalter."
James Sheehan, Stanford
"Walser Smith schreibt elegant und bietet eine Fülle von klugen Einsichten und Beobachtungen."
Tim Blanning, Wallstreet Journal
Klappentext:
„Um 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte …
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Klappentext:
„Um 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte zu verantworten hat. Ist dieses "Deutschland" eine Nation mit einer festen Identität und einem angestammten "Volk", oder ist es weit eher ein historischer Raum, in dem sich konkurrierende Vorstellungen davon, was Deutschland ist oder werden soll, permanent ablösen?
Helmut Walser Smith geht in seinem elegant geschriebenen Werk der "longue durée" der deutschen Geschichte nach und hält die Idee der Nation und die Ideologie des Nationalismus so hellsichtig auseinander, wie es wohl nur einem Beobachter von außen möglich ist. Imaginationen von Deutschland und deutsche Wirklichkeiten stoßen in seinem geradezu anti-essentialistischen Buch hart aufeinander und entladen sich im 20. Jahrhundert in nationalistischen Exzessen, die Walser Smith ebenso eindringlich wie schonungslos schildert. Bis hin zur Bundestagsrede von Navid Kermani und den aktuellen Versuchen der AfD, sich der deutschen Geschichte zu bemächtigen, reicht diese kluge Meditation über Deutschland und das Erbe seiner Vergangenheit.“
Die Geschichte uns Landes ist nicht nur höchst interessant, man muss verschiedene Zusammenhänge auch einfach mal gehört haben, um zu verstehen, warum-wieso-weshalb alles und vieles so gekommen ist wie es gekommen ist und warum wir Deutsche so sind wie wir sind. Helmut Walser Smith macht uns genau diesen Standpunkt in seinem aktuellen Werk deutlich. Unsere Nation ist geprägt von schlauen Köpfen und Erfindern, politischen Wegbereitern, Grauen und Schrecken und auch dem Guten, sie ist angereichert mit einer hohen Zahl an Schriftstellern und Dichtern, an Musikern…Was das mit Deutschland zu tun hat? Eine ganz Menge und man mag es fast nicht glauben wie viele Faktoren jeder dieser einzelnen Bausteine dieses Land geformt hat. Walser Smith weiß genau wovon er uns hier erzählt. Er ist gebürtiger Amerikaner und lehrte einst u.a. Geschichte. Ein Amerikaner will uns unsere Landesgeschichte erläutern? Und wie er das tut! Er hat einen feinen und selbstbewussten Ton dabei und erklärt fachmännisch und verständlich. So einen Geschichtslehrer hätte ich mir früher auch gewünscht! Er geht dabei zwar typisch mit roten Faden bzw. Fäden der jeweiligen Situation vor (Kriegsentwicklung, Herrscherentwicklung, politische Entwicklungen…), verbindet aber viele Fakten mit dem gewissen Etwas und dadurch wird es wahrlich spannend! Er erklärt einfach perfekt! Mit so manchem Kartenmaterial untermalt er seine Texte und Erläuterungen - besser könnte es nicht sein!
Fazit: Ein Muss in jeder Bibliothek welches gelesen werden sollte und welches nie altmodisch oder gar langweilig wird. Das spannende daran, wir leben genau mittendrin und erleben am eigenen Leib die weitere Entwicklung unseres Landes. Jeder wird nach dieser Lektüre „schlauer“ sein in vielen Bereichen und einiges besser verstehen können….Wer weiß was da alles noch auf uns zu kommt?
5 von 5 Sterne!
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DEUTSCHLAND - Geschichte einer Nation
Helmut Walser Smith
Auf meiner Suche nach einem Geschichtsbuch über Deutschland bin ich eher zufällig im Internet auf dieses Buch gestoßen. Ich erwartete eine detaillierte Beschreibung der vielen geschichtlichen Ereignisse im Laufe der …
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DEUTSCHLAND - Geschichte einer Nation
Helmut Walser Smith
Auf meiner Suche nach einem Geschichtsbuch über Deutschland bin ich eher zufällig im Internet auf dieses Buch gestoßen. Ich erwartete eine detaillierte Beschreibung der vielen geschichtlichen Ereignisse im Laufe der Deutschen Geschichte, jedoch setzt das Buch ein gewisses Vorwissen voraus. Während ich schon Bücher über den Ersten und Zweiten Weltkrieg gelesen habe, war ich über die Zeit vor 1914 eher jungfräulich, bis auf die Napoleonische Zeit vielleicht. So musste ich auch öfters bei WIKI um Hilfe ersuchen, der 30-jährige Krieg, die Revolution 1848, das deutsche Kaiserreich?
Trotzdem taten die Lücken dem Lesevergnügen keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Das was an politischen und allgemein bekannten (nur halt nicht mir) Ereignissen fehlt, ist wiederum gefüllt mit kulturell und gesellschaftlich relevanten Bezügen, die mich dazu brachten meinen Horizont tatsächlich zu erweitern. Die Einbindung vieler Deutscher Künstler (z.B. Goethe oder Heinrich Heine) in den Verlauf der Geschichte, den sie selbst miterlebt und mitgestaltet haben, war am Ende lesenswerter. Zudem versteht es Walser Smith sehr mitreißend zu schreiben, so dass ich auch öfters emotional berührt wurde.
Alles in allem ein fantastisches Buch, schade das es schon zu Ende ist…
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Wie wurde 'Deutschland' zu dem, was es heute ist?
Beginnend mit den rein geographischen und politischen Grenzen, die einerseits von der Natur gegeben sind (Rhein, Alpen etc.), andererseits willkürlich gezogene Linien auf der Landkarte sind (ehemalige DDR, Polen, Österreich, Grenze zu …
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Wie wurde 'Deutschland' zu dem, was es heute ist?
Beginnend mit den rein geographischen und politischen Grenzen, die einerseits von der Natur gegeben sind (Rhein, Alpen etc.), andererseits willkürlich gezogene Linien auf der Landkarte sind (ehemalige DDR, Polen, Österreich, Grenze zu Dänemark, Benelux-Staaten etc.) schildert Helmut Walser Smith die verschiedenen Entwicklungsschritte, das 'Werden' Deutschlands.
Er berücksichtigt dabei die rein kulturellen Auswirkungen (Literatur, Denkmäler als Beispiele) ebenso wie die zahlreichen Kriege, die in der Mitte Europas geführt wurden. Wobei deren mittelbaren Auswirkungen wie Hungersnöte, Veränderungen der Arbeitswelt durch das Nichtmehr-Vorhandensein von maskulinen Arbeitskräften (die (Ehe-) Männer waren in den Kriegen getötet worden). Die psychische Prägungen der Jugend durch das von der geschichtlichen Vergangenheit beeinflussten Schulsystem und dessen Lerninhalten.
Die Reproduktion zahlreicher historischer Karten, teilweise mit zusätzlichen Informationen versehen, Diagramme, Schwarz-Weiß-Fotos untermauern die Feststellungen des Autoren. Wer seine auf Fakten beruhenden Feststellungen anzweifelt, der kann im 89 Seiten umfassenden Quellen-Verzeichnis nachlesen, wo diese Fakten zu finden sind. In diesem Anhang ist auch je ein ausführliches Personen- und Ortsregister zu finden.
Der Autor schreibt in einem hervorragenden, gut lesbaren und nicht mit Fremdworten durchsetzten Stil. Dabei nimmt er erfreulicherweise keine Rücksicht auf Fakten, die so gerne unter den Teppich gekehrt werden.
Ein Beispiel von vielen möglichen. Es geht um die Zeit des Überganges von der Nazi-Diktatur zur jungen Bundesrepublik, die 68er-Bewegung. Hierzu die Namen Rudi Dutschke, Fritz Teufel, Rainer Langhans, Beate Klarsfeld als Anhaltspunkte.
Zitat Seite 511:
"Vielmehr waren es die konservativen Politiker mit einer [aus der Nazi-Diktatur; Anm. WS] befleckten Vergangenheit, die den öffentlichen Zorn auf sich zogen - Leute wie Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer, der Kommentare zu den Nürnberger Gesetzen verfasst hatte, und Theodor Oberländer, Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, der früher auf die Vertreibung der Juden aus Polen und die Enteignung ihres Eigentums gedrängt hatte und dessen Einheit am Massaker von Lwów im Sommer 1941 beteiligt waren. Auch der zweite Bundespräsident, Heinrich Lübke, hatte eine nationalsozialistische Vergangenheit, ebenso wie der dritte Bundeskanzler, Kurt Georg Kiesinger, dem die junge Bate Klarsfeld eine Ohrfeige verpasste, denn er stehe für «das abstoßende Gesicht der zehn Millionen Nazis»."
H.W. Smith geht auch ausführlich auf die völlig unterschiedliche Be- und Verarbeitung des 'Nazi-Erbes' in der BRD und der DDR ein. In Kenntnis dieser Unterschiede lässt sich auch erkennen, weswegen die vom Verfassungsschutz wegen rechtsradikaler Strömungen zumindest unter Beobachtung stehende AfD besonders in einigen der 'neuen' Bundesländer derart viel Zuspruch hat.
Fazit: Lesen!
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