
Helmut Krausser
Broschiertes Buch
Der große Bagarozy
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Die Psychiaterin Cora steckt in einer beruflichen Krise, zwei ihrer Patienten haben sich kurz hintereinander umgebracht. Da taucht in ihrer Praxis Stanislaus Nagy auf, ein merkwürdiger junger Mann, der von Maria Callas besessen ist. Doch Cora hat alles andere als einen harmlosen Callas-Verehrer vor sich. Der Mann behauptet plötzlich, der leibhaftige Teufel zu sein und - verborgen im Innern ihres Pudels - das Leben der Operndiva gelenkt zu haben. Auch über Coras Schicksal gewinnt Nagy eine merkwürdige Macht.
Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schrieb Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Tagebücher und Opernlibretti. Er veröffentlicht zudem Beiträge und Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften und verfasst Musikaufzeichnungen und Hörspiele. Zwei seiner Romane wurden bereits verfilmt. Für seinen Roman 'Melodien' wurde er mit dem Tukan-Preis der Stadt München ausgezeichnet.Helmut Krausser ist verheiratet und lebt in Rom und Potsdam.
Produktdetails
- rororo Taschenbücher 22479
- Verlag: Rowohlt TB. / Rowohlt Taschenbuch Verlag
- Artikelnr. des Verlages: 800
- 7. Aufl.
- Seitenzahl: 188
- Erscheinungstermin: 1. Februar 1999
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 115mm x 14mm
- Gewicht: 216g
- ISBN-13: 9783499224799
- ISBN-10: 3499224798
- Artikelnr.: 07621824
Herstellerkennzeichnung
Rowohlt Repertoire
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
produktsicherheit@rowohlt.de
Schnüffeln am Hocker der Diva
Der Witz kommt gern im Dauerlauf: Helmut Krausser erzählt obskur
Diesem Stanislaus Nagy erscheint die Callas, und außerdem ist er der Teufel! Jedenfalls erzählt er seiner Psychiaterin Cora Dulz erst das eine, etwas später auch das andere. Ein Glück ist es dann, daß sie "diesem obskuren Menschen gegenüber eine noch obskurere Zuneigung empfand. Ihr war, als schmelze sie unter seinen Worten hin und triebe auf einer Gondel davon."
Allerdings lebt sie mit dem Steuerberater Robert auch in einer verödeten Ehe. Gegen alle Regeln der Kunst trifft sie ihren Patienten dann auch privat. Da er sie aber verschmäht, lauert sie ihm auf und folgt ihm in jenen Varieté-Nightclub, wo er als "der
Der Witz kommt gern im Dauerlauf: Helmut Krausser erzählt obskur
Diesem Stanislaus Nagy erscheint die Callas, und außerdem ist er der Teufel! Jedenfalls erzählt er seiner Psychiaterin Cora Dulz erst das eine, etwas später auch das andere. Ein Glück ist es dann, daß sie "diesem obskuren Menschen gegenüber eine noch obskurere Zuneigung empfand. Ihr war, als schmelze sie unter seinen Worten hin und triebe auf einer Gondel davon."
Allerdings lebt sie mit dem Steuerberater Robert auch in einer verödeten Ehe. Gegen alle Regeln der Kunst trifft sie ihren Patienten dann auch privat. Da er sie aber verschmäht, lauert sie ihm auf und folgt ihm in jenen Varieté-Nightclub, wo er als "der
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große Bagarozy" den Zauberkünstler spielt, und in seinen Keller, wo er ihr einen Kuß verpaßt, bei dem ihr übel wird, ehe er sie zynisch von sich weist: "Dein Körper ist ein Massengrab verschenkter Möglichkeiten" (den Körper der jungen Maria Callas hatte er "einen überbelegten Pralinenfriedhof" genannt). Da erschießt sie mit der von Nagy geklauten Pistole ihren Robert und lenkt den Verdacht auf den Patienten. Der aber ist verschwunden.
So plump darf man diese Geschichte natürlich nicht erzählen. Denn sie läuft für Leserinnen und Leser unter der Voraussetzung ab, daß dieser Nagy geisteskrank ist. Er glaubt fest daran, daß er der Leibhaftige ist, ein armer Teufel freilich, der jemanden braucht, der ihm beim Erzählen zuhört. Jahrelang hat er, wie er meint, das Schicksal der Callas bestimmt, sozusagen als Kern jenes Pudels, den er seiner Psychiaterin auf einem Foto zeigt (die Fotos sind dem Text beigegeben): Er schnüffelt da zu Füßen der auf einem Barhocker sitzenden Diva: "Mein Lieblingsfoto von uns." Freilich hat er (wie schon bei Gretchen) nicht ganz freie Hand: "Es gibt ein Foto von Maria, Gott und mir. Da. Der schwarze Pudel - das bin ich!"
Auf dem Bild sieht man die Callas mit ihren Pudeln, einem schwarzen und einem weißen! Dies ist die andere, die hintergründige Geschichte: das Leben der Diva aus der Perspektive ihres sie anhimmelnden satanischen Chef-Impresarios, der sich ihr nur in Gestalt dieses Pudels hat nähern können. Jetzt, viele Jahre nach dem Tod der Callas, ist er ein müder Mephisto geworden: "Die Welt braucht mich nicht mehr. Ich hätte gehen sollen, als Gott ging."
Vielleicht braucht ihn die Welt aber auch nicht mehr, um die Biographie der Callas zu erzählen? Obwohl das Buch, alle Vorsatz- und Titelblätter mitgerechnet, nur 184 Seiten hat, zieht es sich in die Länge, wenn der Teuflische erzählt. Das liegt daran, daß der Ureinfall zuerst zwar grotesk wirkt, auf die Dauer jedoch schal, wenn nicht sogar albern: "Ich kann diesen Park nicht länger ertragen", stöhnt er, "Da! An diesem Baum dort . . . hab ich mein Hinterbein gehoben."
Ein vielleicht unfreiwilliges Konstruktionsprinzip beherrscht diesen kleinen Roman. Es läßt sich am leichtesten an der ersten Schlußpointe erkennen (die zweite soll nicht verraten werden): die Mordkommission findet Nagy nicht in seiner Wohnung. Obwohl er keinen Hund hatte, trifft sie dort nur einen schwarzen Pudel an, der sich davon macht und im Lift mit der Schnauze den Knopf "Erdgeschoß" drückt!
Bei einer gewissen Art von Witzen, so meinte Sigmund Freud, rührt die Wirkung daher, daß "ein einzelner Aufwand erspart wird, den wir zu machen gewohnt sind, und den wir auch diesmal zu machen schon in Bereitschaft waren". Genau das Gegenteil geschieht bei Nagys mephistophelischem Abgang. Der Aufwand, den der Erzähler uns zumutet, diesem Nagy immer tiefer in seiner Teufelsrolle zu folgen, wird nicht aufgehoben, sondern verdoppelt. Eine Zumutung wird durch eine andere überboten. Die Überführung Mephistos aus der psychiatrischen Fiktion in die epische Realität kann man eine enttäuschende Überraschung nennen. Sie mag dem, der sie erfand, diebisches Vergnügen bereitet haben, aber dem, der sie liest, entlockt sie bestenfalls eine etwas müde Heiterkeit.
Dieses Prinzip steuert auch die Metamorphose des verrückten Callas-Fans zum neuen Mephisto: Nachdem er seine Visionen mehrfach ausgemalt hat, gesteht er, daß er gar keine hat, denn er sieht die Callas ja wirklich, wann immer er will, "in einer Halle hinter der Sehnsucht". Er ist eben nicht an Raum und Zeit gebunden, und außerdem hat er sie gut gekannt - eben als Teufel in Pudelgestalt. So schürzt sich auch der dramatische Knoten: in seinem Keller macht Nagy der Psychiaterin schließlich das vernichtende Geständnis (kurz vor dem erwähnten bösen Kuß), daß er sich für sie gar nicht als Ärztin oder gar als Frau interessiert hätte, sondern weil sie der Callas ähnlich sehe, der Callas auf jenem letzten Foto der zu früh gealterten krummen Frau mit ihrer Einkaufstasche und dem Pudel im Arm vor ihrer Haustür in Paris.
Auch stilistisch wird mit solcherart Überraschungen gespielt: Die Ärztin macht sich Notizen in sonderbar abgekürzten Wörtern, die man spielerisch zu entziffern versucht. Eine Seite später werden die Kürzel aufgelöst, und, Gipfel der Platitüde, die Auflösung wird auch noch episch motiviert: "Cora vergewisserte sich der Bedeutung ihrer Kürzel." Und dann erst der große Bagarozy! Den Namen liest Cora auf dem Plakat des Varieté-Theaters, wo Nagy als Zauberkünstler auftritt, und der allwissende Epiker setzt in Klammern hinzu: "(klang von irgendwoher vertraut)" - wie bedeutungsschwanger und peinlich, denn wer den Namen nicht kannte, hatte knapp hundert Seiten vorher Gelegenheit, von Nagy selber zu erfahren, daß Bagarozy der zwar windige, aber doch wenigstens ganz diesseitige, wirkliche Impresario der Callas war.
In einem Interview hat Krausser seinen Roman "ein urbanes Märchen für einen Nachmittag im Schwimmbad" genannt, mit dem er habe beweisen wollen, daß er etwas "wirklich Witziges schreiben kann". Witz bekommen die enttäuschenden Überraschungen erstaunlicherweise erst, wenn man das Buch zum zweitenmal zu lesen versucht: da kann man sich, von der Handlung unbehelligt, in den Autor versetzen und sich vorstellen, wie witzig er es gefunden haben muß, dieses Festival des Recycling zu organisieren. Wem das noch nicht witzig genug ist, der sollte es vielleicht einmal im Schwimmbad versuchen! HANS-HERBERT RÄKEL
Helmut Krausser: "Der große Bagarozy". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 192 S., 8 Fotos, geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So plump darf man diese Geschichte natürlich nicht erzählen. Denn sie läuft für Leserinnen und Leser unter der Voraussetzung ab, daß dieser Nagy geisteskrank ist. Er glaubt fest daran, daß er der Leibhaftige ist, ein armer Teufel freilich, der jemanden braucht, der ihm beim Erzählen zuhört. Jahrelang hat er, wie er meint, das Schicksal der Callas bestimmt, sozusagen als Kern jenes Pudels, den er seiner Psychiaterin auf einem Foto zeigt (die Fotos sind dem Text beigegeben): Er schnüffelt da zu Füßen der auf einem Barhocker sitzenden Diva: "Mein Lieblingsfoto von uns." Freilich hat er (wie schon bei Gretchen) nicht ganz freie Hand: "Es gibt ein Foto von Maria, Gott und mir. Da. Der schwarze Pudel - das bin ich!"
Auf dem Bild sieht man die Callas mit ihren Pudeln, einem schwarzen und einem weißen! Dies ist die andere, die hintergründige Geschichte: das Leben der Diva aus der Perspektive ihres sie anhimmelnden satanischen Chef-Impresarios, der sich ihr nur in Gestalt dieses Pudels hat nähern können. Jetzt, viele Jahre nach dem Tod der Callas, ist er ein müder Mephisto geworden: "Die Welt braucht mich nicht mehr. Ich hätte gehen sollen, als Gott ging."
Vielleicht braucht ihn die Welt aber auch nicht mehr, um die Biographie der Callas zu erzählen? Obwohl das Buch, alle Vorsatz- und Titelblätter mitgerechnet, nur 184 Seiten hat, zieht es sich in die Länge, wenn der Teuflische erzählt. Das liegt daran, daß der Ureinfall zuerst zwar grotesk wirkt, auf die Dauer jedoch schal, wenn nicht sogar albern: "Ich kann diesen Park nicht länger ertragen", stöhnt er, "Da! An diesem Baum dort . . . hab ich mein Hinterbein gehoben."
Ein vielleicht unfreiwilliges Konstruktionsprinzip beherrscht diesen kleinen Roman. Es läßt sich am leichtesten an der ersten Schlußpointe erkennen (die zweite soll nicht verraten werden): die Mordkommission findet Nagy nicht in seiner Wohnung. Obwohl er keinen Hund hatte, trifft sie dort nur einen schwarzen Pudel an, der sich davon macht und im Lift mit der Schnauze den Knopf "Erdgeschoß" drückt!
Bei einer gewissen Art von Witzen, so meinte Sigmund Freud, rührt die Wirkung daher, daß "ein einzelner Aufwand erspart wird, den wir zu machen gewohnt sind, und den wir auch diesmal zu machen schon in Bereitschaft waren". Genau das Gegenteil geschieht bei Nagys mephistophelischem Abgang. Der Aufwand, den der Erzähler uns zumutet, diesem Nagy immer tiefer in seiner Teufelsrolle zu folgen, wird nicht aufgehoben, sondern verdoppelt. Eine Zumutung wird durch eine andere überboten. Die Überführung Mephistos aus der psychiatrischen Fiktion in die epische Realität kann man eine enttäuschende Überraschung nennen. Sie mag dem, der sie erfand, diebisches Vergnügen bereitet haben, aber dem, der sie liest, entlockt sie bestenfalls eine etwas müde Heiterkeit.
Dieses Prinzip steuert auch die Metamorphose des verrückten Callas-Fans zum neuen Mephisto: Nachdem er seine Visionen mehrfach ausgemalt hat, gesteht er, daß er gar keine hat, denn er sieht die Callas ja wirklich, wann immer er will, "in einer Halle hinter der Sehnsucht". Er ist eben nicht an Raum und Zeit gebunden, und außerdem hat er sie gut gekannt - eben als Teufel in Pudelgestalt. So schürzt sich auch der dramatische Knoten: in seinem Keller macht Nagy der Psychiaterin schließlich das vernichtende Geständnis (kurz vor dem erwähnten bösen Kuß), daß er sich für sie gar nicht als Ärztin oder gar als Frau interessiert hätte, sondern weil sie der Callas ähnlich sehe, der Callas auf jenem letzten Foto der zu früh gealterten krummen Frau mit ihrer Einkaufstasche und dem Pudel im Arm vor ihrer Haustür in Paris.
Auch stilistisch wird mit solcherart Überraschungen gespielt: Die Ärztin macht sich Notizen in sonderbar abgekürzten Wörtern, die man spielerisch zu entziffern versucht. Eine Seite später werden die Kürzel aufgelöst, und, Gipfel der Platitüde, die Auflösung wird auch noch episch motiviert: "Cora vergewisserte sich der Bedeutung ihrer Kürzel." Und dann erst der große Bagarozy! Den Namen liest Cora auf dem Plakat des Varieté-Theaters, wo Nagy als Zauberkünstler auftritt, und der allwissende Epiker setzt in Klammern hinzu: "(klang von irgendwoher vertraut)" - wie bedeutungsschwanger und peinlich, denn wer den Namen nicht kannte, hatte knapp hundert Seiten vorher Gelegenheit, von Nagy selber zu erfahren, daß Bagarozy der zwar windige, aber doch wenigstens ganz diesseitige, wirkliche Impresario der Callas war.
In einem Interview hat Krausser seinen Roman "ein urbanes Märchen für einen Nachmittag im Schwimmbad" genannt, mit dem er habe beweisen wollen, daß er etwas "wirklich Witziges schreiben kann". Witz bekommen die enttäuschenden Überraschungen erstaunlicherweise erst, wenn man das Buch zum zweitenmal zu lesen versucht: da kann man sich, von der Handlung unbehelligt, in den Autor versetzen und sich vorstellen, wie witzig er es gefunden haben muß, dieses Festival des Recycling zu organisieren. Wem das noch nicht witzig genug ist, der sollte es vielleicht einmal im Schwimmbad versuchen! HANS-HERBERT RÄKEL
Helmut Krausser: "Der große Bagarozy". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 192 S., 8 Fotos, geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen. Kraussers Schreibstil ist erfrischend und "ganz nebenbei" erhält der Leser eine interessante Kurzbiografie der Callas. Der Autor eröffnet mir ein nie vorher gedachtes Teufelsbild. Man wähnt die Handlung gleichzeitig transparent …
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Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen. Kraussers Schreibstil ist erfrischend und "ganz nebenbei" erhält der Leser eine interessante Kurzbiografie der Callas. Der Autor eröffnet mir ein nie vorher gedachtes Teufelsbild. Man wähnt die Handlung gleichzeitig transparent und doch leicht verwirrend. Das Buch ist mit duchgehender, knisternder Spannung belegt (nicht nur zwischen den Hauptpersonen). Viel zu schnell ist man am überraschenden Schluss des Buches angelangt.
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Die Callas und Mephisto
Der Teufel in Menschengestalt ist spätestens seit Goethe eine beliebte Thematik, Helmut Krausser hat sich in seinem Roman «Der große Bagarozy» dem Fauststoff auf eine sehr originelle Art angenommen. In einem aberwitzigen Konstrukt lässt er ihn …
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Die Callas und Mephisto
Der Teufel in Menschengestalt ist spätestens seit Goethe eine beliebte Thematik, Helmut Krausser hat sich in seinem Roman «Der große Bagarozy» dem Fauststoff auf eine sehr originelle Art angenommen. In einem aberwitzigen Konstrukt lässt er ihn in seinem Plot sogar in die Gestalt eines Pudels schlüpfen, eine Reverenz an das grandiose literarische Vorbild. Mit leichter Hand betreibt der Autor ein mystisches Spiel um Themen wie Schuld und Lüge, Vernunft und Wahn. Im Mittelpunkt steht die Diva Assoluta der Opernwelt, Maria Calles, als unvergesslicher Sopran weibliches Pendant zum ebenfalls unvergessenen Tenor Enrico Caruso im Olymp der Sangeskünstler.
Die37jährigen Psychiaterin Dr. Cora Dulz, die über «obsessions-bedingte Detail-Überinterpretation» promoviert hat, steckt in einer Sinnkrise. Zwei ihrer Patienten haben erst kürzlich Suizid begangen, trotz aller ihrer Bemühungen, sie von ihrem Wahn zu befreien. Nun erscheint eines Tages Stanislaus Nagy in ihrer Praxis, den sie von seiner Obsession für Maria Callas befreien soll. Abgeklärt wie sie ist nach vielen Jahren als Psychotherapeutin, sind die Therapiesitzungen für sie nur «Talkshows», und die Patienten bezeichnet sie insgeheim nur noch als «Mängelexemplare». Der neue Patient nun stellt sich nach ein paar Sitzungen als der leibhaftige Teufel vor, der die ‹Göttliche› ein Leben lang begleitet, ihre Nähe und ihre Zuneigung gesucht habe. Er habe ihre Karriere gefördert wo er konnte, habe keinen ihrer Auftritte je versäumt, habe alle ihre Triumphe miterlebt, erzählt er. Nach ihrem tragischen, altersbedingten Niedergang von der Höhe ihrer Kunst habe er zerstörerisch mitgewirkt und sich regelrecht geweidet an ihren langen Qualen und dem frühen Tod. Ein Teufel eben, - der nun allerdings, mit der Hilfe von Dr. Cora Dulz, ein normaler, sterblicher Mensch werden will.
Nach einigen Sitzungen trifft sie ihren Patienten spätabends zufällig in einem Café. Sie folgt ihm spontan auf seinen Vorschlag hin, mit ihm in ein nachts menschenleeres Kaufhaus zu gehen, in dem er als Hausdetektiv arbeitet. Später besucht sie ihn in einer Aufführung, wo er als Zauberer unter dem Namen «Der große Bagarozy» auftritt. Sie begeht also den unverzeihlichen Kunstfehler, mit Patienten privat Kontakt aufzunehmen. Aber Nagy hat sie mit seiner überlegenen Art völlig in Bann gezogen, sie ist ihm inzwischen regelrecht verfallen, wie sie bestürzt feststellt. Sie wünscht sich, wie Dr. Faustus, den Teufel sogar leibhaftig herbei als Komplizen! Der attraktive Nagy übt auf sie auch einen erotischen Reiz aus, dem sie nicht widerstehen könnte, - wenn er denn nur wollte. Ihre kinderlos gebliebene Ehe ist nämlich langweilig geworden, sie ist tatsächlich eine «zu beiderseitigem Nachteil verheiratete Frau», wie es im Roman ironisch heißt. Gefangen in einem sinnentleerten, reizlosen Spießerleben, machen ihr die langen, kontemplativ ergiebigen Diskussionen mit Nagy inzwischen die erschreckende Trivialität ihres eigenen Lebens in voller Härte bewusst.
Bernd Eichinger verfilmte diesen originellen Stoff erfolgreich unter gleichem Titel. Der Roman ist einerseits eine Hommage an Maria Callas, deren Leben hier aber nur skizziert wird in Hinblick auf die Problematik des Ruhmes und eines einseitig der Kunst gewidmeten Lebens. Es ist eine überaus pfiffige Idee des Autors, dieses spektakuläre Künstlerleben mit dem berühmten Teufelspakt zu verbinden. Wobei Nagy als Teufel nie ein Wort mit seiner Muse gesprochen hat und Berührungen von ihr einzig dann genießen konnte, wenn sie ihn, als ihren schwarzen Pudel, gedankenverloren gestreichelt hat. Der angenehm lesbare Roman ist gleichzeitig eine harsche Kritik an der überwiegend geistig anspruchslosen, aber zu Gewalt und Krieg neigenden Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit allerlei kurzen, journalistischen Einschüben über originelle Todesarten und etlichen Fotos aus dem Spielfilm angereichert, ist dieser Roman eine kurzweilige, amüsante und oft sogar recht nachdenklich machende Lektüre.
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