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Mit dem »Afghan War Diary« veröffentlicht WikiLeaks 2010 das größte Leak der US-Militärgeschichte, mitsamt Beweisen für Kriegsverbrechen und Folter. Kurz danach verdächtigt Schweden WikiLeaks-Gründer Julian Assange der Vergewaltigung, und ein geheimes US-Schwurgericht ermittelt wegen Spionage. Als ihn Ecuador nach jahrelangem Botschaftsasyl der britischen Polizei überstellt, verlangen die USA sofort seine Auslieferung und drohen mit 175 Jahren Haft.
Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter, will sich zunächst gar nicht auf den Fall einlassen. Erst als er Assange im Gefängnis
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Produktbeschreibung
Mit dem »Afghan War Diary« veröffentlicht WikiLeaks 2010 das größte Leak der US-Militärgeschichte, mitsamt Beweisen für Kriegsverbrechen und Folter. Kurz danach verdächtigt Schweden WikiLeaks-Gründer Julian Assange der Vergewaltigung, und ein geheimes US-Schwurgericht ermittelt wegen Spionage. Als ihn Ecuador nach jahrelangem Botschaftsasyl der britischen Polizei überstellt, verlangen die USA sofort seine Auslieferung und drohen mit 175 Jahren Haft.

Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter, will sich zunächst gar nicht auf den Fall einlassen. Erst als er Assange im Gefängnis besucht und die Fakten recherchiert, durchschaut er das Täuschungsmanöver der Staaten und beginnt den Fall als das zu sehen, was er wirklich ist: die Geschichte einer politischen Verfolgung. An Assange soll ein Exempel statuiert werden - zur Abschreckung aller, die die schmutzigen Geheimnisse der Mächtigen ans Licht ziehen wollen.

Dieses packende Buch erzählt erstmals die vollständige Geschichte von Nils Melzers Untersuchung.
Autorenporträt
Nils Melzer, Jahrgang 1970, ist Professor für internationales Recht und lehrt in Glasgow und Genf. 2016 wurde er vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zum Sonderberichterstatter für Folter ernannt. Seit 2019 ist er überdies Vizepräsident des Internationalen Instituts für humanitäres Völkerrecht (IIHL) in Sanremo. Vorher war er als sicherheitspolitischer Berater der Schweizer Regierung tätig sowie als Rechtsberater und Abgesandter in Kriegs- und Krisengebieten für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Ralf Nestmeyer weiß als Writers-in-Prison-Beauftragter des PEN-Zentrums, wovon er spricht, wenn er Nils Melzers Buch über den Fall Assange zur Lektüre empfiehlt. Schon um den Fall im öffentlichen Gedächtnis zu erhalten, scheint Nestmeyer das Fakten und Hintergründe offenlegende Buch wichtig. Der Leser erfährt anhand der Recherchen des UN-Sonderberichterstatters Melzer laut Rezensent nicht nur, wie die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange konstruiert wurden, er lernt auch einen Justizskandal kennen, der sich seit fast zehn Jahren mitten in Europa zuträgt. Dass der Prozess gegen Assange fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, gehört für Nestmeyer ebenso dazu wie die menschenunwürdigen Haftbedingungen, unter denen Assange leidet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2021

In Erwartung eines unfairen Verfahrens

Alles eine abgekartete Sache: Der Jurist Nils Melzer entrüstet sich über die Strafverfolgung Julian Assanges. Aber brauchte es da wirklich eine Verschwörung?

Zwischen Pandemie, Brexit und Trump-Nachwehen mutet es seltsam an, Julian Assange wieder als Thema im Nachrichtenstrom auftauchen zu sehen. Die Hochphase des "Hacktivism" liegt schon ein gutes Jahrzehnt zurück, Namen wie Wikileaks, Edward Snowden, LulzSec oder Anonymous wirken wie Clips aus der ersten Staffel von "Mr. Robot", abgelegt im Ordner "jüngere Geschichte", bereit, auf ein Archivmedium gebrannt zu werden.

Rechtlich ist der Fall Assange aber eine Zeitbombe, weil er das Verhältnis zwischen Staat und Journalismus in den westlichen Demokratien in Frage stellt. Der Schweizer Jurist Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter für Folter, will mit seinem Buch "Der Fall Julian Assange" das Schicksal des Mitgründers von Wikileaks deshalb wieder auf die aktuelle Agenda heben.

Er beschreibt, wie er im Dezember 2018 eine Mail von den Anwälten Assanges mit der Bitte um Unterstützung erhält, Assange in Begleitung eines Arztes und eines Psychologen im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh besucht, wo dieser ihn zum Abschied darum bittet, sein Leben zu retten. Melzer beschreibt, wie Assange untergebracht ist - sauber und korrekt - und wie das Gefängnispersonal mit ihm umgeht. Äußerlich, so Melzer, habe Assange nichts mehr mit dem Image zu tun, das mit den letzten weit verbreiteten Fotos von ihm etabliert worden sei, als er langhaarig und verwahrlost von der Schwelle der ecuadorianischen Botschaft in London weg verhaftet worden war.

Die Assange zugefügten Verletzungen seien vielmehr psychischer Natur. Eine Auffassung, der sich im vergangenen Januar auch die zuständige Richterin des Westminster Magistrates' Court angeschlossen und die Auslieferung des Australiers an die Vereinigten Staaten wegen Suizidgefahr verweigert hat.

Melzer zeichnet den Weg nach, wie Assange vom gefeierten Betreiber der Enthüllungsplattform Wikileaks an diesen Punkt kommen konnte. Er nimmt dabei Partei für Assange und wirft den Behörden der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Schwedens vor, ihn der "weißen Folter" ausgesetzt zu haben, also der systematischen psychischen Zersetzung. Sein zentrales Argument: Assange habe 2012 keine andere Wahl gehabt, als sich der Verfolgung durch die schwedischen und britischen Behörden durch seine Flucht in die ecuadorianische Botschaft zu entziehen. Denn die Schweden und Briten hätten nichts anderes im Sinn gehabt, als ihn sofort nach der Verhaftung an die Vereinigten Staaten auszuliefern, wo ihm ein Schauprozess und folterähnliche Bedingungen in einem Hochsicherheitsgefängnis drohten.

Auch wenn das keineswegs unplausibel klingt, beweisen kann Melzer das nicht, also muss er jedes Indiz gegen die Strafverfolgungsbehörden wenden. So hebt er einerseits hervor, die beiden Schwedinnen, deren Beschwerden bei der Polizei das Verfahren gegen Assange erst ins Rollen gebracht haben, seien rücksichtslos an die Öffentlichkeit gezerrt worden, um dann über ein ganzes Kapitel hinweg die intimsten Details und rechtlichen Formsachen aus dem Verhältnis der Frauen zu Assange auszubreiten. Am Ende wird es darum gehen, ob Assange eine seiner Bewunderinnen mit angerissenem Kondom und die andere im Schlaf oder Halbschlaf penetriert haben soll und welche seiner Aktionen zu welchem Zeitpunkt strafbar gewesen sein könnten.

Schon die Polizistin, die das Protokoll der beiden Frauen aufnahm und Anzeige erstattete, wird in die Nähe einer Verschwörung gerückt, aber eben nur so halb: "Alles wirkt wie eine hastig vorbereitete Choreographie", schreibt Melzer. Dass die Polizistin den verängstigten Frauen geglaubt und nur ihren Job gemacht haben könnte, passt ebenso wenig in seine Story wie die Feststellung, dass Assange zumindest zu diesem Zeitpunkt keiner Verschwörung bedurft hatte, um sich in Schwierigkeiten zu bringen.

Obwohl das Buch aktuell ist - das britische Urteil gegen die Auslieferung an die Vereinigten Staaten vom Januar 2021 ist darin enthalten -, sind einige Passagen angesichts des Vorgehens der russischen Regierung gegen Alexej Nawalnyj oder Oppositionsmedien wie Meduza schlecht gealtert. Das betrifft etwa jene Ausführungen, in denen Melzer sich lobend über den russischen Propagandasender RT und dessen anhaltendes Interesse für den Fall Assange äußert, oder die Einlassungen über die Freilassung des Investigativjournalisten Ivan Golunov durch Wladimir Putin in Russland nach Protesten in der dortigen "Mainstream-Presse" (Melzer).

In diesem Zusammenhang irritiert auch Melzers Behauptung, die Massenmedien schwiegen den Fall Assange tot - wenn sie nicht gerade damit beschäftigt seien, die von ihm ins Netz gestellten Papiere zu analysieren und zu veröffentlichen. Tatsächlich berichten die Agenturen immer noch über jede neue Entwicklung in seinem Fall, und selbst Alan Rusbridger, der zu seiner Zeit als Guardian-Chefredakteur dafür verantwortlich war, dass die wichtigsten Wikileaks-Dokumente ihr Publikum fanden, verteidigt Assange bis heute und fordert dessen Freilassung mit nicht weniger Vehemenz als Melzer, obwohl sich der Wikileaks-Chef mit ihm zerstritten und ihn über Jahre hinweg wiederholt scharf angegriffen hat.

Der Fall Assange ist kein rühmliches Kapitel in der Geschichte der beteiligten westlichen Demokratien, er spiegelt den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten ihren Umgang mit elementaren Grundrechten in den zwei Jahrzehnten seit dem 11. September. Im "Krieg gegen den Terror" findet Melzer triftige Argumente und Präzedenzfälle dafür, weshalb Assange in den Vereinigten Staaten kein faires Verfahren zu erwarten haben könnte. Anders als er insinuiert, ist er mit seiner Sorge keineswegs allein, spielt der Fall doch an der Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus und wird von Journalistenverbänden, Medienkonzernen und NGOs genau beobachtet.

Diese Grenze wird von Melzer aber leider nicht ausgelotet, weil er es außer Frage stellt, dass Assange als Journalist gehandelt hat - und weil sein eigener Text in seiner Parteinahme der eines Aktivisten ist. Interessant wäre gewesen, eine kühle Einschätzung eines internationalen Rechtsexperten darüber zu lesen, wie gut die Chancen der amerikanischen Regierung wirklich stehen, Assange für journalistische Aktivitäten als Spion ins Gefängnis zu bringen, also wie das rechtliche Feld zwischen den Rollen des Whistleblower-Plattformbetreibers, Aktivisten und Journalisten aufgespannt werden kann. So bleibt das Buch ein Dokument der Entrüstung, das die Position der Wikileaks-Unterstützer im Jahr 2021 wiedergibt.

GÜNTER HACK

Nils Melzer mit

Oliver Kobold:

"Der Fall Julian Assange". Geschichte einer

Verfolgung.

Piper Verlag, München 2021. 336 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein dringlicher Appell.« Deutschlandfunk "Andruck" 20320419