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Das literarische Ereignis des Jahres - Das große Epos über den Gründungsmythos Amerikas.
Dieser Roman begeistert Amerika: Schon kurz nach seinem Erscheinen wurde "Der erste Sohn" als "moderner amerikanischer Klassiker" bejubelt und in einem Atemzug mit den Meisterwerken von Cormac McCarthy, John Dos Passos und Larry McMurtry genannt. Philipp Meyer erzählt die Geschichte der Eroberung des amerikanischen Westens als große Familiensaga über drei Generationen. Es ist der Kampf des texanischen Clans der McCulloughs während der letzten 150 Jahre um Land, Öl und Macht.
Dieser Roman begeistert Amerika: Schon kurz nach seinem Erscheinen wurde "Der erste Sohn" als "moderner amerikanischer Klassiker" bejubelt und in einem Atemzug mit den Meisterwerken von Cormac McCarthy, John Dos Passos und Larry McMurtry genannt. Philipp Meyer erzählt die Geschichte der Eroberung des amerikanischen Westens als große Familiensaga über drei Generationen. Es ist der Kampf des texanischen Clans der McCulloughs während der letzten 150 Jahre um Land, Öl und Macht.
Meyer, PhilippPhilipp Meyer, geboren 1974, stammt aus einer Künstlerfamilie, verließ vorzeitig die Schule und hielt sich mit diversen Jobs - unter anderem als Fahrradmechaniker - über Wasser. Mit 20 entschloss er sich zu einem Literaturstudium und schaffte die Aufnahmeprüfung an der Cornell University. Nach seinem Abschluss arbeitete er als Broker an der Wall Street, um seine Schulden zu bezahlen. In dieser Zeit begann er zu schreiben. Ein Stipendium ermöglichte ihm einen Aufenthalt an der University of Texas, wo er seinen ersten Roman "American Rust" (dt. "Rost") begann. Das Buch gewann den Los Angeles Times Book Prize, war das Washington Post Book of the Year, schaffte es auf diverse Bestsellerlisten und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Philipp Meyer gilt seither als einer der hoffnungsvollsten amerikanischen Nachwuchsautoren. An "Der erste Sohn" arbeitete er über fünf Jahre. Zur Zeit ist er ein Guggenheim Fellow und lebt in Austin, Texas und New York.
Produktdetails
- Verlag: Knaus
- Originaltitel: The Son
- Seitenzahl: 608
- Erscheinungstermin: 21. Mai 2014
- Deutsch
- Abmessung: 230mm x 156mm x 46mm
- Gewicht: 960g
- ISBN-13: 9783813504798
- ISBN-10: 3813504794
- Artikelnr.: 40018469
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
"Nur in den besten historischen Romanen wird uns vor Augen geführt, dass wohl auch wir in jenen längst verflossenen Zeiten die Sünden unserer Väter begangen hätten. 'Der erste Sohn' ist ein solcher Roman." The New York Times
"Ein Werk von außergewöhnlicher erzählerischer Kraft, in dem Verwüstung und Zerstörung unvermeidlich und die flüchtige Freude über den Sieg bestenfalls ein bittersüßer Genuss zu sein scheinen." John Burnside in The Guardian
"Mit seinem gewaltigen Panorama - Der erste Sohn reicht von Vorbürgerkriegs-Siedlern bis zu Nach-9/11-Einwanderern - gehört das Buch zu den Great American Novels jener Art, die John Dos Passos einst schrieb. Philipp Meyer erzählt die Geschichte des Wilden Westens, die mit Blut in die Prärie Texas' eingeschrieben ist, ein zweihundert Jahre währender Kampf um Land, Öl und Macht." The Washington Post
"Ein Werk von außergewöhnlicher erzählerischer Kraft, in dem Verwüstung und Zerstörung unvermeidlich und die flüchtige Freude über den Sieg bestenfalls ein bittersüßer Genuss zu sein scheinen." John Burnside in The Guardian
"Mit seinem gewaltigen Panorama - Der erste Sohn reicht von Vorbürgerkriegs-Siedlern bis zu Nach-9/11-Einwanderern - gehört das Buch zu den Great American Novels jener Art, die John Dos Passos einst schrieb. Philipp Meyer erzählt die Geschichte des Wilden Westens, die mit Blut in die Prärie Texas' eingeschrieben ist, ein zweihundert Jahre währender Kampf um Land, Öl und Macht." The Washington Post
Nimm dir, was du willst, aber sei bereit, dafür zu sterben
Ein ehemaliger Finanzhai ist gerade dabei, zu einem der großen Chronisten Amerikas zu werden: Philipp Meyers Roman "Der erste Sohn" ist ein Breitwand-Epos und so spannend wie ein Abenteuerbuch.
Landschaften werden unterschätzt. Sie gelten als kulturloser Leerraum zwischen Städten oder dienen als Hintergrund für harmlose Gemälde. Doch Landschaften, bis auf ein paar Kratzer an der Oberfläche seit Äonen unverändert, sind die eigentlichen Machthaber auf unserem Planeten. Mit stoischer Beharrlichkeit formen sie Lebewesen und Lebensweisen. Und geben sie nicht sogar vor, wie sie besungen werden wollen? So wie der verspielte Zickzackkurs des Rheins den lyrischen Ton
Ein ehemaliger Finanzhai ist gerade dabei, zu einem der großen Chronisten Amerikas zu werden: Philipp Meyers Roman "Der erste Sohn" ist ein Breitwand-Epos und so spannend wie ein Abenteuerbuch.
Landschaften werden unterschätzt. Sie gelten als kulturloser Leerraum zwischen Städten oder dienen als Hintergrund für harmlose Gemälde. Doch Landschaften, bis auf ein paar Kratzer an der Oberfläche seit Äonen unverändert, sind die eigentlichen Machthaber auf unserem Planeten. Mit stoischer Beharrlichkeit formen sie Lebewesen und Lebensweisen. Und geben sie nicht sogar vor, wie sie besungen werden wollen? So wie der verspielte Zickzackkurs des Rheins den lyrischen Ton
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und schwülstige Nixenromantik fordert, so lassen die weiten amerikanischen Prärien und gigantischen Plateaus, will man ihnen gerecht werden, nur die Form des schwartendicken Epos zu.
An "Once Upon a Time in the West"-Sagas herrscht fürwahr kein Mangel, aber das, was Philipp Meyer nun mit dem fünf Generationen übergreifenden Familienroman "Der erste Sohn" vorgelegt hat, ist ein Novum, weil es dem letzten Aufbäumen des "Wilden Westens" in Texas ohne falsche Verklärung einer der einander jahrzehntelang befehdenden Parteien - Indianer, Texaner und Mexikaner - in geradezu fotorealistischer Drastik ein Denkmal setzt, vor dem man schon allein aufgrund des verarbeiteten Recherchematerials nur den Hut ziehen kann. Zudem kann Meyer Figuren entwerfen, die sich dem Leser nicht anbiedern. Und doch wirkt nichts an diesem wissensprallen Roman, in dem man insbesondere über indianische Gebräuche sehr viel lernen kann, langweilig oder belehrend, im Gegenteil. Meyer setzt in einem Ausmaß auf Spannung und Blutvergießen, dass man die sechshundert Seiten mit fast schon schlechtem Gewissen einfach wegschmökert wie den dicksten Karl-May-Band.
In diesem Versuch, das amerikanische Wesen aus seiner Genealogie zu erklären, einer "Great American Novel" also, ist Moral keine allzu wichtige Kategorie, sieht man davon ab, dass Meyer einer letztlich entwürdigenden Indianer-Idealisierung entgegentritt. Die hier in all ihrer Binnendifferenzierung dargestellten Indigenen nämlich vergewaltigen und töten ebenso gnadenlos, wie es die Cowboys tun, wenn auch - vielleicht doch ein kleiner Restbestand an Heroisierung - nicht aus Mordgier oder Rache. Am nächsten an eine Grunderkenntnis kommt denn auch die mehrfach wiederkehrende und durch ein Edward-Gibbon-Motto (es hätte auch Oswald Spengler sein dürfen) gestützte Aussage heran, dass die Geschichte eine endlose Abfolge von einander auslöschenden Imperien darstelle: Die zahlreichen Indianerstämme in Amerika haben schließlich zunächst die Mogollon-Kultur vernichtet. "Sie alle wurden von den Apachen ausgelöscht. Die wiederum, jedenfalls in Texas, von den Comanchen ausgelöscht wurden. Die schließlich von den Amerikanern ausgelöscht wurden." Wenn es dabei überhaupt eine Schuld gibt, verteilt sie sich gleichmäßig auf alle Ethnien und Imperien. Allerdings widerspricht die Erzählung dieser alles Individuelle einebnenden Dekadenzthese im Detail dann doch.
Außerdem ist nicht die Überwindung einer denselben Lebensraum besiedelnden Kultur hier das eigentliche Thema, die alte Western-Thematik, sondern vielmehr die Vermischung der Kulturen, und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Der Hauptprotagonist und Stammvater der McCullough-Dynastie, Eli McCullough, geboren 1836 kurz nach der Unabhängigkeit der Republik Texas von Mexiko, daher "der erste Sohn", wird mit dreizehn Jahren von Comanchen entführt, die seine Mutter und seine Schwester fürchterlich misshandeln und töten ("Sie hatten ihr die Brüste abgeschnitten und die Eingeweide herausgerissen"). Eli, ein Draufgänger schon als Jugendlicher, der sich für das Gejammer des schöngeistigen Bruders schämt und es folgerichtig zu finden scheint, dass die Comanchen auch diesen schließlich mit ihren Lanzen durchbohren ("Ich wusste, ich sollte aufstehen und meinem Bruder helfen, ... doch ich wollte nicht"), wächst drei Jahre bei den Indianern auf und wird einer von ihnen, indem er sich durch Mut und Härte den Respekt seiner neuen Familie verdient: Er reitet mit auf Beutezüge und skalpiert seine Opfer.
Als ein unbezwingbarer Gegner - die Pocken - seine Gruppe arg dezimiert hat, kehrt Eli zu den Weißen zurück, ohne dort wirklich Anschluss zu finden. Ein kitschiger Roman hätte hier den edlen Wilden im Weißen hervorgekehrt: Meyer tut das Gegenteil, er zeigt einen Entwurzelten, der an der Gesellschaft scheitert. Die einzige Tätigkeit, bei der Eli die vertraut gewordene Lebensweise fortsetzen kann, ist das (durch ein Fehlverhalten erzwungene) Anheuern bei den Texas Rangers. Nun tötet er eben beherzt Indianer. Einige Zeit später aber bemerkt Eli, dass eigentlich eine ganz andere Gruppe von Westlern ähnliche Freiheiten genießt, wie er sie bei den Comanchen kennenlernte: die Reichen. Und mit der Energie, Rücksichtslosigkeit und Opferbereitschaft eines geborenen Patriarchen, inzwischen Colonel genannt, gründet er eine der großen, sklavenbewirtschafteten Texas-Ranches, die zunächst mit der Rinderzucht und später mit Erdölförderung ein Vermögen erwirtschaften. Seine Zeit bei den Comanchen scheint Eli unverwundbar gemacht zu haben, aber doch fragt man sich, ob er nur eine der beiden Hauptlektionen von seinem Ziehvater Toshaway gelernt hat. Dieser hatte ihm erklärt, es sei natürlich, anderen wegzunehmen, was man haben wolle. Einzig die Weißen aber glaubten, das Gestohlene gehöre ihnen; einzig sie seien erstaunt, wenn sie ihrerseits dafür getötet würden. Die zweite, von Eli kaum angenommene Lektion lautete, dass man einen Feigling daran erkenne, dass er nur sich selbst liebe.
Erzählt wird die Familiengeschichte auf mehreren Zeitebenen zugleich, was narrativ eher schlicht, spannungstechnisch aber sehr effektiv ist. Abwechselnd kommen Eli, sein ganz anders gearteter Sohn Peter sowie die wiederum höchst ehrgeizige, ein Erdölimperium befehligende Urenkelin Jeanne Anne, die sich am Sexismus ihres eigenen Umfelds aufreibt, zu Wort. Dank des klugen Arrangements erklären sich viele der angeschnittenen Themen und Familiengeheimnisse erst nach und nach.
Peter ist in jedem Sinne die Antithese zu seinem Vater, ähnelt eher dessen hingerichtetem Bruder. So leidet er offenbar als Einziger am Rassismus im Frontier-Gebiet, der zu immer größeren, diesmal vor allem die Mexikaner treffenden Eruptionen führt. Weil er aber nicht aufzubegehren wagt, protokolliert er im Tagebuch, was geschieht - und wie er doch stets mit den Starken kollaboriert. Das ist ein hinterhältiger Sprengsatz im Roman: die einzig anständig, ja modern wirkende Figur ist ein Schwächling, ein kastrierter Umfaller. Ein Sündenfall steht im Zentrum von Peters Tagebucheinträgen, ein Massaker der McCulloughs und ihrer Verbündeten an den befreundeten Nachbarn, den Garcias, deren Besitz sich die Mörder unter allgemeinem Beifall angeeignet haben. Doch eine Überlebende gibt es, und ausgerechnet diese sucht Peter eines Tages auf. Es droht eine Vermischung ganz eigener Art.
Philipp Meyer wird man Ängstlichkeit kaum vorwerfen können, er schreibt in voller Rüstung. In seinem ersten Leben war Meyer Wall-Street-Händler, der mit Derivaten hantierte und plötzlich im Geld schwamm. Seine im Jahre 2010 in der Zeitschrift "Literaturen" erschienene, heute im Netz einsehbare Abrechnung mit einer dekadenten Finanzwelt - höchste Achtung genießt dort Meyer zufolge das Erbrechen Tausende Dollar teurer Menüs auf Unbeteiligte - ist eine faszinierende Lektüre. Mit "Rost", seinem fulminanten Romandebüt über den amerikanischen "Rust Belt", die verfallende Industrieregion im Nordosten der Vereinigten Staaten, wurde Meyer auf Anhieb zu einem der wichtigsten Chronisten Amerikas, der in einem Atemzug mit Faulkner und - neuerdings - Cormac McCarthy genannt wird.
"Der erste Sohn" nun zeigt uns, wie eine Denkweise, die republikanische, aus einer Zeit und einer Landschaft heraus entsteht, ohne diese Zeit zu beschönigen oder einmal mehr im Namen des metrosexuellen, intellektuellen New York (die auch in Europa beliebteste Brille für den Blick nach Übersee) über den bis heute lebendigen, bewaffneten Pioniergeist Gericht zu halten. Man mag es nach der Lektüre fast glauben: Die Dynastien, Stämme und Imperien werden weiter kommen und gehen, und das stets mit Gewalt; aller Glaube an den ordnenden, bändigenden Eingriff ist Selbstbetrug. Halten wir uns lieber an das, was bleibt: die Landschaft.
OLIVER JUNGEN
Philipp Meyer: "Der erste Sohn". Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog. Knaus Verlag, München 2014. 608 S., geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
An "Once Upon a Time in the West"-Sagas herrscht fürwahr kein Mangel, aber das, was Philipp Meyer nun mit dem fünf Generationen übergreifenden Familienroman "Der erste Sohn" vorgelegt hat, ist ein Novum, weil es dem letzten Aufbäumen des "Wilden Westens" in Texas ohne falsche Verklärung einer der einander jahrzehntelang befehdenden Parteien - Indianer, Texaner und Mexikaner - in geradezu fotorealistischer Drastik ein Denkmal setzt, vor dem man schon allein aufgrund des verarbeiteten Recherchematerials nur den Hut ziehen kann. Zudem kann Meyer Figuren entwerfen, die sich dem Leser nicht anbiedern. Und doch wirkt nichts an diesem wissensprallen Roman, in dem man insbesondere über indianische Gebräuche sehr viel lernen kann, langweilig oder belehrend, im Gegenteil. Meyer setzt in einem Ausmaß auf Spannung und Blutvergießen, dass man die sechshundert Seiten mit fast schon schlechtem Gewissen einfach wegschmökert wie den dicksten Karl-May-Band.
In diesem Versuch, das amerikanische Wesen aus seiner Genealogie zu erklären, einer "Great American Novel" also, ist Moral keine allzu wichtige Kategorie, sieht man davon ab, dass Meyer einer letztlich entwürdigenden Indianer-Idealisierung entgegentritt. Die hier in all ihrer Binnendifferenzierung dargestellten Indigenen nämlich vergewaltigen und töten ebenso gnadenlos, wie es die Cowboys tun, wenn auch - vielleicht doch ein kleiner Restbestand an Heroisierung - nicht aus Mordgier oder Rache. Am nächsten an eine Grunderkenntnis kommt denn auch die mehrfach wiederkehrende und durch ein Edward-Gibbon-Motto (es hätte auch Oswald Spengler sein dürfen) gestützte Aussage heran, dass die Geschichte eine endlose Abfolge von einander auslöschenden Imperien darstelle: Die zahlreichen Indianerstämme in Amerika haben schließlich zunächst die Mogollon-Kultur vernichtet. "Sie alle wurden von den Apachen ausgelöscht. Die wiederum, jedenfalls in Texas, von den Comanchen ausgelöscht wurden. Die schließlich von den Amerikanern ausgelöscht wurden." Wenn es dabei überhaupt eine Schuld gibt, verteilt sie sich gleichmäßig auf alle Ethnien und Imperien. Allerdings widerspricht die Erzählung dieser alles Individuelle einebnenden Dekadenzthese im Detail dann doch.
Außerdem ist nicht die Überwindung einer denselben Lebensraum besiedelnden Kultur hier das eigentliche Thema, die alte Western-Thematik, sondern vielmehr die Vermischung der Kulturen, und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Der Hauptprotagonist und Stammvater der McCullough-Dynastie, Eli McCullough, geboren 1836 kurz nach der Unabhängigkeit der Republik Texas von Mexiko, daher "der erste Sohn", wird mit dreizehn Jahren von Comanchen entführt, die seine Mutter und seine Schwester fürchterlich misshandeln und töten ("Sie hatten ihr die Brüste abgeschnitten und die Eingeweide herausgerissen"). Eli, ein Draufgänger schon als Jugendlicher, der sich für das Gejammer des schöngeistigen Bruders schämt und es folgerichtig zu finden scheint, dass die Comanchen auch diesen schließlich mit ihren Lanzen durchbohren ("Ich wusste, ich sollte aufstehen und meinem Bruder helfen, ... doch ich wollte nicht"), wächst drei Jahre bei den Indianern auf und wird einer von ihnen, indem er sich durch Mut und Härte den Respekt seiner neuen Familie verdient: Er reitet mit auf Beutezüge und skalpiert seine Opfer.
Als ein unbezwingbarer Gegner - die Pocken - seine Gruppe arg dezimiert hat, kehrt Eli zu den Weißen zurück, ohne dort wirklich Anschluss zu finden. Ein kitschiger Roman hätte hier den edlen Wilden im Weißen hervorgekehrt: Meyer tut das Gegenteil, er zeigt einen Entwurzelten, der an der Gesellschaft scheitert. Die einzige Tätigkeit, bei der Eli die vertraut gewordene Lebensweise fortsetzen kann, ist das (durch ein Fehlverhalten erzwungene) Anheuern bei den Texas Rangers. Nun tötet er eben beherzt Indianer. Einige Zeit später aber bemerkt Eli, dass eigentlich eine ganz andere Gruppe von Westlern ähnliche Freiheiten genießt, wie er sie bei den Comanchen kennenlernte: die Reichen. Und mit der Energie, Rücksichtslosigkeit und Opferbereitschaft eines geborenen Patriarchen, inzwischen Colonel genannt, gründet er eine der großen, sklavenbewirtschafteten Texas-Ranches, die zunächst mit der Rinderzucht und später mit Erdölförderung ein Vermögen erwirtschaften. Seine Zeit bei den Comanchen scheint Eli unverwundbar gemacht zu haben, aber doch fragt man sich, ob er nur eine der beiden Hauptlektionen von seinem Ziehvater Toshaway gelernt hat. Dieser hatte ihm erklärt, es sei natürlich, anderen wegzunehmen, was man haben wolle. Einzig die Weißen aber glaubten, das Gestohlene gehöre ihnen; einzig sie seien erstaunt, wenn sie ihrerseits dafür getötet würden. Die zweite, von Eli kaum angenommene Lektion lautete, dass man einen Feigling daran erkenne, dass er nur sich selbst liebe.
Erzählt wird die Familiengeschichte auf mehreren Zeitebenen zugleich, was narrativ eher schlicht, spannungstechnisch aber sehr effektiv ist. Abwechselnd kommen Eli, sein ganz anders gearteter Sohn Peter sowie die wiederum höchst ehrgeizige, ein Erdölimperium befehligende Urenkelin Jeanne Anne, die sich am Sexismus ihres eigenen Umfelds aufreibt, zu Wort. Dank des klugen Arrangements erklären sich viele der angeschnittenen Themen und Familiengeheimnisse erst nach und nach.
Peter ist in jedem Sinne die Antithese zu seinem Vater, ähnelt eher dessen hingerichtetem Bruder. So leidet er offenbar als Einziger am Rassismus im Frontier-Gebiet, der zu immer größeren, diesmal vor allem die Mexikaner treffenden Eruptionen führt. Weil er aber nicht aufzubegehren wagt, protokolliert er im Tagebuch, was geschieht - und wie er doch stets mit den Starken kollaboriert. Das ist ein hinterhältiger Sprengsatz im Roman: die einzig anständig, ja modern wirkende Figur ist ein Schwächling, ein kastrierter Umfaller. Ein Sündenfall steht im Zentrum von Peters Tagebucheinträgen, ein Massaker der McCulloughs und ihrer Verbündeten an den befreundeten Nachbarn, den Garcias, deren Besitz sich die Mörder unter allgemeinem Beifall angeeignet haben. Doch eine Überlebende gibt es, und ausgerechnet diese sucht Peter eines Tages auf. Es droht eine Vermischung ganz eigener Art.
Philipp Meyer wird man Ängstlichkeit kaum vorwerfen können, er schreibt in voller Rüstung. In seinem ersten Leben war Meyer Wall-Street-Händler, der mit Derivaten hantierte und plötzlich im Geld schwamm. Seine im Jahre 2010 in der Zeitschrift "Literaturen" erschienene, heute im Netz einsehbare Abrechnung mit einer dekadenten Finanzwelt - höchste Achtung genießt dort Meyer zufolge das Erbrechen Tausende Dollar teurer Menüs auf Unbeteiligte - ist eine faszinierende Lektüre. Mit "Rost", seinem fulminanten Romandebüt über den amerikanischen "Rust Belt", die verfallende Industrieregion im Nordosten der Vereinigten Staaten, wurde Meyer auf Anhieb zu einem der wichtigsten Chronisten Amerikas, der in einem Atemzug mit Faulkner und - neuerdings - Cormac McCarthy genannt wird.
"Der erste Sohn" nun zeigt uns, wie eine Denkweise, die republikanische, aus einer Zeit und einer Landschaft heraus entsteht, ohne diese Zeit zu beschönigen oder einmal mehr im Namen des metrosexuellen, intellektuellen New York (die auch in Europa beliebteste Brille für den Blick nach Übersee) über den bis heute lebendigen, bewaffneten Pioniergeist Gericht zu halten. Man mag es nach der Lektüre fast glauben: Die Dynastien, Stämme und Imperien werden weiter kommen und gehen, und das stets mit Gewalt; aller Glaube an den ordnenden, bändigenden Eingriff ist Selbstbetrug. Halten wir uns lieber an das, was bleibt: die Landschaft.
OLIVER JUNGEN
Philipp Meyer: "Der erste Sohn". Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog. Knaus Verlag, München 2014. 608 S., geb., 24,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Philipp Meyers "Der erste Sohn" lässt sich wohl am ehesten in die Reihe der "GAN" einordnen, der "Great American Novels", jener Romane, die seitenstark das amerikanische Bedürfnis nach Selbstvergewisserung befriedigen, erklärt Christopher Schmidt. Meyer widmet sich Texas, wo eine Ranch auch mal die Stadtfläche Münchens umfasst und dessen Geschichte er aus den Perspektiven gleich dreier Generationen der McCulloughs ausbreitet, einer der großen Rinder- und Ölfamilien des Bundesstaats, angefangen mit den Kämpfen der Siedler gegen die Komantschen und bis in die Gegenwart, in der die Texaner im Nahen Osten mitmischen wollen, fasst der Rezensent zusammen. Fünf Jahre hat Meyer an diesem Buch gearbeitet, was Schmidt angesichts des Detailreichtums der historischen Darstellung kaum wundert. Vor allem die Passagen über das Leben der Komantschen, bei denen der Stammvater der McCulloughs aufwächst, haben den Rezensenten fasziniert: Gewalt ohne jede Grausamkeit - die kam erst mit den Siedlern, so Meyer.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein großes Epos über die Besiedlung von Texas, so packend erzählt wie von Karl May, aber frei von falscher Romantik." ZDF "Das Blaue Sofa", Wolfgang Herles
Ein moderner amerikanischer Klassiker
Philipp Meyers Roman begeistert die USA: Schon kurz nach seinem Erscheinen wurde Der erste Sohn als „moderner amerikanischer Klassiker“ hoch gelobt und in einem Atemzug mit den Meisterwerken von Cormac McCarthy, John Dos Passos und Larry McMurtry …
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Ein moderner amerikanischer Klassiker
Philipp Meyers Roman begeistert die USA: Schon kurz nach seinem Erscheinen wurde Der erste Sohn als „moderner amerikanischer Klassiker“ hoch gelobt und in einem Atemzug mit den Meisterwerken von Cormac McCarthy, John Dos Passos und Larry McMurtry genannt.
Meyer erzählt die Geschichte der Eroberung des amerikanischen Westens als große Familiensaga über drei Generationen – schonungslos und ohne falsche Romantik. Mehr als hundert Jahre währt der Kampf des texanischen Clans der McCulloughs um Land, Öl und Macht. Eli McCullough ist der erste Sohn der neuen Republik Texas, die am 2. März 1836 gegründet wird. Seine Eltern gehören zu den ersten Siedlern im Indianerland, einem Paradies, das alles verheißt – nur keine Sicherheit. Bei einem Comanchenüberfall wird seine Familie ausgelöscht, Eli wächst bei den Comanchen auf und wird später in eine ihm fremde Welt der Weißen entlassen. Das Leben lehrt ihn Härte gegen sich und andere, mit Cleverness, Skrupellosigkeit und Wagemut begründet er eine Dynastie, die durch Viehzucht und Öl zu immensem Reichtum und politischer Machtfülle kommt. Doch seine Nachkommen drohen an dem Vermächtnis zu zerbrechen.
"In meinem Roman Rost geht es um den Abstieg der amerikanischen Arbeiterklasse, in Der erste Sohn geht es um den amerikanischen Gründungsmythos. Die Griechen hatten die Odyssee, die Römer die Aeneis, die Amerikaner die Besiedelung des Westens. Unglücklicherweise neigen wir dazu, dieses Thema mit Glacéhandschuhen anzufassen, wir tun uns schwer, unsere Vorfahren aus Menschen als Fleisch und Blut zu sehen. Entweder sehen wir sie als Helden oder als Verbrecher. Ich wollte nicht in diese Falle tappen. Ich wollte sie als Personen verstehen, und ich wollte einen Roman schreiben, der der Komplexität und Vielschichtigkeit der damaligen Situation gerecht wird." Philipp Meyer über Der erste Sohn
"Der erste Sohn gehört zu jenen großen Romanen, die einen guten Teil vom Wesen Amerikas zu erfassen vermögen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, Oliver Jungen
„Ein Werk voll außergewöhnlicher erzählerischer Kraft und Kontraste, in dem die Zerstörung unvermeidlich und die vergängliche Freude über den Sieg bestenfalls ein bittersüßer Genuss zu sein scheint.“ The Guardian, John Burnside
Über den Autor: Philipp Meyer (geb. 1974) stammt aus einer Künstlerfamilie, verließ vorzeitig die Schule und hielt sich mit diversen Jobs über Wasser. Mit 20 entschloss er sich zu einem Literaturstudium und schaffte die Aufnahmeprüfung an der Cornell University. Nach seinem Studium arbeitete er als Broker an der Wall Street und begann in dieser Zeit auch zu schreiben. Ein Stipendium ermöglichte ihm einen Aufenthalt an der University of Texas, wo er seinen ersten Roman Rost (Originaltitel: American Rust) begann. Für sein Debüt erhielt er den Los Angeles Times Book Prize, es war das Washington Post Book of the Year und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Seither gilt er als einer der hoffnungsvollsten amerikanischen Nachwuchsautoren. Zur Zeit ist er Guggenheim Fellow und lebt in Austin, Texas.
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Der amerikanische Autor Philipp Meyer wird mit seinem Monumentalepos „Der erste Sohn“ einmal mehr seinem Ruf als Chronist Amerikas gerecht. Dieser haftet ihm seit seinem ersten Roman „Rost“ an, in dem er den Niedergang des „Rust Belt“, dieser ältesten …
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Der amerikanische Autor Philipp Meyer wird mit seinem Monumentalepos „Der erste Sohn“ einmal mehr seinem Ruf als Chronist Amerikas gerecht. Dieser haftet ihm seit seinem ersten Roman „Rost“ an, in dem er den Niedergang des „Rust Belt“, dieser ältesten Industrieregion im Nordosten der USA beschreibt.
In „Der erste Sohn“ steht die Familie McCullough im Zentrum des Geschehens, und exemplarisch an drei Vertretern aus unterschiedlichen Generationen betrachtet Meyer mehr als 150 Jahre amerikanische Geschichte mit Schwerpunkt auf der Besiedlung des „Wilden Westens“.
Drei Hauptfiguren und drei Handlungsstränge in verschiedenen Zeitebenen, die teilweise parallel erzählt werden, bieten eine differenzierte Sicht auf die Ereignisse, die im Frühjahr 1836 ihren Anfang nehmen: Genau an dem Tag, auf den die Gründung des Staates Texas fällt, wird dem Ehepaar McCullough der erste Sohn Eli geboren. Er wird der Stammvater der McCullough-Dynastie werden. Mit dreizehn Jahren verliert er seine Familie bei einem Überfall der Comanchen, die den überlebenden Halbwüchsigen verschleppen. Er passt sich an, wächst bei dem Stamm auf und eignet sich die Fertigkeiten an, die er zum Überleben braucht.
Nachdem Eli als einer der wenigen seines „Stammes“ eine Pockenepidemie überlebt, verlässt er die Indianer und geht zurück zu den Weißen. Seine Fähigkeiten und die Skrupellosigkeit, die er sich in der Zwischenzeit angeeignet hat, setzt er gezielt zu seinem Vorteil ein, und so ist es nicht verwunderlich, dass er in kürzester Zeit vom Viehbaron zum Ölmilliardär aufsteigt.
Ganz anders sein Sohn Peter, schwach, ein Schöngeist, der weder in diese Zeit noch in dieses Business passt. Seine Liebe stellt er über die Forderungen seiner Herkunftsfamilie und macht auch gegen den Widerstand seines Vaters unbeirrt seinen Weg.
Die Stärke und Gier Elis bricht erst wieder bei seiner Urenkelin Jeanne Anne durch, die sich von einer unsicheren jungen Frau zu einer Patriarchin entwickelt, die das Familienerbe verteidigt und zusammenhält, selbst um den Preis des persönlichen Glücks.
„Der erste Sohn“ ist eine Mischung aus Historie, Western und Country Noir – mit Protagonisten, die in jeder Tragödie ihren Platz finden würden, denn jeder ist sowohl Täter als auch Opfer. Gier, Gewalt und Skrupellosigkeit scheinen selbstverständliche Instrumente zu sein, um ans Ziel zu gelangen, und Moral ist hier absolut fehl am Platz.
Philipp Meyer entzaubert den Wilden Westen und wagt höchst beeindruckend einen anderen, einen schonungslosen Blick auf den Gründermythos Amerikas.
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Die Geschichte einer Familie in Texas, über 150 Jahre erzählt. Eli McCulloughs gibt ein kurzes Vorwort über Texas, so wie er es über sein langes Leben erlebt hat. 1836 geboren wurde er von Comanchen entführt, lebte eine Zeit bei ihnen und erlebte ihren Untergang mit. Er …
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Die Geschichte einer Familie in Texas, über 150 Jahre erzählt. Eli McCulloughs gibt ein kurzes Vorwort über Texas, so wie er es über sein langes Leben erlebt hat. 1836 geboren wurde er von Comanchen entführt, lebte eine Zeit bei ihnen und erlebte ihren Untergang mit. Er baute das Vermögen, den Besitz der Familie auf. Erzählt wird die Geschichte aus seiner, dann von seinem Sohn Peter und der Urenkelin Jeanne, immer abwechselnd und aus verschiedenen Sichten.
Ein großes, sehr interessantes Thema, das vom Autor gut dargestellt wird. Die Geschichte von Eli und seinen Nachfahren zeigt, dass die Geschichte Texas mit sehr viel Gewalt, Mord und Raub verbunden ist, ohne dies wäre das Land so nicht entstanden, besiedelt werden. Und jedes Volk hat so gehandelt, auch schon vor Ankunft der Weißen. Elis Sohn kommt damit nicht so klar, habe ich den Eindruck und die Urenkelin Jeannie hat ein einsames Leben durch den Kampf ums Geld.
Eli besticht durch Härte und besteht. Ansonsten wirkt niemand so, als ob da irgendein Mythos be-dient wird. Im Gegenteil, am Ende kam mir das ganze Streben nach Besitz, Reichtum und Macht sehr unnütz vor. Glücklich wurde dadurch niemand in der Familie. Beim Lesen machte sich bei mir, ganz unbewusst, eine leicht depressive Stimmung breit. Ich würde sagen, da hat Philipp Meyer was tolles geschaffen. Die Menschen darzustellen und beim Leser so eine Reaktion durchs Lesen hervorzurufen, dabei über Texas, die Familie McCullough und vielen anderen Menschen in dem Land zu berichten, was sich auch noch so gut lesen lässt. Ein tolles Buch.
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