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Was braucht man wirklich im Leben?
Bruno van Gelderen ist auf einem Bauernhof am Niederrhein aufgewachsen und landet in den späten Neunzigern in Berlin. Statt zu studieren, arbeitet er für eine Konzertagentur und verspielt sein Geld an Slot Machines. Alkohol und Amphetamine tun ihr Übriges, nach Überfällen auf eine Kinokasse und einen Spätkauf verbringt er zwei Jahre im Gefängnis. Danach schreibt Bruno zunächst für ein kleines Fachblatt über Berliner Amateur-Fußball und hat plötzlich einen Job bei einer Investment-Firma. Zum ersten Mal in seinem Leben kommt er zu Geld. Und zum ersten Mal…mehr

Produktbeschreibung
Was braucht man wirklich im Leben?

Bruno van Gelderen ist auf einem Bauernhof am Niederrhein aufgewachsen und landet in den späten Neunzigern in Berlin. Statt zu studieren, arbeitet er für eine Konzertagentur und verspielt sein Geld an Slot Machines. Alkohol und Amphetamine tun ihr Übriges, nach Überfällen auf eine Kinokasse und einen Spätkauf verbringt er zwei Jahre im Gefängnis. Danach schreibt Bruno zunächst für ein kleines Fachblatt über Berliner Amateur-Fußball und hat plötzlich einen Job bei einer Investment-Firma. Zum ersten Mal in seinem Leben kommt er zu Geld. Und zum ersten Mal hat er so etwas wie einen Plan ...
Wie sein Held staunt auch Ulrich Peltzers neuer Roman über all die Angebote und Weisheiten, die Tricks und Traditionen, mit denen wir unserem Leben einen Sinn zu geben versuchen. Aber worauf kommt es an und wo ist mein Platz in dieser Welt? Wunderbar unaufgeregt stellt sich Peltzers Roman diese so einfachen wie elementaren Fragen. Nichts ist ihm dabei fremder als die große Gereiztheit unserer Zeit. Und wie nebenbei erzählt er vom Einzigen, das für alle zu zählen scheint: vom Geld.
Autorenporträt
Ulrich Peltzer, geboren 1956 in Krefeld, studierte Philosophie und Psychologie in Berlin, wo er seit 1975 lebt. Er veröffentlichte die Romane 'Die Sünden der Faulheit' (1987), 'Stefan Martinez' (1995), '¿Alle oder keiner¿' (1999), 'Bryant Park' (2002) und 'Teil der Lösung' (2007) sowie die Frankfurter Poetikvorlesungen 'Angefangen wird mittendrin' (2011). Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Preis der SWR-Bestenliste, dem Berliner Literaturpreis und dem Heinrich-Böll-Preis. Ulrich Peltzers Roman 'Das bessere Leben' (2015) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde unter anderem mit dem Marieluise-Fleißer-Preis, dem Peter-Weiss-Preis und dem Franz-Hessel-Preis geehrt. Zuletzt erschien der Roman 'Das bist du' (2021).Literaturpreise: Gerty-Spies-Literaturpreis 2016Franz-Hessel-Preis 2015Peter-Weiss-Preis 2015Platz 1 SWR Bestenliste September 2015Marieluise Fleißer-Preis 2015Shortlist Deutscher Buchpreis 2015Carl-Amery-Literaturpreis 2013Heinrich-Böll-Preis 2011Frankfurter Poetik-Dozentur 2010/11Mitglied der Akademie der Künste in Berlin 2010Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 2009/2010Spycher: Literaturpreis Leuk 2008Düsseldorfer Literaturpreis 2008Berliner Literaturpreis für sein Gesamtwerk 2008Literaturpreis der Stadt Bremen 2003Niederrheinischer Literaturpreis der Stadt Krefeld 2001Preis der SWR-Bestenliste 2000Anna Seghers-Preis 1997Berliner Literaturpreis der Stiftung Preußische Seehandlung 1996Bertelsmann-Stipendium beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1992
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Dieser Roman von Ulrich Peltzer braucht keine aufsehenerregenden Momente der Suspense, um das Weltbild des stoischen Ich-Erzählers Bruno von Geldern spannend zu vermitteln, beteuert Rezensent Stefan Michalzik. Vielmehr erzählt der Autor in "planvollem Schweifen" einerseits sehr subjektive Momente, aus denen sich andererseits präzise gesellschaftliche Beobachtungen ableiten lassen. Van Geldern war mal suchtkrank, hat, wohl eher drogeninduziert als aus wirtschaftlicher Not heraus, einige Überfälle verübt und saß deshalb im Knast, danach hat er sich nicht nur an zwielichtigen Offshore-Geschäften beteiligt, sondern auch eine Galerie gegründet, erfahren wir, das alles ist geboren aus einer unbedingten Suche nach Glück und Sinn des Lebens. Dabei geht es Peltzer nicht um ein groß angelegtes Gesellschaftsporträt, so der Kritiker, und trotzdem stellt er wichtige Fragen zur "zeitgenössischen Künstlerexistenz" und der Frage, wie man als Mensch zu Glück kommt. Das überzeugt auch durch die fein ausgearbeitete formale Strenge, resümiert er zufrieden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2024

Berufsvoraussetzung ist ein gut geschmiertes Mundwerk

Ulrich Peltzers neuer Berlin-Roman "Der Ernst des Lebens"

führt in die Existenz eines Investment-Beraters ein.

Dabei führt das Buch zugleich die ganze Branche vor.

So unentschieden wie der Schluss ist das in Ulrich Peltzers neuem Roman dargestellte Leben. "Aber was ist schon ein guter Ausgang?", fragt sich die Hauptfigur Bruno van Gelderen, CFO einer zweifelhaften Investmentgesellschaft, nach dreihundert Seiten Lebensmonolog. Die Antwort bleibt aus, weil es keine gibt. Irgendwann wird man sehen, was mit dieser aus Zufällen, aus Auf- und Abbrüchen zusammengewürfelten Existenz weiter passiert.

Es geht um einen Mann ohne Eigenschaften, ohne Ziele und Ambitionen, einen Antihelden. Sein Geschäft basiert wie bei Immobilienmaklern, Versicherungshändlern oder Finanzberatern auf Vertrauen. Zu sehen ist bei solchen Leuten nur die Fassade aus geprägter Visitenkarte, einem gut sitzenden Anzug und Autos der gehobenen Klasse. Was der Mann abfällig über andere "Courtageknechte" sagt, gilt auch für ihn: Berufsvoraussetzungen sind wenig mehr als ein ordentlicher Haarschnitt und geputzte Schuhe. Am wichtigsten ist ein gut geschmiertes Mundwerk mit den jeweils passenden Geschichten - unaufdringlich, seriös, kompetent.

Bestes Startkapital für diesen Chief Financial Officer ist sein Name: Nicht alle wissen, dass ein niederländisches "van" nichts mit Adel zu tun hat, sondern auf einen Ort verweist. Der Anklang an Geld kann in der Finanzbranche zusätzlich nützen. Der Weg von einem Bauernhof nahe der holländischen Grenze in eine große Stadt ist aber mindestens so weit wie der Aufstieg vom spielsüchtigen, "Drogen schluckenden Spaßvogel" zu einem CFO. Bruno van Gelderen legt beide Langstrecken zurück. Gleich nach der Schule zieht er nach Berlin, taucht am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität zwischen Marxisten, Feministinnen und Grünbewegten in die Studienwelt ein, um sie alsbald gegen Läden für Automatenspiele und Sportwetten zu vertauschen. Klar, dass vor jedem guten Lauf eine Line gezogen, eine Pille eingeworfen oder der Flachmann aufgefüllt wird.

Das kann natürlich nicht lange gut gehen. Nur die wenigstens erkennen die Notwendigkeit, auf dem Höhepunkt loszulassen, verkündet bereits ein dem Roman vorangestelltes Motto aus Graciáns "Handorakel". Denn das "Glück wird müde, einen lange auf den Schultern zu tragen". Vielleicht hätte Van Gelderen, dieser kleinkriminelle Schelm, Dostojewskis "Spieler" oder "Schuld und Sühne" neben Kafkas "Prozess" lieber vor als in der Haft lesen sollen, um nicht gleich töricht sein Verbrechen zu gestehen. Der unerhebliche Geldraub an einer Kinokasse und in einem Späti wäre schwerlich nachweisbar gewesen und auch nicht so schwer bestraft worden. Leider war noch eine Waffe im Spiel, ein ziemlich kleines Messer, dummerweise mit Springmechanismus. Das kostet dann zweieinhalb Jahre und verschafft Zeit zum Nachdenken.

Diesem Nachdenken eine innere Stimme zu geben ist Peltzers Stärke. Das prekäre Leben Van Gelderens im Berlin seit den späten Achtzigerjahren wäre noch kein zwingender Erzählanlass, zumal der Autor das anhand von analogen Fällen mit vorangehenden Büchern wie "Teil der Lösung" (2007), "Das bessere Leben" (2015) oder "Das bist du" (2021) bereits geleistet hat. In diesem Sinne folgt "Der Ernst des Lebens" fast einem peltzerschen Serienprinzip von Berlin-Romanen, die allmählich eine vollständige Sozialtypologie von Ich-Erfindern in der poststudentischen Kulturstadtszene entwickeln.

Wichtiger als die atmosphärisch dichten und soziologisch treffsicheren Erschließungen von Bezirken wie Schöneberg, Charlottenburg, Mitte und Friedrichshain, in denen auch Van Gelderen sich ständig herumtreibt, ist die literarische Perspektive - zugleich Peltzers Markenzeichen. Bei ihm spricht, laut oder leise, eben nur einer. Andere kommen - gefiltert durch den diskontinuierlichen Erinnerungsstrom - nur durch indirekte oder zitierte Rede zu Wort.

Aus dieser Sicht fällt ein durchaus anderes Licht auf die Finanzgesellschaft "Merkur-Invest" als von außen. Dort heuert Van Gelderen nach dem Knast und nach einem kleinen Job beim "Fußball-Echo" an. Sein neuer Chef ist ein undurchsichtiger Georgier namens Guram Kobiashvili, kurz Koba genannt, der auch jenseits des Finanzmarktes dunklen Geschäften nachgeht. Vor allem handelt Koba aber mit Finanzprodukten für eine aus "absoluten High Performern" bestehende Kundschaft. Dieses Geschäft hat viel mit Psychologie und Umgangsformen zu tun. Schließlich gilt es, einen der bekanntesten Fernsehmoderatoren für Werbeclips zu gewinnen und sich im zweiten Schritt Zugang zu wirklich reichen Häusern zu verschaffen. Denn solche Menschen werden nicht gleich nervös, wenn mal eine fünfstellige Kleinigkeit abzuschreiben ist.

Wie das innere Räderwerk der Anlagemaschinerie zu regieren und zu vermitteln ist, begreift man durch eine verborgen visionierende Stimme viel eher als aus der Außenperspektive. Zolas Börsenroman "L'argent" (1891) hat es vorgemacht. So dringen wir mit dem Autodidakten Van Gelderen in diese fremde Welt ein, lernen Unterschiede zwischen einem offenen und einem geschlossenen Fonds kennen, hören Begriffe wie Underlying oder Bond-Stripping, ahnen etwas von der "Relativitätstheorie der Schuldverschreibungen". Vor allem tauchen wir aber in die raffinierten Selbstrechtfertigungsstrukturen derer ein, die Gewinne in Aussicht stellen, ohne sie je versprechen zu können.

Die unfassbare Naivität der solventen Kundschaft, die sich nie über im Kleingedruckten festgehaltene Risiken informiert, muss verwundern. Der permanenten Hochstaplerrede Van Gelderens, der sich selbst als Ehrenmann und braver Steuerzahler sieht, kann man sich kaum entziehen. Wenn die Leute zu gutgläubig oder dumm zur Vorsicht sind, tragen sie eben selbst die Schuld. Schon ist man mittendrin im Peltzer-Sound, der wieder einmal in Bann schlägt. Einige Kürzungen hätten die starke Wirkung indes nicht geschmälert. ALEXANDER KOSENINA

Ulrich Peltzer: "Der Ernst des Lebens". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2024.

301 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.03.2024

Unterm Zaster der Strand
Ulrich Peltzer, der große Stilist der postideologischen Selbstfindung, erzählt
im Roman „Der Ernst des Lebens“ lustig wie nie von der Ersatzdroge Geld.
Der Name des Ich-Erzählers ist hier gleich der erste, vielleicht der größte Gag des Buches: Bruno van Gelderen. Die Wurzeln des Familiennamens liegen, wenn man den gängigen Quellen glaubt, in der Provinz Gelderland im niederländischen Osten. Deren Name sich wiederum vom seltsamen niederdeutschen Wort „gelre“ ableitet, dessen Bedeutung schwer zu recherchieren ist. Mit Finanzgeschäften oder Zollgebühren hat es allerdings sicher nichts zu tun.
Umso mehr ist van Gelderen in dieser Geschichte ein sprechender Name in bester Tierfabeltradition. Einer, bei dem die Assoziation derart naheliegt, dass man sie beim Lesen längst schon schmerzhaft spürt, während der Text noch völlig andere Kurven zieht. Denn im Kern handelt „Der Ernst des Lebens“, der neue, insgesamt siebte Roman von Ulrich Peltzer, vom Geld, der ebenso lieben wie fremden Währung, in der wir oft genug die Erfolge und Misserfolge messen, eigene und die von anderen, manchmal sogar schlicht Leben und Tod. Und von der in der Regel nur die Leute behaupten, sie mache nicht glücklich, die sowieso genug zum Verprassen haben.
Im Daseinsverständnis von Bruno van Gelderen, dem Protagonisten, der wie Peltzer selbst und viele seiner früheren Helden ebenso vom Niederrhein kommt, spielen Verdienst und Vermögen offiziell keine große Rolle. Bis man im Lauf des Textes merkt, wie das Geld hier doch ständig durch alle Poren der Männerbiografie gluckert, prasselt und sickert, manchmal mit viel Lärm, manchmal heimlich und dezent: die Opfergaben für katholische Kerzen, die rasselnden Münzen in den einarmigen Banditen der Spielhallen. Die wesentlich geschmeidigeren Einsätze beim Pferderennen. Und schließlich die Staatsanleihen und sonstigen Fondspapiere, auf die Yachtbesitzer vertrauen wie auf unsichtbare Heilige. Natürlich geht es hier auch ums ganz besonders laute Brummen, wie von der kaputten Röhre im Bahnhofssupermarkt, das Kapital im Leben erzeugen kann, wenn es fehlt, und zwar passgenau und abgezählt. Koba, der Geschäftspartner, der im letzten Teil der Handlung zusammen mit dem Helden eine erfrischend zweifelhafte Investmentfirma leitet, sagt zum Geld „l’argent“, obwohl er ansonsten kein Französisch kann. Was Menschen alles tun, um den Namen des launischen Gottes nicht aussprechen zu müssen. Es könnte sonst ja irgendetwas schiefgehen, das man ohnehin nicht steuern kann. Wer auch nur irgendetwas von Ulrich Peltzer kennt, dem großen Stilisten der männlichen, urbanen und postideologischen Selbstfindung, wird im Plot von „Der Ernst des Lebens“ eine Menge wiedererkennen. Den Schauplatz Berlin natürlich, in diesem Fall die Nachwende-Version mit ihren tausend Optionen, Räumen und Communitys, ihren Rauschangeboten und der voranschreitenden Emanzipation, von der viele Figuren mit der Zeit rechts oder links überholt werden. Den Erzähler und Ich-Drifter, der für die Lesenden schnell zur einzig tauglichen Identifikationsfigur wird. Und der immer wieder auf die Frage zurückfällt, wie viel Wert ein konkreter Lebensentwurf in einer angemessen reflektierten Gegenwart überhaupt noch hat.
„Der Wurf einer Münze vor jeder Entscheidung hätte eine Lösung sein können“, denkt, sagt oder schreibt Hauptfigur Bruno an einer Stelle, schon wieder eine monetäre Metapher. „Fifty-fifty, und keine Diskussionen hinterher, wie’s andersrum gelaufen wäre. Totale Freiheit, wenn man sich so dem Schicksal unterwirft, finde ich.“ Er wächst als Bauernsohn im Flachland auf, überlässt dem Bruder den Hof und zieht in die Stadt. Gerät dort in die Zwänge der Spiel-, Drogen- und Alkoholsucht, begeht im Beschaffungsstress zwei Überfälle, muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Eltern bekommen es gar nicht mit. Seine Geschwister lügen ihnen vor, der Sohn arbeite inzwischen für einen indonesischen Holzimporteur und wäre daher viel auf Reisen.
Der Knastaufenthalt, gewissermaßen das schwarze Loch der Geschichte, läutert den Helden. Nach der Entlassung arbeitet er unter anderem für eine originelle, leider nicht wirklich existierende Printzeitschrift, die ausschließlich über Berliner Fußball aller Klassen berichtet. Er trifft den schon erwähnten Koba, der ihn in die Geheimnisse des Finanzhandels einführt und gemeinsam mit ihm – und einem abgehalfterten TV-Moderator, den sie als Lockvogel engagieren – vermögende Familien ausnimmt. Bis Bruno mit dem derart verdienten Budget in den Kunsthandel einzusteigen versucht.
Nichts davon ist ein Spoiler, denn die Geschichte wird schon am Anfang einmal quererzählt. Auch das ist ein typischer Peltzer-Move: wie der Erzähler hier im Lauf der rund 300 Seiten dauernd vor- und zurückspringt, durch die eigenen Erinnerungen vagabundiert. In einem großen, grenzenlosen Selbstgespräch über die Frage nach der wahren Lebenskunst, welche Tauschwerte sie produziert und aufsaugt.
Die Redundanzen und Wiederholungen, die dabei entstehen, können einem bei der Lektüre mitunter mächtig auf die Nerven gehen, aber ein Autor wie Peltzer weiß natürlich genau, was er da tut. Bis man irgendwann dann genau die Gedankenzirkel wiederzuerkennen glaubt, die einem morgens um vier durch den Kopf schwirren. In den besonderen Momenten, in denen man mit niedrigem Serotoninspiegel im Dunkeln hochschreckt und unvorsichtigerweise über den Sinn des Daseins zu grübeln beginnt.
Dass viele der Nebenfiguren hier oft nur grob skizziert werden und wenig Lebendigkeit ausstrahlen, auch das kommt bei Peltzer häufiger vor. „Der Ernst des Lebens“ ist nun allerdings das Werk, in dem er das darin liegende satirische Potenzial am konsequentesten ausschöpft. Was dazu führt, dass der Roman, so schattig und undurchsichtig er alles in allem auch wirkt, an vielen Stellen wirklich ausgesprochen lustig ist.
Zum Beispiel in einer der drei Hochzeitsszenen, in der Bruno zur Feier eines befreundeten Paars raus ins Brandenburger Niemandsland fährt. Im Rittersaal eines Schlösschens wird diniert, mitsamt peinlicher Foto-Leistungsschau und psychotherapeutisch informierten Festreden. Vor allem: Vorab haben alle Gäste ein Begleitschreiben bekommen, in dem die Vermählten zeitkritisch das Für und Wider der bürgerlichen Ehe aufarbeiten. Also: die diskursiv vorweggenommene Notsprengung des traditionsfreudig umarmten Glücks. Bücher, die auf so liebenswerte Art auch fürs Unglücklichsein werben, sind vermutlich große Bücher.
JOACHIM HENTSCHEL
Mit einem TV-Moderator
als Lockvogel nehmen sie
vermögende Familien aus
Ulrich Peltzer:
Der Ernst des Lebens.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2024.
304 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Ungeheuer, was auf diesen 300 Seiten alles mitschwingt, ohne dass der Roman überfrachtet wäre. Stefan Michalzik Frankfurter Rundschau 20240408