Ein kleines Mädchen wurde ermordet. Jason, ein Freund ihres Älteren Bruders, hat sie als Letzter lebend gesehen - mit Ausnahme des Mörders. Der Fall macht Schlagzeilen und die Polizei zieht einen Spezialisten zu Rate. Sonderermittler Trent hat eine makellose Reputation. In seiner langen Karriere hat er noch keine Ermittlung abgeschlossen, ohne ein Geständnis zu erwirken. Wenn Jason ihm gegenübersitzt, wird die Wahrheit ans Licht kommen, so die Einschätzung der Behörden. Doch geht es tatsächlich um Wahrheitsfindung? Trent hat sich schon lange über jede Moral gestellt. Sein einziges Ziel ist es, baldmöglichst einen Geständigen präsentieren zu können. Koste es, was es wolle.
„Das Verhör”, der letzte Roman des großen Erzählers Robert Cormier
Rot dominiert, es ist die alles beherrschende Farbe, an diesem ersten Ferientag. Ein roter Kardinal, ein einsamer Vogel, der ein riesiges Puzzle beherrscht. Ein zersplittertes Bild, die junge Alicia versucht es zusammenzusetzen, und für ein paar Minuten hilft einer ihrer wenigen Freunde, Jason, ihr dabei. Kurz darauf ist Alicia tot, brutal ermordet.
Von spontanen Begegnungen, in denen wenig sich zu ereignen scheint, leben die Geschichten von Robert Cormier, und von den geheimen Beziehungen, die sich daraus entwickeln. Das Verhör ist sein letztes Buch, er starb am 2.November 2000. Eine amerikanische Tragödie, die noch einmal an die dunklen Partien der amerikanischen Seele rührt – es ist, als wäre der Erzähler verstummt, um nicht weiter in diese Region vorzudringen.
Ein Sommerroman, eine Feriengeschichte der ungewöhnlichen Art. Jason Dorrant, zwölf Jahre alt, im September kommt er in die achte Klasse. Ein Introvertierter, er hat kaum Kontakt zu den anderen – einmal nur hat sein Gerechtigkeitssinn zu heftiger Reaktion einem Mitschüler gegenüber geführt. Eine ganz gewöhnliche Einsamkeit in dem Städtchen Monument, in der Mitte von Massachusetts. Aber die Trägheit der Herzen führt in diesem Sommer in eine Katastrophe.
Jason wird als Zeuge vernommen, im Mordfall Alicia, gilt bald auch als Verdächtiger. Ein Senator will Ergebnisse sehen, möglichst schnell, ein Spezialist wird herbeigeholt, der erfolgreich im Verhör den Befragten verräterische Aussagen entlockt. Du bist, was du tust ... das ist seine Devise, es klingt schon wie ein Urteilsspruch. Das Verhör ist ein Spiel, man muss auf jedes Detail achten, jedes einzelne Wort, jede Veränderung im Tonfall. Eine Frage der Wahrnehmung – man muss die Dinge und Leute aus dem Kontext bringen, aus dem Gleichgewicht. Das System von Ursache und Wirkung, von Aktion und Reaktion wird auf den Kopf gestellt. Wo ist die Trennlinie zwischen Realität und Innenwelt, die Frage, die seit dem Schrecken in der Columbine Highschool Amerika verunsichert, prägt auch das Verhör: „Bringst du manchmal einen Traum mit etwas durcheinander, was sich wirklich ereignet?” Nach dem Verhör ist Jason nicht mehr der gleiche, seine Beziehung zur Wirklichkeit hat sich gewandelt. Eine merkwürdige Beziehung entsteht zwischen dem Fragenden und dem Befragten. Auch für Trent, den Spezialisten, wird es der letzte Job sein. Sein Leben ist ein Trödelladen geworden, mit fremden Schicksalen vollgestopft: „Ein Haufen Unrat, der in Gossen quillt, ein alter Kessel, Flaschen, Scherben, Kram, Gerümpel, Knochen und die Schlampe wild am Kassentisch. Meine Leiter, sie verkam, nun muss ich da, woraus die Leitern stiegen, im Lumpensammlerstank des Herzens liegen.” Ein Gedicht von W.B. Yeats, in dem Trent sein Leben reflektiert sieht. Psychologie, die in Poesie mündet: Du bist, was du tust ... Aber wieso tust du, was du tust? (ab 14 Jahre)
FRITZ GÖTTLER
ROBERT CORMIER: Das Verhör. Aus dem Amerikanischen von Cornelia Krutz-Arnold. Bertelsmann Jugendbuch Verlag 2003. 157 Seiten, 11,90 Euro.
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