Margaret Atwood
Gebundenes Buch
Das Jahr der Flut
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"Margaret Atwood ist in Deutschland nicht nur bekannt, sondern zum Mythos geworden." -- Die Zeit
In diesem Jahr feiert Margaret Atwood ihren siebzigsten Geburtstag und legt einen Roman vor, der nicht nur einmal mehr ihren klaren Verstand offenbart, die Vielschichtigkeit und Lebendigkeit ihrer Erzählkunst, ihre tiefe Menschenkenntnis, sondern auch eine jugendliche Kühnheit, der man nur mit Staunen und Bewunderung begegnen kann. Hoch auf den Dächern der Stadt, dem Himmel am nächsten, liegt das Paradies. Seine Bewohner nähren sich von Gemüse, Früchten und Honig und kultivieren ihren Garten Eden, den sie dem Waste Land einer Stadt jenseits der drohenden Klimakatastrophe abgetrotzt haben. Die junge, kämpferische Toby findet Zuflucht in dieser Gemeinschaft der Gärtner Gottes", nachdem sie durch die Maschen der Gesellschaft gefallen ist, die von einer rigiden, militärisch organisierten Wirtschaftsorganisation regiert wird. Hier trifft sie auf Ren, die spätere Trapeztänzerin, auf die anarchische Amanda und Jimmy, der zu ihnen allen in einer ganz speziellen Beziehung steht. Großenteils aus Tobys Perspektive erzählt Margaret Atwood von einer Welt, in der die globalisierte Wirtschaft die Exekutive übernommen hat, in der die Forschung lediglich ökonomischer Kontrolle unterworfen ist. Ihr berühmter Report der Magd, mit dem Atwood zum ersten Mal ihr waches poli - tisches Gespür für die unterschwelligen und gefährlichen Entwicklungen der Welt unter Beweis stellte, wurde ein halbes Jahrhundert nach Orwells 1984 zum Kultbuch einer ganzen Generation. Im Jahr der Flut entwirft Atwood aufs Neue eine Zukunft, deren Realität weniger fern liegt, als wir uns womöglich eingestehen möchten. Doch fest steht: Dieser Erzählerin folgt man mit größtem Vergnügen, wohin sie will, auch bis ans Ende unserer Welt.
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, ist eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas. Ihre Werke liegen in über 20 Sprachen übersetzt vor und wurden national und international vielfach aus gezeichnet. Neben Romanen verfasst sie auch Essays, Kurzgeschichten und Lyrik. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Booker Prize, dem kanadischen Giller Prize und mit dem Prinz-von- Asturien-Preis (2008),mit dem Nelly-Sachs-Preis (2009) und dem PEN Pinter Prize (2016).
Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.
Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.

© George Whiteside
Produktdetails
- MaddAddam 2
- Verlag: Berlin Verlag
- Originaltitel: The Year of the Flood
- Seitenzahl: 478
- Erscheinungstermin: 29. September 2009
- Deutsch
- Abmessung: 33mm x 143mm x 220mm
- Gewicht: 552g
- ISBN-13: 9783827008848
- ISBN-10: 3827008840
- Artikelnr.: 26240203
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Gärtner der Apokalypse
Flucht ins Wellness-Spa: Margaret Atwoods Dystopie
Einem rettenden Heißluftballon gleich schwebt eine goldgelbe Zwiebel auf dem Cover von Margaret Atwoods neuestem Roman - doch an ihrem Strunk ist kein Korb für mitfliegende Passagiere angebracht. Schon in "Oryx und Crake" (2003) stand die Auslöschung der herkömmlichen Menschheit zugunsten einer friedlicheren grasfressenden Variante im Mittelpunkt. Damals hatte die kanadische Gewinnerin des Booker Prize 2000 ihre Leserschaft erstmals mit männlichen Protagonisten überrascht oder auch schockiert, und nun präsentiert "Das Jahr der Flut", ähnlich wie "Die Penelopiade" (2005), die weibliche Version einer bereits vorliegenden
Flucht ins Wellness-Spa: Margaret Atwoods Dystopie
Einem rettenden Heißluftballon gleich schwebt eine goldgelbe Zwiebel auf dem Cover von Margaret Atwoods neuestem Roman - doch an ihrem Strunk ist kein Korb für mitfliegende Passagiere angebracht. Schon in "Oryx und Crake" (2003) stand die Auslöschung der herkömmlichen Menschheit zugunsten einer friedlicheren grasfressenden Variante im Mittelpunkt. Damals hatte die kanadische Gewinnerin des Booker Prize 2000 ihre Leserschaft erstmals mit männlichen Protagonisten überrascht oder auch schockiert, und nun präsentiert "Das Jahr der Flut", ähnlich wie "Die Penelopiade" (2005), die weibliche Version einer bereits vorliegenden
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Geschichte.
Bereits 1986 hatte sich Atwood im "Report der Magd" an einer Anti-Utopie versucht. Sie selbst bezeichnet ihre Romane als "speculative fiction", statt sie dem Genre der "science fiction" zuzuschreiben, und tatsächlich besticht Atwoods Werk durch die enge Verwobenheit seiner imaginierten Apokalyptik mit dem Hier und Jetzt. Wie jede Zukunftserzählung muss sich auch "Das Jahr der Flut" auf sein prophetisches Potential hin befragen lassen. Mit seinen manipulierten Retortenbabys hat sich Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt" (1932), ähnlich wie George Orwells totalitäres Überwachungsszenario "1984" (1948), als leider nur allzu vorausschauend erwiesen. Atwood vermutet die Katastrophe im viralen Sektor: Die wasserlose Flut ist eine Seuche, und auch wenn es momentan so aussieht, als ob die Gefahr der Schweinegrippe überschätzt wurde, ist nicht ausgeschlossen, dass der Großteil der Menschheit eines Tages von einer weltweiten Epidemie dahingerafft werden wird.
Atwoods Roman changiert zwischen dem Jahr fünfundzwanzig der Flut und der Zeit vor der Katastrophe. Die burschikose Toby und die weitaus jüngere und mädchenhafte Ren sind zwei der wenigen Überlebenden - Toby, weil sie klug genug war, sich im rechten Moment allein in einem Wellness-Spa zu verbarrikadieren, und Ren, weil sie zum Zeitpunkt des Grippeausbruchs in der Isolationszelle ihres Nachtclubs eingesperrt war. Beide kennen sich von ihrer früheren Zeit bei den "Gärtnern", einer sektenartigen Vereinigung, die sich den Zwängen eines aufs brutalste ökonomisierten und technisierten Systems zu entziehen versucht, indem ihre Mitglieder auf den Dächern der Stadt ökologisches Gemüse anbauen und sich bemühen, in größtmöglicher Abgeschiedenheit und Eintracht zusammenzuleben.
Kein Fleisch zu essen, so lehrt jene Hippie-Vereinigung, ist weitaus entscheidender als das Ob und Wie des fleischlichen Genusses. In Notzeiten darf man kurzfristig auf tierische Proteine umsteigen - allerdings nur solange man seinen eigenen Körper ebenfalls als Teil von "Gottes großem Eiweißregen" versteht. Außerdem sollte man zumindest auf den Verzehr von Wirbeltieren verzichten, denn denen wird ein ausgeprägteres Schmerzempfinden nachgesagt als ihren Weichtierverwandten. Was die Gärtner euphemistisch unter notfalls zu vertilgenden "Landkrabben" verstehen, kann man sich also ungefähr vorstellen.
Neben den Gärtnern gibt es noch etliche andere Gruppierungen: die Sicherheitsleute des CorpSeCorps, die im Produzieren und Verschleudern von Leichen stark involviert sind; die Mitarbeiter des Gesundheitskonzerns HelthWyzer, der an der Ausmerzung sämtlicher Fehler im Bauplan von Mensch und Tier arbeitet; und schließlich die Masse der hedonistischen Plebsler. Atwood vermeidet eine allzu schematische Charakterisierung ihrer Figuren, denn auch innerhalb der Milieus gibt es große Unterschiede: während Adam Eins, der spirituelle Anführer der Gärtner, Gewalt radikal ausschließt, ist Zeb alias Adam Sechs der Ansicht, "dass Gewalt vor allem der eigenen Person gegenüber minimiert werden müsse". Der abschließende Ausblick auf die vom Genmanipulateur Crake hergestellten Gutmenschen ist da weit weniger unterhaltsam: Diesen Harmoniewesen mit ihren mächtigen blauen Genitalien geht jede Form von Aggressivität ab.
Die Gärtner hingegen bleiben nur allzu menschlich, abgesehen von Adam Eins, dem es vergönnt ist, jedes Kapitel mit einer christlich-mystischen Grundsatzrede einzuleiten, bevor er seine Gemeinde zum Anstimmen typischer Gärtnerlieder einlädt, deren Stanzen und Metrik stark an William Blakes "Songs of Innocence and Experience" erinnern, ohne allerdings auch nur annähernd deren Doppelbödigkeit zu erreichen. Aber vielleicht gefallen diese Texte manchem Leser gesungen ja viel besser - sie liegen online auch vertont vor.
Atwoods Roman hat seine Längen, doch die Stärken überwiegen. Die Schwierigkeit, den Leser davon zu überzeugen, dass in dieser Horrorwelt tatsächlich Menschen leben, meistert die Autorin, indem sie Beschreibungen vermeidet und es dem Fortgang der Handlung überlässt, zu klären, um was es sich zum Beispiel bei einem "See/H/Öhr-LekkerBit" handelt (eine portables synästhetisches Freizeitmedium), oder was es mit Rens "Biostrumpf" auf sich hat (ein atmungsaktives und höchst kleidsames Ganzkörperkondom). An dieser Stelle auch ein Hoch auf die Übersetzerin, die diese Details ins Deutsche übertragen hat, ohne dass deren lautmalerische Griffigkeit abhandengekommen wäre.
Ähnlich wie Atwoods erster Roman "Die essbare Frau" (1969, deutsch 1985) driftet auch "Das Jahr der Flut" stets unmerklich ins Surreale hinüber. Wie bei einem (Alb)Traum erscheinen einem allmählich selbst die absurdesten Details durchaus plausibel, die, sobald man bewusst darüber nachdenkt, plötzlich grotesk bis urkomisch wirken. Zum Beispiel die sogenannten Löwammer (Englisch: "liobams"), eine Mischung aus Löwe und Lamm, deren Heranzüchtung die Sekte der Wolf-Jesajaisten vorangetrieben hat, weil sie es nicht mehr erwarten konnten, bis die Löwen endlich friedlich bei den Lämmern liegen. Oder aber der Begriff der "Brache", den die Gärtner wählen, um den Zustand depressiver Frauen, meist Mitte fünfzig herum, zu beschreiben: mit Sicherheit ein sehr viel freundlicheres Wort als Klimakterium, da es die Möglichkeit erneuter (wenn auch vielleicht nicht biologischer) Fruchtbarkeit zumindest nicht ausschließt.
"Science" und "Fiction", Wissenschaft und Fiktion, sagt Margaret Atwood, gehen von den gleichen Fragen aus: Was wäre wenn? Und warum? Es ist kein Zufall, dass Schreiben im "Report der Magd" (1996) verboten ist und die Gärtnerkinder im "Jahr der Flut" ihre Notizen nur auf Schiefertafeln machen dürfen, die wieder leicht abzuwischen sind. Unkontrolliertes Schreiben ist kaum weniger riskant als eine Wissenschaft, die alle Fragen stellt und zu beantworten versucht. Die spätabendliche Lektüre des Atwoodschen Albtraums vom "Jahr der Flut" jedenfalls kann einen ruhigen Schlaf durchaus gefährden.
MARGRET FETZER.
Margaret Atwood: "Das Jahr der Flut". Roman. Aus dem Amerikanischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2009. 478 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bereits 1986 hatte sich Atwood im "Report der Magd" an einer Anti-Utopie versucht. Sie selbst bezeichnet ihre Romane als "speculative fiction", statt sie dem Genre der "science fiction" zuzuschreiben, und tatsächlich besticht Atwoods Werk durch die enge Verwobenheit seiner imaginierten Apokalyptik mit dem Hier und Jetzt. Wie jede Zukunftserzählung muss sich auch "Das Jahr der Flut" auf sein prophetisches Potential hin befragen lassen. Mit seinen manipulierten Retortenbabys hat sich Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt" (1932), ähnlich wie George Orwells totalitäres Überwachungsszenario "1984" (1948), als leider nur allzu vorausschauend erwiesen. Atwood vermutet die Katastrophe im viralen Sektor: Die wasserlose Flut ist eine Seuche, und auch wenn es momentan so aussieht, als ob die Gefahr der Schweinegrippe überschätzt wurde, ist nicht ausgeschlossen, dass der Großteil der Menschheit eines Tages von einer weltweiten Epidemie dahingerafft werden wird.
Atwoods Roman changiert zwischen dem Jahr fünfundzwanzig der Flut und der Zeit vor der Katastrophe. Die burschikose Toby und die weitaus jüngere und mädchenhafte Ren sind zwei der wenigen Überlebenden - Toby, weil sie klug genug war, sich im rechten Moment allein in einem Wellness-Spa zu verbarrikadieren, und Ren, weil sie zum Zeitpunkt des Grippeausbruchs in der Isolationszelle ihres Nachtclubs eingesperrt war. Beide kennen sich von ihrer früheren Zeit bei den "Gärtnern", einer sektenartigen Vereinigung, die sich den Zwängen eines aufs brutalste ökonomisierten und technisierten Systems zu entziehen versucht, indem ihre Mitglieder auf den Dächern der Stadt ökologisches Gemüse anbauen und sich bemühen, in größtmöglicher Abgeschiedenheit und Eintracht zusammenzuleben.
Kein Fleisch zu essen, so lehrt jene Hippie-Vereinigung, ist weitaus entscheidender als das Ob und Wie des fleischlichen Genusses. In Notzeiten darf man kurzfristig auf tierische Proteine umsteigen - allerdings nur solange man seinen eigenen Körper ebenfalls als Teil von "Gottes großem Eiweißregen" versteht. Außerdem sollte man zumindest auf den Verzehr von Wirbeltieren verzichten, denn denen wird ein ausgeprägteres Schmerzempfinden nachgesagt als ihren Weichtierverwandten. Was die Gärtner euphemistisch unter notfalls zu vertilgenden "Landkrabben" verstehen, kann man sich also ungefähr vorstellen.
Neben den Gärtnern gibt es noch etliche andere Gruppierungen: die Sicherheitsleute des CorpSeCorps, die im Produzieren und Verschleudern von Leichen stark involviert sind; die Mitarbeiter des Gesundheitskonzerns HelthWyzer, der an der Ausmerzung sämtlicher Fehler im Bauplan von Mensch und Tier arbeitet; und schließlich die Masse der hedonistischen Plebsler. Atwood vermeidet eine allzu schematische Charakterisierung ihrer Figuren, denn auch innerhalb der Milieus gibt es große Unterschiede: während Adam Eins, der spirituelle Anführer der Gärtner, Gewalt radikal ausschließt, ist Zeb alias Adam Sechs der Ansicht, "dass Gewalt vor allem der eigenen Person gegenüber minimiert werden müsse". Der abschließende Ausblick auf die vom Genmanipulateur Crake hergestellten Gutmenschen ist da weit weniger unterhaltsam: Diesen Harmoniewesen mit ihren mächtigen blauen Genitalien geht jede Form von Aggressivität ab.
Die Gärtner hingegen bleiben nur allzu menschlich, abgesehen von Adam Eins, dem es vergönnt ist, jedes Kapitel mit einer christlich-mystischen Grundsatzrede einzuleiten, bevor er seine Gemeinde zum Anstimmen typischer Gärtnerlieder einlädt, deren Stanzen und Metrik stark an William Blakes "Songs of Innocence and Experience" erinnern, ohne allerdings auch nur annähernd deren Doppelbödigkeit zu erreichen. Aber vielleicht gefallen diese Texte manchem Leser gesungen ja viel besser - sie liegen online auch vertont vor.
Atwoods Roman hat seine Längen, doch die Stärken überwiegen. Die Schwierigkeit, den Leser davon zu überzeugen, dass in dieser Horrorwelt tatsächlich Menschen leben, meistert die Autorin, indem sie Beschreibungen vermeidet und es dem Fortgang der Handlung überlässt, zu klären, um was es sich zum Beispiel bei einem "See/H/Öhr-LekkerBit" handelt (eine portables synästhetisches Freizeitmedium), oder was es mit Rens "Biostrumpf" auf sich hat (ein atmungsaktives und höchst kleidsames Ganzkörperkondom). An dieser Stelle auch ein Hoch auf die Übersetzerin, die diese Details ins Deutsche übertragen hat, ohne dass deren lautmalerische Griffigkeit abhandengekommen wäre.
Ähnlich wie Atwoods erster Roman "Die essbare Frau" (1969, deutsch 1985) driftet auch "Das Jahr der Flut" stets unmerklich ins Surreale hinüber. Wie bei einem (Alb)Traum erscheinen einem allmählich selbst die absurdesten Details durchaus plausibel, die, sobald man bewusst darüber nachdenkt, plötzlich grotesk bis urkomisch wirken. Zum Beispiel die sogenannten Löwammer (Englisch: "liobams"), eine Mischung aus Löwe und Lamm, deren Heranzüchtung die Sekte der Wolf-Jesajaisten vorangetrieben hat, weil sie es nicht mehr erwarten konnten, bis die Löwen endlich friedlich bei den Lämmern liegen. Oder aber der Begriff der "Brache", den die Gärtner wählen, um den Zustand depressiver Frauen, meist Mitte fünfzig herum, zu beschreiben: mit Sicherheit ein sehr viel freundlicheres Wort als Klimakterium, da es die Möglichkeit erneuter (wenn auch vielleicht nicht biologischer) Fruchtbarkeit zumindest nicht ausschließt.
"Science" und "Fiction", Wissenschaft und Fiktion, sagt Margaret Atwood, gehen von den gleichen Fragen aus: Was wäre wenn? Und warum? Es ist kein Zufall, dass Schreiben im "Report der Magd" (1996) verboten ist und die Gärtnerkinder im "Jahr der Flut" ihre Notizen nur auf Schiefertafeln machen dürfen, die wieder leicht abzuwischen sind. Unkontrolliertes Schreiben ist kaum weniger riskant als eine Wissenschaft, die alle Fragen stellt und zu beantworten versucht. Die spätabendliche Lektüre des Atwoodschen Albtraums vom "Jahr der Flut" jedenfalls kann einen ruhigen Schlaf durchaus gefährden.
MARGRET FETZER.
Margaret Atwood: "Das Jahr der Flut". Roman. Aus dem Amerikanischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2009. 478 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Was Margaret Atwood - in jedem Genre - so glaub würdig macht, ist ihre entschiedene Sensibilität, ihre unerschrockene Einsicht und ihr Witz, der dem Schrecken sehr nah ist." -- Süddeutsche Zeitung
"Margaret Atwood ist die Queen der kanadischen Literatur." -- Literarische Welt
"Margaret Atwood ist die Queen der kanadischen Literatur." -- Literarische Welt
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Teilweise las sich dieser neue Science-Fiction Roman für Rezensentin Katharina Granzin wie ein Kommentar zu letzten Klimakonferenz. Dennoch eignet sich das Buch zu ihrer Erleichterung nicht zum Kultbuch der Generation Öko. Dazu nämlich sei es zu komplex angelegt. Es geht, wie wir lesen, um eine mutierte Welt nach einem rätselhaften biologischen Supergau. Das Buch erzähle in Rückblenden, wie diese unwirtliche, totalitäre Schreckenswelt entstand und spart den Informationen der Kritikerin zufolge nicht mit Schockszenarien. Allerdings verlangt es ihrer Ansicht nach dem Leser einiges an Konzentrationsfähigkeit ab, um in diese Welt einzusteigen und auch "denkende Mitarbeit" beim Lesen, um zu verstehen, was wann passiert. Wer es allerdings schaffe, einzusteigen und mitzukommen, dem garantiert die Kritikerin fesselnde Lektüre und lustvolle Gefangenschaft in einer komplexen Komposition.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Eine Stadt an der Ostküste der USA in nicht allzu ferner Zukunft. Die Klimaerwärmung hat so große Ausmaße angenommen, dass es kaum noch zu unterscheidende Jahreszeitegen gibt, es ist immer heiß und ohne UV Schutz und UV Mäntel kann man sich kaum noch hinauswagen. Ein …
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Eine Stadt an der Ostküste der USA in nicht allzu ferner Zukunft. Die Klimaerwärmung hat so große Ausmaße angenommen, dass es kaum noch zu unterscheidende Jahreszeitegen gibt, es ist immer heiß und ohne UV Schutz und UV Mäntel kann man sich kaum noch hinauswagen. Ein Großteil der uns bekannten Arten ist ausgerottet und durch genetische neue Spezies, sogenannte Spleiße ersetzt worden, wie den Pfaureiher, das Löwamm (eine Mischung aus Löwe und Lamm), grüne Kaninchen, Schweine mit menschlichen Hirnzellen oder Lumirosen (Rosen, die im dunkeln leuchten).
Der Staat hat sich aus seiner Verantwortung zurückgezogen und diverse Konzerne haben das Territorium unter sich aufgeteilt. Private Sicherheitsunternehmen haben die militärische Macht im Auftrag der Konzerne übernommen. Verbrecher werden nicht mehr hingerichtet, sondern zur Unterhaltung der Massen in einem Spiel namens "Painball" in zwei Gruppen gegeneinander gehetzt.
Die Konzerne handeln wie Staaten, sie entführen Wissenschaftler der Konkurrenten um deren Wissen zu erpressen oder Lösegeld zu verlangen, und die Gesellschaft gliedert sich in Konzernmitglieder oder Plebs, Menschen ohne Konzernausweis, die durch alle Raster gefallen sind.
Zu diesen Plebs zählen auch die Gottesgärtner. Eine Ökosekte, die ein puritanisches Antikonsumhaltung verfolgt, nur wiederverwertetes Material verwendet und nur selbstangebautes Obst und Gemüse isst, das sie in einem Garten auf einem Hochhaus, namens Felsen Eden anbauen. Die Gottesgärtner predigen die "Wasserlose Flut", die die Menschheit auslöschen wird, und bereiten sich mit verborgenen Ararats (Nahrungsverstecken) auf diese Katastrophe vor. Sie wollen keine unnötigen Spuren auf der Erde hinterlassen, sie verweigern sogar schriftliche Aufzeichnungen und sie erheben Menschen, die ihr Leben für die Erhaltung der Natur gaben zu ihren Heiligen, so wie St. Jane Jacobs, St. James Lovelock, St. Dian Fossey. Zu diesen Gottesgärtnern gehören auch Ren und Toby, Überlebende der "wasserlosen Flut". Diese Buch erzählt ihre Geschichte.
Margaret Atwood erzählt diese Geschichte aus zwei Blickwinkeln, zum einem aus Tobys Sicht. Toby verschlug es zu den Gottesgärtnern, nachdem sie als Angestellte bei "GeheimBurger" von ihrem Chef in jeder Mittagspause vergewaltigt wurde, die Gottesgärtner retten sie und geben ihr die Chance auf ein neues Leben. Zum anderen aus der Sicht Rens, die bei den Gottesgärtnern aufwuchs, bis ihre Mutter sie wieder in den Schoß des Konzerns mitnahm.
Mit diesem Buch kehrt Margaret Atwood zum zweiten Mal in diese Welt zurück, die sie schon in Oryx und Crake beschrieb. Sie erzählt diese Geschichte nicht nur aus verschiedenen Blickwinkeln, sondern auch aus verschiedenen Zeitperspektiven. Zum einen gibt es den Zeitstrang nach der wasserlosen Flut im Jahr 25 nach der Zeitrechnung der Gottesgärtner, zum anderen wie es zu dieser wasserlosen Flut kam, bis diese beiden Zeitstränge miteinander verschmelzen. Jedes Kapitel wird von einer Predigt von Adam Eins, dem gestigen Führer der Gottesgärtner eingeleitet, in welchem man mehr über diese Religion erfährt, die eine Mischung aus Christentum und moderner Wissenschaft ist. Diese Predigt wird immer mit einem passenden Lied aus dem Gesangbuch der Gottesgärtner beschlossen, die man vertont auf der Webseite des Buches (yearoftheflood.com) anhören kann.
Dieses Buch ist kein einfaches Endzeitepos und wird auch nicht unbedingt den normalen Leser von SF Geschichten ansprechen, denn dieses Buch ist auch ein literarisches Kleinod. Es ist voller bildreicher Wortneuschöpfungen und lebendiger, expressiver Sprache. Nicht umsonst wird die bereits siebzigjährige Margaret Atwood immer wieder als Kandidatin für den Literaturnobelpreis gehandelt.
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