Rohinton Mistry
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Das Gleichgewicht der Welt
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Das Gleichgewicht der Welt - Eine epische Reise durch das Indien der 1970er Jahre, in der vier Schicksale auf ergreifende Weise miteinander verwoben sind.Bombay, 1975: In der pulsierenden Metropole kreuzen sich die Wege von vier Menschen, deren Leben von nun an untrennbar miteinander verbunden sind. Da ist Dina Dalal, eine Witwe in ihren Vierzigern, die seit fast zwei Jahrzehnten allein durchs Leben geht. Maneck Kohlah, ein junger Student aus dem Himalaya-Gebiet, der in der Großstadt seine Träume verwirklichen möchte. Und die beiden Schneider Ishvar Darji, ein unverbesserlicher Optimist, un...
Das Gleichgewicht der Welt - Eine epische Reise durch das Indien der 1970er Jahre, in der vier Schicksale auf ergreifende Weise miteinander verwoben sind.
Bombay, 1975: In der pulsierenden Metropole kreuzen sich die Wege von vier Menschen, deren Leben von nun an untrennbar miteinander verbunden sind. Da ist Dina Dalal, eine Witwe in ihren Vierzigern, die seit fast zwei Jahrzehnten allein durchs Leben geht. Maneck Kohlah, ein junger Student aus dem Himalaya-Gebiet, der in der Großstadt seine Träume verwirklichen möchte. Und die beiden Schneider Ishvar Darji, ein unverbesserlicher Optimist, und sein rebellischer Neffe Omprakash, die der Armut auf dem Land entflohen sind, um in Bombay ihr Glück zu suchen. Während sie sich kennen und schätzen lernen, ahnen sie noch nicht, dass das Schicksal ganz eigene Pläne für sie bereithält.
Mit großer Erzählkunst entfaltet Rohinton Mistry in Das Gleichgewicht der Welt ein faszinierendes Panorama des indischen Subkontinents. Von den grünen Tälern des Himalajas bis in die hektischen Straßen Bombays folgen wir den Lebenswegen seiner unvergesslichen Protagonisten und begegnen dabei einer Vielzahl schillernder Figuren: Rajaram, dem geheimnisvollen Haarsammler; einem gerissenen Bettlermeister, der eine ganze Armee von Bettlern befehligt; oder Mr. Valmik, einem Korrekturleser mit einer kuriosen Allergie gegen Druckerschwärze.
Ein Bestseller, der die Magie und die Widersprüche Indiens einfängt und uns in eine Welt entführt, die nur auf den ersten Blick fremd erscheint. Mistrys Meisterwerk ist eine berührende Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verlust vor dem Hintergrund einer Gesellschaft im Umbruch - eine Hommage an die Kraft des menschlichen Geistes angesichts von Armut, Ungerechtigkeit und politischen Unruhen.
Bombay, 1975: In der pulsierenden Metropole kreuzen sich die Wege von vier Menschen, deren Leben von nun an untrennbar miteinander verbunden sind. Da ist Dina Dalal, eine Witwe in ihren Vierzigern, die seit fast zwei Jahrzehnten allein durchs Leben geht. Maneck Kohlah, ein junger Student aus dem Himalaya-Gebiet, der in der Großstadt seine Träume verwirklichen möchte. Und die beiden Schneider Ishvar Darji, ein unverbesserlicher Optimist, und sein rebellischer Neffe Omprakash, die der Armut auf dem Land entflohen sind, um in Bombay ihr Glück zu suchen. Während sie sich kennen und schätzen lernen, ahnen sie noch nicht, dass das Schicksal ganz eigene Pläne für sie bereithält.
Mit großer Erzählkunst entfaltet Rohinton Mistry in Das Gleichgewicht der Welt ein faszinierendes Panorama des indischen Subkontinents. Von den grünen Tälern des Himalajas bis in die hektischen Straßen Bombays folgen wir den Lebenswegen seiner unvergesslichen Protagonisten und begegnen dabei einer Vielzahl schillernder Figuren: Rajaram, dem geheimnisvollen Haarsammler; einem gerissenen Bettlermeister, der eine ganze Armee von Bettlern befehligt; oder Mr. Valmik, einem Korrekturleser mit einer kuriosen Allergie gegen Druckerschwärze.
Ein Bestseller, der die Magie und die Widersprüche Indiens einfängt und uns in eine Welt entführt, die nur auf den ersten Blick fremd erscheint. Mistrys Meisterwerk ist eine berührende Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verlust vor dem Hintergrund einer Gesellschaft im Umbruch - eine Hommage an die Kraft des menschlichen Geistes angesichts von Armut, Ungerechtigkeit und politischen Unruhen.
Rohinton Mistry, 1952 in Bombay, Indien, geboren und aufgewachsen. Seit 1975 lebt er in Toronto, Kanada. Seine Romane wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem kanadischen Staatspreis für 'So eine lange Reise', dem Commonwealth Writers Prize für 'Das Gleichgewicht der Welt' sowie dem Kiriyama Pacific Rim Book Prize für 'Die Quadratur des Glücks'. Im Fischer Taschenbuch Verlag liegt ebenfalls der Titel 'Das Kaleidoskop des Lebens' vor.
Produktdetails
- Fischer Taschenbücher 14583
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- Originaltitel: A Fine Balance
- Artikelnr. des Verlages: 1015399
- Seitenzahl: 864
- Erscheinungstermin: 1. Dezember 1999
- Deutsch
- Abmessung: 119mm x 188mm x 40mm
- Gewicht: 524g
- ISBN-13: 9783596145836
- ISBN-10: 359614583X
- Artikelnr.: 08135240
Herstellerkennzeichnung
FISCHER Taschenbuch
Hedderichstr. 114
60596 Frankfurt
produktsicherheit@fischerverlage.de
Hart wie das Herz des Staates
Überlebensmutig: Rohinson Mistrys Panorama des modernen Indien
Was für Berufe wir kennenlernen! Da ist der "Erleichterer", der im Umkreis der Ämter und Behörden seinem Gewerbe nachgeht. Wenn ein einfacher Inder vor die Polizei oder das Meldeamt, die Finanzprokuratur oder die Militärbehörde geladen wird, dann weiß er, daß es um seinen Kopf, die Einberufung seines Sohnes oder das wenige Geld geht, das er sich erspart hat. Der Erleichterer wird ihm den schweren Gang erleichtern; er kennt den zuständigen Beamten, schätzt die finanziellen Möglichkeiten des Bürgers ein und handelt das Schmiergeld aus, damit alles bleibt, wie es ist: "Solange es den Staat gibt, wird es Arbeit für mich
Überlebensmutig: Rohinson Mistrys Panorama des modernen Indien
Was für Berufe wir kennenlernen! Da ist der "Erleichterer", der im Umkreis der Ämter und Behörden seinem Gewerbe nachgeht. Wenn ein einfacher Inder vor die Polizei oder das Meldeamt, die Finanzprokuratur oder die Militärbehörde geladen wird, dann weiß er, daß es um seinen Kopf, die Einberufung seines Sohnes oder das wenige Geld geht, das er sich erspart hat. Der Erleichterer wird ihm den schweren Gang erleichtern; er kennt den zuständigen Beamten, schätzt die finanziellen Möglichkeiten des Bürgers ein und handelt das Schmiergeld aus, damit alles bleibt, wie es ist: "Solange es den Staat gibt, wird es Arbeit für mich
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geben."
Oder der "Bettlermeister", der in Bombay, wo die Zahl derer, die vom Betteln und auf der Straße leben, die Million überschreitet, nicht nur ein wichtiger, sondern ein mächtiger Mann ist. Alle paar Straßenzüge gibt es einen, und wenn irgendwo ein Bettler, der sich unter seinen Schutz gestellt hat, von einem Reichen beleidigt, von einem Polizisten geschlagen wurde, dann hat er seine Macht zu erweisen, sonst bekommt er am nächsten Tag von keinem einzigen Klienten seines Reviers mehr eine Rupie. Halb Robin Hood der Entrechteten, halb Zuhälter der Ärmsten, sorgt der Bettlermeister dafür, daß einem übereifrigen Polizisten bald mal ein Ohr abgeschnitten oder einem übermütigen Reichen das Geschäft angezündet wird.
Der "Motivierer für Familienplanung" wiederum steht beruflich in einer gewissen Konkurrenz zum "Potenzhändler". Hat er doch, um lumpiges Geld, möglichst viele Ahnungslose, die aus der Provinz am Bahnhof von Bombay ankommen, zu den wackeligen Tischen der Sterilisierungskommandos zu bringen, die am Fließband ihr Werk tun. Überhaupt die Familienplanung, wie sie unter der Regentschaft Indira Ghandis auch im Westen mit viel Lob bedacht wurde! Wir erfahren, daß sie eine staatspolitische Tat weniger der Vernunft als der Korruption war. Wer mit einem Nachbarn im Streit lag, schickte ihm die Greifer des Kommandos, und gegen geringe Aufzahlung konnte man gleich noch dessen minderjährige, unverheiratete Söhne mit sterilisieren lassen, was deren Leben schlicht ruinierte.
In solchen Fällen hat auch der Potenzhändler nicht mehr viel zu tun; sonst aber gibt es überall, wo er auftaucht, bald einen Auflauf, und den Verkauf seiner Salben und Wässerchen legt er gerne als volksbildnerische Veranstaltung an. Vom männlichen Zeugungsorgan gerät er da unvermittelt zur Staatskritik, von der sexuellen zur politischen Aufklärung: "Steht er, aber nicht gerade genug? Hat das Instrument einen Knick? Neigt er sich nach links wie die Marxistisch-Leninistische Partei? Nach rechts wie die Jan-Sangh-Faschisten? Oder wackelt er hirnlos in der Mitte, wie die Congress Party? Keine Angst, denn er kann begradigt werden . . . probieren Sie meine Salbe, und er wird hart wie das Herz des Staates."
Voller wundersamer Menschen und erschreckender Begebenheiten, grausamer Anekdoten und komischer Episoden ist dieser Roman, der nicht weniger als die Geschichte des indischen Subkontinents erzählt. "Das Gleichgewicht der Welt" ist ein Meisterwerk, und Rohinton Mistry, der 1952 in Bombay geboren wurde und jetzt in Kanada lebt, stellt sich gleich mit dem ersten Buch, das ins Deutsche übersetzt wurde, als einer der großen Erzähler unserer Zeit vor. Dem monumentalen Werk ist hohes Lob vorausgeeilt. Michael Ondaatje pries die Kraft des Autors, den "Charme und die Tragödie eines ganzen Kontinents einzufangen", und Salman Rushdie rühmte den Stendhalschen Realismus eines Buches, das tatsächlich nicht nur eine überwältigende Fülle an Realien aufbietet, sondern in der scharf gesehenen Einzelheit das Ganze, im Detail Historie zu spiegeln weiß.
"Das Gleichgewicht der Welt" ist souverän in der Balance von Tragik und Komik, von Schrecken und Ermutigung gehalten. Erzählt wird von vier Menschen, die der Zufall in Bombay zusammenführt, von den beiden Schneidern Ishvar und Omprakash, einer bürgerlichen Dame namens Dina Dalal und von Maneck, einem Studenten aus dem Himalaya-Gebiet. Wir sehen diese vier mit Witz und Verzweiflung, Phantasie und unerhörtem Lebensmut ihr Glück versuchen; am Ende sind ihre Lebensträume zunichte: Die Schneider, so heiteren Sinnes sie sich dagegen wehrten, sind im Millionenheer der Bettler untergegangen, die Dame aus gutem Hause fristet in der Familie des reichen Bruders ihr geduldetes Witwendasein, und Maneck, der als Techniker nach Dubai ging, um das große Geld zu machen, ist sich dort in schauerlicher Entfremdung und Einsamkeit selbst abhanden gekommen.
In Aberdutzenden Gestalten mit ihren rührenden und abstoßenden Zügen, ihrem Elend und Glück gestaltet Rohinton Mistry wie nebenhin das Panorama der indischen Gesellschaft. Die beiden Schneider kommen vom Land, und ungemein plastisch ist das Leben gezeichnet, wie es dort von starrer Tradition vorbestimmt ist. Was Europäern nicht nur unbegreiflich, sondern auch undurchschaubar geblieben sein mag, das vielfältig abgestufte Kastenwesen, hier wird es in seiner menschenfeindlichen Übermacht und in seinem täglichen Funktionieren eindringlich vor Augen geführt.
Dina Dalal wiederum kommt aus dem städtischen Bürgertum, aber nach dem frühen Tod ihres Mannes bleiben ihr wenig Möglichkeiten, einer entsagungsvollen Existenz im Hause des Bruders zu entgehen. Wie da eine kluge und mutige Frau um ihre Selbständigkeit kämpft (und schließlich unterliegt), das kann man nicht lesen ohne den drängenden Wunsch, der Ausbruch möge ihr gelingen. Maneck schließlich entstammt dem Himalaya-Gebiet, wo es keine Überbevölkerung gibt und die Sitten und Gebräuche von jeher anders sind.
Wo die Familiengeschichte der vier Protagonisten erzählend eingeholt wird, dort führt "Das Gleichgewicht der Welt" in die letzten Jahre der britischen Herrschaft über Indien zurück. Später bilden Szenen unerhörter Gewalt den Hintergrund des Geschehens, als mit der indischen Unabhängigkeit der verheerende Krieg zwischen Hindhi und Muslimen ausbricht, der Millionen zu Flüchtlingen im eigenen Land machen und zur Gründung des Muslim-Staates Pakistan führen wird. Als Ära einer aberwitzigen Korruption deutet Rohinton Mistry schließlich die Präsidentschaft Indira Ghandis, die darauf setzte, die Konflikte zwischen den religiösen Gemeinschaften und den ethnischen Gruppen gezielt zu schüren und sich sodann selber als einzige Macht des Ausgleichs über die Konfliktparteien zu stellen. Der Roman endet 1985, als Maneck aus Dubai nach Hause kommt und es fast nicht schafft, in seine Heimatstadt vorzudringen: Eben ist Indira Ghandi von ihrer Sikh-Leibgarde ermordet worden, und überall brennen jetzt die Häuser der Sikhs, die auf den Straßen abgeschlachtet werden.
"Das Gleichgewicht der Welt" ist ein spannender, an Bildern des Schreckens wie des Aufbegehrens reicher Roman, der europäische Leser auch als erzählte Landeskunde Indiens faszinieren wird; was ihn jedoch einzigartig und bei seiner Lektüre immer wieder staunen macht, das ist der gewitzte Lebensmut, der mitten im Elend aufblitzt, der Humor, den die strauchelnden Helden wider ihr Schicksal setzen, die Daseinsfreude, der Rohinton Mistry ein grandioses Monument errichtet. KARL-MARKUS GAUSS
Rohinton Mistry: "Das Gleichgewicht der Welt". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Müller. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurtam Main 1998.
863 S., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Oder der "Bettlermeister", der in Bombay, wo die Zahl derer, die vom Betteln und auf der Straße leben, die Million überschreitet, nicht nur ein wichtiger, sondern ein mächtiger Mann ist. Alle paar Straßenzüge gibt es einen, und wenn irgendwo ein Bettler, der sich unter seinen Schutz gestellt hat, von einem Reichen beleidigt, von einem Polizisten geschlagen wurde, dann hat er seine Macht zu erweisen, sonst bekommt er am nächsten Tag von keinem einzigen Klienten seines Reviers mehr eine Rupie. Halb Robin Hood der Entrechteten, halb Zuhälter der Ärmsten, sorgt der Bettlermeister dafür, daß einem übereifrigen Polizisten bald mal ein Ohr abgeschnitten oder einem übermütigen Reichen das Geschäft angezündet wird.
Der "Motivierer für Familienplanung" wiederum steht beruflich in einer gewissen Konkurrenz zum "Potenzhändler". Hat er doch, um lumpiges Geld, möglichst viele Ahnungslose, die aus der Provinz am Bahnhof von Bombay ankommen, zu den wackeligen Tischen der Sterilisierungskommandos zu bringen, die am Fließband ihr Werk tun. Überhaupt die Familienplanung, wie sie unter der Regentschaft Indira Ghandis auch im Westen mit viel Lob bedacht wurde! Wir erfahren, daß sie eine staatspolitische Tat weniger der Vernunft als der Korruption war. Wer mit einem Nachbarn im Streit lag, schickte ihm die Greifer des Kommandos, und gegen geringe Aufzahlung konnte man gleich noch dessen minderjährige, unverheiratete Söhne mit sterilisieren lassen, was deren Leben schlicht ruinierte.
In solchen Fällen hat auch der Potenzhändler nicht mehr viel zu tun; sonst aber gibt es überall, wo er auftaucht, bald einen Auflauf, und den Verkauf seiner Salben und Wässerchen legt er gerne als volksbildnerische Veranstaltung an. Vom männlichen Zeugungsorgan gerät er da unvermittelt zur Staatskritik, von der sexuellen zur politischen Aufklärung: "Steht er, aber nicht gerade genug? Hat das Instrument einen Knick? Neigt er sich nach links wie die Marxistisch-Leninistische Partei? Nach rechts wie die Jan-Sangh-Faschisten? Oder wackelt er hirnlos in der Mitte, wie die Congress Party? Keine Angst, denn er kann begradigt werden . . . probieren Sie meine Salbe, und er wird hart wie das Herz des Staates."
Voller wundersamer Menschen und erschreckender Begebenheiten, grausamer Anekdoten und komischer Episoden ist dieser Roman, der nicht weniger als die Geschichte des indischen Subkontinents erzählt. "Das Gleichgewicht der Welt" ist ein Meisterwerk, und Rohinton Mistry, der 1952 in Bombay geboren wurde und jetzt in Kanada lebt, stellt sich gleich mit dem ersten Buch, das ins Deutsche übersetzt wurde, als einer der großen Erzähler unserer Zeit vor. Dem monumentalen Werk ist hohes Lob vorausgeeilt. Michael Ondaatje pries die Kraft des Autors, den "Charme und die Tragödie eines ganzen Kontinents einzufangen", und Salman Rushdie rühmte den Stendhalschen Realismus eines Buches, das tatsächlich nicht nur eine überwältigende Fülle an Realien aufbietet, sondern in der scharf gesehenen Einzelheit das Ganze, im Detail Historie zu spiegeln weiß.
"Das Gleichgewicht der Welt" ist souverän in der Balance von Tragik und Komik, von Schrecken und Ermutigung gehalten. Erzählt wird von vier Menschen, die der Zufall in Bombay zusammenführt, von den beiden Schneidern Ishvar und Omprakash, einer bürgerlichen Dame namens Dina Dalal und von Maneck, einem Studenten aus dem Himalaya-Gebiet. Wir sehen diese vier mit Witz und Verzweiflung, Phantasie und unerhörtem Lebensmut ihr Glück versuchen; am Ende sind ihre Lebensträume zunichte: Die Schneider, so heiteren Sinnes sie sich dagegen wehrten, sind im Millionenheer der Bettler untergegangen, die Dame aus gutem Hause fristet in der Familie des reichen Bruders ihr geduldetes Witwendasein, und Maneck, der als Techniker nach Dubai ging, um das große Geld zu machen, ist sich dort in schauerlicher Entfremdung und Einsamkeit selbst abhanden gekommen.
In Aberdutzenden Gestalten mit ihren rührenden und abstoßenden Zügen, ihrem Elend und Glück gestaltet Rohinton Mistry wie nebenhin das Panorama der indischen Gesellschaft. Die beiden Schneider kommen vom Land, und ungemein plastisch ist das Leben gezeichnet, wie es dort von starrer Tradition vorbestimmt ist. Was Europäern nicht nur unbegreiflich, sondern auch undurchschaubar geblieben sein mag, das vielfältig abgestufte Kastenwesen, hier wird es in seiner menschenfeindlichen Übermacht und in seinem täglichen Funktionieren eindringlich vor Augen geführt.
Dina Dalal wiederum kommt aus dem städtischen Bürgertum, aber nach dem frühen Tod ihres Mannes bleiben ihr wenig Möglichkeiten, einer entsagungsvollen Existenz im Hause des Bruders zu entgehen. Wie da eine kluge und mutige Frau um ihre Selbständigkeit kämpft (und schließlich unterliegt), das kann man nicht lesen ohne den drängenden Wunsch, der Ausbruch möge ihr gelingen. Maneck schließlich entstammt dem Himalaya-Gebiet, wo es keine Überbevölkerung gibt und die Sitten und Gebräuche von jeher anders sind.
Wo die Familiengeschichte der vier Protagonisten erzählend eingeholt wird, dort führt "Das Gleichgewicht der Welt" in die letzten Jahre der britischen Herrschaft über Indien zurück. Später bilden Szenen unerhörter Gewalt den Hintergrund des Geschehens, als mit der indischen Unabhängigkeit der verheerende Krieg zwischen Hindhi und Muslimen ausbricht, der Millionen zu Flüchtlingen im eigenen Land machen und zur Gründung des Muslim-Staates Pakistan führen wird. Als Ära einer aberwitzigen Korruption deutet Rohinton Mistry schließlich die Präsidentschaft Indira Ghandis, die darauf setzte, die Konflikte zwischen den religiösen Gemeinschaften und den ethnischen Gruppen gezielt zu schüren und sich sodann selber als einzige Macht des Ausgleichs über die Konfliktparteien zu stellen. Der Roman endet 1985, als Maneck aus Dubai nach Hause kommt und es fast nicht schafft, in seine Heimatstadt vorzudringen: Eben ist Indira Ghandi von ihrer Sikh-Leibgarde ermordet worden, und überall brennen jetzt die Häuser der Sikhs, die auf den Straßen abgeschlachtet werden.
"Das Gleichgewicht der Welt" ist ein spannender, an Bildern des Schreckens wie des Aufbegehrens reicher Roman, der europäische Leser auch als erzählte Landeskunde Indiens faszinieren wird; was ihn jedoch einzigartig und bei seiner Lektüre immer wieder staunen macht, das ist der gewitzte Lebensmut, der mitten im Elend aufblitzt, der Humor, den die strauchelnden Helden wider ihr Schicksal setzen, die Daseinsfreude, der Rohinton Mistry ein grandioses Monument errichtet. KARL-MARKUS GAUSS
Rohinton Mistry: "Das Gleichgewicht der Welt". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Müller. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurtam Main 1998.
863 S., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eins gleich vorab: Das war schwere Kost, nicht vom Lesen her, aber vom Inhalt. Selten hat mich ein Buch noch so lange beschäftigt, nachdem ich es aus der Hand gelegt hatte.
Rohinton Mistry hat einen im Großen und Ganzen leicht verständlichen und flüssigen Schreibstil. Ein …
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Eins gleich vorab: Das war schwere Kost, nicht vom Lesen her, aber vom Inhalt. Selten hat mich ein Buch noch so lange beschäftigt, nachdem ich es aus der Hand gelegt hatte.
Rohinton Mistry hat einen im Großen und Ganzen leicht verständlichen und flüssigen Schreibstil. Ein Register am Ende des Buches mit den vielen indischen Begriffen, wäre aber hilfreich gewesen.
Mistry bedient sich einer recht blumigen und ausdrucksstarken, zeitweise aber auch sehr deftigen Sprache, mit denen er die unterschiedlichen Situationen sehr anschaulich wiederzugeben vermag. Sein feiner Humor zeigt sich in Kleinigkeiten. Hin und wieder finden sich aber auch recht merkwürdige Formulierungen, die nicht wirklich passen wollten, möglicherweise aber auch der Übersetzung geschuldet und daher verzeihlich sind.
Schön auch die verschiedenen Parabeln, die Mistry in seine Geschichte eingebaut hat, manche offensichtlich wie die Patchworkdecke oder das gekühlte Leben. Andere versteckter und nur schwer oder im Nachhinein erkennbar. So fragte ich mich, warum Mistry von dem übel riechenden Schmutz an Dinas Schuhen erzählt. Erst mindestens viele Seiten später fiel mir diese kleine Episode wieder ein und ich begann mich zu fragen, ob das nicht auch eine Art Gleichnis gewesen sein könnte, denn bald darauf war alles, was den Hauptpersonen widerfuhr, nur noch Sch.... Es gibt in diesem Buch so viele dieser „unnötigen“ Elemente, doch inzwischen frage ich mich, ob sie wirklich so unnötig sind oder ob ich es einfach nur nicht erkannt habe.
Mistry erzählt in epischer Breite und verliert sich manchmal in Einzelheiten. Die eine oder andere Kürzung hätte dem Buch sicher nicht geschadet. Es brauchte geraume Zeit, bis ich in der Geschichte „drin“ war, aber dann nahm sie mich gefangen und ließ mich nicht mehr los.
Ich hatte mich nie zuvor wirklich mit der Geschichte Indiens beschäftigt. Klar man hat schon von Indira Gandhi und dem Kastensystem gehört. Man weiß, dass es die „Unberührbaren“ gibt und auch die Erkenntnis, dass das Leben für die niedrigen Kasten in Indien nicht einfach war und ist, ist nicht wirklich neu. Aber ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung davon, was dort tatsächlich passiert ist und so wurde ich beim Lesen von der Brutalität der Ereignisse mit einer Wucht getroffen, die mich benommen machte.
Beeindruckt hat mich, wie die Menschen im Buch mit ihrem Schicksal umgehen. . Mistry streut das Glück nur sehr sparsam über seinen Protagonisten aus und dennoch wissen sie, dieses zu nutzen und zu genießen. Wer weiß, für wie lange...
Was mir zuerst gar nicht aufgefallen ist, aber irgendwann, etwa ab der Mitte des Buches nicht mehr zu übersehen war, waren die zahlreichen Bezüge und Verweise auf den Buchtitel. Ob nun tatsächlich von einem Gleichgewicht oder der Balance oder von Waagschalen die Rede war, immer wieder weist Mistry den Leser darauf hin. Besonders auf den Seiten um 500 herum taucht das „Motiv“ alle paar Seiten in irgendeiner Form wieder auf.
Aber was ist das eigentlich – das Gleichgewicht der Welt? Und warum heißt das Buch so? Diese Frage beschäftigt mich noch immer. Sicher: Mistry gibt immer wieder kleine Erklärungen und Hinweise, aber kann es das sein? Wo gibt es dieses Gleichgewicht? Worin besteht es? Wie ist es zu verwirklichen? Was liegt in den beiden Waagschalen? Reich und arm? Willkür und Duldsamkeit? Verzweiflung und Hoffnung? Und wie fragil ist dieses Gleichgewicht? Wie schnell wird es gestört und zerstört?
Fazit: Ein Buch der Gegensätze. Ein Buch der Hoffnung und ein deprimierendes Buch. Ein Buch weit weg von Bollywood.
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Genial! Man fühlt, schmeckt, riecht, erlebt das wahre Indien, und am Ende des Buches ist einem, als habe man gerade einige neue, gute Freunde gefunden, so nahe geht einem das Schicksal der Figuren. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher, das ich mehrererere Male gelesen habe.
Antworten 4 von 5 finden diese Rezension hilfreich
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Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich in meiner Rezension zu diesem Buch schreiben könnte - diesem monumentalen Epos, das seine enorme emotionale Wucht gerade dadurch entfaltet, dass es den Blick nicht nur auf die dramatischen Ereignisse, sondern auch auf die kleinsten Dinge richtet. …
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Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich in meiner Rezension zu diesem Buch schreiben könnte - diesem monumentalen Epos, das seine enorme emotionale Wucht gerade dadurch entfaltet, dass es den Blick nicht nur auf die dramatischen Ereignisse, sondern auch auf die kleinsten Dinge richtet. Die feinen Nuancen. Das Nichtgesagte. Die Zwischentöne. Mal ist das Buch ein farbenfrohes Spektakel, dann wieder eine zarte Szenerie leiser Philosophie. Manchmal war ich schockiert von der gnadenlos geschilderten Gewalt und dem Elend, dann wieder musste ich lachen, und mehr als einmal standen mir die Tränen in den Augen. Sei gewarnt, Leser: dies ist kein Buch, das beschönigt, und es ist auch kein Buch für erzwungene Happy Ends. Und dennoch ist es ein Buch, das verzaubert und bereichert.
Das Indien, dass Rohinton Mistry hier zum Leben erweckt, wirkte auch mich oft wie eine gänzlich fremde Welt, manchmal fast schon bizarr in ihrer Andersartigkeit. Aber dann stutzt man und erkennt sich auf einmal wieder in den Menschen, die diese Welt bevölkern. Denn deren Wünsche, Träume und Hoffnungen mögen zwar herzzerreißend bescheiden sein, aber dennoch vertraut.
In meinen Augen ist dem Autor nichts Geringeres gelungen, als das ureigenste Wesen des Menschen auf Papier zu bannen. Was ist Schmerz? Was ist Trauer? Was ist Ungerechtigkeit? Gerade wenn man als Leser glaubt, man könnte nicht mehr ertragen, stellen sich neue Fragen. Was ist Glück? Was ist Freundschaft? Was ist Hilfsbereitschaft? Das Gleichgewicht der Welt. Der Autor belehrt den Leser nicht, sondern lässt ihn die Antworten selber entdecken.
Im Mittelpunkt der Geschichten stehen vier Charaktere an der unsicheren Grenze zwischen Armut und vollkommener Verelendung.
Die Augen der Witwe Dina Dalal werden langsam zu schwach zum Nähen, aber ihr Stolz erlaubt es ihr nicht, ihren wohlhabenden Bruder um Hilfe zu bitten. Daher bringt sie in ihrer winzigen Wohnung nicht nur den jungen Studenten Maneck als zahlenden Gast unter, sondern richtet auch eine Werkstatt für zwei Schneider ein, die in ihrem Auftrag nähen - den optimistischen Ishvar und seinen wütenden Neffen Om. Herrscht am Anfang noch gegenseitiges Misstrauen, wächst die ungleiche Zweckgemeinschaft doch schnell zusammen zu einer Art Familie, die gemeinsam den turbulenten Zeiten trotzt.
Der Autor beschreibt seine Charaktere so lebendig und glaubhaft, dass man einfach mit ihnen mithoffen und mitleiden muss. Er zeigt an ihnen das ganze Elend der niederen Kasten, aber sie verkommen dabei nicht zu Stereotypen. Kein Charakter ist nur böse oder nur gut, egal wie extrem manche auf den ersten Blick erscheinen. Mitgefühl und Hilfe kommen oft aus der unerwartetsten Ecke, und manchmal stellt man fest, dass schreckliche Dinge nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Hilflosigkeit oder Angst geschehen.
Ich war sehr beeindruckt davon, was für ein lebendiges Bild vom Indien dieser Zeit das Buch zeichnet, von seiner Politik und seinen gesellschaftlichen Umstürzen. Man kann viel daraus lernen, und dennoch ist es kein trockenes Geschichtsbuch, sondern eine originelle, mitreißende Geschichte, deren Sog ich mich nicht entziehen konnte. Für mich ist es allerdings kein Buch, das man schnell nebenher lesen kann! Man muss jedem Kapitel genug Zeit geben, man muss mitdenken und mitfühlen, sonst betrügt man sich selbst um ein Leseerlebnis, das lange nachhallt.
Außerdem braucht man ab und zu einfach eine Verschnaufpause, denn immer wenn man denkt, jetzt kann es für unsere Helden doch unmöglich noch schlimmer kommen, kommt es schlimmer. Und dennoch will man weiterlesen, weiterlesen, weiterlesen... Zumindest ging es mir so.
Der Schreibstil strotzt nur so vor Atmosphäre und ist mal wortgewaltig, mal leise. Er beherrscht die volle Bandbreite der Emotionen, von schwärzester Verzweiflung bis hin zu augenzwinkerndem Humor. Einfach wunderbar, und auch die Übersetzung erschien mir sehr gelungen.
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