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»Eine einzigartige und faszinierende Biographie: die Geschichte eines Gemäldes. « The New York Times
Nur wenige Wochen vor seinem Selbstmord am 28. Juli 1890 malte Vincent van Gogh das Porträt seines Arztes Dr. Paul-Ferdinand Gachet. Es sollte zum berühmtesten - und teuersten - Werk der modernen Kunst werden. Nach dem Tod des Malers kam das Bild in den Besitz seines Bruders, des Kunsthändlers Theo van Gogh; seine Witwe verkaufte es später für 300 Francs an eine dänische Sammlerin. 1990, hundert Jahre nach Entstehung des Gemäldes und einer abenteuerlichen Reise um die Welt, zahlte der…mehr

Produktbeschreibung
»Eine einzigartige und faszinierende Biographie: die Geschichte eines Gemäldes. « The New York Times

Nur wenige Wochen vor seinem Selbstmord am 28. Juli 1890 malte Vincent van Gogh das Porträt seines Arztes Dr. Paul-Ferdinand Gachet. Es sollte zum berühmtesten - und teuersten - Werk der modernen Kunst werden.
Nach dem Tod des Malers kam das Bild in den Besitz seines Bruders, des Kunsthändlers Theo van Gogh; seine Witwe verkaufte es später für 300 Francs an eine dänische Sammlerin. 1990, hundert Jahre nach Entstehung des Gemäldes und einer abenteuerlichen Reise um die Welt, zahlte der japanische Kaufmann Ryoei Saito dafür bei einer aufsehenerregenden Auktion in New York die Rekordsumme von 82,5 Millionen Dollar. Seit kurzem jedoch gilt »Das Bildnis des Dr. Gachet« als verschollen. Der 1996 verstorbene letzte Besitzer soll nach dem Erwerb den Wunsch geäußert haben, mit dem Bild bestattet zu werden. Das würde bedeuten, es wurde mit ihm verbrannt ...
Das Bild wurdezum Inbegriff der modernen Malerei. Cynthia Saltzman zeichnet die wechselvolle Geschichte des Bildnisses nach, eine Geschichte, die auf besondere Weise mit Kultur, Politik und Kommerz des 20. Jahrhunderts verknüpft ist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2000

Ein müder Wanderer
Die 100-jährige Odyssee von van Goghs „Bildnis des Dr. Gachet”
Ein Kunstkrimi – verwirrend und aufschlussreich, unbegreiflich und schlüssig, mit verwegenen Wendungen und offenem Ende: so präsentiert Cynthia Saltzman ihre Recherchen zur „Biografie eines Meisterwerks”.
Im Mai 1990 erwarb ein japanischer Industrieller für 82,5 Millionen Dollar ein kleines Ölporträt, das durch die aufgeregte Medienberichterstattung schlagartig zu einem der berühmtesten Gemälde der Welt wurde. Es zeigt einen grobknochigen Mann in blauer Jacke mit heller Mütze. Der müde auf die rechte Faust gestützte Kopf, der trübe Blick unter den Hängelidern, tiefe Furchen um Nase und Mund – ein schwermütiger Mensch starrt haarscharf am Betrachter vorbei ins Leere. Kunstliebhabern war schon vor dem Medienrummel dieser Dr. Paul-Ferdinand Gachet bekannt, der Arzt, dem sich Vincent van Gogh anvertraute, nachdem er bei anderen Medizinern keine Heilung mehr von seinen unkontrollierbaren Krankheitsschüben erwartete.
Dr. Gachet lebte in der Nähe von Paris und behandelte „nervöse Störungen” mit selbst erfundenen Elixieren. Zum Krankheitsbild seines neuen Patienten fiel ihm überhaupt nichts ein. Das Porträt, das van Gogh wenige Wochen vor seinem Selbstmord im Sommer 1890 malte, konzentriert sich auf die Ratlosigkeit des Arztes, den der Maler übrigens für kränker hielt als sich selbst.
Aus einem Glas neigen sich zwei Stängel purpurn blühender Fingerhut gegen einen Tisch, auf dem zwei gelbe Bücher liegen: Die Pflanze, aus der das Herzmittel Digitalis gewonnen wird, symbolisiert den Beruf des Doktors, die Bücher tragen die Titel von zwei Romanen der Brüder Goncourt – beide handeln von „Kunst und Neurosen”, die Geschichte einer der beiden Heldinnen entsprach einem Fall, den Gachet während seines Studiums behandelt, in seiner Dissertation dokumentiert hatte. Dies ist ein Beispiel für die detektivische Akribie von Cynthia Saltzman beim „Lesen” des Bildes. Mit derselben liebevollen Gründlichkeit erforscht sie, an welchen Orten, von welchen Besitzern, mit welcher Absicht das Gemälde aufbewahrt, ausgestellt, versteckt und zum Kauf angeboten wurde, präsentiert, anhand der Wanderungen dieses Gemäldes „die Geschichte der modernen Kunst, der Ökonomie, der Politik und der Sammler. Sie erzählt von Händlern, Publikumsgeschmack, Korruption, Habgier und Verlust”.
Nach Vincents Tod stand sein Bruder Theo in Amsterdam vor der Aufgabe, die Erbschaft – über 600 Gemälde – unterbringen zu müssen, sie sollten ja nicht nur in Lagerräumen gestapelt, sondern der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Sechs Monate später starb aber auch Theo, und die Verantwortung für die Bilder ging auf seine Witwe Johanna über. Sie erfasste sofort den Wert der Korrespondenz zwischen den Brüdern und edierte deren Briefwechsel sorgfältig, allerdings tendenziös. Für die Malerei des Schwagers empfand sie Respekt, aber wenig Begeisterung – dennoch setzte sie sich mit aller Kraft für die Anerkennung des Werks ein. Das Bildnis des Dr. Gachetwurde schließlich nach Kopenhagen verkauft und ging danach in den Besitz des Berliner Kunsthändlers Paul Cassirer über, der es an Harry Graf Kessler weiterverkaufte. Kessler, damals, 1904, Museumsdirektor in Weimar, hängte das Gemälde in seine private Kunstsammlung. Später verkaufte er dann den „Dr. Gachet”, um offene Rechnungen für andere Kunstgegenstände zu begleichen.
1911 wurde das Porträt in die Sammlung des Städel in Frankfurt aufgenommen. Der neue Direktor Georg Swarzenski begann mit diesem Gemälde seine Offensive gegen den konservativen Geschmack des Aufsichtsgremiums und zunächst auch des Publikums. Zu dieser Zeit war van Gogh längst berühmt. Biografien, psychologische Literatur und Romane woben an der Legende vom verkannten Genie, vom wahnsinnigen Außenseiter. Kunst als Ausdruck von Krankheit – damit konnten die Nationalsozialisten dann leicht sein Werk der Entarteten Kunst zuordnen – sie ließen es beschlagnahmen und auf dem internationalen Markt anbieten. „Wir hoffen, dabei noch Geld mit dem Mist zu verdienen”, schrieb Goebbels in sein Tagebuch.
Der „Gachetwurde an einen deutschen Bankier in Amsterdam verkauft, von dort nach New York weitergeschickt. Er blieb in einer Frachtkiste eingelagert, bis sein Besitzer die Erlaubnis zur Immigration erhielt. Als es schließlich im Metropolitan Museum 1942 in einer Van-Gogh-Ausstellung gezeigt wurde, verschwieg man einfach die deutsche Phase seiner Geschichte. Fortan sollte die romantische Sicht auf den Maler, begründet durch den Roman „Ein Leben in Leidenschaft” von Irving Stone und die Verfilmung mit Kirk Douglas, durch nichts getrübt werden. Der „Dr. Gachetblieb als Leihgabe im Metropolitan Museum, sein geschätzter Wert hatte die Millionen-Dollar-Grenze erreicht.
In den achtziger Jahren begann eine neue Generation von Kunsthistorikern ihre Arbeit. Sie rückten verkitscht psychologische Deutungen zurecht und betrachteten Gemälde als „Dokumente eines dynamischen kulturellen, politischen und sozialen Systems”. Gleichzeitig begannen japanische Käufer ihren Sturm auf den westlichen Kunstmarkt. Als die Sonnenblumen” den Rekordpreis von 39,9 Millionen Dollar erzielt hatten, entschlossen sich die Besitzer des „Gachet” zumVerkauf. Ryoei Saito setzte seinen gesamten Immobilienbesitz ein für den Kredit, so dass unklar war, ob das Gemälde ihm, seiner Firma oder den Gläubigern gehörte. Nach der Versteigerung verschwand es in einem „hochgradig gesicherten, klimatisierten Lagerhaus” in Tokio. Schließt sich so der Bogen von van Goghs Japan-Leidenschaft – „Meine ganze Arbeit baut auf den Japanern auf” – zur Gegenwart? Saito starb 1996 – hatte er seine Ankündigung wahr gemacht, dass das Bild bei seinem Tod mit ihm verbrannt werden sollte? Oder ist es weiter verkauft worden? An einen italienischen Nudelfabrikanten? Vor einigen Monaten tauchte der Rahmen im Städel auf, vom Bild keine Spur . . .
Cynthia Saltzman legt mit dieser „Biografie eines Meisterwerks” eine Kunstgeschichte der letzten hundert Jahre aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel vor. Unsere Gegenwart erscheint schließlich als „eine Periode der in die Höhe geschraubten Aktienpreisindexe, plötzlichen Reichtums unvorstellbaren Ausmaßes und auf Schulden gegründeter Finanzimperien”. Weit haben wir’s gebracht!
GERDA MARKO
CYNTHIA SALTZMAN: Das Bildnius des Dr. Gachet. Deutsch von Käthe H. Fleckenstein. Insel Verlag, Frankfurt Leipzig 2000. 450 Seiten, 44 Mark.
In Luft aufgelöst: Dr. Gachet
Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2000

Ach so, es ist der Doktor, das ist etwas anderes
Cynthia Saltzman erzählt, welche einmalige Sammlergeschichte van Goghs "Bildnis des Dr. Gachet" hinter sich hat

Am Morgen des 9. Dezember 1937 nahm der Leitartikel der "Frankfurter Zeitung" Abschied von einem Bildnis: Unter der Überschrift "Dr. Gachet" stand ein Nachruf auf Vincent van Goghs gleichnamiges Meisterwerk, das soeben eine Reise ohne Wiederkehr angetreten hatte. Für beinahe drei Jahrzehnte gehörte es zum Herz der Gemäldesammlung des Frankfurter Städel, bevor es als "entartet" beschlagnahmt worden war. Was die Zeitung schrieb, klang wie eine Grußadresse an ehemalige Mitarbeiter und Freunde im Exil: "Wer in der Ferne an das Bildnis des Dr. Gachet denkt und damit an das Museum Städels, dem das Werk van Goghs teuerster Besitz geworden ist, der ist getröstet."

Der Artikel erinnerte daran, dass das Bild nur wenige Wochen vor dem Selbstmord des Malers als Porträt des ihn zuletzt behandelnden Arztes entstanden war: "Die beiden verstanden sich. Vielleicht brauchte deshalb vieles nicht ausgesprochen zu werden." Es folgte eine Bildbeschreibung, deren Ton dem traurigen Lächeln des in der klassischen Pose des Melancholikers Dargestellten entsprach. Der Artikel schloss mit van Goghs eigener Schilderung der Züge des Porträtierten: "Sein Gesicht hat den schmerzlichen Ausdruck unserer Zeit."

Der anonyme Verfasser, der dem Maler auch darin folgte, dass er sich selbst und seine eigene Generation im bildlichen Gegenüber spiegelte, war annähernd gleichaltrig mit dem im Frühsommer 1890 entstandenen Gemälde: Benno Reifenberg kam als gelernter Kunsthistoriker in den zwanziger Jahren zum Feuilleton der "Frankfurter Zeitung". Aufgrund einer Logik, die er längst nicht mehr zu lenken vermochte, war er 1932 in die politische Redaktion und nach 1933 zum verantwortlichen "Schriftleiter" seines Blatts aufgerückt. Für eine Weile hegte er die Illusion, dem Nationalsozialismus von innen heraus die Stirn bieten zu können. Nach jenem Artikel, der die Gegenseite auf kunstpolitischem Feld herausforderte, vermochte Reifenberg zwar seine Anonymität, nicht aber mehr seine Ressortposition zu bewahren. Zum Verhör nach Berlin bestellt und vorübergehend verhaftet, zog er sich ins Feuilleton und bald darauf auf sein erkranktes Herz zurück.

Auch Georg Swarzenski, der damals noch amtierende Direktor des als private Stiftung betriebenen Städels, wurde wegen des Zeitungsartikels von der Gestapo verhört. Swarzenski hatte 1911 den Ankauf des Gachet als Vehikel für den Einzug der Moderne ins Städel getätigt. Aus seiner früheren Stellung als Generaldirektor der Frankfurter Museen war er 1933 entlassen worden, 1938 sollte er ins amerikanische Exil gehen. Dem Exodus der jüdischen Kunsthistoriker aus Deutschland schloss sich auch sein Assistent Oswald Goetz an. Ihm war nach der Beschlagnahme des Bildes die schmerzvolle Aufgabe zugefallen, den Gachet in die Frachtkiste für den Abtransport nach Berlin zu verpacken. Vier Jahre darauf, in einer Ausstellung des New Yorker Metropolitan Museum, stand er ihm plötzlich wieder gegenüber. Das Exponat war ohne Herkunftsangaben, lediglich mit dem lapidaren Vermerk versehen: "Leihgeber anonym".

Die abenteuerlichen Wanderungen eines Bildnisses mit Hut und Reisemantel, verpackt in Pappkartons und Holzkästen, begannen nicht erst 1937, und sie sind bis heute nicht abgeschlossen. Seit dem Tod seines letzten Besitzers gilt der Gachet als verschollen. Zwischen seiner Entstehung in einem kleinen Garten des Dorfs Auvers bei Paris und seinem letzten spektakulären öffentlichen Auftritt im New Yorker Auktionshaus Christie's liegen hundert Jahre. Auf dem Gipfel des Kunstbooms der vergangenen Jahrzehnte wurde das Gemälde 1990 zum höchsten Preis, der im Kunsthandel je geboten wurde, an einen japanischen Industriellen verkauft, der es in einer Lagerhalle einsargen ließ.

An der Dauer der Kunstgeschichte gemessen, wiegen hundert Jahre wenig, doch an dramatischen Spannungen kann es kein zweites Kunstwerk mit der Biografie dieses Gemäldes aufnehmen: Als Studie einer tiefen Melancholie und - wie die amerikanische Publizistin Cynthia Saltzman in Anlehnung an Erwin Panofskys Charakterisierung der Dürer'schen "Melencholia I" schreibt - als "psychologisches Selbstporträt des Künstlers", der sich und sein Leiden in seinem Gegenüber wiedererkannte, ist der Gachet noch dem vorletzten mal du siècle entsprungen: "Wenn ein Blinder einen anderen Blinden führt", so schilderte van Gogh seine Bekanntschaft mit dem Provinzarzt, der mit "Untersuchungen über die Melancholie" promoviert hatte und den Trübsinn seines Patienten teilte, "fallen da nicht beide in den Graben?" Doch erst im zwanzigsten Jahrhundert blickte der Gachet, wie Julius Meier-Graefe 1921 prophetisch schrieb, in einen "zum Abgrund" erweiterten "Riss in der Welt", durchlief ihn und nahm ihn in sich auf. Sein Verschwinden zum Ende des vorigen Jahrhunderts wäre dann nur konsequent gewesen. Aber man wird ihn doch wiedersehen!?

Gleichermaßen kunsthistorisch und journalistisch versiert, ist Saltzman der unglaublichen Biografie des Bildnisses nachgegangen. Die Geschichte, die sie erzählt, stellt an Spannung jeden Kriminal- oder Seelenroman in den Schatten. Neben Saltzmans Talent und Spürsinn liegt dies freilich an der Sache selbst: am Objekt, seinen wechselnden Besitzern, deren Umfeld und dem, was die Autorin darüber herausgefunden hat. Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Berlin, Weimar, Frankfurt, New York und Tokio sind die Hauptstationen einer Jahrhundertreise, die die Geschichte des Bildes mit der Geschichte seiner dreizehn Besitzer und mit der Van-Gogh-Legende verschränkt. Letztere wird von Saltzman gründlich demontiert: Van Gogh war hochgebildet, ausgesprochen kultiviert, geschäftstüchtig obendrein und kein annähernd so verkannter Künstler und horribler Außenseiter, wie man es ihm nachsagte.

Schon bald nach dem Tod des Malers betrat der Gachet den internationalen Kunstmarkt, aus dem er fortan, von vorübergehenden Ruhepausen abgesehen, nicht mehr wegzudenken war. Saltzman zeigt, für welche Käuferschichten das Bildnis besondere Attraktivität besaß: Van Goghs revolutionäre Pinselführung und die originelle Synthese einer aus kunstgeschichtlichem Wissen geschöpften Bildidee, die vorwiegend im europäischen Norden heimisch war, mit einer von südländischem Kolorit gesättigten Farbgebung wurde vor allem unter den Angehörigen eines weltbürgerlich gebildeten, westeuropäisch ausgerichteten Bürgertums von zumeist jüdischer Abkunft in Skandinavien und Deutschland goutiert.

So hielt der Gachet 1897 seinen Einzug in Kopenhagen, wenn auch zunächst nur in das Ruhezimmer einer Industriellengattin, die zu dem Gemälde eine exklusiv persönliche Beziehung unterhielt. Der nächste Besitzer, Mogens Ballin, veräußerte es 1904 an die Berliner Galerie von Paul Cassirer, um die sich bereits jene spezifische Allianz von Intelligenz und Avantgarde, Feuilleton und Verlagswesen sammelte, die zum Antriebsmotor der Moderne wurde. Cassirer verkaufte das Gemälde nach Weimar an Harry Graf Kessler. Der "rote" Sammlergraf gehörte freilich noch nicht zu jener erst nachfolgenden Generation, die seit dem Ersten Weltkrieg zu dem Bildnis in eine sentimentale Beziehung trat: Nach sechs Jahren führte Kessler den Gachet im Austausch wieder auf den Pariser Kunstmarkt zurück. Von dort, wohin man in Frankfurt schon immer schaute, erwarb es Swarzenski als erstes nachimpressionistisches Bild für seine öffentliche Sammlung.

In Frankfurt und anderswo sammelte seit Ende der zwanziger Jahre mit Alfred H. Barr, dem Gründungsdirektor des New Yorker Museum of Modern Art, ein weiterer Neuerer Anregungen und auch bereits Optionen für künftige Ankäufe und Aktionen zur Rettung verfemter Kunstwerke, Künstler und Kunsthistoriker. Des Gachet hatte sich Anfang 1938 kein anderer als Hermann Göring bemächtigt und ihn gegen Tapisserien nach Amsterdam verscherbelt. Dort kam er an seinen künftigen Besitzer, den jüdischen Bankier Siegfried Kramarsky, der ihn im Fluchtgepäck mit nach New York nahm, um ihn dort fortan immer wieder großzügig zu verleihen; zuletzt als permanente Leihgabe an das Metropolitan Museum, bis sich die Nachkommen 1990 zum Verkauf entschlossen.

In einem Brief an seine Mutter hat van Gogh geschrieben: "Und die hohen Preise, von denen man hört, die für Arbeiten von Malern bezahlt werden, die tot sind und zu ihren Lebzeiten nicht so bezahlt wurden - das ist so eine Art Tulpenhandel . . . Und wie der Tulpenhandel wird es auch wieder verschwinden. Aber - man kann sagen - obwohl der Tulpenhandel längst verschwunden und vergessen ist, sind die Blumenzüchter geblieben und werden bleiben." Wenn das kein Trost ist.

VOLKER BREIDECKER

Cynthia Saltzman: "Das Bildnis des Dr. Gachet". Biographie eines Meisterwerks. Aus dem Amerikanischen von Käthe H. Fleckenstein. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000. 350 S., Abb., geb., 44,- DM.

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