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In Middleway, dem amerikanischen Oxford in der Nähe von Kansas, erwachen vier Frauen am Tag nach einem feministischen Kongress im Haus von Gloria Patter, einer Frauenkämpferin. Alle vier haben eines gemeinsam: Sie haben mit weiblichem Selbstbewusstsein exemplarische Karrieren gemacht und ziehen nun Bilanz. Stück für Stück enthüllen sich in Rückblenden die Lebensgeschichten der vier Frauen, knapp jenseits der Lebensmitte und auf dem Zenit ihrer Karrieren.

Produktbeschreibung
In Middleway, dem amerikanischen Oxford in der Nähe von Kansas, erwachen vier Frauen am Tag nach einem feministischen Kongress im Haus von Gloria Patter, einer Frauenkämpferin. Alle vier haben eines gemeinsam: Sie haben mit weiblichem Selbstbewusstsein exemplarische Karrieren gemacht und ziehen nun Bilanz. Stück für Stück enthüllen sich in Rückblenden die Lebensgeschichten der vier Frauen, knapp jenseits der Lebensmitte und auf dem Zenit ihrer Karrieren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.02.2000

Wie bei den Vögeln
In ihrem Roman „Vertrauen gegen Vertrauen” nimmt Paule Constant vier Feministinnen ins Visier
Auch Karrierefrauen kommen in die Jahre. Sind es erklärte Feministinnen – wie die Teilnehmerinnen eines internationalen Kongresses in Middleway, Kansas, dann ist die Gemengelage besonders explosiv. Denn angesichts der Tücken des Alterns schrumpft die antrainierte Hybris gegenüber der nicht-emanzipierten Hausmütterschaft.
Am Morgen der Abreise treffen vier Kongressteilnehmerinnen nochmals zusammen. Offenheit scheint Pflicht. Doch das Rivalitätsdenken der im Universitäts- und Kulturbetrieb Arrivierten ist längst zwanghaft. Bei der Schonungslosigkeit, mit der Paule Constant den Überehrgeiz, die Eitelkeiten und Selbstinszenierungen dieser vier Frauen bloßstellt, verwundert es nicht, dass die französischen Feministinnen Front gemacht haben gegen ihren mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Roman. Ist also doch etwas dran am Klischee der „schlechtgefickten Intellektuellenfrauen”, das der durchgebrannte Ehemann der Professorin Babette Cohen so gern zum Besten gab?
Das Liebesleben der vier liegt jedenfalls brach. Auch der Ehemann der Literaturprofessorin Gloria Patter hat sich samt Tochter abgesetzt (wenn auch nur bis zur Schwiegermutter). Die norwegische Film-Diva Lola Dohl hängt, seit mit den Engagements auch die Verehrer ausblieben, an der Flasche. Und bei der vereinsamten französischen Schriftstellerin Aurore Amer geht ohne Tranquilizer schon lange nichts mehr.
Obwohl emanzipiert und theoriegewappnet, sind auch sie in die Falle der westlichen Jugend- und Schönheitskultes gegangen. Auch sie „schämen” sich für ihren verblühenden Sexappeal und lassen ihre Weiblichkeit nur „gründlich zensiert” heraus, nur „parfümiert, desodoriert, diskret und taktvoll”. Weshalb sie auf dem Kongresspodium alle Körperfragen intuitiv tabuisiert haben.
„Vertrauen gegen Vertrauen” ist Paule Constants erster großer Bestseller-Erfolg in Frankreich. Auffallend ist, dass sie mit denselben Themen reüssiert hat wie Michel Houellebecq: mit Themen wie Vereinsamung und sexuelles Elend, Liebesunfähigkeit und Dauerdepression. Anders als bei Houellebecqs Michel und Bruno, die in der Psychiatrie oder im Autismus enden, steht für die vier Frauen in der Krise das Weitermachen allerdings nie grundsätzlich in Frage.
Als „Waffe gegen die Verzweiflung”, als „Gegenfeuer, das dich rettet, das dir sagt, dass es nicht so schlimm ist”, setzt Paule Constant ihren Humor ein. Wie unweiblich, das heißt derb-direkt und trocken-sarkastisch er sein kann, haben bereits ihre Romane Die Tochter des Gobernators” und White Spirit” gezeigt. So nimmt sie das Gruppenverhalten unter Feministinnen auf die Schippe: „Zu zweit machen sie einander Geständnisse und sind bedrückt; zu dritt machen sie einander Mut; zu viert hacken drei auf die Vierte ein, bis sie in Depressionen verfällt. Das ist wie bei den Tieren, bei den Vögeln vor allem. ”
Je tiefere Einblicke Paule Constant jedoch in die Grauzone des Sublimierten gibt, desto leichter lassen sich die Lebenslügen der Vier verstehen. Denn sie werden auf einen von Männern zugefügten Schmerz zurückgeführt, auf eine Demütigung, die sie verstört und misstrauisch gemacht und so ihr Bewusstsein für die Verletzbarkeit der Frau in der Gesellschaft geschärft hat.
Ohne die Panzerung des sozialen Erfolgs, daran lässt der Roman keinen Zweifel, wären die vier Frauen Opfer geblieben: Opfer der in der Tradition betonierten männlichen Selbstherrlichkeit. Die Seitenhiebe gegen den Typus feministische Karrierefrau zielen also letztlich auf ihre historische Ursache. Und deshalb greift der gegen Constant erhobene Vorwurf des Antifeminismus zu kurz.
Keine aufgesetzte Story hält ihren neuen Roman zusammen, sondern die Vielstimmigkeit weiblicher Erfahrungen und das ironische Spiel mit dem Klischeedenken an der Geschlechterfront. So liest sich der Romantitel Vertrauen gegen Vertrauen” letztlich wie eine Aufforderung an die Zukunft, eine Aufforderung allerdings jenseits aller feministischen Rhethorik. Denn für die lässt Paule Constants Gespür für die tragikomischen Gebrochenheiten der Existenz keinen Raum.
CHRISTOPH VORMWEG
PAULE CONSTANT: Vertrauen gegen Vertrauen. Roman. Aus dem Französischen von Michael Kleeberg. FVA, Frankfurt/M. 1999. 270 Seiten, 39,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.1999

Das Nashorn auf Freiersfüßen
Paule Constant sagt über Frauen, was alle schon wussten

Welche Positionen können erfolgreiche Frauen heute einnehmen? Vielleicht Universitätsprofessorin, Leiterin einer Tagung (meist mit einem feministischen Thema), Schriftstellerin, Filmstar - diese allerdings nur als schon verflossene Schönheit, weil eine solche Existenz denn doch den Traum von der Emanzipation heutzutage so recht nicht mehr ausdrückt. Vier Frauen in eben dieser Stellung - Ariane, Babette, Gloria, Lola - treffen sich in Paule Constants Buch beim Frühstück, nach einer "einschlägigen" Tagung, erschöpft noch etwas, so dass ihnen die Ungereimtheiten des nächtlichen Albtraums in den Morgen hinein nachhängen und sie verstimmen, ehe sie mit dem Make-up wieder die glatte Erfolgsmaske auflegen.

Was mag die Geschichte sein, die solche Frauen des Nachts bedrückende Träume verschafft? Was haben sie überstanden? Einen Mann, der sie verlassen hat, weil sie zu stark sind; eine Mutter, die sie gründlich hassen; eine andere Mutter, die sie innig lieben, weil diese, aufgewachsen in der patriarchalischen Welt Algeriens, sich der männlichen Führung so willig beugt; eine Tochter, die sich gegen die erfolgreiche Mutter sträubt; einen Weg in den Erfolg, der, zumal wenn man schwarzer Hautfarbe ist, mit Stolpersteinen gepflastert war; ein weißes, aber hässliches Gesicht auf einem verführerischen Körper, was die Einschätzung, wie man auf Menschen wirke, erschwert.

So etwa dürften die Notizen ausgesehen haben, die sich Paule Constant machte, als sie ihren schließlich mit dem Prix Goncourt prämierten Roman plante, den ein Roman zu nennen so recht nicht ist. Welcher der vier Heldinnen man die vorgefertigten Teile aus Standardbiographien zuordnet, bleibt sich gleich: Sie sind ohnehin weiter nichts als Allegorien kleiner biographischer Handicaps, die nicht nur Frauen beim Aufstieg in der Berufswelt zu überwinden haben. Freilich ist Paule Constant gewitzt genug, Bedrückungen und nicht gerade Tragödien aufzudecken, das also, was sich nicht nur bei Romanfiguren, sondern auch bei wirklichen Frauen für kurze Zeit ins Morgenlicht des Bewusstseins drängen könnte. Große Schicksale, das hat sich gezeigt, entstehen heute selbst auf dem Berufsweg von Frauen nicht mehr, und Constant will ihren Leserinnen eben keinen Roman schreiben, den man liest, um sich mit schönem Gruseln in den Schlaf zu wiegen, sondern die Wirklichkeit schildern, aus der und in die sie erwacht sind. Verschwenderisch verstreut sie daher das Unbehagen, das in Frauenherzen nistet, so dass jede Leserin in dem Buch etwas aus ihrem eigenen Repertoire wiederfindet, einmal bei dieser, einmal bei jener der vier Heldinnen.

Diese vier Charaktere, die eher der im neunzehnten Jahrhundert in französischen Zeitschriften so beliebten Physiologie angehören - man könnte sie auf einem Zeitungsblatt skizzieren und in einer Bildunterschrift ihre Eigenschaften aufrufen -, sind exemplarisch - realistisch sind sie nicht. Zwar folgt Constant dem Vorschlag ihres Landsmanns Diderot, der empfahl, einem schönen Gesicht ein Wärzchen zu verpassen, und schon habe es mehr Wirklichkeit! Das Rezept, das heute viele avantgardistische Autoren befolgen, hat dazu geführt, dass Realismus mit Detail und Detail mit Marginalie verwechselt wird. Schmutzige Küchen, wo man Ratten in Gläsern hält, laute Waschmaschinen, lange und langweilige Telefongespräche, ein wetterwendischer Gefühlshaushalt, der Freunde einmal liebt und kurz darauf wieder hasst, eine Frau, die sich nicht um ihr Äußeres kümmert, aber die Nächte unter ihrem Nerz zubringt und eine Brille von Dior trägt, gehören zu den gängigen Widersprüchlichkeiten des Gegenwartsromans, wo sie die Illusion von Wirklichkeit stiften sollen, und sie fehlen auch bei Paule Constant nicht.

Das große Schicksal also kann den Leser in dieser Ödnis des Immerschon-Dagewesenen nicht wachhalten, aber der Witz. Die aparte Kombination der Alltäglichkeiten und eine gelegentliche Absurdität machen Constants Charakterologie zur Humoreske. Es soll doch wohl ein Witz sein, wenn Ariane, die sensible Schriftstellerin, die sich aller Regeln ihrer Kunst und aller Finessen der Gattung bewusst ist, in der sie schreibt - wie die Autorin selbst: des Romans -, bei der Führung durch einen Zoo ihr Herz zwischen einer Männer- und einer Nashornschnauze entdeckt: "Der Konservator hielt ihren Arm fest und führte dann ihre Hand zum Mund des Nashorns. Aurore spürte auf ihrer Handfläche das Maul . . . die breiten, zarten, festen Greiflippen liebkosten sie. Der Atem stockte ihr, ihre Beine waren wie Pudding, sie schwankte zwischen Leben und Tod zwischen Männerkörper und dem Kopf des Nashorns, das in ihrer Hand schnüffelte und auf sie atmete. Ihre Beine gaben nach, sie ließ sich in die Arme des Direktors gleiten. Er küsste sie." Symbol und Allegorie ist alles in diesem Roman. Die Schriftstellerin in den Armen eines Zoodirektors mag also ein Tableau vivant der folgenden Preisverleihung gewesen sein.

HANNELORE SCHLAFFER

Paule Constant: "Vertrauen gegen Vertrauen". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Michael Kleeberg. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1999. 270 S., geb., 39,80 DM.

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