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Die berührende Geschichte zweier jüdischer Freunde im Paris unter der Naziherrschaft. Die Briefe, die Joseph Berg seinem Freund Henri Beck schreibt und die dieser niemals lesen wird, sollen ihn vor dem Vergessenwerden bewahren. Früher wohnten beide in derselben Straße, besuchten dieselbe Schule und hatten dieselben Hobbys. Bis Henri Beck nach den Sommerferien des Jahres 1942 nicht mehr zurückkehrte: Seine Familie wurde im Zuge der großen Juden-Razzia in Paris verhaftet und deportiert.

Produktbeschreibung
Die berührende Geschichte zweier jüdischer Freunde im Paris unter der Naziherrschaft.
Die Briefe, die Joseph Berg seinem Freund Henri Beck schreibt und die dieser niemals lesen wird, sollen ihn vor dem Vergessenwerden bewahren. Früher wohnten beide in derselben Straße, besuchten dieselbe Schule und hatten dieselben Hobbys. Bis Henri Beck nach den Sommerferien des Jahres 1942 nicht mehr zurückkehrte: Seine Familie wurde im Zuge der großen Juden-Razzia in Paris verhaftet und deportiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2000

Notwendige Briefe an den toten Freund
Mit seinem Roman „Berg und Beck” gedenkt Robert Bober der Kinder der Shoah
Der Genozid, das Faktum der systematischen Judenvernichtung, ist omnipräsent im Denken, Filmen und Schreiben des 1931 in Berlin geborenen und seit mehr als sechs Jahrzehnten in Paris lebenden Regisseurs und Autors Robert Bober. Als Schneider, Töpfer und Erzieher hat er sich in Frankreich nach dem Krieg aller Kriege durchgebracht. Als Regieassistent wurde er für François Truffaut unentbehrlich, bevor er selbst zahlreiche eigene Filme, Dokumente mahnender Trauer, vorlegte. So etwa in Zusammenarbeit mit Georges Perec die Récits d’Ellis Island”, erschütternde szenische Scherenschnitte über die Einwandererinsel im Hafen von New York. Gedreht immer mit dem Blick zurück auf ein Grauen, das sich kontinuierlicher Bildstrategie entzieht.
Auch als Erzähler hält Bober nicht viel von linearer Schlüssigkeit. Die Hybris all jener, die, oft guten Willens, ein Mammut-Panorama des Holocaust versucht haben, ist dem Sohn gerade noch entkommener polnisch-jüdischer Eltern fremd. In seinem ersten Roman „Was gibt’s Neues vom Krieg?” hat er verdeutlicht, dass es den großen globalen Überblick über die Folgen des deutschen Vernichtungswahns nicht geben kann. Aus kleinen, nur scheinbar alltäglichen Episoden in einer Pariser Schneiderei fügte sich sein erstes Buch zusammen, wobei die Nahtstellen unsichtbar blieben, das entsetzlich Verbindende zwischen den gerade zurückgekehrten „Deportierten” nur an kleinen Gesten der Scheu und des Erschreckens spürbar wurde.
Mit höchst sensibler, immer maßvoller Besonnenheit umkreist Bober nun in seinem zweiten Roman „Berg und Beck” eine bis heute nicht hinreichend aufgefächerte Problematik: die der geretteten Kinder all jener, die aus dem konzentrierten Inferno deutscher Lager nicht mehr zurückkamen. Die einfach für immer verschwanden, von denen man nicht mehr sprach und die nur noch ihren bis zur Stummheit traumatisierten Söhnen und Töchtern fehlten. Noch immer fehlen, selbst wenn diese Nachkommen heute auch schon sogenannte ältere Menschen sind. Sie leben mitten unter uns, soweit sie unser Land für bewohnbar, lebbar halten. Und sie leben im Frankreich der damals massiven Kollaboration, wo sie auch kaum einer fragt, wie sie eigentlich eine vor ihrem psychischen Leiden eher gleichgültigen Welt durchstehen.
Der Erinnerung an ihre qualvolle Kinder- und Jugendzeit hat Robert Bober sein neues Buch ebenso gewidmet wie ihren für immer abwesenden Eltern. Wie, so fragt dieser sympathetische Psychologe, vermochten diese kleinen Waisen wieder ins normale, geregelte Leben zurückzufinden? Ohne Pathos und Effekthascherei erzählt er die Geschichten einiger dieser ganz auf ihre Einsamkeit und ihren Schmerz konzentrierten jugendlichen Hinterbliebenen. Das heißt: Er lässt sie von dem 20-jährigen Joseph Berg berichten. Nun, 1951, ist der vom Holocaust verschonte Sohn eines Schusters aus dem 13. Pariser Arrondissement Betreuer im jüdischen Waisenhaus von Andrésy. Und er beschreibt seine Erfahrungen mit dessen verstörten, ja psychisch gestörten Insassen in Briefen an seinen engsten Freund Henri Beck, mit dem er bis zum Juli 1942 in die Volksschule auf der Buttes-aux-Cailles gegangen ist. Sie, die beiden besten Schüler der Klasse, mussten den gelben Stern tragen, gemeinsam lasen sie Tom Sawyers Abenteuer”, gemeinsam verfolgten sie die Radrennen im Vel’d’Hiv. Ausgerechnet dort wird Henri mit seiner Familie bei der großen Juden-Razzia vom 16. Juli 1942 zusammengetrieben und deportiert: „Für Henri Beck gab es nie mehr einen Schulanfang. Seine Abwesenheit wurde nicht bemerkt . . . man sprach nicht von ihm. ”
Weiter schreiben
Henri wird Josephs Briefe nie lesen können, aber Joseph „muss” einfach „weiter schreiben”. Denn „so wird die Geschichte Dich nicht entbehren müssen, nur weil Du nicht antworten wirst”. Gegen die Abwesenheit des Freundes anschreibend, erhält Joseph den Toten in lebendiger Erinnerung, löst er ihn aus dem Nichts des Vergessens heraus. Wer auch könnte das Verhalten der „schwierigen Kinder” im Heim besser verstehen als Henri, das Kind, das den Schreckensweg ins Lager bis zur Vernichtung gehen musste. Ihm vertraut Joseph die fast unüberwindlichen Probleme an, vor die ihn seine ins Leben zurückgeführten Zöglinge stellen, denen er „beim Wachsen helfen” möchte.
Da ist das Mädchen Laura, das „eine Erwachsene aus ihrer Puppe gemacht hat”. Falten hat sie dem Spielzeug ins Gesicht gemalt. Nie sah man das Kind ohne seine Puppe. Immer wieder versuchte es, „sich in deren Arme zu schmiegen, um zu spüren, wie es ist, in den Armen einer Mutter zu liegen”. Mit delikater Zärtlichkeit begleitet Joseph die Kinder, „die für sich allein weinen”, um ihre Verlassenheit zu lindern, die sich oft in „einer Art Wahnsinn äußert”. So bei dem Jungen, der das Auto seines borniert schmerzfernen, des Mitleids unfähigen Onkels mit Kot verschmiert. Oder bei Nathan, der das Schaufenster des Schuhgeschäfts einer Verwandten am Boulevard Magenta mit „einem Berg von Schuhen wie auf den 1945 in Auschwitz aufgenommenen Photos” dekoriert und so „mit einer unglaublichen, quälenden Sorgfalt den Tod in dem Laden deponiert”.
In immer maßvollen, oft stockendem Ton lässt der Erzähler den toten Freund teilhaben an seinen mühevollen Versuchen, das Vertrauen der vom Grauen zerrütteten Kinder zu gewinnen. Am schwersten fällt ihm das mit Marcel, der im Warschauer Getto und dann in Auschwitz war und nun „vor niemandem mehr Angst hat”. Weil er im Lager beschlossen hatte, „nie mehr auf der Seite der Opfer zu stehen”. Und das lässt er die von ihm tyrannisierten Heimgefährten brutal spüren: „In Auschwitz war ich frei. Da durfte ich die Hunde auf die Juden hetzen. ” Am Ende aber darf Joseph erleben, dass eben dieser zu einem kleinen Quäler pervertierte Junge mit dem „schrecklich verstümmelten, wie zerrissenen linken Arm” nach Polen zu seiner Mutter zurückkehrt. Wahrscheinlich, „weil er mit seiner Rückkehr etwas wiederfinden wollte, was es früher gegeben hatte, etwas, was er erlebt hatte, bevor der ganze Rest passiert ist”.
Eine stille, fast schamvolle Zuversicht zeichnet dieses kleine und doch so schwerwiegende Buch über die Dringlichkeit des Mitfühlens und -helfens aus. Sein ruhiges und unbeirrtes Plädoyer gegen das allgemeine Vergessen und für ein Leben in Menschlichkeit schlägt eine Brücke über die Abgründe der Shoah, ohne diese zu verdecken. Denn sie uns vor Augen zu halten, bleibt Verpflichtung. Der Blick auf die chaotisch wunde Welt der einst jungen, gerade noch mit dem Leben Davongekommenen, ist weiterhin notwendig, damit wir nicht vorschnell glauben, unsere Welt sei längst wieder in Ordnung, wieder normal geworden.
Robert Bober gehört zu den wichtigsten, weil überzeugendsten Vertretern einer Erinnerungsliteratur, die wissend von der anhaltend großen Trauer spricht, die die Schreie der Opfer und ihrer Kinder nicht verdrängt und die bei aller Melancholie dennoch die Hoffnung auf ein zwar „schwieriges, aber erfülltes Leben” für die Traumatisierten nicht preisgibt. Dank auch dem Übersetzer Tobias Scheffel, der das poetische Filigran dieses sanften Anwalts selbstverständlicher Mitmenschlichkeit so tief mitschwingend ins Deutsche hineingetragen hat.
UTE STEMPEL
ROBERT BOBER: Berg und Beck. Roman. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel. Verlag Antje Kunstmann, München 2000. 184 Seiten, 32 Mark.
Robert Bober stellt seinen Roman morgen in der Münchner Buchhandlung Dichtung & Wahrheit (Burgstr. 2) vor. Moderation und Lesung des deutschen Textes: Lothar Baier. Beginn: 20. 30 Uhr.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2000

Verwirrte Schuhe
Robert Bober sammelt unvergessliche Erinnerungen

Während die Wiener Philharmoniker sich darauf vorbereiten, 55 Jahre nach der Befreiung im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Beethovens "Neunte" zu spielen, und in Berlin das umstrittene Holocaust-Mahnmal noch immer nicht gebaut ist, erscheint in Frankreich ein schmales Buch, das uns mehr über die Erinnerung an die Shoah lehrt als alle Museen und Mahnmale zusammen. Es handelt von Kindern, die die Vernichtung überlebt haben und auf ihre Weise versuchen, mit der Last der Erinnerung fertig zu werden. Manche ihrer Geschichten sind so unglaublich, dass man sie einem anderen als Robert Bober kaum abnehmen würde.

Doch Robert Bober, 1931 in Berlin geboren und heute in Paris lebend, ist selbst einer, der davongekommen ist. Am Ende des Krieges war er vierzehn Jahre alt. Er weiß, wovon er redet und wie wichtig diese Geschichten sind, die Kinder wie Erwachsene über Krieg und Verfolgung hinweggerettet haben. Denn sie sind oftmals das Einzige, was die Überlebenden ihr Eigen nennen: das Einzige, was ihnen sagt, dass sie überhaupt existieren.

Schon in seinem ersten Buch, "Was gibt's Neues vom Krieg?", hatte er im Mikrokosmos einer Pariser Damenschneiderei Menschen versammelt, die sich an ihre Geschichten klammerten wie an ein Stück Treibholz auf offener See. Mit seinem neuen Roman nun, "Berg und Beck", entführt er uns wieder in eine solche geschlossene Welt. Diesmal sind es jene französischen Kinderheime, die nach dem Krieg jüdische Kinder aufnahmen, um sie auf ein Leben nach dem Überleben vorzubereiten. Joseph Berg, einer ihrer jugendlichen Betreuer, erzählt uns ihre Geschichten. Auch er ist ein Überlebender. Seine Familie ist, anders als die seines Schulfreundes Henri Beck, den deutschen Judenrazzien in Paris entkommen. Er erzählt, "um die Zeit wieder zu finden, als Henri Beck noch da war". Und er schreibt Briefe, Briefe an den toten Freund: "Beck hat nur noch einen Namen. Beck ist jetzt nur noch der, dem ich schreibe." Briefe sind Erinnerungen in schriftlicher Form. Sie halten die Toten lebendig.

Das wissen auch die Kinder, von denen uns Joseph Berg erzählt. Jedes bewahrt Gegenstände auf, die an Verlorenes erinnern: ein leeres Blatt Papier, das der ältere Bruder einmal geschickt hatte, eine Puppe, die eine Art Mutterersatz darstellt. Jedes tut auf seine Weise Dinge, die Unbewältigtes verarbeiten helfen: Laura malt Punkte auf ein Blatt Papier, die niemand zu deuten weiß, bis sich herausstellt, dass sie für Orte wie Bergen-Belsen, Ravensbrück oder Sobibor stehen. Nathan schichtet im Schaufenster seines Onkels Schuhe aufeinander, wie er es auf Bildern aus Auschwitz gesehen hat.

Es sind schwierige Kinder, die da im Waisenhaus von Ambésy zusammengefunden haben. Obwohl sie ausgelassen sein können wie andere Kinder, tragen sie ein Wissen mit sich herum, das umso schwerer wiegt, als sie es nicht in Worte fassen können. Sie haben nur Tränen, um sich auszudrücken, und jene befremdlichen, bisweilen destruktiven Verhaltensweisen, deren Bedeutung sich den Erwachsenen nur durch Zufall enthüllt. Man müsste viel von ihnen wissen, um sie zu verstehen; aber sie können nicht sagen, was sie wissen.

Robert Bober setzt ihnen mit seinem Buch ein kleines Denkmal. Wir erfahren nicht, was aus diesen Kindern geworden ist. Es gibt sie nur, weil einer über sie schreibt, leicht, fast beiläufig und mit jener Zärtlichkeit, wie wir sie schon aus Bobers erstem Buch kennen. Bober braucht keine Monumente aus Stein, keine Museen voller schrecklicher Bilder, um zu sagen, was Menschen angetan wurde. Ihm reichen die Worte, ihm genügen Geschichten, um die Erinnerung wach zu halten. In den Geschichten spiegelt sich ein Entsetzen, das unauslöschlich bleibt.

KLARA OBERMÜLLER

Robert Bober: "Berg und Beck". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Tobias Scheffel. Antje Kunstmann Verlag, München 2000. 182 S., geb., 32,- DM.

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