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Mit diesem Buch erscheint europaweit die erste, wissenschaftlich fundierte Biografie des im Juli 2008 verstorbenen polnischen Historikers, Bürgerrechtlers und Außenpolitikers Bronislaw Geremek. Der Blick auf das Lebenswerk dieses leidenschaftlichen Europäers offenbart eine Fülle von Erkenntnissen über die Geschichte des Kommunismus in Polen, den Systemwechsel 1989, die Integration des Landes in die europäischen bzw. transatlantischen Bündnisse und die deutsch-polnischen Beziehungen. Geremek war Träger des Internationalen Karlspreises zu Aachen und des Ordens Pour le Mérite, sprach im Deutschen…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesem Buch erscheint europaweit die erste, wissenschaftlich fundierte Biografie des im Juli 2008 verstorbenen polnischen Historikers, Bürgerrechtlers und Außenpolitikers Bronislaw Geremek. Der Blick auf das Lebenswerk dieses leidenschaftlichen Europäers offenbart eine Fülle von Erkenntnissen über die Geschichte des Kommunismus in Polen, den Systemwechsel 1989, die Integration des Landes in die europäischen bzw. transatlantischen Bündnisse und die deutsch-polnischen Beziehungen. Geremek war Träger des Internationalen Karlspreises zu Aachen und des Ordens Pour le Mérite, sprach im Deutschen Bundestag und zählte führende Politiker sowie Wissenschaftler in ganz Europa und den USA zu seinen Gesprächspartnern.°°In seinem Lebenslauf spiegeln sich die großen Dramen des 20. Jahrhunderts. Als Junge erlebte er die Schrecken des jüdischen Ghettos in Warschau. Später engagierte er sich in den Reihen der Kommunisten für den Wiederaufbau seines Landes, trat aber aus der Partei aus, nachdemdie Armeen des Warschauer Pakts 1968 dem "Prager Frühling" ein Ende bereitet hatten. In den späten 1980er-Jahren war Geremek in der demokratischen Opposition der wichtigste Stratege für einen friedlichen Wechsel vom Kommunismus zu Demokratie und Marktwirtschaft.°°°°Der Autor Reinhold Vetter war im August 1980 während des berühmten Streiks auf der Danziger Lenin-Werft und hat dort Bronislaw Geremek, Tadeusz Mazowiecki und andere intellektuelle Berater des Streikkomitees um Lech Walesa kennengelernt. Mehr als dreißig Jahre lang verfolgte er Geremeks Werdegang. Das Buch basiert auf zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen und intensiven Archivrecherchen in Polen und Deutschland.
Autorenporträt
Reinhold Vetter, geboren 1946; Ingenieur für Vermessungswesen, Studium der Politikwissenschaft und Journalistik; 1984 - 1988 beim WDR-Hörfunk in Köln, 1988 - 1994 ARD-Korrespondent (Hörfunk) in Warschau; Korrespondent des Handelsblattes zunächst in Warschau (1994 - 2000), dann in Budapest (2000 - 2003) und seit 2004 wieder in Warschau. Reinhold Vetter lebt als freier Wissenschaftler und Publizist in Berlin und Warschau mit dem Arbeitsschwerpunkt: Zeitgeschichte, Politik und Wirtschaft in Ostmitteleuropa. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, Aufsätze in Fachzeitschriften und regelmäßige Beiträge für die "Neue Züricher Zeitung".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2014

Revolution
in Polen
Über Bronisław Geremek, den weisen Demokraten
Das Jahr 1989 wird in Deutschland gelegentlich als „deutsche Revolution“ beschrieben. Dass man das annus mirabilis jedoch etwas anders lesen kann, sagte am
4. Juni Barack Obama in seiner Rede in Warschau, die der Berliner Rede Kennedys glich. Es gab zwar keinen Ruf „Ich bin ein Warschauer“, dafür aber die Zusicherung, Polen werde nie wieder von seinen Bündnispartnern im Stich gelassen. Es habe mit der gewaltfreien Revolution der Solidarność das Tor zur Befreiung Ostmitteleuropas vom Kommunismus aufgeschlossen.
  In der europäischen Geschichte steht das Jahr 1989 gewiss in einer Linie mit den Jahren 1789, 1848 und 1917. In dieser ostmitteleuropäischen Revolution, die ohne jakobinischen Terror das Sowjetreich zu Fall brachte, spielte Polen eine herausragende Rolle. Zu Recht gibt Reinhold Vetter seiner exzellent recherchierten Biografie über Bronisław Geremek den Titel „Der Stratege der polnischen Revolution“. Der renommierte Historiker Geremek, der im August 1980 zusammen mit Tadeusz Mazowiecki von den streikenden Werftarbeitern als Berater akzeptiert und in den 80er-Jahren „Außenminister“ der illegalen Solidarność wurde, war einer der führenden Köpfe der politischen Transformation.
  Als langjähriger Polen-Korrespondent und Autor einer Biografie über Lech Wałęsa, den Elektriker der Danziger Lenin-Werft, der 1980 dem Generalstreik vorstand und 1990 Staatspräsident wurde, kennt Reinhold Vetter sein Metier bestens und weiß, dass in Polen mit dem Begriff „Revolution“ recht sparsam umgegangen wird. Dennoch betitelt er seine Geremek-Biografie richtig. Denn an diesem merkwürdigen Lebenslauf lässt sich die Stringenz, Beharrlichkeit und Lernfähigkeit der polnischen Opposition zeigen. Anders als ihre Pendants in der DDR, Ungarn oder der Tschechoslowakei hatte sie es seit dem „Tauwetter“ nach Stalins Tod 1953 – trotz aller Rückschläge und Überwachung – verstanden, sich immer wieder neu zu sammeln und amorphen Protestaufwallungen Form und Strategie zu vermitteln. Dadurch konnte die Solidarność nicht nur den Kriegszustand überstehen, sondern auch eine Grundhaltung entwickeln, die sie zu einer geordneten Machtübernahme im Staat prädestinierte.
  Die polnische Gesellschaft hatte in dieser revolutionären Situation außerordentliches Glück mit ihrer politischen Klasse. Unter den Machthabern fehlte es nicht an Funktionsträgern, die den Systemwandel für unausweichlich hielten. Die katholische Kirche hatte in Gestalt des polnischen Papstes eine vermittelnde Autorität. Und in Lech Wałęsa, Tadeusz Mazowiecki, Bronisław Geremek, Jacek Kuroń, Adam Michnik und vielen anderen standen hervorragende Persönlichkeiten zur Verfügung, die sich in der Phase der massiven Repressalien bewährt hatten und auf Dialog, nicht auf Vergeltung sannen.
  Nur in einem derartigen politischen Biotop konnte die freie Gewerkschaft als eine geordnete Bewegung die Phase der Illegalität überstehen, die Modalitäten der Regierungsübernahme aushandeln, die Wahlen gewinnen und dann das Land friedlich umbauen und außenpolitisch absichern.
  Bronisław Geremek hat diese Strategie der Solidarność jahrelang entscheidend mitentwickelt. Er war kein Jurist oder Politologe, sondern Mediävist – in der Stalinzeit war das Mittelalter für einen Studenten der Geschichte weitgehend frei von ideologischer Überformung. Er stammte aus einer polnisch-jüdischen Familie, floh aus dem Warschauer Ghetto und überlebte bei einem polnischen Beamten, der später seine Mutter heiratete und ihn adoptierte. Auf eine katholische Phase folgte bei dem aufgeweckten Jungen eine kommunistische. Als glänzender Nachwuchswissenschaftler bekam er bereits 1953 Stipendien für Studienaufhalte in Paris und Washington. Nach dem Parteiaustritt näherte er sich der Opposition an. Befreundet mit den Mitgliedern des 1977 entstandenen „Komitees zur Verteidigung der Arbeiter“, war Geremek Spiritus Movens der „Fliegenden Universität“, bei der in Privatwohnungen jenseits der Zensur Vorträge über die heikelsten Themen aus der Geschichte und Politik gehalten wurden. Das Vertrauen, das die robusten Werftarbeiter den Warschauer Intellektuellen entgegenbrachten, ist eines der Phänomene dieser „polnischen Revolution“.
  Den Deutschen wurde Bronisław Geremek als polnischer Außenminister in den Jahren 1997 bis 2000 etwas vertrauter, obwohl er als außenpolitischer Sprecher der Solidarność schon in den 80er-Jahren mit vielen deutschen Politikern in Berührung kam. Mit Joschka Fischer war er befreundet – trotz des Alters- und Erfahrungsunterschieds. Frankreich lag ihm am Herzen. Allerdings hielt er, so Vetter, Frankreich sicherheitspolitisch für einen unsicheren Kantonisten. Sichtlich bewegt unterzeichnete er 1999 in Washington die Urkunde, in der Polen seinen Beitritt zur Nato erklärte.
  Zu Deutschland hatte Geremek aufgrund seiner schrecklichen Kindheitserfahrungen ein zwiespältiges Verhältnis. Lange vermied er, Deutsch in der Öffentlichkeit zu sprechen. Seine intellektuelle und politische Integrität hat er bewiesen, als er im August 1989 im Sejm erklärte, die Deutschen hätten ein Recht auf Wiedervereinigung. Kleinlicher schwarz-roter Filz, empört sich Vetter, habe es 2004 verhindert, dass dieser große Europäer Präsident des Europäischen Parlaments wurde.
  2008 kam Geremek bei einem Autounfall ums Leben. An seinem Sarg sagte Tadeusz Mazowiecki: „Ein Gespräch über dich ist ein Gespräch über Polen.“ Geremek blickte weiter. Zu seinem Sohn hat er kurz vor seinem Tod gesagt: „Die Welt müsste selbstverwaltet sein. Das käme dem Menschen am allernächsten.“
ADAM KRZEMIŃSKI
Reinhold Vetter: Bronisław Geremek. Der Stratege der polnischen Revolution. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2014. 416 Seiten, 37 Euro.
Adam Krzemiński arbeitet u.a. als Kommentator für die polnische Wochenzeitung Polityka .
Die Gewerkschaft Solidarność
stieß auf ein politisches Biotop,
in dem sie sich entfalten konnte
Geremek half, die „Fliegende
Universität“ zu organisieren,
die in Privatwohnungen stattfand
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