Françoise Sagan
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Bonjour tristesse
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Françoise Sagan war erst 19, als sie mit "Bonjour tristesse" die Welt eroberte. Ihr Roman wurde in dutzende Sprachen übersetzt, millionenfach verkauft und verfilmt. Mit großer Treffsicherheit beschreibt sie darin die Befindlichkeiten ihrer jugendlichen Hauptfigur: Cécile ist ein launischer Teenager, scharfsinnig, egoistisch, manipulativ - und dazu verdammt, den Sommer mit ihrem eitlen Vater und seiner jungen, etwas einfältigen Geliebten Elsa in einem Haus an der Côte d'Azur zu verbringen. Zunächst jedoch gelingt es Cécile, die Erwachsenen gegeneinander auszuspielen und den Aufenthalt n...
Françoise Sagan war erst 19, als sie mit "Bonjour tristesse" die Welt eroberte. Ihr Roman wurde in dutzende Sprachen übersetzt, millionenfach verkauft und verfilmt. Mit großer Treffsicherheit beschreibt sie darin die Befindlichkeiten ihrer jugendlichen Hauptfigur: Cécile ist ein launischer Teenager, scharfsinnig, egoistisch, manipulativ - und dazu verdammt, den Sommer mit ihrem eitlen Vater und seiner jungen, etwas einfältigen Geliebten Elsa in einem Haus an der Côte d'Azur zu verbringen. Zunächst jedoch gelingt es Cécile, die Erwachsenen gegeneinander auszuspielen und den Aufenthalt nach ihrem Geschmack zu gestalten: in herrlicher Leichtigkeit und Freizügigkeit. Bis plötzlich die kluge Anne auftaucht, eine Freundin ihrer verstorbenen Mutter, und die sommerliche Idylle mit erzieherischer Strenge zu zerstören droht. Als der Vater Elsa verlässt und Anne heiraten will, schmiedet Cécile einen Plan - mit tragischen Konsequenzen.
¿Françoise Sagan wurde 1935 geboren. Mit knapp neunzehn Jahren schrieb sie in wenigen Wochen ihren ersten Roman: "Bonjour tristesse". Sie erhielt dafür 1954 den Grand Prix des Critiques, wurde auf einen Schlag berühmt und der Roman weltweit zum Bestseller. Neben weiteren Romanen verfasste Sagan zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher. Françoise Sagan starb am 24. September 2004 in Honfleur. Rainer Moritz, 1958 in Heilbronn geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Romanistik. Er arbeitete viele Jahre in Verlagen, zuletzt als Programmgeschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlags, und leitet seit 2005 das Literaturhaus Hamburg. Er ist Literaturkritiker, Übersetzer und Autor zahlreicher Publikationen, 2016 erschien "Der schönste Aufenthalt der Welt. Dichter im Hotel".
Produktdetails
- Verlag: Ullstein HC
- Originaltitel: Bonjour tristesse
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 176
- Erscheinungstermin: 11. August 2017
- Deutsch
- Abmessung: 195mm x 121mm x 25mm
- Gewicht: 307g
- ISBN-13: 9783550081385
- ISBN-10: 3550081383
- Artikelnr.: 48219081
Herstellerkennzeichnung
Ullstein Verlag GmbH
Friedrichstraße 126
10117 Berlin
Info@Ullstein-Buchverlage.de
Schnell lieben, heftig, flüchtig
Der Roman war ein Skandal, das Leben seiner Autorin auch: Jetzt erscheint "Bonjour Tristesse" von Françoise Sagan endlich in einer neuen Übersetzung
Was für ein Buch, immer noch. Oder zum ersten Mal. Oder eben schon wieder, zum zweiten, dritten, vierten Mal. Denn egal, wie oft man "Bonjour Tristesse" liest: Jedes Mal kann man erst einmal nicht fassen, in welchem Ausmaß an diesem Debüt einfach alles stimmt, der Titel, der Stil, der Plot, die kurze Länge, ja selbst der Name der Autorin und ihr Alter: Neunzehn Jahre war Françoise Sagan, als sie es in nur wenigen Wochen schrieb, damals, 1954.
Und wüsste man nicht, dass es vor "Bonjour Tristesse" schon ein paar andere Romane
Der Roman war ein Skandal, das Leben seiner Autorin auch: Jetzt erscheint "Bonjour Tristesse" von Françoise Sagan endlich in einer neuen Übersetzung
Was für ein Buch, immer noch. Oder zum ersten Mal. Oder eben schon wieder, zum zweiten, dritten, vierten Mal. Denn egal, wie oft man "Bonjour Tristesse" liest: Jedes Mal kann man erst einmal nicht fassen, in welchem Ausmaß an diesem Debüt einfach alles stimmt, der Titel, der Stil, der Plot, die kurze Länge, ja selbst der Name der Autorin und ihr Alter: Neunzehn Jahre war Françoise Sagan, als sie es in nur wenigen Wochen schrieb, damals, 1954.
Und wüsste man nicht, dass es vor "Bonjour Tristesse" schon ein paar andere Romane
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gegeben hatte, die in der gleichen Gegend vom gleichen tödlichen Herzschmerz erzählen, "Zärtlich ist die Nacht" von F. Scott Fitzgerald zum Beispiel: Man könnte denken, dass Françoise Sagan die Côte d'Azur überhaupt erst erfunden hat. Ihr Roman war gewissermaßen ein performativer Akt, der eine Welt in die Welt gesetzt hat, indem er sie in Worte fasste.
Eine Welt, nach der sich bis heute vor allem Menschen sehnen, die nicht Franzosen sind: Strand und steile Küstenstraßen, an deren Rändern sich Piniennadeln sammeln, Ferienhäuser am Meer, ausgelegt mit kühlen Fliesen, bevölkert von Männern und Frauen, die schnelle Autos fahren und schwarzen Kaffee und Orangen frühstücken und rauchen, als könnten sie anders nicht atmen. Und die sich umso unglücklicher machen, je schöner sie sind.
Es stimmt natürlich nicht, dass Sagan all das erfunden hätte, im Gegenteil: Sie hat sogar Elemente ihres eigenen, jungen Lebens in der Geschichte von Cécile verarbeitet. Und doch ist die identifikatorische Kraft ihres ersten Romans enorm gewesen, ist es bis heute geblieben: Dieses verzehrende Gefühl, jede Seite, die man gelesen hat, sofort nachleben zu wollen, selbst wenn die Geschichte von "Bonjour Tristesse" die eines unausweichlichen Unglücks ist. Nein, das ist es ja gerade, es ist genau dieses Unglück im Sonnenschein, dass so anziehend wirkt.
"Es war Sommer." Das ist ein typischer Satz aus "Bonjour Tristesse", stilistisch sparsam, setzt er aber mit autoritärer Selbstgewissheit die Szene. "Es war Sommer": In drei Worten ist da auf der dritten Seite des Romans schon alles gesagt, was man wissen muss, geschrieben im Bewusstsein, deswegen auch nicht mehr erklären zu müssen. Sommer, das heißt rechtsfreier Raum, der Mensch noch mal neu, in anderer Temperatur; Sommer, das heißt gefährliche Langeweile, die Wünsche hervorbringt, die man mit kühlerem Kopf vielleicht nicht hätte oder jedenfalls nicht auszuleben wagte.
Im Fall von Cécile ist es der Wunsch nach einem Leben ohne Konsequenz, "schnell lieben, heftig und flüchtig". Sagt sie jedenfalls. Handelt auch danach. Alles ist möglich, keinem tut was weh, jeder ist frei, also lieben wir, so weit wir es damit treiben können. Die Halbwaise Cécile lebt seit zwei Jahren bei ihrem Vater Raymond, die beiden sind über den Sommer am Mittelmeer, irgendwo bei Fréjus, Cécile küsst sich mit Cyril, Raymond hat seine junge Freundin Elsa mitgebracht, aber bald auch Anne eingeladen, die nicht mehr ganz so jung ist, aber von so einer kühlen Schönheit und Klugheit, dass Cécile nicht weiß, ob sie Anne lieben oder fürchten soll. Sie tut beides, und als dann ihr Vater plötzlich verkündet, Anne heiraten zu wollen, inszeniert sie eine Intrige, die tödlich endet.
Aber tut sie das? Inszeniert Cécile, handelt sie? Oder schaut sie sich, blinzelnd durch die Wassertropfen auf ihren Wimpern, Sand auf ihrer Haut, selbst fasziniert nur dabei zu, wie sie Elsa und Cyril benutzt, um Raymond eifersüchtig zu machen, damit der Anne so verletzt, dass sie geht? Sie geht dann für immer. Zurück bleiben der Vater und die Tochter, vereint in ewiger Siebzehnjährigkeit: "Man muss meinen Vater schützen", sagt Cécile irgendwann, "er ist ein großes Kind . . . ein großes Kind."
"Bonjour Tristesse" jetzt noch einmal zu lesen, in der neuen Übersetzung von Rainer Moritz, der zweiten überhaupt nach der ersten von Helga Treichl aus dem Jahr 1955, ist zwar nicht weniger aufwühlend und erregend als beim allerersten Mal. Und doch gibt diese neue Ausgabe einem jetzt auch die Chance, auf all das zu achten, was bislang, im Feuer der Überidentifikation (genauso leben, genauso lieben, Ferien für immer!), keine Rolle spielte. Zum Beispiel: Wer erzählt da eigentlich und von wo und wann aus? Wer schaut zurück auf einen tödlichen Sommer? Ist es Cécile, aber inzwischen so alt wie Cyril, sechsundzwanzig? Oder Cécile, Anfang vierzig wie Anne? Oder noch älter? Ist es der schreibende Versuch, alles noch einmal erleben zu dürfen, oder legt sie Rechenschaft ab?
Sagans Roman gibt wenige direkte Hinweise darauf, "selbst heute noch", heißt es einmal, eine seltene Stelle, "kann ich mich nicht an diese Unsitte der Leute gewöhnen, dass sie einen anstarren, wenn sie mit einem sprechen" - dabei ist die Frage, wer spricht, zentral, um zu verstehen, wie schicksalhaft es war, was da geschah. Verschleiert Cécile, wie bewusst ihr war, was sie tat? Oder versteht sie - "selbst heute noch" - nicht, warum sie damals Schicksal spielte? So explosiv die Lebensfreiheit dieses Romans auch ist, wie explosiv wird sie erst 1954 gewirkt haben, neun Jahre nach dem Krieg, vierzehn vor 1968: "Bonjour Tristesse" ist eine Reflexion über menschliche Freiheit - und zugleich darüber, dass man gar nicht jung genug sein kann, um Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen.
Kann alles so sein. Steht da so zwischen den Zeilen und den Piniennadeln. Aber trotzdem, und das ist das Wunder dieses kurzen Romans und sein großer Reiz, trotzdem liest man ihn, wie man die "Swimming Pool"-Filme mit Alain Delon und Romy Schneider oder Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier anschaut: hingerissen von der Sinnlichkeit, von der kalten Eleganz des Stils, von der kriminellen Energie der Liebe und der Leidenschaft des Egos.
Da gibt es diese atemlos angedeuteten Sexszenen, Cécile und Cyril auf einem Segelboot. Da gibt es Anne, die Cécile eine brennende Zigarette in den Mund steckt. Da gibt es diese Sätze: "Ich bin mir sicher, dass die meisten meiner damaligen Vergnügungen dem Geld zu verdanken waren: das Vergnügen, in einem schnellen Auto zu fahren, ein neues Kleid zu bekommen, Schallplatten zu kaufen, Bücher, Blumen." Oder: "Ich entdeckte das Vergnügen des Küssens. Ich gebe diesen Erinnerungen keine Namen: Jean, Hubert, Jacques. Namen, die allen jungen Mädchen geläufig sind." Oder: "Dieser Sommer hielt mich mit seiner ganzen Wucht im Sand fest, mit schweren Armen und ausgetrocknetem Mund", oder, der herrlichste von allen: "Ich war siebzehn in jenem Sommer und vollkommen glücklich."
Rainer Moritz, der neue, elegante Übersetzer, hat sich entschieden, das letzte Wort des Romans, "Tristesse", mit "Trauer" zu übersetzen, nicht mit "Traurigkeit", wie das Helga Treichl 1955 getan hatte - weil Trauer, wie Moritz, danach befragt, erklärt, "die moralischen Grundfragen des Romans stärker gewichtet, also dem nachträglichen Empfinden Céciles mehr Ernst gibt, als im Wort ,Traurigkeit' steckt." Beide Varianten seien allerdings möglich - und es ist genau dieses Flimmern der Bedeutung, was den Roman so unwiderstehlich macht. Cécile könnte traurig sein, dass dieser Sommer vorbei ist und nie wiederkommt - oder Anne betrauern, die sie letztlich in den Tod getrieben hat, als Komplizin der Lebensgeilheit ihres Vaters, der, weil er ein Mann ist, sich nimmt, was er kriegen kann, wer sollte ihn aufhalten. Cécile hat das auch versucht, aber wie wenig selbstverständlich das für eine junge Frau ist: Auch davon handelt "Bonjour Tristesse".
"Sagans Frauenfiguren Cécile und Anne waren für die fünfziger Jahre ein progressiv-feministischer Beitrag zu einem Wandel des Frauenbildes. Doch an dem Zweifel, Frauen als Männern gleichwertig zu betrachten, hat sich bis heute nichts geändert", schreibt die Schriftstellerin Sybille Berg in ihrem klugen Nachwort, das auch das freie, verschwenderische, schnelle Leben der Autorin Françoise Sagan feiert, die Drogen und Rennwagen liebte und ihrem Sohn nach ihrem Tod 2004 einen ordentlichen Berg Schulden hinterließ. "Egal, ob Frauen humorvoll, kämpferisch, selbstbewusst, mit faktischem Wissen und studiertem Intellekt in Erscheinung treten, es herrscht immer noch großes Befremden, dass sie reden können. Dass sie Ansprüche haben. Der Hass auf Frauen hält sich länger als jede Seuche." Bonjour Tristesse.
TOBIAS RÜTHER
Françoise Sagan: "Bonjour Tristesse". Roman. Aus dem Französischen von Rainer Moritz. Mit einem Nachwort von Sybille Berg. Ullstein, 176 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Welt, nach der sich bis heute vor allem Menschen sehnen, die nicht Franzosen sind: Strand und steile Küstenstraßen, an deren Rändern sich Piniennadeln sammeln, Ferienhäuser am Meer, ausgelegt mit kühlen Fliesen, bevölkert von Männern und Frauen, die schnelle Autos fahren und schwarzen Kaffee und Orangen frühstücken und rauchen, als könnten sie anders nicht atmen. Und die sich umso unglücklicher machen, je schöner sie sind.
Es stimmt natürlich nicht, dass Sagan all das erfunden hätte, im Gegenteil: Sie hat sogar Elemente ihres eigenen, jungen Lebens in der Geschichte von Cécile verarbeitet. Und doch ist die identifikatorische Kraft ihres ersten Romans enorm gewesen, ist es bis heute geblieben: Dieses verzehrende Gefühl, jede Seite, die man gelesen hat, sofort nachleben zu wollen, selbst wenn die Geschichte von "Bonjour Tristesse" die eines unausweichlichen Unglücks ist. Nein, das ist es ja gerade, es ist genau dieses Unglück im Sonnenschein, dass so anziehend wirkt.
"Es war Sommer." Das ist ein typischer Satz aus "Bonjour Tristesse", stilistisch sparsam, setzt er aber mit autoritärer Selbstgewissheit die Szene. "Es war Sommer": In drei Worten ist da auf der dritten Seite des Romans schon alles gesagt, was man wissen muss, geschrieben im Bewusstsein, deswegen auch nicht mehr erklären zu müssen. Sommer, das heißt rechtsfreier Raum, der Mensch noch mal neu, in anderer Temperatur; Sommer, das heißt gefährliche Langeweile, die Wünsche hervorbringt, die man mit kühlerem Kopf vielleicht nicht hätte oder jedenfalls nicht auszuleben wagte.
Im Fall von Cécile ist es der Wunsch nach einem Leben ohne Konsequenz, "schnell lieben, heftig und flüchtig". Sagt sie jedenfalls. Handelt auch danach. Alles ist möglich, keinem tut was weh, jeder ist frei, also lieben wir, so weit wir es damit treiben können. Die Halbwaise Cécile lebt seit zwei Jahren bei ihrem Vater Raymond, die beiden sind über den Sommer am Mittelmeer, irgendwo bei Fréjus, Cécile küsst sich mit Cyril, Raymond hat seine junge Freundin Elsa mitgebracht, aber bald auch Anne eingeladen, die nicht mehr ganz so jung ist, aber von so einer kühlen Schönheit und Klugheit, dass Cécile nicht weiß, ob sie Anne lieben oder fürchten soll. Sie tut beides, und als dann ihr Vater plötzlich verkündet, Anne heiraten zu wollen, inszeniert sie eine Intrige, die tödlich endet.
Aber tut sie das? Inszeniert Cécile, handelt sie? Oder schaut sie sich, blinzelnd durch die Wassertropfen auf ihren Wimpern, Sand auf ihrer Haut, selbst fasziniert nur dabei zu, wie sie Elsa und Cyril benutzt, um Raymond eifersüchtig zu machen, damit der Anne so verletzt, dass sie geht? Sie geht dann für immer. Zurück bleiben der Vater und die Tochter, vereint in ewiger Siebzehnjährigkeit: "Man muss meinen Vater schützen", sagt Cécile irgendwann, "er ist ein großes Kind . . . ein großes Kind."
"Bonjour Tristesse" jetzt noch einmal zu lesen, in der neuen Übersetzung von Rainer Moritz, der zweiten überhaupt nach der ersten von Helga Treichl aus dem Jahr 1955, ist zwar nicht weniger aufwühlend und erregend als beim allerersten Mal. Und doch gibt diese neue Ausgabe einem jetzt auch die Chance, auf all das zu achten, was bislang, im Feuer der Überidentifikation (genauso leben, genauso lieben, Ferien für immer!), keine Rolle spielte. Zum Beispiel: Wer erzählt da eigentlich und von wo und wann aus? Wer schaut zurück auf einen tödlichen Sommer? Ist es Cécile, aber inzwischen so alt wie Cyril, sechsundzwanzig? Oder Cécile, Anfang vierzig wie Anne? Oder noch älter? Ist es der schreibende Versuch, alles noch einmal erleben zu dürfen, oder legt sie Rechenschaft ab?
Sagans Roman gibt wenige direkte Hinweise darauf, "selbst heute noch", heißt es einmal, eine seltene Stelle, "kann ich mich nicht an diese Unsitte der Leute gewöhnen, dass sie einen anstarren, wenn sie mit einem sprechen" - dabei ist die Frage, wer spricht, zentral, um zu verstehen, wie schicksalhaft es war, was da geschah. Verschleiert Cécile, wie bewusst ihr war, was sie tat? Oder versteht sie - "selbst heute noch" - nicht, warum sie damals Schicksal spielte? So explosiv die Lebensfreiheit dieses Romans auch ist, wie explosiv wird sie erst 1954 gewirkt haben, neun Jahre nach dem Krieg, vierzehn vor 1968: "Bonjour Tristesse" ist eine Reflexion über menschliche Freiheit - und zugleich darüber, dass man gar nicht jung genug sein kann, um Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen.
Kann alles so sein. Steht da so zwischen den Zeilen und den Piniennadeln. Aber trotzdem, und das ist das Wunder dieses kurzen Romans und sein großer Reiz, trotzdem liest man ihn, wie man die "Swimming Pool"-Filme mit Alain Delon und Romy Schneider oder Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier anschaut: hingerissen von der Sinnlichkeit, von der kalten Eleganz des Stils, von der kriminellen Energie der Liebe und der Leidenschaft des Egos.
Da gibt es diese atemlos angedeuteten Sexszenen, Cécile und Cyril auf einem Segelboot. Da gibt es Anne, die Cécile eine brennende Zigarette in den Mund steckt. Da gibt es diese Sätze: "Ich bin mir sicher, dass die meisten meiner damaligen Vergnügungen dem Geld zu verdanken waren: das Vergnügen, in einem schnellen Auto zu fahren, ein neues Kleid zu bekommen, Schallplatten zu kaufen, Bücher, Blumen." Oder: "Ich entdeckte das Vergnügen des Küssens. Ich gebe diesen Erinnerungen keine Namen: Jean, Hubert, Jacques. Namen, die allen jungen Mädchen geläufig sind." Oder: "Dieser Sommer hielt mich mit seiner ganzen Wucht im Sand fest, mit schweren Armen und ausgetrocknetem Mund", oder, der herrlichste von allen: "Ich war siebzehn in jenem Sommer und vollkommen glücklich."
Rainer Moritz, der neue, elegante Übersetzer, hat sich entschieden, das letzte Wort des Romans, "Tristesse", mit "Trauer" zu übersetzen, nicht mit "Traurigkeit", wie das Helga Treichl 1955 getan hatte - weil Trauer, wie Moritz, danach befragt, erklärt, "die moralischen Grundfragen des Romans stärker gewichtet, also dem nachträglichen Empfinden Céciles mehr Ernst gibt, als im Wort ,Traurigkeit' steckt." Beide Varianten seien allerdings möglich - und es ist genau dieses Flimmern der Bedeutung, was den Roman so unwiderstehlich macht. Cécile könnte traurig sein, dass dieser Sommer vorbei ist und nie wiederkommt - oder Anne betrauern, die sie letztlich in den Tod getrieben hat, als Komplizin der Lebensgeilheit ihres Vaters, der, weil er ein Mann ist, sich nimmt, was er kriegen kann, wer sollte ihn aufhalten. Cécile hat das auch versucht, aber wie wenig selbstverständlich das für eine junge Frau ist: Auch davon handelt "Bonjour Tristesse".
"Sagans Frauenfiguren Cécile und Anne waren für die fünfziger Jahre ein progressiv-feministischer Beitrag zu einem Wandel des Frauenbildes. Doch an dem Zweifel, Frauen als Männern gleichwertig zu betrachten, hat sich bis heute nichts geändert", schreibt die Schriftstellerin Sybille Berg in ihrem klugen Nachwort, das auch das freie, verschwenderische, schnelle Leben der Autorin Françoise Sagan feiert, die Drogen und Rennwagen liebte und ihrem Sohn nach ihrem Tod 2004 einen ordentlichen Berg Schulden hinterließ. "Egal, ob Frauen humorvoll, kämpferisch, selbstbewusst, mit faktischem Wissen und studiertem Intellekt in Erscheinung treten, es herrscht immer noch großes Befremden, dass sie reden können. Dass sie Ansprüche haben. Der Hass auf Frauen hält sich länger als jede Seuche." Bonjour Tristesse.
TOBIAS RÜTHER
Françoise Sagan: "Bonjour Tristesse". Roman. Aus dem Französischen von Rainer Moritz. Mit einem Nachwort von Sybille Berg. Ullstein, 176 Seiten, 18 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Georg Klein nimmt Rainer Moritzs Neuübersetzung von Francois Sagans schmalem Frühwerk von 1954 zum Anlass, um über die Freuden der Reichen und die Bedeutung des Wörtchens "Tristesse" nachzusinnen. Daran dass der Roman U-Literatur ist, hat er allerdings keinen Zweifel, selbst wenn ihn die frühe Seelenkenntnis der Autorin und ihr "subtil süffiger" Psychologismus nach wie vor beeindrucken.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Rezensionen "So hübsch kurz, so hübsch spannend, so hübsch übersichtlich, so hübsch empfunden, so hübsch gescheit - so hübsch, so hübsch. Und doch nicht süß, kein Kitsch, nur manchmal simpel, sehr psychologisch, instinktsicher, modernes Sujet, uralter Konflikt. Leicht und sicher erzählt. So menschlich proportioniert." (Thilo Koch, Die Zeit) Atemlos zu lesen, angesichts der verhandelten immer nahegehenden Themen Freiheit und Herzschmerz, atemlos angesichts der kühlen Perfektion des Textes in Stil, Aufbau und Sprache. (Tobias Rüther, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) Sagans subtil süffiger Psychologismus beeindruckt (Georg Klein, Süddeutsche Zeitung)
Eine Stilistin der Einsamkeit
Aus dem umfangreichen Œuvre der französischen Bestseller-Autorin Françoise Sagan ragt der Roman «Bonjour tristesse» besonders hervor. Ihr Erstling von 1954, den sie als siebzehnjährige Studentin in nur sieben Wochen geschrieben hat, …
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Eine Stilistin der Einsamkeit
Aus dem umfangreichen Œuvre der französischen Bestseller-Autorin Françoise Sagan ragt der Roman «Bonjour tristesse» besonders hervor. Ihr Erstling von 1954, den sie als siebzehnjährige Studentin in nur sieben Wochen geschrieben hat, ist nicht nur ihr erfolgreichstes, der Roman ist auch ihr bekanntestes Werk. In einer «Le Monde» Umfrage von 1999 nach dem besten Buch des Jahrhunderts liegt es auf Platz 41 der Bücher, die den 17.000 beteiligten Lesern im Gedächtnis haften geblieben sind. Man glaubt es kaum, dass dieser vielfach ausgezeichnete, millionenfach verkaufte, in viele Sprachen übersetzte und 1958 von Otto Preminger verfilmte Roman damals wegen seiner Unmoral heftiger Kritik ausgesetzt war, er verstieß gegen die drögen Moralvorstellungen konservativer Kreise in diesem katholisch geprägten Land.
«Ich zögere, diesem fremden Gefühl, dessen sanfter Schmerz mich bedrückt, seinen schönen und ernsten Namen zu geben: Traurigkeit». Der erste Satz enthält auch hier, wenn man Edgar Allan Poe folgt, schon die Quintessenz der erzählten Geschichte. Dem sorglosen Leben der 17jährigen Cécile, die mit ihrem Vater und dessen junger Gespielin Elsa unbeschwerte Sommerferien an der Cote d’Azur verbringt, droht ein jähes Ende, als plötzlich Anne auftaucht, eine Freundin der vor fünfzehn Jahren verstorbenen Mutter, die erfolgreich ihren Vater bezirzt. Spontane Heiratspläne der beiden Vierzigjährigen verändern schlagartig das bisherige dolce far niente, entfremden sie ihrem eine neue Ehe bisher strikt ablehnendem Vater, beenden auch abrupt das vertrauensvoll kumpelhafte Einverständnis zwischen ihnen, - Cécile ist unendlich traurig.
Aber sie ersinnt eine List, um die drohende Eheschließung zu verhindern, wobei die schmählich abservierte Elsa und der von Anne aus dem Haus verbannte, deutlich ältere Jurastudent Cyril, Céciles erste Liebe, bei dem sie gleich auch ihre Jungfräulichkeit verliert, die entscheidende Rolle übernehmen. Sie geben sich nämlich als verliebtes Paar aus, um Eifersucht und den Jagdinstinkt des casanovagleichen Vaters zu wecken. Der Frauenheld fällt auch prompt darauf herein und löst damit ungewollt ein dramatisches Finale aus. In Paris dann scheint das unbeschwerte Leben von Vater und Tochter weiterzugehen, alles ist wie früher, wären da nicht die nächtlichen Erinnerungen an diesen Sommer, bei denen etwas in Cécile aufsteigt, wie es im letzten Satz heißt, «das ich mit geschlossenen Augen empfange und bei seinem Namen nenne: Traurigkeit – komm, Traurigkeit». Ihr schlechtes Gewissen wird sie nun wohl ihr Leben lang begleiten, - vergleichbar perfide ist übrigens der intrigante jugendliche Held im deutlich amüsanteren Roman «Lob der Stiefmutter» von Mario Vargas Llosa mit gleicher Thematik.
Es ist die federleichte Sprache, in der diese melancholische Geschichte erzählt wird, aus einer fast noch kindlich naiven Perspektive der völligen Sorglosigkeit heraus, die ich besonders beeindruckend fand. Das Einfühlungsvermögen der Autorin in ihre damals gleichaltrige Protagonistin ist jedenfalls erstaunlich. Françoise Sagan zeichnet in kurzen Sätzen mit einfachen Worten, darin Hemingway ähnelnd, treffsicher ein psychologisch glaubwürdiges Bild ihrer sympathischen Romanfigur, deren entwaffnende Naivität ihre rücksichtslos egoistischen Ziele derart übertüncht, dass man ihr alles verzeiht als Leser. Der existentialistische Roman ist Ausdruck eines Lebensgefühls, welches die als «Stilistin der Einsamkeit» apostrophierte Schriftstellerin wie kein anderer mehrfach in ihren Werken beschrieben hat. Ihre von keinen Geldsorgen geplagten Figuren gehören der «armen, abgestumpften Rasse der Genussmenschen» an, wie es im Roman heißt, die damals, anders als in der Spaßgesellschaft unserer Tage, noch nicht derart dominant war. Insoweit ist «Bonjour tristesse» auch das Zeitzeugnis einer vergangenen Epoche, der schmale Band gehört ohne Zweifel zu den immer noch lesenswerten Klassikern der Weltliteratur.
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Ich kannte weder die Autorin noch die Geschichte und war gespannt wie das dünne Büchlein sein wird, da es sehr viele positive Bewertungen und begeisterte Meinungen darüber gab.
Nachdem ich es gelesen habe, muss ich zugeben, dass ich mich nicht so ganz dem Jubel anschließen …
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Ich kannte weder die Autorin noch die Geschichte und war gespannt wie das dünne Büchlein sein wird, da es sehr viele positive Bewertungen und begeisterte Meinungen darüber gab.
Nachdem ich es gelesen habe, muss ich zugeben, dass ich mich nicht so ganz dem Jubel anschließen kann. Mich hat die Geschichte leider nicht so berührt und eingefangen. Cécile fand ich leider wenig symphatisch. Dafür fand ich Anne interessant, wenn auch unnahbar und gelegentlich herrisch. Genau das Gegenteil von Cécile und ihrem Vater, die so gern einfach in den Tag lebten und ihre exzentrische Ader ausleben wollten. Die wechselhafte Beziehung zwischen Anne und Cècile waren für mich das Interessanteste an dieser Geschichte. Beide Personen konnte man irgendwie nicht greifen und einordnen, beide hatten ihre hellen und dunklen Seiten, die einmal den Leser abstießen oder anzogen.
Grundsätzlich hat bei mir Céciles Art, wie sie mit ihren Mitmenschen spielte, sie manipulierte und für ihre Zwecke einsetzte, eher für Ablehnung als für Begeisterung gesorgt.
Nach dem Lesen war tatsächlich eine gewisse tristesse (Traurigkeit) vorhanden, die bei mir durch die letzten Seiten hervorgerufen worden, aber die große Begeisterung für dieses Buch blieb bei mir leider aus.
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