Sibylle Lewitscharoff
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Apostoloff
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Zwei Schwestern, unterwegs im heutigen Bulgarien. Auf der ersten Hälfte ihrer Reise waren sie Teil eines prächtigen Limousinenkonvois, der die Leichen von 19 Exilbulgaren - in den Vierzigern von Sofia nach Stuttgart ausgewandert - in ihre alte Heimat überführte. Darunter der frühverstorbene Vater der Schwestern. Jetzt sind sie Touristinnen, chauffiert vom langmütigen Rumen Apostoloff. Er möchte den beiden die Schätze seines Landes zeigen, aber für seine Vermittlungsversuche zwischen Sofia und Stuttgart zeigen die Schwestern wenig Sinn.
Zwei Schwestern, ein Fahrer: Ihre Reise durch Bulgarien wird zur rabenschwarzen, erzkomischen Abrechnung mit dem Vater und seinem Land.Preis der Leipziger Buchmesse 2009
Zwei Schwestern, ein Fahrer: Ihre Reise durch Bulgarien wird zur rabenschwarzen, erzkomischen Abrechnung mit dem Vater und seinem Land.Preis der Leipziger Buchmesse 2009
Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, veröffentlichte Radiofeatures, Hörspiele, Essays und Romane. Für Pong erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Roman Apostoloff wurde 2009 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. 2013 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Ihr erstes Theaterstück, Vor dem Gericht , wurde 2012 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. Lewitscharoff war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Berliner Akademie der Künste. Sibylle Lewitscharoff verstarb am 14. Mai 2023 im Alter von 69 Jahren in Berlin.

Produktdetails
- suhrkamp taschenbuch 4180
- Verlag: Suhrkamp
- Artikelnr. des Verlages: 46180, ST 4180
- 7. Aufl.
- Seitenzahl: 248
- Erscheinungstermin: September 2010
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 118mm x 27mm
- Gewicht: 266g
- ISBN-13: 9783518461808
- ISBN-10: 351846180X
- Artikelnr.: 27942263
Herstellerkennzeichnung
Suhrkamp Verlag
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
»Die glanzvollste Stilistin der deutschen Gegenwartsliteratur lässt eine Suada gegen Bulgarien los.« Tilman Krause DIE WELT 20090916
Lewitscharoff hat eine eigene, einzigartige Sprache entwickelt, die bis an die Grenzen dessen geht, in Schönheit und Ausdruckskraft, was man auf Deutsch überhaupt ausdrücken kann.
Wenn es nur auf die Form ankäme, und wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich Apostoloff noch einmal lesen. Weil Frau Lewitscharoff viele kleine und größere sprachliche Leckerbissen in ihre Erzählung eingestreut hat. Darunter die Beschreibung der Zwillinge Wolfi und …
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Wenn es nur auf die Form ankäme, und wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich Apostoloff noch einmal lesen. Weil Frau Lewitscharoff viele kleine und größere sprachliche Leckerbissen in ihre Erzählung eingestreut hat. Darunter die Beschreibung der Zwillinge Wolfi und Marco. Oder "die frisch geschlüpfte Geldgeneration" und "spatelförmige Nägel der parfümierten Sommerkellnerinnen". Frau Lewitscharoffs Spott ist gnadenlos, aber völlig in Ordnung. In dieser Hinsicht gibt es wenige, die ihr das Wasser reichen können. Auch nicht Eva Menasse, die in ähnlicher Absicht unterwegs ist. Allerdings erliegt auch Frau Lewitscharoff , leider, wie ihre Schriftsteller-Kolleginnen, nicht selten der Krankheit der sinnlosen Wort-Spielereien. "Dreck, Zwingdreck, Kraftdreck, Volldreck" habe ich stellvertretend für viele herausgegriffen, mit der sie die überwiegend monströse Denkmalkultur in Bulgarien zu geißeln versucht. Das sind nichts anderes als Zeilenfüller, in meinen Augen, das hätte sie nicht nötig. Sei's drum, es schmälert nicht den Wert der geglückten Szenen, wohl aber den Wert des Buches im ganzen.
Wenn es nur auf den Inhalt ankäme, und wiederum ich entscheiden dürfte, würde ich Apostoloff keinesfalls ein zweites Mal lesen. Schon beim ersten Mal hatte ich Mühe, bis zum Ende zu kommen. Die Exhumierung der Exilanten, davon betroffen vor allem der Vater, mit dem sie ganz offensichtlich Liebe und Haß verbindet; der sich dahin schleppende Konvoi; die endgültige (?) Bestattung in Bulgarien − all das ist an den Haaren herbeigezogen. Die Erzählung sagt mir wenig, sie bewegt mich nicht. Frau Lewitscharoff hat ihre Geschichte erfunden, um ein Buch zu schreiben. Besser anders herum: sie hätte ein Buch erfunden, um ihre Geschichte zu schreiben.
Aber ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Auch wenn ich die Geschichte für mißglückt halte, so enthält sie doch einige schöne Szenen, die ich nicht vergessen werde. Dazu gehört, wenn die kleine Sybille dem Vater die Zeitung vorliest und noch gar nicht lesen kann. Das Bild ist so schön, das läßt sogar das Gift vergessen, das sie von Anfang bis zum Ende über den Vater ausgießt, was nicht völlig abwegig erscheint, wenn er nach der Devise "Bitte mich zu entbehren", wie im Buch angegeben, sich aus dem Leben stiehlt. Angemerkt: die Geschichte mit ihren Eltern ist ganz und gar nicht "erzkomisch", wie das der lächerliche Klappentext des Buches verzeichnet, sondern im Grunde ziemlich ernst und traurig.
Wenn Frau Lewitscharoff ihre Messer an unserer Gegenwart wetzen und dabei auch die Dirigenten nicht verschonen würde, unter denen wir alle leiden, das wäre doch was. Wir brauchen ihre Fantasie, ihren Witz, Ernst und Mut für Kolumnen, die aus der Reihe tanzen. Vielleicht schreibt sie schon daran. Ich jedenfalls wünschte es mir.
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Ihr könnt mich mal kreuzweise
In ihrem vierten, 2009 erschienenen Roman «Apostoloff» hat Sibylle Lewitscharoff eine Karikatur ihrer selbst als Ich-Erzählerin erschaffen, deren an Thomas Bernhard erinnernde Hasstiraden dem Lande gelten, in dem sie durch ihren bulgarischen …
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Ihr könnt mich mal kreuzweise
In ihrem vierten, 2009 erschienenen Roman «Apostoloff» hat Sibylle Lewitscharoff eine Karikatur ihrer selbst als Ich-Erzählerin erschaffen, deren an Thomas Bernhard erinnernde Hasstiraden dem Lande gelten, in dem sie durch ihren bulgarischen Vater zumindest teilweise selbst verwurzelt ist. Vier Jahre später erhielt sie den Büchnerpreis, weil sie «in ihren Romanen mit unerschöpflicher Beobachtungsenergie, erzählerischer Phantasie und sprachlicher Erfindungskraft die Grenzen dessen, was wir für unsere Wirklichkeit halten, neu erkundet und in Frage stellt», wie die Jury ihre Wahl begründete. Spätestens seit dem Eklat, den im Jahr darauf ihre Dresdner Rede ausgelöst hat, ist sie als streitbare Schriftstellerin dem Publikum auch außerhalb der Literatur als eine unerschrockene Querdenkerin bekannt geworden. All das erklärt mithin den unverwechselbaren Duktus des vorliegenden Romans, der ihr bisher persönlichster ist, mit etlichen autobiografischen Fakten, wie sie im Interview bekannt hat.
Der titelgebende Apostoloff chauffiert die namenlose Ich-Erzählerin mittleren Alters und ihre Schwester im Anschluss an eine pompöse Trauerfeier in Sofia als Touristinnen durch das postkommunistische Bulgarien. In diese erste Erzählebene intermittierend eingeblendet wird als zweite Ebene die Vorgeschichte der Bulgarien-Rundfahrt. Ein gewisser Tabakoff, reicher bulgarischer Emigrant aus Amerika, hat nach dem Tod seiner Frau die fixe Idee, auch die anderen achtzehn inzwischen verstorbenen Mitglieder der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Stuttgart gebildeten, bulgarischen Exilanten-Gemeinde, begleitet von den Angehörigen in einem feierlichen Korso aus 13 Stretch-Limousinen, in die Heimat zu überführen. Dort sollen sie in einem monumentalen Grabmal gemeinsamen bestattet werden, auch der früh durch Suizid aus dem Leben geschiedene Vater der Schwestern gehörte zu diesem Kreis. Die geschäftstüchtige Schwester handelt das Einverständnis zur Umbettung des Vaters auf 70.000 Euro hoch, die der närrische bulgarische Krösus tatsächlich auch bezahlt. Dritte, bedeutsame Erzählebene ist die schwäbische Heimat und Familie der Damen, wobei der Freitod des Vaters, ein beliebter Frauenarzt, sich letztendlich als tief sitzende Ursache des ganzen Hasses auf die Eltern erweist.
Diese drei narrativen Ebenen werden nicht getrennt erzählt, sie sind in buntem Mix mit abrupten Wechseln ineinander verschachtelt und erfordern volle Aufmerksamkeit des Lesers. Es wird aber immer wieder schnell klar, wovon die Rede ist, nicht nur bei der zeitlich direkt hinter einander liegenden Trauerreise und der anschließenden Rundreise, sondern auch bei der Jahrzehnte zurückliegenden Stuttgarter Jugendzeit der Schwestern. Zwischen Apostoloff, dem patriotischen bulgarischen Chauffeur, und der Schwester entwickelt sich ein verschämt verborgenes Techtelmechtel. Bei einem Gespräch mit dem Sohn des ehemaligen Nachbarn und Bordellbesitzers erfährt die Ich-Erzählerin, dass ihr Vater nach Kriegsende in einem Gefängnis in Sofia saß. In der gerüchteanfälligen bulgarischen Verwandtschaft hält sich deshalb hartnäckig die Lesart, der Vater sei vom Geheimdienst in den Tod getrieben worden, ersatzweise wird kolportiert, seine eigene Frau habe ihn ins Jenseits befördert.
Mit aberwitzigen Wortgebilden und tollkühnen gedanklichen Schlenkern beschreibt die Autorin in ihrer Satire ein Bulgarien, das nicht gerade einladend wirkt, jedoch ziemlich stimmig beschrieben scheint. Vieles in ihrer Suada ist zum Brüllen komisch, auch «Heilandzack» heißt es da Lewitscharoff-typisch, aber zuweilen wird es auch sehr beklemmend, so zum Beispiel, wenn die misanthropische Ich-Erzählerin ihr «radikales Desinteresse an Kindern» betont. Ihr tief sitzender Furor wird in einem konträren, aufgekratzt wirkenden, fidelen Ton vorgetragen, all das Wüten und Zetern aber mündet in einem «Ihr könnt mich mal kreuzweise», mit dem der Vater ihr am Ende im Traum entgegentritt.
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