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Im 16. Jahrhundert ändert sich die Welt von Grund auf. Als Christoph Kolumbus 1492 einen bis dahin unbekannten Erdteil entdeckt, entsteht zugleich der Anspruch einer europäischen Herrschaft über diese «neue» Welt; das Christentum wird zu einer globalen Religion. Gleichzeitig steht die Alte Welt unter dem enormen Druck der tief nach Europa expandierenden Osmanen, und wenig später zerfällt mit dem Thesenanschlag Martin Luthers ihre religiöse Einheit. Marina Münkler durchmisst dieses dramatische Zeitalter der Entdeckungen und Konflikte, erzählt von den «Wilden» der Neuen Welt und den «Heiligen»…mehr

Produktbeschreibung
Im 16. Jahrhundert ändert sich die Welt von Grund auf. Als Christoph Kolumbus 1492 einen bis dahin unbekannten Erdteil entdeckt, entsteht zugleich der Anspruch einer europäischen Herrschaft über diese «neue» Welt; das Christentum wird zu einer globalen Religion. Gleichzeitig steht die Alte Welt unter dem enormen Druck der tief nach Europa expandierenden Osmanen, und wenig später zerfällt mit dem Thesenanschlag Martin Luthers ihre religiöse Einheit. Marina Münkler durchmisst dieses dramatische Zeitalter der Entdeckungen und Konflikte, erzählt von den «Wilden» der Neuen Welt und den «Heiligen» der Alten ebenso wie von den Auseinandersetzungen um die «Türken». Münkler schildert die Medienrevolution des Buchdrucks und die Reformation, die das Verhältnis jedes Einzelnen nicht nur zur Kirche, sondern auch zu Glauben und Heilsgewissheit vollkommen veränderte, die Geburt der modernen Naturforschung, aber auch Bauernkriege und Hexenverbrennungen. Ein Jahrhundert, das in jeder Hinsichtgrundstürzend war - und das, wie Marina Münkler zeigt, viel mit uns verbindet. Ein großes Geschichtswerk über den Anbruch einer neuen Zeit, unserer Zeit.
Autorenporträt
Marina Münkler ist Professorin für Mittelalterliche und Frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der Technischen Universität Dresden. Sie ist Autorin kulturgeschichtlicher und politischer Bücher, darunter 'Lexikon der Renaissance' (2000) und 'Marco Polo' (2015). Gemeinsam mit Herfried Münkler veröffentlichte sie 2016 'Die neuen Deutschen. Ein Land vor seiner Zukunft', ein Buch, das zum 'Spiegel'-Bestseller wurde und enormes Echo fand.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Lothar Müller findet gut, dass Marina Münkler in ihrem Buch das 16. Jahrhundert einmal in ein grelleres Licht rückt. Denn nicht um "große Kunst" oder um große Namen gehe es der Literaturwissenschaftlerin und Kulturhistorikerin, sondern um die rasante Entwicklung und "dramatische" Verschränkung dreier Konfliktstränge, die die Epoche ausmachten: die europäische Expansion in die "Neue Welt", der Aufstieg des Osmanischen Reichs und die Spaltung des Christentums innerhalb Europas, gibt Müller wieder. Dabei gefällt dem Kritiker, wie strikt Münkler diesen Ansatz verfolge und was sie dabei alles hintenanstellt: So gehe es ihr nicht um Porträts oder Verkündungen der "großen Männer" wie Karl V. oder Philipp II., sondern vielmehr um profanere Mechanismen wie Militärtaktik, Risikofinanzierung oder Elitenselektion, zählt Müller auf. Wie Münkler ihre Analyse dabei stets an die genaue Lektüre von Augenzeugenberichten und anderen zeitgenössischen Texten knüpft findet Müller äußerst sinnvoll und präzise. Einzig eine etwas stärkere Hervorhebung auch der "undramatischen", weniger spektakulären Seite des Jahrhunderts, etwa der Bürokratie, würde das von Münkler gezeichnete Bild noch komplettieren, lässt er durchblicken - insgesamt aber dennoch eine sehr umsichtige, dabei gleichzeitig klar fokussierte Darstellung, lobt Müller.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Spiegel unserer Zeit: neue Imperien, tiefe Spaltungen, umkämpfte Handelsrouten. Die Kulturhistorikerin Marina Münkler porträtiert das 16. Jahrhundert. Süddeutsche Zeitung

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.04.2024

Spiegel
unserer Zeit
Neue Imperien, tiefe Spaltungen,
umkämpfte Handelsrouten:
Die Kulturhistorikerin Marina Münkler
porträtiert das 16. Jahrhundert.
VON LOTHAR MÜLLER
Alles gärt, gerät in Bewegung. Die Rhetorik des Hasses schäumt auf, Grenzen werden verschoben, Imperien formieren sich, Spaltungen werden vertieft, Handelsrouten umkämpft und ausgeweitet. In Edelmetallen stecken Massaker. So präsentiert Marina Münkler in ihrem neuen Buch das 16. Jahrhundert als „eine durch und durch dramatische Epoche“. Das milde Licht, das Etikettierungen wie „Spätrenaissance“ verbreiten, indem sie Assoziationen an große Kunst und glänzende Transformationen der Antike auslösen, gibt es bei ihr nicht.
Ins Zentrum ihrer Darstellung stellt sie drei miteinander verflochtene Konfliktstränge: die europäische Expansion in die „Neue Welt“, die für deren Bewohner nicht neu war und von den Europäern erst langsam als solche begriffen wurde, die Spannung zwischen dem Aufstieg des Osmanischen Reichs und den imperialen Ansprüchen Habsburgs und drittens die innereuropäische Spaltung der christlichen Konfessionen.
Marina Münkler wurde 1960 in Bad Nauheim geboren und ist seit 2010 Professorin für Ältere und frühneuzeitliche Literatur und Kultur am Institut für Germanistik der TU Dresden. Sie hat Bücher über Marco Polo geschrieben, über die Faustbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts und über die Beschreibung Ostasiens in europäischen Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jahrhundert und ist als Literaturwissenschaftlerin eine Spezialistin exakter Lektüren. Als Historikerin kommt ihr das nun zugute. Sie zeichnet die Konfliktlinien zwischen Spanien und Portugal in der europäischen Expansion nach, hat den Indischen Ozean und Vasco da Gama im Blick, während sie die Aufbrüche des Kolumbus nach Westen verfolgt, hebt den Technologietransfer hervor, den Import nordosteuropäischer Schiffstypen nach Südeuropa, der in die Expansion einging, bilanziert Warenströme.
Zugleich und vor allem aber liest sie immer wieder die Texte zentraler Akteure wie Kolumbus, Amerigo Vespucci oder Hernán Cortés, verfolgt die Selbstdeutungen, mit denen die Gleichzeitigkeit von Entdeckung und Inbesitznahme vollzogen wird. Was war gemeint, welche rechtlichen und theologischen Implikationen hatte es, wenn in den Augenzeugenberichten von Barbaren, Heiden oder Monstern die Rede war? Wie entstand der Begriff „Kannibale“? Welche Rolle spielte in den völkerrechtlichen Debatten über die Unterwerfung der „Indios“ die Berufung auf Aristoteles’ Begriff der „Sklaven von Natur“, welche das Argument, Unterwerfung zur Verhinderung von Menschenopfern sei legitim Gegen die Legitimationstraktate der Landnahmen in „Westindien“ setzt Münkler ein genaue Lektüre der Verteidigung der Indigenen in den Schriften des Dominikaners und Theologen Bartolomé de Las Casas, des Augenzeugen und Kritikers der Konquistadoren und ihrer Bluthunde.
Bei der Darstellung der europäischen Expansion in die „Neue Welt“, der von den Portugiesen vorangetriebenen Erschließung des Seewegs nach Indien bewegt sich Münkler auf gut erforschtem Terrain. Sie hat ihrem Buch mehrere Karten beigegeben, darunter eine Weltkarte, schreibt aber keine Globalgeschichte des „namenlosen“ Jahrhunderts. Die Weltumsegler Magellan und Francis Drake kommen nur ganz am Rande vor. Ihr eigener Akzent ist die systematische Verknüpfung der Energiestränge und Konfliktzonen der Epoche.
Starke innereuropäische Rivalitäten wie die zwischen Karl V. als Protagonist des Habsburger Imperiums und Frankreich unter Franz I. treten dabei hinter die Parallelität von europäischer Expansion, Konfessionsspaltung und Aufstieg des Osmanischen Reichs zurück. Schon manchen Zeitgenossen war die Dynamik dieser Ereignisse bewusst. Der spanische Philosoph und Hofchronist Juan Ginés de Sepúlveda trat sowohl mit Blick auf die spanischen Eroberungen in der „Neuen Welt“ als auch angesichts der Bedrohung durch die „Türken“ kompromisslos für die Überlegenheit der europäischen Christenheit ein.
Münkler nimmt die Augenzeugenberichte und das diskursive und mediale Gestöber der Epoche mindestens so wichtig wie die Taten und Verlautbarungen der Herrscherfiguren. Es gibt bei ihr keine großen Einzelporträts von Karl V. oder Philipp II., eher schon von Süleyman I. und seinem Großwesir Ibrahim Pascha. Wichtiger als die großen Männer sind ihr Militärtechnik und –taktik, die Risikofinanzierung von Expeditionen, Bürokratie und Elitenselektion, auf denen imperiale Ambitionen beruhen. Allenfalls eine Nebenrolle spielt, trotz gelegentlicher Auftritte der Humanisten und des Erasmus, gegen dessen Friedensschrift Juan Ginés de Sepúlveda polemisiert, die Ideengeschichte. Es ist ein 16. Jahrhundert ohne Montaigne, trotz seines Kannibalen-Essays. Das Verblassen der Ritterromane und der in ihnen gefeierten Tugenden taucht auch deshalb auf, weil die Tradition der Ritterbilder für die Europäer auf den realen Kriegsschauplätzen des 16. Jahrhunderts zum Nachteil wird. Zu den Lieblingsoperationen Münklers zählt die Aufdeckung von Illusionen, die sich die Europäer über sich selbst oder andere machen. Die Portugiesen blamieren sich bei ihrer Expansion im Indischen Ozean mit kümmerlichen Gastgeschenken, mit denen sie asiatische Herrscher über große Reiche und Handelsnetze zu gewinnen suchen.
Noch vor gar nicht so langer Zeit hätte ein deutsches Buch über das 16. Jahrhundert mit dem Paukenschlag der Reformation, Luthers Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 begonnen. Bei Münkler ist die Konfessionsspaltung von Beginn an anwesend, wird aber erst in den letzten Kapiteln zum Thema. Im Anschluss an viele neuere Darstellungen erscheint sie als epochaler Großauftritt des noch jungen Buchdrucks, nicht nur im Brückenschlag zwischen Bibel und Flugschrift, sondern auch im papiergestützten Ablasshandel. Vor allem aber findet sie in dem historischen Raum statt, der zuvor ausgemessen wurde. Mindestens so ausführlich wie auf Luther in Worms, Luther und die deutsche Fürsten, Luther und den Papst, Luther und den Bauernkrieg geht Münkler auf die Kontroversen um Luthers Schriften zum Krieg gegen die Türken ein, auf die Verschmelzung von Lutheranern, Türken und aufständischen Rotten in der katholischen Polemik gegen die Reformation. An die Seite des innereuropäischen Aufstands der Niederlande gegen die spanischen Habsburger tritt der gescheiterte Traum eines calvinistischen Brasilien.
Die Heiligenfiguren, die durch die Reformation unter Verdacht geraten, gewinnen in der „Neuen Welt“ – allen voran die Madonna – als Instrumente der Kombination von Missionierung und Herrschaftssicherung neues Gewicht. Am Ende des Jahrhunderts wie des Buches steht die erste große Welle der Hexenverfolgungen. Eines ihrer Opfer ist Katharina Kepler, die Mutter des Astronomen Johannes Kepler, einer Schlüsselfigur der kopernikanischen Wende.
Man tut gut daran, den Untertitel „das dramatische 16. Jahrhundert“ und das Buch selbst so zu lesen wie man „das städtische 16. Jahrhundert“ lesen und dabei „das ländliche 16. Jahrhundert“ im Kopf haben würde. Denn es gab ja auch das undramatische 16. Jahrhundert, in dem sich die neue Zeit nicht eruptiv, gewaltförmig, Bahn brach, sondern in der chromatischen Umstellung von Alltagsroutinen. Es wird im Epilog in Ansätzen sichtbar, gelegentlich erwähnt, bleibt aber weitgehend Hintergrundvoraussetzung.
Das 16. Jahrhundert war aber eben doch auch der Beginn der Akten und Registraturen, die sich von den Urkunden lösten. Der stille Aufstieg der Sekretäre begleitete den der Konquistadoren und Piraten. Wer das akustische Relief des 16. Jahrhunderts nachzeichnen wollte, dürfte über dem Kanonendonner das Posthorn nicht vergessen, den von Karl V. vorangetriebenen Aufbau der Reichspost. Diese andere Seite hört auf den nüchternen Namen „Infrastruktur“. In ihr entstehen Fahrpläne und kommen Taschenuhren auf. Mit der Gewaltgeschichte des Jahrhunderts ist diese andere Seite auf Schritt und Tritt verknüpft, führt aber dennoch ein Eigenleben. Marina Münkler wäre ein Komplementärbuch mit dem Untertitel „Das undramatische 16. Jahrhundert“ durchaus zuzutrauen. Den Obertitel könnte sie beibehalten.
Seit 2010 ist Marina Münkler Professorin für Ältere und frühneuzeitliche Literatur und Kultur an der TU Dresden.
Foto: Amac Garbe/Rowohlt
Marina Münkler:
Anbruch der neuen Zeit. das dramatische
16. Jahrhundert.
Rowohlt Berlin, Berlin 2024. 539 Seiten,
32 Euro.
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