Joseph Stiglitz, Im freien Fall, Siedler 2010, 450 Seiten, ISBN 978-3-88680-942-4
In der nun seit 2008 schon andauernden Finanzkrise, in deren Verlauf die dramatischen Rettungsaktionen eines ganzen Landes, Griechenland und des Euros vor einiger Zeit nur die letzten Höhepunkte einer noch lange
nicht abgeschlossenen Entwicklung darstellten, ist die Zahl der in Aufsätzen und Büchern…mehrJoseph Stiglitz, Im freien Fall, Siedler 2010, 450 Seiten, ISBN 978-3-88680-942-4
In der nun seit 2008 schon andauernden Finanzkrise, in deren Verlauf die dramatischen Rettungsaktionen eines ganzen Landes, Griechenland und des Euros vor einiger Zeit nur die letzten Höhepunkte einer noch lange nicht abgeschlossenen Entwicklung darstellten, ist die Zahl der in Aufsätzen und Büchern veröffentlichten Reaktionen Erklärungen und Deutungen schon so groß geworden, dass man mit Fug und Recht auch hier schon von einer Blase sprechen kann…
Der Autor des vorliegenden Buches, 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet, war lange Jahre Chefvolkswirt bei der Weltbank und leitet aktuell die UN-Kommission zur Reform der internationalen Geld- und Finanzmärkte. Er legt hier eine grundlegende Ursachenanalyse der jüngsten Krise vor, die ihm zu einer Generalabrechnung mit der Ideologie wird, die er vor allen Dingen mit den Namen Thatcher und Reagan in Verbindung bringt. Die Entfesselung der Märkte, schon vor vielen Jahren auch von deutschen Politikern als „Deregulierung“ schön geredet und die daraus folgende ungleiche Verteilung von Wohlstand waren ja tatsächlich kein Betriebsunfall einer sich als neoliberal verstehenden Wirtschaftspolitik, sondern darin bestand ihr ausdrückliches Ziel.
In der ersten Kapitel seines Buches beschreibt Stiglitz die Entstehung und die Auswirkungen der amerikanischen Hypothekenkrise als regelrechte Anstiftung zum Schuldenmachen. Allen war klar, dass die Menschen diese Kredite aus ihren knappen Einkommen nie würden zurückzahlen können. Dennoch wurden Häuser zu stellenweise Werten bis zu 130 % finanziert.
Stiglitz zieht Parallelen zwischen der Verschuldung von Einzelpersonen und ganzen Staaten und berechnet genau die Vernichtung von Vermögenswerten ganzer Bevölkerungsschichten und armer Völker, die niemals auch nur die Chance hatten l von deregulierten Märkten zu profitieren.
In einem zweiten Teil beschriebt Stiglitz zum Teil sehr visionär eine „neue“ Marktwirtschaft, in der Staaten und internationalen Institutionen wieder wirklich regulierende Aufgaben zukommen. Wenn die Finanzmärkte an die Kette gelegt würden, so Stiglitz, wäre ein globaler Wohlstand sehr wohl möglich. Das bisherige Krisenmanagement sei dazu allerdings nicht geeignet, sagt er, weil es immense öffentliche Mittel in Strukturen geleitet hätte, die nicht erhaltenswert seien.
Die gegenwärtige Krise bezeichnet er als „Nahtoderfahrung“, aus der vielleicht gelernt werden könne, so seine Hoffnung.
Das Buch ist eine gnadenlose Abrechnung mit der neoliberalen Theorien und Praxis.