Buchtitel und Buchcover hätten mich kaum angesprochen – wenn mich nicht vor kurzer Zeit Edgar Rais Nächsten Sommer gut unterhalten hätte. In der Gottespartitur traf ich nun auf einen ausgebrannten Literaturagenten im Hamsterrad der Frankfurter Buchmesse. Gabriel Pfeiffer hat offenbar persönlich und
beruflich seinen Tiefpunkt erreicht. Die Literaturagentur wird inzwischen von seiner Assistentin…mehrBuchtitel und Buchcover hätten mich kaum angesprochen – wenn mich nicht vor kurzer Zeit Edgar Rais Nächsten Sommer gut unterhalten hätte. In der Gottespartitur traf ich nun auf einen ausgebrannten Literaturagenten im Hamsterrad der Frankfurter Buchmesse. Gabriel Pfeiffer hat offenbar persönlich und beruflich seinen Tiefpunkt erreicht. Die Literaturagentur wird inzwischen von seiner Assistentin Leonore allein vermutlich erfolgreicher geleitet als von Gabriel selbst. Wenn Manuskripte aufgrund eines Autorenfotos gekauft und Buchtitel nach Beerenobst genannt werden, besteht für Gabriels einzigartigen Instinkt für erfolgreiche Manuskripte offenbar kein Bedarf mehr. Auch in Gabriels Privatleben herrscht Trostlosigkeit; sein einziges Kind hat Gabriel noch nie getroffen. Der ernüchternde Lauf von Gabriels beruflichem Hamsterrad auf der Messe wird unterbrochen mit dem Auftritt eines Schülers im karierten Hemd, der eine wichtige Entdeckung ankündigt. Doch noch ehe Gabriel sich mit dem Rätsel um die Entdeckungen eines Musikwissenschaftlers im 18. Jahrhundert befassen kann, wird der junge Mann in einem katholischen Seminar (Internat) in Gödelsburg bei Altötting tot aufgefunden. Gabriels Jagdinstinkt ist geweckt; er lässt Buchmesse Buchmesse sein reist sofort an den Tatort. Dort ist der Tote ohne Obduktion in unchristlicher Hast bereits beerdigt worden. Nach einer Phase der Unschlüssigkeit, ob die Handlung sich evtl. Gabriels wenig glücklicher Kindheit zuwenden könnte, fängt Edgar Rais Hauptfigur endlich Feuer und ermittelt in der British Library in London. Im letzten Abschnitt zeigt sich Gabriel von seiner professionellen Seite, nutzt sein berufliches Netzwerk und untersucht die Originalmanuskripte des Charles Burney.
Wenn der Roman für meinen Geschmack auch im mittleren Teil etwas an Tempo verlor, hat mich Edgar Rai mit seinen höchst ironischen Betrachtungen des Buchmarkts, seinem Blick für schrullige Gestalten und erneut mit seiner leichten Hand für die Figurenzeichnung begeistert. Grundsätzliches Interesse an Büchern, Orgelmusik, Neurophysiologie und ungewöhnlichen Typen vorausgesetzt, wird das Buch mit Sicherheit wieder ein Erfolg für Egar Rai werden – Autorenfoto hin oder her.