Zurück in die Zukunft
Liebesgeschichten haben immer Konjunktur. Reichten im Mittelalter noch zwei verfeindete Familienclans um Shakespeares Romeo und Julia ewigen Ruhm zu bescheren, müssen heute schon größere Geschütze aufgefahren werden um den Leser zu beeindrucken. Ein liebeskranker Vampir
oder ein genetisch verkorkster Zeitreisender müssen es schon sein, um durch die Aussichtslosigkeit der…mehrZurück in die Zukunft
Liebesgeschichten haben immer Konjunktur. Reichten im Mittelalter noch zwei verfeindete Familienclans um Shakespeares Romeo und Julia ewigen Ruhm zu bescheren, müssen heute schon größere Geschütze aufgefahren werden um den Leser zu beeindrucken. Ein liebeskranker Vampir oder ein genetisch verkorkster Zeitreisender müssen es schon sein, um durch die Aussichtslosigkeit der Romanze die Herzen schneller schlagen zu lassen. In ihrem Roman “Die Frau des Zeitreisenden” lässt Audrey Niffenegger aber nicht nur die Herzen sondern eigentlich die Zeit schneller schlagen.
Es ist Oktober 1991. Clare, eine junge Kunststudentin trifft während eines Büchereibesuches ihren ehemaligen Jugendfreund und zukünftigen Ehemann Henry wieder, der dort als Bibliothekar arbeitet. Sie kennt und liebt ihn seit ihrem sechsten Lebensjahr. Henry hat Clare noch nie vorher gesehen. Sie hat bisher nur Besuche seines älteren Ichs erhalten. Die beiden werden ein Paar. Und stemmen sich mit ihrer großen Liebe gegen alle widrigen Umstände. Denn Henry ist ein Zeitreisender. Er hat seit seiner Geburt einen genetischen Defekt, der ihn in Stresssituationen aus der Zeit katapultiert. Er verschwindet dann von einer Sekunde zur anderen aus dem Jetzt und landet (meistens unsanft) nackt in einer anderen Zeit. Rund 50 Jahre vor- oder rückwärts kann er so überspringen. Er muss dabei auch nicht darauf achten, seinem wirklichen Ich nicht zu begegnen. Im Gegenteil. Seine Echtzeit-Variante rettet ihn oft aus brenzligen Situationen.
Im Lauf von Henrys Leben ergeben sich durch sein Handicap ganz von allein die skurrilsten und absurdesten Situationen. Zum Beispiel landet er ja immer nackt. Sein erstes Ziel ist also in der Regel sich etwas zum Anziehen zu suchen. Mitten auf einer belebten Straße zur Hauptverkehrszeit ist dies nicht nur schwierig sondern auch nicht ungefährlich. Von der Erregung öffentlichen Ärgernisses einmal abgesehen.
Audrey Niffenegger erzählt abwechselnd aus der Perspektive von Henry und Clare. Alle Erzähleinheiten sind mit Datum und Alter der beiden Protagonisten gekennzeichnet. Anders könnte man die Handlung im Kopf nicht zusammensetzen. Am Anfang sind die häufigen Zeit und Ortswechsel noch verwirrend, am Ende hat es einen besonderen Reiz, weil man schon Dinge weiß, die man erst später im Buch erlebt. Manchmal ist man Henry, manchmal Clare einen Schritt voraus. Das komplizierte System nervt zunächst ein bisschen, es lohnt sich aber durchzuhalten. Etwa ab Seite 100 macht die Geschichte richtig Spaß.
“Die Frau des Zeitreisenden” ist eine romantische aber vor allem intelligente Liebesgeschichte. Die Autorin beleuchtet sensibel alle Aspekte, die sich aus einer so ungewöhnlichen Beziehung ergeben können. Ständige, unkontrollierbare Trennungen, Behinderungen im alltäglichen Leben, gesundheitliche Gefahren, Lügen und Ausflüchte gegenüber Freunden und Bekannten, dem scheinbar nicht erfüllbaren Kinderwunsch. Henry und Clare sind liebenswerte Charaktere, die einem von Beginn an, ans Herz wachsen.
Interessant ist, das obwohl die Handlung hauptsächlich in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts spielt, man diese Zeit nicht unbedingt wiedererkennt. Die Geschichte könnte auch zu jeder anderen Zeit spielen. Vielleicht macht das die Anziehung dieses Buches aus. Das man sich selber in der Zeit verliert.