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Raimund Schulz führt uns in eine Welt, die im Krieg geboren wurde und für den Krieg lebte. 1000 Jahre Kriegsgeschichte, die den Zusammenhang von Herrschaftswandel und seinen militärischen Grundlagen in der Antike erstmals umfassend darstellt. Was waren das für Menschen, die sich jedes Jahr die Rüstung anlegten und dem Tod ins Auge sahen? Wie verliefen genau Schlachten in der Antike, und wie beeinflussten sie die große Politik? Der Autor revidiert uns vertraute Mythen: Nicht Sparta, sondern die Athener Demokratie war der aggressivste Staat der griechischen Welt. Marathon und Salamis waren…mehr

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Produktbeschreibung
Raimund Schulz führt uns in eine Welt, die im Krieg geboren wurde und für den Krieg lebte. 1000 Jahre Kriegsgeschichte, die den Zusammenhang von Herrschaftswandel und seinen militärischen Grundlagen in der Antike erstmals umfassend darstellt.
Was waren das für Menschen, die sich jedes Jahr die Rüstung anlegten und dem Tod ins Auge sahen? Wie verliefen genau Schlachten in der Antike, und wie beeinflussten sie die große Politik? Der Autor revidiert uns vertraute Mythen: Nicht Sparta, sondern die Athener Demokratie war der aggressivste Staat der griechischen Welt. Marathon und Salamis waren keineswegs rauschende Siege, sondern glückliche Abwehrerfolge gegen einen nach wie vor überlegenen Gegner. Und Alexander gewann seine Schlachten nicht, weil er ein Genie war, sondern weil er die politischen Schwächen der Perser nutzte. Selbst das Christentum konnte sich am Ende der Antike der kriegerischen Realität nicht entziehen und erkannte im Sieg auf dem Schlachtfeld den Inbegriff des menschlichen Erfolgs auf Erden.
Autorenporträt
Schulz, Raimund
Raimund Schulz, geboren 1962 in Hildesheim, lehrt Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Seefahrt, Krieg, Herrschaft und Völkerrecht in der Antike.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2012

Bürger
dank
Waffe
Lauter motorische
Typen: Raimund Schulz
erzählt vom Krieg
in der Antike
VON STEPHAN SPEICHER
Der Krieg ist für die antike Welt etwas Selbstverständliches. Er mag schrecklich sein, aber er ist allgegenwärtig. In der Orestie des Aischylos mahnt Athene die Erinnyen, uralte Rachegottheiten: „Nach außen nur sei Krieg, wie er so leicht entbrennt: / In ihm mag Ruhmsucht sich mit vollen Kräften tummeln. / Geflügel eines Hofes soll sich nicht zerfleischen.“ Eintracht im Innern ist es, was sie erstrebt, Friede nach außen kaum ein Ziel.
  Wenn der Bielefelder Althistoriker Raimund Schulz den Krieg „ein Fundamentalphänomen der Antike“ nennt, kann man nicht widersprechen. Die Quellen, vier Fünftel des überlieferten Materials, reden in aller Ausgiebigkeit davon. Muss es nicht auch die Wissenschaft tun? Sie tut es, aber Schulz bedauert, dass sie (jedenfalls hierzulande, im angelsächsischen Raum ist man weniger heikel) dabei die kulturellen, sozialen, technischen Aspekte würdigt, wenig aber auf die „Pragmatik“ gibt. Diese militärische Pragmatik, die Analyse von Schlachten, Taktik und Technik, will Schulz verknüpfen mit der innen- und außenpolitischen „Makroentwicklung“, und so hat er das Buch „Feldherren, Krieger und Strategen“ verfasst. Nicht eine „Totalgeschichte“ des Krieges strebte er an, eher eine Darstellung der „Knotenpunkte längerer Entwicklungen“. Und das, so der Untertitel, „von Achill bis Attila“, also über etwa 1200 Jahre hinweg, und nicht nur Griechen und Römer betreffend, sondern auch ihre Gegner aus den Randgebieten des Mittelmeerraums: Perser, Parther, Germanen, Hunnen.
  Warum sollte man das nicht erforschen wollen? Die Gegenstände stehen uns fern, aber die antiken Autoren interessierten sich brennend dafür. Und die Geschichte soll uns doch mit solchen Dingen bekannt machen, die wir nicht schon in der geistigen Aktentasche mit uns tragen. Fremd ist uns aber vor allem die Bereitschaft zum Krieg, darüber würde man gern mehr lesen. Ist sie unvermeidlich in einer archaischen Welt? Haben wir es mit einer anthropologischen Frage zu tun? Schulz kann darauf verweisen, dass solche Fragen anderswo schon erörtert wurden. Aber sein Buch wendet sich ja nicht nur an Fachgenossen. Und ein zweites Problem, mit dem der Autor zu kämpfen hat: Wenn der Krieg eine allgegenwärtige Tatsache ist, muss eine Kriegsgeschichte über alles reden. Da ist dann selbst ein Buch von mehr als 600 Seiten knapp. Und so verfällt der Autor bei aller Bemühung um Knotenpunkte doch oft in eine dichte Folge militärischer Details: hier eine Schlacht, dort ein Gefecht, jetzt ein Feldzug, dann eine Kampagne. Ja, es ist interessant zu lesen, wie Hannibal die Schlacht bei Cannae 218 v. Chr. plante: Das Zentrum seiner Schlachtreihe stand halbkreisförmig vorgewölbt. So konnte es sich von den Römern langsam zurückdrängen lassen, ohne dass die Truppen den Kontakt untereinander verloren hätten. Aber bei der Beschreibung seiner Protagonisten kann das Buch gelegentlich den Eindruck nicht ganz vermeiden, den schon Gottfried Benn von Alkibiades und Alexander hatte: „motorische Typen, Rossebändiger, Freischwimmer, Furtendurchquerer“.
  Dabei liegen dahinter große Dinge. Wehrverfassung und politische Verfassung sind aufs Engste miteinander verbunden. Die griechische Hoplitenphalanx, die geschlossene Schlachtreihe der Schwerbewaffneten, integrierte Adlige und Bürger. In der Ilias konnten die Kämpfer sich einzeln absetzen, die Phalanx steht und fällt mit der Disziplin der Mitglieder, hier liegt ein Moment der Gleichheit. „Die Regierung darf nur bei den Waffentragenden sein“, heißt es in der „Politik“ des Aristoteles. Stimmrecht folgt aus der Beteiligung am Krieg. Als auch die Armen Athens am Seekrieg als Ruderer teilnehmen und 480 v. Chr. über die Perser bei Salamis mitsiegen, sind die Voraussetzungen der radikalen Demokratie geschaffen. Sie zeigt sich außenpolitisch hochaggressiv, Herrschaft des Volkes ist nicht Herrschaft der Friedliebenden.
  Immer wieder muss der Bevölkerung kriegerischer Geist eingeschärft werden, und immer wieder gelingt es. Der Wert eines Mannes wird wesentlich auf dem Schlachtfeld festgestellt. Der Tod fürs Vaterland ist selbstverständlich ruhmvoll, aber er wird auch als schmerzlos dargestellt; Perikles nennt ihn in der Rede auf die athenischen Gefallenen den „kaum gespürten Tod“. Eigentlich musste es jeder besser wissen, aber auf Todesqual und Verstümmelung liegt ein Tabu. Die Kunst stellt den sterbenden Krieger unversehrt dar, geschlagen, aber würdevoll.
  Auch die römische Republik hatte zunächst kein großes Problem, Armeen aufzustellen. Die Eroberung der Mittelmeerwelt wurde aus fast unbeschränkten Reserven bestritten, auch große Niederlagen ließen sich so überstehen. Das Heer war ein Bürgerheer, seine Taktik hatte vorsichtigen Charakter, seine Stärken waren Reservenbildung und Ausdauer, es konnte seine Gegner über die Zeit zermürben. Das basierte auf einem festen politischen Willen zum Krieg in Rom und bei den Truppen auf großer Loyalität. Doch mit der Ausdehnung der Grenzen stieß dieses Milizprinzip an seine Grenzen. Das Heer professionalisierte sich. Seine Führung, bis dahin von senatorischen Politikern ausgeübt, übernahmen Spezialisten, die in langen Jahren Erfahrung sammelten. Vor allem wurden nun Freiwillige, auch solche ohne Bodenbesitz, rekrutiert. Es entstand eine Berufsarmee, deren Loyalität immer stärker dem Feldherrn statt Senat und Volk gehörte.
  Anders ließ sich wohl nicht mehr Krieg führen, aber in dem Maße, wie dies Geschäft sich professionalisierte und spezialisierte, in dem Maße entstanden bei Heeren und Feldherren neue Machtzentren; die demokratischen Momente des römischen Staates schwächten sich ab. Gewonnen wurden neue taktische Möglichkeiten, vor allem die stärkere Einbeziehung fremder Hilfstruppen und ihrer besonderen Kampfweisen. Solch neue Heere eroberten die iberische Halbinsel und Gallien, in ziemlich schmutzigen Kriegen. Wenn Plutarch behauptet, bei der Eroberung Galliens seien durch Caesars Truppen eine Million Menschen getötet und eine weitere Million versklavt worden, wird man diese Zahlen mit großer Vorsicht nehmen. Einen ungefähren Eindruck von der Brutalität des Geschehens aber darf man mitnehmen.
  Und doch verschaffen militärische Erfolge Reputation bis in die letzten Züge der alten Welt. Militärische Aufgaben werden Gelegenheiten der Bewährung. Aber es ist etwas Leeres darin, für unser Urteil. Kaiser Julian Apostata, kurz vor seinem Tode 363 n. Chr. gefragt, warum er nicht die treulosen Goten angreife, antwortete, er suche nach besseren Gegnern. Goten jeder sozialen Stellung könne man auf dem Sklavenmarkt kaufen.
Der Tod fürs Vaterland ist
ruhmvoll, selbstverständlich, er
wird als schmerzlos dargestellt
  
  
  
  
Raimund Schulz:
Feldherren, Krieger und Strategen. Krieg in der Antike von Achill
bis Attila. Klett-Cotta,
Stuttgart 2012.
629 Seiten, 32,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Endlich macht die Geschichtswissenschaft wieder Ernst, freut sich Thomas Speckmann angesichts dieser Militärgeschichte der Antike aus der Feder des Bielefelder Althistorikers Raimund Schulz. Dass der Autor nicht der Verlockung einer klassischen Geschichtsschreibung großer Männer erliegt, rechnet ihm der Rezensent hoch an. Die Schlachten und Kriege von Achill bis Attila in Schulzens an neuzeitlichen Überblicksdarstellungen orientierter Analyse stehen dem Rezensenten, so geordnet nach geografischen Großräumen und Waffentechniken, klar vor Augen. Den Prozess der "Verreiterung" in der asiatischen Steppe versteht er und die Bedingung der Bezugsgrößen des Krieges untereinander, auch wenn sich daraus keine Regeln ableiten lassen, wie Speckmann einräumt. Das Buch hält er für ein neues Standardwerk.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2012

Richtung Steppe half nur Verreiterung

Achtung, Sie betreten eine Militärzone: Althistoriker Raimund Schulz traut sich in den geographischen Großraum und bietet Orientierung im Schlachtgetümmel der Antike, weil er den Krieg als wesentlichen Faktor historischer Entwicklung ernst nimmt.

Der Titel klingt nach klassischer Geschichtsschreibung über große Männer. Doch weit gefehlt. Der Bielefelder Althistoriker Raimund Schulz erliegt nicht der Versuchung, das antike Kriegsgeschehen allein aus der Perspektive der Herrschenden zu beleuchten. Vielmehr gelingt ihm ein beeindruckendes Gesamtbild vom Krieg in der Antike. Dazu überträgt er Modelle und Analyseprinzipien, die in Überblicksdarstellungen zum Krieg im Mittelalter und in der Neuzeit zur Anwendung kommen, auf die antiken Kriegsszenarien, die bereits ähnlich mannigfaltige Formen der Kriegführung kannten wie die folgenden Zeitalter.

Umso vertrauter wirkt die Typologie antiker Kriege, die Schulz von Achill bis Attila beschreibt: Mal ist von Kleinkrieg, Überfällen und Plünderungen die Rede, mal vom Aufmarsch großer Heere, die Siege auf dem Schlachtfeld suchen, Städte belagern und Eroberungszüge unternehmen. Die Vielfalt der Gewaltformen an Land spiegelt sich auf dem Meer: Große Seeschlachten werden von Kaperfahrten begleitet, die Küstenorte und Handelsschiffe bedrohen. Hinzu kommen Privat- und Söldnerkriege kleiner Kampfgruppen, die genauso zum kriegerischen Alltag zählen wie der offiziell erklärte Krieg.

Diese Formen von Gewalt ordnet Schulz wiederum "naturalen Großräumen" unterschiedlicher Tradition zu. Dabei spricht er von "Militärzonen", sofern ein enger Zusammenhang besteht zwischen einer bestimmten Kriegsform und dem geographischen Raum, in dem sie entwickelt wurde und das Kampfgeschehen dominierte. Vier derartige Zonen hat Schulz für die Antike identifiziert: erstens die mediterrane Welt bis zu den großen Flussläufen von Rhein und Donau im Norden und Westen sowie der ariden und semiariden Zone zwischen Atlantik und der arabischen Halbinsel im Süden.

Zwar räumt Schulz ein, dass sich Althistorikerkollegen neuerdings schwer damit tun, diesen geographischen Großraum als einen zusammenhängenden historischen Ereignisraum zu erfassen. Unbestritten bleibe jedoch, dass Krieg in den urbanisierten Mittelmeerländern in auffallend ähnlichen Formen abgelaufen sei. Demnach bildete die schwere Infanterie den Kern aller Armeen, flankiert von der Reiterei und unterstützt von Leichtbewaffneten und Spezialverbänden. Parallel wurden Schiffe mit mehreren Ruderreihen und Rammsporn zur Standardwaffe des Seekrieges.

Demgegenüber maßen die vorderasiatischen Königreiche dem Streitwagen, dann in Reaktion auf die asiatischen Reitervölker der Kavallerie und den Bogenschützen weitaus größere Bedeutung zu. Dabei entstanden zum Teil stehende Armeen mit komplexen Waffengattungen in Gestalt von Kavallerie, geschlossen kämpfenden Infanteristen, Wagenkämpfern, Pionieren und Ingenieuren. Der Seekrieg spielte eine geringere Rolle und wurde küstennahen Verbündeten und Untertanen wie beispielsweise den Phönikern übertragen.

Die dritte Militärzone, bestehend aus den west- und nordeuropäischen Binnenräumen, war geprägt von gefolgschaftlich organisierten Kriegergruppen, die den Kampf zu Fuß bevorzugten und auf technisch anspruchsvolle und folglich teure Waffengattungen verzichteten. Damit ähnelten sie nach der Analyse von Schulz der frühen mediterranen Kriegführung, während ihre Operationen zur See nie das technische und organisatorische Niveau der Mittelmeeranrainer erreichten.

Als vierten großen Naturraum bezeichnet Schulz schließlich die nördlich der Donau und des Schwarzen Meeres gelegenen asiatischen Steppengebiete sowie im Süden die afrikanischen Halbwüsten - traditionell die Heimat nomadischer Kriegerkulturen, deren Gemeinschaftsbildung auf personalen Bindungen beruhte und eine Verwurzelung im Boden unterworfener Völker weitgehend ausschloss. Hier erforderten das Leben in der Steppe, das Ringen um Weideplätze und Vieh sowie der Zwang, die Nahrungsmittelressourcen durch Beutezüge zu erweitern, ständige Kampfbereitschaft. Doch im Gegensatz zu den Bewohnern der Binnenräume Nord- und Westeuropas kämpften in dieser Militärzone beinahe ausschließlich Reiterkrieger, da der Kampf zu Fuß als unehrenhaft galt und deshalb besiegten Völkern überlassen wurde.

Wie folgenreich der Zusammenhang zwischen Naturraum und Waffentechnik für den Verlauf der Geschichte war, macht Schulz an einer Reihe von historischen Entwicklungen deutlich. So stieß die mediterrane Kriegstechnik an ihre Grenzen, je weiter sie sich von ihren Ursprungsgebieten entfernte - sie musste sich verändern oder die Kriegsformen des Gegners übernehmen. Umgekehrt gelang es den Territorialreichen des Vorderen Orients nicht, die in ihrer Heimat bewährten Kriegstechniken erfolgreich und dauerhaft in den mediterranen Kernländern anzuwenden. Nicht zuletzt daran sieht Schulz den Vorstoß der Perser nach Griechenland gescheitert. Auch später sollten Mächte des mesopotamisch-iranischen Raumes wie die Parther oder die Sasaniden selten über Kleinasien oder Ägypten nach Westen vorstoßen. Und wenn Steppenvölker wie die Hunnen und nachfolgend die Mongolen erobernd und nicht allein plündernd in die mediterranen Gebiete vordrangen, dann sahen sie sich gezwungen, sich den Gegebenheiten ihrer Angriffsobjekte anzupassen, indem sie die Rolle der Infanterie gegenüber der Bedeutung der Reiterei aufwerteten und sich darüber hinaus Belagerungstechniken aneigneten. Umgekehrt war bei Bewohnern Mitteleuropas beim Übertritt in asiatische Steppengebiete ein Prozess der "Verreiterung" zu beobachten, da sie sich nur auf diese Weise in den unbekannten Weiten zu behaupten wussten.

Derlei Prozesse der Anpassung und Umgestaltung militärischer Techniken und Organisationsformen im Zuge räumlicher Kontakte und transregionaler Mobilität zählt Schulz zu Recht zu den faszinierendsten Kapiteln antiker Kriegsgeschichte. Doch kann auch er sie nicht ohne Berücksichtigung politischer Organisationsformen erklären. Dieses dritte Bezugsfeld des Krieges hatten bereits in der Antike Denker wie Aristoteles erkannt und daher das wechselseitige Verhältnis von Kriegstechnik und politischer Organisation zu bestimmen versucht.

So wurde in der griechischen Poliswelt und in den meisten anderen mediterranen Stadtstaaten politische Teilhabe mit der Pflicht und dem Recht zum Kriegsdienst gleichgesetzt - die Kämpfenden stimmten selbst über Krieg und Frieden ab. In derlei Fällen, in denen die politische Teilhabe innerhalb einer Gemeinschaft breit gelagert war, suchte eben diese die elitäre und meist aristokratische Waffengattung der Reiterei zurückzudrängen oder dem taktischen Schwergewicht der Infanterie unterzuordnen.

Wie viel größer hingegen die militärischen Gestaltungsmöglichkeiten monarchistischer Systeme waren, da sie ihre Ressourcen stärker bündeln und frei von innenpolitischen Kontrollen und Entscheidungsprozeduren ihren machtpolitischen Zielen unterordnen konnten, liest Schulz an der Tendenz stabiler Monarchien ab, im Vergleich zu den mediterranen Stadtrepubliken komplexere militärische Apparate und Berufsheere mit differenzierten Rekrutierungssystemen und Waffengattungen wie Söldnern, stehenden Kernheeren, Eliteeinheiten und königlichen Garden aufzubauen.

Als ein letztes Bedingungsfeld des Krieges betrachtet Schulz die Abhängigkeit von materiellen und finanziellen Ressourcen und der Logistik. Denn schon in der Antike war Krieg ein teures Geschäft, vor allem wenn er über große Entfernungen und mit komplexen Waffensystemen geführt wurde. Für eine solche Kriegführung reichten Plünderungen und Requisitionen als Finanzierungsquellen in der Regel nicht aus. Vielmehr war eine bestimmte wirtschaftliche Organisationshöhe Voraussetzung. So bemaßen sich die finanziellen Kapazitäten eines Gemeinwesens auch daran, inwieweit es gelang, Bürger und Untertanen an der Bezahlung und Versorgung der Truppen zu beteiligen - eine Fähigkeit, die wiederum von den geographischen Bedingungen und der politischen Verfassung abhing.

So führt Schulz die historische Tatsache, dass sich die Städte der kleinräumigen Welt Griechenlands im Gegensatz zu den vorderasiatischen Reichen keine Belagerungsmaschinen und hochgerüsteten Reiterarmeen leisten konnten und wollten, unter anderem auf ihre beschränkten finanziellen Mittel zurück. Dagegen unterhielten das Perserreich und seine Nachfolgestaaten kostenintensive Waffengattungen, da sie über die reichsten Gebiete der Antike und längere Zeit über gefüllte Staatsschätze verfügten. Auch den Aufstieg der römischen Militärmacht erklärt Schulz nicht zuletzt daraus, dass die Römer die Ressourcen der unterworfenen Völker abschöpften und dass nach jedem erfolgreichen Krieg ungeheure Beutesummen und Kriegskontributionen in die Staatskasse Roms flossen, bis die späte Republik und das Kaiserreich das gesamte Mittelmeergebiet beherrschten und damit über ein vorher nicht gekanntes Reservoir an naturalen und finanziellen Mitteln verfügten.

Indem Schulz die einander bedingenden Bezugsgrößen des Krieges durch die antiken Jahrhunderte verfolgt, werden Rückkoppelungseffekte und Verknüpfungen in seltener Klarheit sichtbar und verdichten die Darstellung zu einem neuen Standardwerk, das über viele Jahre weitere Forschungen prägen dürfte. Zwar ist auch Schulz bewusst, dass sich aus dem Zusammenspiel der von ihm gewählten Bezugsgrößen kaum allgemeingültige Regeln ableiten lassen - zu heterogen sind die einzelnen Bereiche, zu abhängig von Zufällen, menschlichem Fehlverhalten, unerwarteten Entscheidungen und politischen Einflüssen.

Dennoch bietet die Herangehensweise von Schulz wertvolle Orientierung durch die Antike als einem Zeitalter, das in der Rückschau oftmals wie eine einzige Aneinanderreihung blutiger Auseinandersetzungen wirkt. Dieser Flut militärischer Ereignisse Strukturen und Lesarten für ein tieferes Verständnis verliehen zu haben, ist das große Verdienst eines Historikers, der den Krieg auch in seiner militärpragmatischen Dimension wieder als wesentlichen Faktor historischer Entwicklungen und Veränderungen ernst zu nehmen bereit ist - ein Ernst, der den Geschichtswissenschaften gut zu Gesicht steht.

THOMAS SPECKMANN.

Raimund Schulz: "Feldherren, Krieger und Strategen". Krieg in der Antike von Achill bis Attila.

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012. 629 S., geb., 32,95 [Euro].

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