• Gebundenes Buch

10 Kundenbewertungen

Lars Tobiasson-Svartman ist Marineoffizier und Seevermessungsingenieur, ein Mann der Abstandmessung und des Abstandhaltens. Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs und er hat den militärischen Auftrag, in den Stockholmer Schären neue Fahrwasser auszuloten. Eines Tages trifft er auf einer der äußersten Schären eine einsam lebende Frau, Sara Fredrika. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch bald geht sein Auftrag zu Ende, und zu Hause erwarten ihn seine Frau und ein geordnetes Heim. Um zu Sara Fredrika zurückkehren zu können, ersinnt er einen dreisten Betrug. Wie immer bei Mankell entwickelt die…mehr

Produktbeschreibung
Lars Tobiasson-Svartman ist Marineoffizier und Seevermessungsingenieur, ein Mann der Abstandmessung und des Abstandhaltens. Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs und er hat den militärischen Auftrag, in den Stockholmer Schären neue Fahrwasser auszuloten. Eines Tages trifft er auf einer der äußersten Schären eine einsam lebende Frau, Sara Fredrika. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch bald geht sein Auftrag zu Ende, und zu Hause erwarten ihn seine Frau und ein geordnetes Heim. Um zu Sara Fredrika zurückkehren zu können, ersinnt er einen dreisten Betrug. Wie immer bei Mankell entwickelt die Geschichte einen unwiderstehlichen und unheimlichen Sog. Ein Mann zwischen zwei Frauen. Ein Mensch, der über Leichen geht, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Ein Roman über die finsteren Abgründe der Seele und das Böse in uns.

Autorenporträt
Henning Mankell (1948 - 2015) lebte als Schriftsteller und Theaterregisseur in Schweden und Maputo (Mosambik). Seine Romane um Kommissar Wallander sind internationale Bestseller. Zuletzt erschienen bei Zsolnay Treibsand (Was es heißt, ein Mensch zu sein, 2015), die Neuausgabe von Die italienischen Schuhe (Roman, 2016), Die schwedischen Gummistiefel (Roman, 2016) und die frühen Romane Der Sandmaler (2017), Der Sprengmeister (2018) und Der Verrückte (2021).

Verena Reichel, 1945 geboren, wurde für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis. Sie übersetzte u.a. Ingmar Bergman, Katarina Frostensen, Lars Gustafsson, Henning Mankell, Anna-Karin Palm, Hjalmar Söderberg und Märta Tikkanen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kolja Mensing ist nicht wirklich glücklich mit Henning Mankells neuem Roman geworden, der seinen Informationen zufolge die tragische Geschichte eines einfachen Marinesoldaten und Karthographen erzählt, der es leid ist, immer nur Karten für andere zu zeichnen. Zwar hat Mensing zunächst den Eindruck, dass sich der schwedische Erfolgsautor damit in literarisch unbekannte Fahrwasser begeben hat und zeigt sich einigermaßen beeindruckt von dessen Talenten bei der Schilderung menschlicher Abgründe. Bald jedoch muss der Rezensent feststellen, dass Mankell sich doch nicht so weit von den bekannten Gestaden des Kriminalromans ins offene Meer der Literatur hinausgewagt hat. Zwar sei die Geschichte vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges in Afrika immer wieder spannend zu lesen. Doch Mankll vertraue ihr nicht und wende allerlei stilistische Tricks an, die das Lesevergnügen Mensings streckenweise empfindlich gestört haben. Außerdem stößt er trotz "des stilistischen Regenzaubers" immer wieder auf Ungereimtheiten im Handlungsverlauf und wird schließlich den Verdacht nicht los, dass dieser Roman zwar tiefgründig wirken soll, es aber eigentlich gar nicht ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2005

Treibgut der Phantasie
Schattenwelten: Ein neuer Roman von Henning Mankell

An einem grauen Oktobertag im Jahre 1914 betritt der Kartograph und Marineoffizier Lars Tobiasson-Svartman im Hafen von Stockholm das Panzerschiff "Svea". Seit mehr als zwei Monaten herrscht Krieg in Europa, und obwohl Schweden sich für neutral erklärt hat, ist die königliche Flotte in Alarmbereitschaft versetzt worden. Doch Lars Tobiasson-Svartman, der die Gewässer in den Schären vor Stockholm erkunden soll, versucht, den Lärm der immer näher rückenden Schlachten zu überhören: "Die Meerestiefen zu kartieren erforderte eine große Ruhe, eine fast meditative Stille."

"Tiefe", das ist der schlichte Titel des "neuen Mankells", und man könnte meinen, daß der schwedische Schriftsteller sich in unbekanntes Fahrwasser begeben habe. Henning Mankell hat keinen weiteren Krimi mit seiner Erfolgsfigur Kurt Wallander geschrieben, und er hat auch nicht die Reihe der Romane fortgesetzt, die, wie zuletzt "Das Auge des Leoparden", in seiner zweiten Heimat Afrika spielen. Statt dessen erzählt er nun vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs die einfache und zugleich tragische Geschichte eines Mannes, der es leid ist, immer nur "Karten für andere zu zeichnen": Lars Tobiasson-Svartman sucht mehr als nur einen neuen Weg entlang der Küste. Er hofft, "einen Punkt zu finden, an dem es keinen Boden gab, den Punkt, an dem sein ganzes Leben sich auflösen und verändern, zugleich aber auch einen Sinn erhalten würde".

Schon bald kommt er diesem Punkt bedrohlich nahe. Während der Kartograph den Meeresboden beim Leuchtturm von Sandsänkan vermißt, stößt er auf die entlegene Schäre Halsskär, auf der eine Frau allein in einer kleinen Hütte lebt. "Ich heiße Sara Fredrika", sagte sie, und von diesem Tag an rudert Lars Tobiasson-Svartman im Schutz des Nebels jeden Morgen von seinem Schiff zu der Felsinsel. Er hat sich verliebt, und nach seiner Rückkehr nach Stockholm verstrickt er sich gegenüber seiner Ehefrau in ein feingesponnenes Netz von Lügen. Er gibt vor, einen weiteren "geheimen Auftrag" für sein Vaterland ausführen zu müssen, und kehrt kurz nach Weihnachten zurück nach Halsskär: "Nichts anderes bedeutete ihm etwas. Nur das hatte einen Sinn." Als er entdeckt, daß ein deutscher Deserteur bei Sara Fredrika Unterschlupf gefunden hat, schlägt die Verbissenheit, mit der er über das zugefrorene Meer gestapft ist, jedoch in Jähzorn um: eine "Schwäche", die er über Jahre hinweg unterdrückt hat. Spätestens in dem Moment, in dem er beginnt, ein Loch in die Eisdecke zu hacken, das groß genug ist, um nicht nur sein Lot, sondern auch einen Menschen aufzunehmen, ist klar, daß der Marineoffizier in seinem Innern auf eine Untiefe gestoßen ist.

Spannend ist das schon. Henning Mankell versteht sich ausgesprochen gut auf die Abgründe der menschlichen Seele, das weiß man, wenn man den einen oder anderen seiner Kriminalromane gelesen hat. In "Tiefe" läßt er nun die Konventionen seines angestammten Genres weitgehend hinter sich und formt aus der zunächst durchaus sympathisch wirkenden Figur Lars Tobiasson-Svartmans erst nach und nach einen gefährlichen und selbstzerstörerischen Zwangscharakter. So weit, wie man zu Beginn meinen könnte, hat der Erfolgsautor sich mit "Tiefe" dann allerdings doch nicht ins offene Meer der Literatur hinausgewagt. Es ist, als ob Mankell seiner eigenen Geschichte nicht vertraut und darum noch einmal alle seine stilistischen Tricks anwendet. So zieht bereits auf den ersten Seiten "feuchter Nebel" auf, "Dunst liegt über dem Meer", und auch der "kaum merkliche Nieselregen", der zu einer Art Leitmotiv der Romane Mankells geworden ist, darf nicht fehlen. Das gilt auch für die Vorahnungen beim Blick in den Himmel: "Er hatte den Verdacht, daß sich das Wetter sehr bald stark verschlechtern würde."

Das Problem ist, daß man sich in der melancholischen Nebellandschaft des schwedischen Schriftstellers inzwischen so gut auskennt, daß man trotz des stilistischen Regenzaubers selbst kleinere Ungereimtheiten schnell entdeckt. So sucht sich Lars Tobiasson-Svartman beispielsweise gleich zu Beginn des Romans unter großem erzählerischen Aufwand ein Versteck auf dem Panzerschiff "Svea", das später dann gar keine Rolle spielt. Darüber hinaus funktioniert auch Mankells beliebtes Kunststück nicht mehr, einzelnen Sätzen in Form von kurzen Absätzen zu mehr Gewicht zu verhelfen: Wenn die leicht verunglückte Sentenz vom Meer, das "wie ein Traum ist, der nie seine Haut verkauft", wie in Stein gemeißelt zwischen zwei größeren Textblöcken steht, drängt sich doch sehr der Verdacht auf, daß dieser Roman zwar tiefgründig wirken soll, es aber eigentlich gar nicht ist.

Sehr erhellend ist in dieser Hinsicht auch das bewegende "Nachwort", in dem Henning Mankell noch einmal wortgewaltig das "Grenzland zwischen der Wirklichkeit und der von mir erfundenen Geschichte" abschreitet und so erstaunliche Dinge mitzuteilen weiß wie beispielsweise, daß es einige der Menschen, die er in seinem Roman beschreibt, tatsächlich gegeben hat, andere jedoch nicht. "Trotzdem sehe ich sie vor mir", raunt er, und spätere Interpreten seines Werkes können sich folgende Weisheit des schwedischen Dichters schon einmal für den Zettelkasten notieren: "In den Schattenwelten der Geschichte und der Erinnerung, an den literarischen Stränden mischt sich das Treibgut der Phantasie mit dem der Wirklichkeit." Das ist wirklich sehr - tief.

Henning Mankell: "Tiefe". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Zsolnay Verlag, Wien 2005. 365 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr