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2 Kundenbewertungen

Gerald Candless, Schriftsteller, sieht gut aus, hat Erfolg, eine aufopferungsvolle Ehefrau und zwei ihn zärtlich liebende Töchter. Warum aber empfindet seine Frau nach seinem plötzlichen Tod ein überwältigendes Gefühl der Befreiung? Und warum entdeckt Sarah, als sie die Lebensgeschichte ihres Vaters aufschreiben möchte, bei jedem Schritt Hinweise darauf, daß ihr Vater nicht der war, der er zu sein schien? Und was hat das alles mit dem lang zurückliegenden Mord in Highbury zu tun?

Produktbeschreibung
Gerald Candless, Schriftsteller, sieht gut aus, hat Erfolg, eine aufopferungsvolle Ehefrau und zwei ihn zärtlich liebende Töchter. Warum aber empfindet seine Frau nach seinem plötzlichen Tod ein überwältigendes Gefühl der Befreiung? Und warum entdeckt Sarah, als sie die Lebensgeschichte ihres Vaters aufschreiben möchte, bei jedem Schritt Hinweise darauf, daß ihr Vater nicht der war, der er zu sein schien? Und was hat das alles mit dem lang zurückliegenden Mord in Highbury zu tun?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.1999

Tugend schützt vor Unlust nicht
Lebenslügen: Barbara Vine entfaltet die Schwärze

Das Leid des Tugendhaften ist ein zuverlässiges Mittel, menschliche Rührung hervorzurufen. Schon Sophokles sicherte seinem König Ödipus über zweieinhalb Jahrtausende hinweg die Anteilnahme der Zuschauer, indem er die Verstrickung des vorbildlichen Herrschers in tragische Schuld darstellte, die alle guten Absichten zunichte macht. Auch die englische Bestseller-Autorin Ruth Rendell kennt sich aus mit dem Vergnügen an tragischen Gegenständen. Mit ihren Büchern versteht sie ihre Leser immer wieder aufs neue zu fesseln, indem sie sie an dem Leiden ihrer Figuren Anteil nehmen läßt. Das gilt für ihre Kriminalromane und psychologischen Thriller um Inspektor Wexford, die sie unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht, und es gilt erst recht für ihre komplizierter gebauten Romane, die unter dem Pseudonym "Barbara Vine" erscheinen.

Die Helden von Barbara Vines jüngstem Buch sind allesamt sehr tugendhaft, und entsprechend groß ist ihr Leid; aber das erfahren die Leser erst nach und nach. Am Anfang erscheint die Welt des alternden Gerald Candless beneidenswert intakt. Seit fast drei Jahrzehnten lebt der berühmte Schriftsteller mit seiner Familie im komfortablen Haus am Meer, wo er in aller Zurückgezogenheit Roman um Roman schreibt. Den Booker-Preis zwar hat er verfehlt, aber Einkommen und Ruhm sind dennoch so groß, daß er sich erlauben kann, seine Besucher mit einem faden Ratespiel an der Nase herumzuführen, das eigentlich in das Programm von Kindergeburtstagen gehört.

Der plötzliche Tod des bewunderten Vaters stürzt die beiden erwachsenen Töchter in tiefe Depression; seine Frau hingegen wirkt seltsam unbeteiligt, ja geradezu erleichtert. Statt ebenfalls in Trauer zu erstarren, legt sie sich erst eine neue Frisur, dann ein edles Parfüm und schließlich einen Liebhaber zu - eine Veränderung, die die Leser des Buches mit wachsender Sympathie verfolgen. Denn Schritt für Schritt wird offenbar, daß diese Verwandlung zugleich die Befreiung aus großem ehelichen Unglück ist, von dem niemand etwas wußte. Kein antiker Götterfluch lastete über dem erfolgreichen Schriftsteller wie einst über dem thebanischen König, doch sah er sich in auswegloser Schuld gefangen, die seine Ehe von Anfang an scheitern ließ. Man ahnt es schnell: Anders als Ödipus wurde es diesem schreibenden Patriarchen nicht zum Verhängnis, daß er der falschen Frau beigewohnt hat, vielmehr empfand er den Zeugungsakt selbst als große Qual, die seinem eigentlichen Begehren zuwiderlief und die er nur auf sich nahm, um endlich eine eigene Familie zu haben. Mit der ersehnten Geburt der Töchter sah er sich von aller Gattenpflicht befreit.

Allmählich kommen die verwöhnten jungen Frauen hinter das Geheimnis und müssen erkennen, daß ihr Vater sein gesamtes Leben auf einer Lüge aufgebaut hat. Alle Geschichten über seine Herkunft hatte der begabte Schriftsteller erfunden, um ein dunkles Ereignis in seiner Vergangenheit zu vertuschen. Die vollständige Aufdeckung des Rätsels wird zu einem spannenden Detektivspiel, das Barbara Vine nach allen Regeln der kriminalistischen Kunst inszeniert. Zugleich erteilt sie ihren Lesern eine Lektion über den Wahrheitsgehalt von Literatur. Denn zwar finden sich in Geralds Romanen zentrale Hinweise auf seine eigentliche Identität, doch müssen sie mühsam entschlüsselt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei dem schwarzen Falter zu, den der Schriftsteller auf allen Umschlägen seiner Bücher abbilden ließ und der auf verschlungenen sprachlichen Wegen in seine verleugnete Kindheit führt. Der Übersetzerin des Romans ist ein besonderes Lob dafür auszusprechen, daß sie diesen Indizienbeweis auch im Deutschen nachvollziehbar macht.

Vines Roman ist zugleich ein Sittengemälde der englischen Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft, deren Toleranz in Fragen der Sexualmoral auf enge Grenzen stieß. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Moralvorstellungen indes nicht nur in England gewaltig verändert; deshalb ist die Geschichte des unglücklichen Schriftstellers, der unbedingt die Freuden der Vaterschaft erleben will, fast schon ein historischer Roman. Denn so groß das hier dargestellte Leid auch ist - künftige Leser werden am Ende statt inniger Anteilnahme am Schicksal Geralds und seiner Familie womöglich nur noch ungläubiges Staunen darüber empfinden, was dieses Unglück ausgelöst hat. Aber mit der Zeitlosigkeit des "König Ödipus" wollte Barbara Vine alias Ruth Rendell vermutlich ohnehin nicht konkurrieren. SABINE DOERING

Barbara Vine: "Der schwarze Falter". Roman. Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 550 S., geb., 46,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Martina I. Kischke findet Barbara Vines Krimis "besonders subtil und gesellschaftskritisch". "Der schwarze Falter" handele von einer Ehefrau, die das Schlafzimmer ihres Mannes zum ersten Mal am Tage seines Todes betritt und von einer Tochter, die das Geheimnis dieser Ehe erst nach dem Tod des Vaters entdeckt. Frauen, schreibt Kischke, wird dieser Krimi wahrscheinlich stärker berühren, weil "sie die tödlichen Verletzung der Seele meist besser orten können."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein wunderbarer Ferienschmöker, mit einer so sauber gelegten Spannungsführung, daß einem auch bei ärgster Hitze Gänsehaut sicher ist. Ein richtiger Literatur-Thriller." (Tages-Anzeiger) "Zwei Töchter spüren die Geheimnisse ihres Vaters auf, tauchen in die Abgründe seiner Seele ein." (Welt am Sonntag) "'Der schwarze Falter' ist eine Studie über den Egoismus des Romanciers, für den die meisten seiner Mitmenschen nur dazu gut sind, Vorfälle, Plots, Erkenntnisse zu liefern, die dann im nächsten Buch verwertet werden können. Der Roman stellt grundsätzliche Fragen nach dem Wesen der Identität." (The Times) "Ein wunderbarer Ferienschmöker, mit einer so sauber gelegten Spannungsführung, daß einem auch bei ärgster Hitze Gänsehaut sicher ist. Ein richtiger Literatur-Thriller." (Tages-Anzeiger)