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Das neue Buch von Erfolgsautor Matthias Matussek Nichts wühlt die Welt derzeit so auf wie die neuen Kämpfe um Religion und Glauben. Da ist der fundamentalistische Terror. Da ist die Reizfigur des Papstes. Da sind die Angriffe der Wissenschaften auf Glaubensbastionen. Der streitbare Katholik und Bestsellerautor Matthias Matussek hat aus seinen Grundüberzeugungen nie einen Hehl gemacht. In seinem neuen Buch hält er der hedonistischen Moderne eine politisch inkorrekte Gardinenpredigt über die »Sieben Todsünden«. Er erläutert, warum Lügen in der Politik nicht lohnen. Er fühlt Gregor Gysi beim…mehr

Produktbeschreibung
Das neue Buch von Erfolgsautor Matthias Matussek Nichts wühlt die Welt derzeit so auf wie die neuen Kämpfe um Religion und Glauben. Da ist der fundamentalistische Terror. Da ist die Reizfigur des Papstes. Da sind die Angriffe der Wissenschaften auf Glaubensbastionen. Der streitbare Katholik und Bestsellerautor Matthias Matussek hat aus seinen Grundüberzeugungen nie einen Hehl gemacht. In seinem neuen Buch hält er der hedonistischen Moderne eine politisch inkorrekte Gardinenpredigt über die »Sieben Todsünden«. Er erläutert, warum Lügen in der Politik nicht lohnen. Er fühlt Gregor Gysi beim Katholikentag auf den Zahn. Er beschreibt die Nacht, in der der alte Papst starb und beobachtet den neuen beim Besuch in seinem Heimatdorf. Er schildert Baptisten und orthodoxe Juden in den USA wie Favela-Priester in Rio de Janeiro. Da der Glaube eine persönliche Angelegenheit ist, ist auch dieses Buch eine: Matussek erzählt, wie er wurde, was er ist. Er legt, auf seine Art, Zeugnis ab. Provokantes Bekenntnis zur Macht des Glaubens.
Autorenporträt
Matthias Matussek, geb. 1954, kam nach Stationen beim Berliner Abend und beim Stern zum SPIEGEL, für den er als Korrespondent und Reporter nach New York, Rio de Janeiro und London ging. Im Herbst 2005 kehrte er in die Zentrale nach Hamburg zurück, wo er bis Januar 2008 das Feuilleton leitete. Heute schreibt er als Autor für das Magazin und agiert als Videoblogger für Spiegel Online.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2011

Er weiß, das kann peinlich werden
In seinem Buch „Das katholische Abenteuer. Eine Provokation“ lässt Matthias Matussek es zischen und krachen für die Sache des Glaubens
Der Kulturjournalist Matthias Matussek hat seinen 2330 Facebook-Freunden unlängst Ross Thomas’ Thriller „Am Rande der Welt“ empfohlen. Dessen Protagonist, ebenfalls Buchautor, bekommt auf Seite 52 zu hören: „Na ja, ich hab’s gelesen. Jedenfalls das meiste, aber dann, nach ungefähr drei Vierteln, hab’ ich's aufgegeben. (. . .) Weil ich einfach nicht rausfinden konnte, auf welcher Seite Sie stehen.“ Nun, es scheint fast so, als hätte sich Matussek diese Kritik für sein neues Buch „Das katholische Abenteuer“ zu Herzen genommen. Denn gleich mal vorweg: Eines kann der Leser ganz sicher nicht behaupten – nicht zu wissen, auf welcher Seite Matussek steht.
„Das katholische Abenteuer“ ist ebenfalls ein Thriller, ein „Aufreger“. Das Buch könnte sogar ebenfalls „Am Rande der Welt“ heißen, denn dahin sieht Matussek seine Kirche und die Rede über den Glauben abgedrängt. Und das will er ändern. „Dies ist das Buch eines Journalisten über Gott und die Welt. Es ist auch das Buch eines religiösen Journalisten. Ich weiß, das kann peinlich werden. (. . .) Wie schreibt man übers religiöse Ergriffensein?“, fragt sich Matthias Matussek zu Beginn. Er hat sich entschieden: für den harten Ritt, für die „Provokation“, so verspricht es der Untertitel.
Es bollert also und rumpelt, es zischt und kracht in diesem Buch Seite für Seite, als wolle Matussek die „Apokatastasis“ höchst selbst herbeischreiben – diese Zeit „am Ende aller Tage, wenn Gott die Welt wieder in ihren sündenfreien Urzustand versetzt“. So beschließt er seinen großen Eingangsessay über die Sünden. Und der ist nur Auftakt für das große Abenteuer der Selbstbeobachtung und der Weltbeschreibung im Zeichen seines Glaubens.
Da Matussek ein Bekenntnis vorlegt, sollte der Rezensent es auch tun: Ich bin nicht gläubig. Das Buch war für mich immer wieder eine Zumutung, eine Verstörung, aber ich habe damit gekämpft, mit Gewinn, und das ist mehr, als man von manchen anderen Büchern sagen kann.
Moderate Töne gibt es selten, aber dann sind sie umso überraschender: die innige Beschreibung eines Gottesdienstes etwa oder eine Reise durch die heutige Glaubenswüsten mit erstaunlichen Begegnungen im Zug, Gesprächen mit Lyrikern, Meditationen über Gedichte und mystische Texte. Dazwischen eine gescheite Unterhaltung mit dem Philosophen Rüdiger Safranski. Aber auch: Polemik, unbändige Lust am Streit, besonders wenn es um den Zustand der Kirche geht. Matussek erklärt: „Ich bin so leidenschaftlich katholisch, wie ich vor vierzig Jahren Marxist war. Warum? Weil mein Verein angegriffen wird.“ Ein Verein mit festen Statuten. Solche, die der Autor in höchster Gefahr sieht, wenn der Verein zu sehr mit dem Zeitgeist geht. Matussek legt seine eigenen Fundamente offen: „Ich bin katholisch, und das ist auch gut so. Ich habe mir die Sache nicht ausgesucht. Sie ist mir in mein Gemüt gelegt, von Kindheit an, so sehr, dass sie mir vorkommt wie angeboren.“ Aber gibt es das überhaupt? Eine genetische Prädisposition für Gott? Erbgut oder Erbsünde?
Katholische Priester und Nonnen sind für Matussek „Menschen wie weiße Elefanten. Sie sprechen von Gott. Sie sind skandalöserweise nicht von Eigennutz getrieben, sondern von der Liebe zu den Menschen und von der Mission, die frohe Botschaft weiterzugeben. Und sie werden im öffentlichen Gerede behandelt wie Idioten oder Verbrecher. Zumindest bei uns“. Gefallsüchtig ist dieses Buch nicht, ganz und gar nicht. Wer allen einfach nur gefallen will, schreibt anders.
Wenn der bekennende Katholik Matussek richtig in Rage gerät, dann kriegen die Atheisten, die die Religion für das Grundübel der Welt halten, postwendend das 20. Jahrhundert mit seinen Mörder-Ideologien ohne Gott um die Ohren gehauen. Dann „muss das Team der Atheisten mit düsteren Bündnispartnern rechnen . . ., der atheistischen Spitzenkraft Adolf Hitler“. Das ist natürlich unversöhnlich. Das ist der Gegenangriff, das ist die Dialektik des katholischen Ex-Kommunarden Matussek.
Anders als der Großinquisitor der Kirchenkritik, Karlheinz Deschner, Autor der auf zehn Bände angelegten „Kriminalgeschichte des Christentums“, will Matthias Matussek nicht von der Sünden-, sondern „ausnahmsweise“ nur von der Gnadengeschichte der Kirche reden. Aber das heißt nicht, dass er nicht kämpferisch und abgrenzend von ihr reden würde. Jedenfalls verweigert Matussek konsequent die Umarmungsaufforderung des Bundespräsidenten, was den Islam angeht. Er warnt sogar davor, wenn er über junge fundamentalistische Moslems in Deutschland sagt: „Die Jungs . . . ziehen sich den Islam über wie eine Bomberjacke. Und sie setzen die Worte des Propheten ein wie einen Baseballknüppel. Hier ist dann jener Gewaltkern spürbar, der Goethe schließlich davon Abstand nehmen ließ, eine große Theaterhuldigung auf Mohammed zu dichten.“
Nein, der Islam gehört nicht zu Deutschland, nicht historisch, darin gibt Matussek dem Innenminister recht – wie ungefähr drei Viertel aller Deutschen. Warum das so ist? Matussek: „Es scheint so etwas zu geben wie eine ideengeschichtliche und religiöse DNA, die verteidigt wird, wie sehr auch immer sie gelitten hat in einer globalisierten Welt. Religion scheint ein wichtiges Identitätsmerkmal zu sein, das sich nicht einfach wegschminken lässt.“
Matussek glaubt offenbar wirklich. Das ist sicher die eindringlichste Erkenntnis, die man aus dem Buch „Das katholische Abenteuer“ gewinnt. Der Autor spricht aus einerTrutzburg: „Ich denke katholisch, ich fühle und lache und wüte katholisch, ich sündige, ich beichte, ich schaue katholisch auf die Welt.“ Schon um das Jahr 400 schrieb Augustinus sein autobiographisches Bekenntnis. Folgerichtig gibt es auch bei Matthias Matussek ein Dutzend Bezüge zum Bischof von Hippo Regius. Matusseks moderne, schon im Format bescheidenere, massentaugliche Instantfassung ist ebenfalls ein Hinaustreten aus dem Inneren ins Öffentliche.
Matussek hat sein Bekenntnis in fünf Kapitel unterteilt: „Ausgangslagen“, „Glaubensschlachten“, „Meine Kirche“, „Gott und die Welt“ und „Endspiele“. „Ausgangslagen“ beginnt mit einem Plädoyer zur Vermeidung der sieben Todsünden. Dann nimmt der Autor sich der aktuellen Debatten um die ewig gleichen Reizthemen an: Zölibat, Papst, Priester. „Gleich drei Verstörungen, nämlich kein Sex, keine Demokratie, keine Gleichberechtigung.“ Und er bezieht eindeutig Stellung: für den Zölibat, für die Hierarchie, für die Tradition.
Aber, und das darf man nicht unterschlagen, will man dem Werk gerecht werden: „Das katholische Abenteuer“ ist längst nicht nur eine Aufregung, es ist sogar in weiten Teilen eine große Schwärmerei. So ist der Vatikan für Matussek eine „grandiose, feudale Zuspitzung auf den obersten Kirchenfürsten“ und gipfelt in solchen, auf glaubensferne Menschen zunächst sicher verstörend wirkenden Beschreibungen: „Wer einmal mit Zigtausenden . . . hinaufgeschaut hat zur Balustrade des päpstlichen Palastes und den Mann in Weiß den ,Urbi et Orbi‘-Segen spenden sah . . . den Ostergruß . . . diese polyphone Glaubenssinfonie aus Stimmen und Gebeten, der weiß, dass die katholische Kirche tatsächlich Weltkirche ist . . .“ Das ist laut. Das schreit förmlich. Zumindest wohl in den Ohren von eingefleischten Atheisten.
Ja doch, Matussek ist hysterisch. Aber in beide Richtungen: in der Abwehr wie in der Begeisterung. Immer mitreißend. Im Verlauf des Buches erzählt er von der Begegnung mit den vielen gläubigen Christen unterschiedlichster regionaler Einfärbungen. Da meint man vieles wiederzuerkennen aus seiner jahrzehntelangen journalistischen Arbeit, diese anschaulichen Vor-Ort-Reportagen, die seinen Ruf als exzellenter Beobachter begründet haben: in Baptistengottesdiensten in Harlem, in einer Synagoge, in einer gigantischen Marienprozession am Amazonas. Mit dem Pfund seiner anschaulichen Reportersprache wuchert Matussek auch hier seiten- und kapitelweise. Dazu gehören auch seine romantisierten Kindheitserinnerungen zwischen Krippenspiel und Petersplatz.
Auch im atheistischen Zuhause des Rezensenten gab es Kinderbibeln. Zum Beispiel Gustav Schwabs „Sagen des Klassischen Altertums“. Unser Vater pilgerte mit uns nicht auf den Petersplatz, wir durchstreiften Sommer für Sommer Kleinasien und Griechenland und landeten schließlich in Epidauros. Dieses herrliche antike Theater mit dem weiten Blick über die uralten Olivenhaine hinweg auf die Berglandschaft der Argolis im Sonnenuntergang; fünf Stunden lang unter freiem Himmel mit Zehntausenden Gleichgesinnten aus aller Welt „Die Troerinnen“ auf Altgriechisch. Ich war acht Jahre alt. Und die Wiege des Guten lag für mich nicht in Bethlehem, sondern in diesem Moment ganz im Herzen Europas. Da geht es mir nicht anders als Matthias Matussek: „Dieser Kinderglaube hat ein Reservoir angelegt wie einen unterirdischen See. Der mochte im Laufe des Lebens teilweise verschüttet werden, doch er war stets da.“
ALEXANDER WALLASCH
MATTHIAS MATUSSEK: Das katholische Abenteuer. Eine Provokation. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 368 Seiten, 19,99 Euro.
Der Islam gehört nicht zu
Deutschland, und zum „Team der
Atheisten“ gehört auch Hitler
Matussek ist für den
Zölibat, für die Hierarchie,
für die Tradition
Der Kulturjournalist Matthias Matussek, Jahrgang 1954, wurde bekannt als Reporter des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, als Videoblogger und Buchautor. Sein Werk „Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können“ (2006) war ein Bestseller. Nun bekennt er sich in seinem neuen Buch offensiv zu seinem katholischen „Kinderglauben“ und verteidigt die Kirche gegen den Zeitgeist.
Foto: Melanie Feuerbacher/DVA
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2011

Mit den römischen Sex Pistols zum Letzten Gericht

Hier wird der Kult zum Kult: Matthias Matussek wirft sich katholisch in die Brust, hofft auf neues Mysterium und hat von zentralen Lehrstücken seiner Kirche erstaunlich wenig Ahnung.

Matthias Matussek, von 2005 bis 2008 Kulturchef des "Spiegel", versteht sich als Gonzo-Journalist. Wie vor vierzig Jahren Hunter S. Thompson setzt er auf aggressive Polemik, kalkulierte Beleidigung, radikale Subjektivität und professionellen Amoklauf. Wild schießt der Zögling des Bonner Aloisiuskollegs der Jesuiten nun um sich, um seine heilige römische Kirche zu verteidigen. Wichtigste Zielscheibe sind die Latte-macchiato-Schickeria mit ihrem alles relativierenden seichten Geschwätz und überhaupt jeder satte, selbstzufriedene Bourgeois, der sich im Status quo eingerichtet hat.

Matussek stammt aus einem entschieden katholischen, kirchentreuen und eng der CDU verbundenen Elternhaus, wurde dann aber klassenkämpferischer Maoist, bevor er nach Drogenexzessen und enttäuschter Liebe zum Kirchenglauben zurückfand. Seine Kirche preist er auch wegen des radikalen Antikapitalismus ihrer Soziallehre. Er sieht in ihr eine zutiefst antibürgerliche Institution, geprägt von der "grandiosen, feudalen Zuspitzung auf den obersten Kirchenfürsten" in Rom und einer zweitausend Jahre alten geheimnisvollen Tradition. Mit Kulturkatholiken wie Martin Mosebach polemisiert er gegen die "Häresie der Formlosigkeit", und die "katholischen Betriebsnudeln und Vereinsmeier" mit ihrem permanenten "Reformgeschnatter" widern ihn nur an. Matussek betont das Anarchische, Unangepasste des Gottesglaubens, seine starke Kraft, alles nur Weltliche als vorläufig zu wissen.

Matussek will Zeugnis ablegen, sich als papsttreuer Katholik outen. Dazu erzählt er wunderbare Geschichten aus seiner Kindheit, einer "katholischen Education sentimentale", in der Alltag und Lebensführung vom "Kirchenkalender" bestimmt wurden. Das Tischgebet war selbstverständlich, abends der Rosenkranz vor einem Hausaltar. Sonntags gingen Eltern und Kinder gemeinsam in Galakleidung zur Messe, vorbereitet wie beim Opernbesuch. Auch nahm die Familie regelmäßig an Marienandachten und Fronleichnamsprozessionen teil. Als man Ende der fünfziger Jahre einen Fernsehapparat hatte, "knieten wir uns davor, um den Papst-Segen ,Urbi et Orbi' zu empfangen, der einen kompletten Erlass der Sündenstrafe bewirkte, auch vor dem Fernseher".

Matussek ist stolz darauf, sich diesen Halt und Geborgenheit gewährenden Kinderglauben an den "lieben Gott" in allen Wirren seines bewegten Journalistenlebens bewahrt zu haben. "Dieser Kinderglaube hat ein Reservoir angelegt wie einen unterirdischen See. Der mochte im Laufe des Lebens teilweise verschüttet werden, doch er war stets da." Seine lebensgeschichtlichen Erinnerungen sind die stärksten Passagen des aus älteren Essays und Interviews mit Kurt Flasch und Rüdiger Safranski zusammengebastelten Buches. Die Brüder Matussek spielten in von der Mutter genähten Kutten Messe, bis Matthias endlich Messdiener wurde. Der Schauer, beim Hochamt das Weihrauchfass schwenken zu dürfen, verband sich mit heiligem Stolz. Und die Sündenbeichte vor dem Holzgitter gewann Matthias "als schönes und ernstes Ritual der Selbstbegegnung und Gewissenserforschung und Entlastung merkwürdig lieb". Der Katholizismus seiner Jugend war eine heile, durch unbefragte Tradition und Glaubenskraft bestimmte Lebenswelt. Von seinen Eltern, speziell vom Vater, spricht Matussek mit Hochachtung und liebevoller Einfühlsamkeit. Er beneidet sie um die "Unbeirrbarkeit ihres Gottvertrauens, das mir leider manchmal fehlt".

Gegen das "Reformgeschwätz" der Geißlers und Küngs setzt Matussek darauf, dass seine Kirche nach dem zerstörerischen "Reformeifer" infolge des Zweiten Vaticanums nun wieder mehr Traditionsbewusstsein entwickele. Er hofft auf neues Mysterium, besseren Kult, die erregende Erfahrung des fascinosum et tremendum. Den autoritätsbewusst antiliberalen Bischof Dyba mag er, andere, kompromissbereitere Bischöfe wie Kardinal Lehmann aber gar nicht. Überhaupt befürchtet er eine weitere Protestantisierung des deutschen Katholizismus. Protestanten sind ihm vor allem in Gestalt evangelischer Pfarrerinnen mit ihren "unaussprechlichen Doppelnamen" ein Graus. Für die gängige Kritik am Zölibat hat Matussek nur Hohn und Spott übrig. Die "zeichenhafte Enthaltsamkeit" der Priester, dieser "spirituellen Hochleistungssportler" und "Frömmigkeitsartisten", sei "Verweis auf eine andere Welt". Es gehe im Leben eben um mehr als nur "darum, seine Bedürfnisse - und zwar subito - zu befriedigen". Die hedonistische Gegenwartsmoderne mit ihrer Gier nach Geld und Hochschätzung des Konsums sei nur eine von allumfassender Wollust gezeichnete Welt.

In der Tat findet Matussek bei privaten TV-Programmen und im Netz viele Beispiele für widerliche Pornographie und obszönen Klamauk. Aber Matussek, unter der "Hysterisierung um die Sexualität" leidend, weiß auch: "Wollust ist ein gefährlicher Gegner, denn sie kommt überfallartig auf Sünder und Heilige gleichermaßen hernieder." Feiert er gerade deshalb am Katholischen das Harte, Schrille, antimodern andere? "Der Katholizismus zielt auf die Gegenwelt. Ja, eigentlich sind wir die Sex Pistols unter den Konfessionen." Diese Selbstdeutung verdient eigene Aufmerksamkeit. Die Sex Pistols hatten ihre ersten Instrumente geklaut und mit bewusst aggressivem Hard Rock auf "Anarchy in the U.K." - so ihre Single aus dem November 1976 - gesetzt. Im grandios inszenierten Willen zur Provokation benutzten sie auch NS-Symbole. Will Matussek die politisch rechtsradikalen Pius-Brüder mit ihrem antisemitischen Bischof Williamson implizit zu besonders glaubensstarken Katholiken adeln?

Matussek kennt klare Kriterien fürs Katholische: Sonntag für Sonntag die Feier der Messe, morgens wie abends und auch bei Tisch beten, mindestens einmal im Jahr Ohrenbeichte und Zustimmung zum Credo. Von der offiziellen Lehre seiner Kirche, zusammengefasst etwa in ihrem "Katechismus", hat er aber nur wenig Ahnung. Trotz der Dauerpolemik gegen alles protestantisch Liberale preist er genau jene Eschatologie, die das römische Lehramt seit langem verwirft, die meisten protestantischen Theologen seit gut zweihundert Jahren jedoch vertreten: die sogenannte "apokatastasis", Wiederbringung aller. Am Ende der Zeiten werde der gnädige Richtergott selbst den ganz Bösen, zur Hölle Verdammten um "Allversöhnung" willen seinen himmlischen Frieden gewähren. Der protestantische Rezensent kann verstehen, dass ein religiöser "Spiegel"-Redakteur auf endzeitliche Rettung auch der Hardcore-Sünder hofft. Aber herrschende katholische Lehre ist dies gerade nicht.

Im Talkshow-Zirkus, den er verachtet, spielt Matussek fröhlich mit. Nicht ohne Eitelkeit erzählt er aus Gesprächen mit Heiner Geißler "vor einer Maischberger-Sendung zwischen zwei Mettwursthäppchen" oder vom medial inszenierten Streit mit dem "Stern"-Chef Jörges. Und den Feuilleton-Chefs dieser Zeitung und der "Süddeutschen Zeitung" wirft Matussek vor, "aus dem gepolsterten Sessel eines Feuilletonisten heraus" arrogant auf Islamkritiker wie Hirsi Ali herabzublicken, wirklich "von oben herab". Sitzen "Spiegel"-Feuilletonisten denn auf harten Holzbänken? Und kritisieren sie andere immer nur von unten?

So stark der Polemiker Matussek, so erschreckend schwach der Diagnostiker der gegenwärtigen religionskulturellen Konflikte. Hier liest man nichts, was andere Glaubensdeuter nicht schon sehr viel klarer, prägnanter beschrieben haben. Intellektuelle Tugenden wie Nachdenklichkeit, Arbeit am Begriff, Unterscheidungsfähigkeit und Bereitschaft zur Selbstkritik liegen Matussek fern. Und auch wenn es nun nach professioneller Arroganz eines Theologieprofessors klingt: In Sachen Glaubenslehre und akademischer Theologie lebt der fromme Matthias im paradiesischen Zustand unschuldiger Erkenntnisfreiheit. Wo er überhaupt auf biblische Vorstellungen oder alte theologische Gehalte zu sprechen kommt, bleibt er einfach vage. Gemäß "der wundervollen österlichen Metapher" der Auferstehung Jesu von den Toten habe jeder Mensch "die Chance auf einen Neuanfang". Darf man fragen, was "Auferstehung" als "Metapher" meint? Eine innerweltliche Transzendenz des Individuums? Den "unendlichen Wert jeder Menschenseele"? Die Unsterblichkeit der Seele? Eine himmlische Wiederbegegnung mit den Gestorbenen? Matussek weicht allen schwierigen Fragen aus und hält Entscheidendes in der Schwebe. Sein "Ich schlag jetzt mal zurück"-Katholizismus zehrt von genau jenem Geist der "Relativierungen", den er zu bekämpfen meint.

Mitte Mai hat Paul Josef Kardinal Cordes Matusseks Buch in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl einem römischen Publikum vorgestellt und es als "ein Kaleidoskop des Glaubens" gepriesen. Nichts könnte die intellektuelle Krise des deutschen Katholizismus klarer zeigen als dieses Medienspektakel: Ein leibhaftiger Kurienkardinal gibt sich dazu her, eine Sammlung von schlechten Essays und guten Interviews als "echten Impuls zum Apostolat" zu loben. Trotz zweitausend Jahren Tradition auch in Rom nur Mangel an Geistesgegenwart und Qualitätsbewusstsein. Den Rabauken, der als Don Camillo den lautstarken "katholischen Konterrevolutionär" mimt, spielt Matussek gut. Aber die paar religiösen Formeln, die er kennt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zur von ihm (mit Walter Kardinal Kasper) beschworenen "Gotteskrise" nichts Relevantes, argumentativ Überzeugendes zu sagen weiß. Seine "Abenteuer" des Glaubens finden nur im Dschungelcamp der medialen Aufmerksamkeitssucht statt. Aber dass amor sui, eitle Selbstliebe, nur Sünde ist, hätte er im katholischen Erwachsenenkatechismus lesen können.

FRIEDRICH WILHELM GRAF.

Matthias Matussek: "Das katholische Abenteuer". Eine Provokation.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011. 368 S., Abb., geb., 19,99 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der hier rezensierende erklärte Protestant Friedrich Wilhelm Graf geht mit dem Autor ebenso hart ins Gericht, wie dieser es in den hier zum Buch kompilierten Essays mit den Protestanten macht. So klar Graf der Furor Matthias Matusseks als subjektive Polemik im Stile eines Don Camillo erkennbar ist, so eindeutig scheint ihm auch Matusseks Grundproblem. Die vom Autor so "wunderbar" memorierte schöne heile Kindheitswelt im Schoß eines katholischen Elternhauses, als Messdiener und Papstfan, und Matusseks Talkshow-tauglicher Katholizismus ist laut Graf eben nur eine recht seichte Angelegenheit, eine Art theologisches Dschungelcamp. Von Glaubenslehre und biblischer Vorstellungswelt dagegen hat der Autor seiner Meinung nach keinen Schimmer, ebenso wenig wie er Lösungsvorschläge zur Glaubenskrise bereithält.Der von Matussek beklagten Protestantisierung des Katholizismus, meint Graf, ist so nicht beizukommen. Paul Josef Kardinal Cordes hat das Buch als "Impuls zum Apostolat" gepriesen - für den Rezensenten ein Zeichen für die intellektuelle Krise des deutschen Katholizismus.

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