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Benutzername: 
jenvo82
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Oberschöna

Bewertungen

Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 31.08.2021
Shuggie Bain
Stuart, Douglas

Shuggie Bain


weniger gut

Kurzum, für mich war dieses Buch ein Flop, vor allem, weil diese triste Geschichte mit ihren labilen Charakteren und den doch dramatischen Auswirkungen auf die Individuen selbst, so wenig Spuren hinterlässt. Die meiste Zeit habe ich mich gelangweilt und die wenigen Spannungsmomente gipfeln dann auch nur in einer schier endlosen Verzweiflung. Gerne hätte dieser Roman eine Biografie sein dürfen oder lieber noch eine ganz fiktive Erzählung. Auch als Gesellschaftroman mit dem Augenmerk auf den Umständen und dem Leben in Armut und Arbeitslosigkeit hätte dieses Buch für mich funktionieren können. So wie es aber ist, trifft es einfach nicht meinen Geschmack.

Fazit

Ich vergebe hier leider nur 2,5 Sterne, die ich tendenziell abrunden würde. Dieser Roman bietet für mich keinen Mehrwert, er ist mir stets fremd geblieben und erzählt eine Story, die mich weder schockieren noch packen konnte. Traurigkeit fließt hier aus jedem Satz, aber sie ist zu allumfassend, um tatsächlich greifbar zu sein. Skizziert wird hier das Leben verschiedener Menschen, die sich irgendwie durchs Leben hangeln, immer nah am Abgrund, immer bemüht das Gleichgewicht zu halten und doch unheimlich schwach auf Grund der Umstände und ihrer eigenen Herkunft. Die immer gleiche, zermürbende Erzählung, gefangen zwischen Gewalt, Häme, Momenten des kleinen Glücks und dann wieder den Sorgen des ganz normalen Alltags, der sich nicht ändern wird, weil es sich um eine Endlosschleife handelt.

Bewertung vom 24.08.2021
Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1
Beckett, Simon

Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1


gut

Hier vergebe ich jetzt leicht enttäuschte 3 Lesesterne und eine eingeschränkte Empfehlung. Denn als Fan des Autors kann man das durchaus verkraften, während ein Neuling besser zur David-Hunter-Reihe greifen sollte. Zu vieles erscheint hier konstruiert und wirkt nur mäßig inspirierend. Ich bin selbst noch unsicher, ob ich diese Reihe weiterverfolgen werde oder nicht, vielleicht gebe ich dem zweiten Band noch eine Chance und sehe dann weiter. Zum Glück kann Simon Beckett sehr gut schreiben, so dass selbst eine durchschnittliche Story mit Längen und Ungereimtheiten, zwar nicht sonderlich glänzt aber doch bis zum Ende gelesen wird.

Bewertung vom 06.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Ich bin sehr positiv überrascht und vergebe gerne 5 Lesesterne für einen unterhaltsam-düsteren Roman mit zahlreichen Ansätzen, einer in sich runden Geschichte und möglichem Interpretationsspielraum.

So etwas fasziniert mich immer wieder, selbst wenn ich ansonsten zu den Liebhabern realistischer Romane zähle. Die psychologische Komponente kommt hier trotz der gewählten Hintergründe und einer ungenauen Orts- und Zeitangabe nicht zu kurz.

Ganz im Gegenteil, die Balance zwischen Glauben und Aberglauben, zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Mächtigen und Abhängigen wird immer wieder verdeutlicht und macht für mich den eigentlichen Wert dieses Romans aus: Welcher Bestimmung soll der Einzelne folgen? Welchen Stellenwert bekommen dabei seine Freunde und Feinde? Und gibt es ihn tatsächlich, den vorgeschriebenen Lebensweg, dessen Möglichkeiten alle längst vorgezeichnet sind? Eine sehr interessante Frage für jegliche Literatur.

Bewertung vom 09.07.2021
Der Brand
Krien, Daniela

Der Brand


sehr gut

Ich vergebe 4,5 Lesesterne für diesen stillen, ehrlichen Bindungsroman, der einen sehr persönlichen Blickwinkel einer Mittfünfzigerin auf ihre Ehe wirft. Es finden sich zahlreiche Parallelen zu normalen, alltäglichen Beziehungen, die jeder kennt oder zu kennen glaubt. Der Leser erfährt nichts Neues, kann sich aber intensiv mit den Überlegungen der Protagonisten auseinandersetzen. Vielleicht sollte man selbst zur gleichen Altersgruppe gehören oder sogar schon jenseits dieses Jahrzehntes sein, um tatsächlich mitfühlen zu können, um die implizierten Gedanken auch wirklich nachvollziehen zu können. Mir fiel es hier tatsächlich schwer, mich mit der Protagonistin auf einer Ebene zu sehen, obwohl der Text wahrscheinlich genau darauf abzielt – ein Buch für Frauen, Mütter, Lebenserfahrene, mit einem ähnlichen Background und den entsprechenden Erfahrungswerten. Wenn man allerdings über diese Grundthematik nachdenkt, sich vielleicht sogar täglich mit ihr auseinandersetzt, dann könnte ich mir diesen Text als echtes Seelenbuch vorstellen, als eine literarische Vorlage für all das Ungesagte zwischen Partnern, welches dennoch Hoffnungen weckt und über schwierige Lebensphasen hinweghelfen kann. Also ein Lesetipp ist es allemal.

Bewertung vom 04.05.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


sehr gut

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für einen umfassenden, fast alltäglichen Roman, der sich mit den Fallstricken einer Freundschaft beschäftigt, damit wie schwer es fällt, Dinge anzunehmen und auszuhalten und dabei nicht das Gegenüber aus den Augen zu verlieren. Grundlegende Verhaltensmuster, die sich im Laufe eines Lebens herausbilden, ebenso wie Vermeidungsstrategien und das Aufrechterhalten eigener Überzeugungen, selbst wenn sie nur das Ergebnis jahrelanger Manipulation sind. Loslassen und Verzeihen sind ebenso Schwerpunkte wie Zuwendung und Einsicht. Gefallen hat mir die Lebensweisheit, die hier präsent ist, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen. Dieses Buch ist eine runde Erzählung, die für schöne Lesestunden sorgt und deren Warmherzigkeit ein Gefühl der Nähe hinterlässt, aber in Erinnerung wird sie mir trotzdem nicht lange bleiben.

Bewertung vom 01.05.2021
Girl A
Dean, Abigail

Girl A


sehr gut

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für dieses einprägsame Psychogramm einer Großfamilie, welches sich zur Abwechslung mal nicht auf den Täter und seine kranke Seele konzentriert, sondern auf die Opfer und ihre Versuche in einer scheinbaren Realität Bezugspunkte zu finden. Dennoch überwiegt eine traurige Hoffnungslosigkeit, die sehr realitätsnah und glaubhaft wirkt und jeden Schritt nach vorn unsagbar schwer macht, während es so einfach wäre, sich weiterhin in die innere Leere einer gebrochenen Seele zurückzuziehen.

Ich empfehle dieses Buch allen, die weniger auf eine hochspannende Geschichte voller Grausamkeiten spekulieren, als vielmehr auf differenzierte Einblicke in die Möglichkeiten, wie sich traumatisierte Opfer in ihrem späteren Leben zurechtfinden. Mir hat der Ansatz sehr gut gefallen und die Umsetzung ist bis auf Kleinigkeiten ebenfalls gelungen. Sehr gern würde ich das nächste Buch der Autorin kennenlernen.

Bewertung vom 23.04.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1 (eBook, ePUB)
Schwiecker, Florian; Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

ch vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen Reihenauftakt, der ein scheinbar zielgerichtetes Attentat ohne erkennbares Motiv zur Sprache bringt und dessen Wahrheiten sich erst im Laufe der Erzählung gekonnt entfalten.

Man sollte Interesse an Gerichtsverhandlungen mitbringen, sich mit dem Zusammentragen diverser Fakten arrangieren und keinen atemberaubenden Spannungsbogen erwarten. Manchmal gewinnt die Handlung stark an Tempo und man möchte unbedingt weiterlesen, dann stagniert das Ganze wieder und die Energie ist verpufft. An dieser Stelle hätte ich mir persönlich weniger die berichtende Erzählperspektive gewünscht als vielmehr eine Beteiligung mehrerer Personen, vor allem in Hinblick auf ihre inneren Gewissheiten.

Im Zentrum steht hier weniger der Attentäter selbst als die Arbeit des Strafverteidigers, der sich - aus Mangel an Kooperationsbereitschaft seines Mandanten - allein durch die Unwegbarkeiten der Tatumstände kämpfen muss. Prinzipiell habe ich Interesse am Folgeband und würde dann entscheiden, ob ich die Reihe fortsetzen werde oder nicht.

Bewertung vom 06.04.2021
Die Wahrheit der Dinge, 1 Audio-CD,
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge, 1 Audio-CD,


ausgezeichnet

Der deutsche Autor Markus Thiele, selbst Jurist, widmet sich in diesem Roman den vielen Graustufen zwischen Recht nach dem Gesetz und Gerechtigkeit nach dem menschlichen Empfinden. Dabei entwirft er eine sehr menschliche Charakterstudie, die gerade dem Strafrichter Petersen eine entscheidende Schlüsselrolle zukommen lässt. Wie fühlt sich ein Mann, der vollkommen überzeugt ist von den Gesetzten und ihrer Gültigkeit und dennoch miterleben muss, wie wenig Bestand ebendiese in manchen Situationen haben?

Im Nachwort des Buches zeigt der Autor die Parallelen zu wahren Kriminalfällen, auf denen diese Geschichte, wenn auch zweckentfremdet basiert. Aber die Verbindung zwischen Fiktion und Realität ist hier absolut überzeugend gelungen, so dass der Leser für die vielen kleinen Nuancen sensibilisiert wird und immer tiefer in die Gedankenwelt des Hauptprotagonisten eintaucht.

Die Handlung des Buches erstreckt sich auf zwei Handlungsstränge, zunächst die gegenwärtige Lage, in der Frank Petersen sein ganz persönliches Dilemma offenlegt und immer wieder eine Rechtfertigung für seinen Charakter und seine Entscheidungen gibt, während er verzweifelt zu verstehen versucht, warum gerade die Familie seine „Unfehlbarkeit“ kritisiert und sich konsequent zurückzieht. Und dann geht der Leser gemeinsam mit Corinna Maier den Weg in die Vergangenheit. Lernt eine glückliche junge Frau kennen, die binnen weniger Monate alles verliert, was sie liebte und bei Gelegenheit zur Mörderin wurde, die im Gerichtssaal Selbstjustiz übte, weil ihr Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zerstört war. Das Zusammentreffen der beiden Charaktere, die sich so unähnlich gar nicht sind, bringt letztlich die entscheidende Wende im Geschehen.

Von diesem Roman bin ich positiv überrascht und sehr angetan, weniger wegen einer anspruchsvoll gehobenen Sprache oder einer grandiosen Idee, als vielmehr von der moralischen Umsetzung und differenzierter Betrachtungen zum Thema Schuld, Aufarbeitung, Strafe und Schicksal. Die Geschichte bleibt sehr nah an der Realität, die Charaktere sind vielschichtig und gewissenhaft gezeichnet und die Thematik lädt den Leser dazu ein, sich intensiv mit der Entwicklung zu beschäftigen. Nicht zuletzt das Seelenleben des Richters, der sich ununterbrochen nach der individuellen Verantwortung für sein Handeln fragt und objektiv keine Schuld bei sich finden kann, wird hier in allen Schattierungen wahrnehmbar.

Fazit

Sehr gern vergebe ich 5 Lesesterne für diesen besonders menschlichen Roman, dessen Protagonist genauso gerne Kaffee trinkt, wie Gedanken eruiert und sowohl privat als auch beruflich bereit ist, die Dinge ehrlich zu hinterfragen und sich offen, aber nicht schutzlos seinen Zweifeln aussetzt. Das große Plus dieser Erzählung ist neben der interessanten Gerichtsthematik und den Parallelen zu tatsächlichen Verbrechen das intensive Auseinandersetzen mit juristischer Entscheidungsfindung, die niemals losgelöst von dem jeweiligen Menschen geschehen kann, selbst wenn dieser sich verpflichtet hat, vorurteilsfrei und gesetzestreu zu entscheiden. Die Lektüre bietet sehr viele Ansatzpunkte für Diskussionen und führt den Leser zurück auf sein eigenes Selbstverständnis über die Unfehlbarkeit Einzelner in einer funktionierenden Gesellschaft, die großen Wert auf ihre Rechtssprechung legt. Vom Autor möchte ich sehr gerne ein weiteres Buch lesen und setze „Das Echo des Schweigens“ direkt auf meine Wunschliste.

Bewertung vom 25.03.2021
Immer noch wach
Neidhardt, Fabian

Immer noch wach


sehr gut

Meinung

Diesen Debütroman des jungen Autors Fabian Neidhardt durfte ich in einer Leserunde entdecken, nachdem mich gerade die ungewöhnliche Betrachtung eines Lebens, mit der Option auf geschenkte Zeit sehr neugierig gemacht hat. Romane mit der Thematik Trauerbewältigung und des Sterbeprozesses lese ich immer ausgesprochen gern, vielleicht weil ich selbst schon viele Kontakte mit dem Verlust nahestehender Menschen hatte. Grundlegend hatte ich mich deshalb auf einen schweren, fordernden Handlungsverlauf gefasst gemacht, bei dem sicherlich auch Tränen fließen würden – aber die Geschichte hat mich eher überrascht, gerade weil sie nicht so erdrückend und schwermütig wirkt, sondern im Gegenteil eher lebensbejahend und perspektivenreich erscheint.

Im Zentrum der Erzählung stehen Menschen, die mitten im Leben mit einer Schockdiagnose konfrontiert werden und irgendwie gezwungen sind, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Dabei steht gar nicht so sehr der Hauptprotagonist Alex im Mittelpunkt, sondern fast auf gleicher Stufe sein bester Freund Bene und die langjährige Lebenspartnerin Lisa. Sie alle werden menschlich, emotional und glaubwürdig dargestellt – im Verlauf der Geschichte wachsen sie nicht nur charakterlich, sie nähern sich auch immer weiter an und lassen den Leser teilhaben an ihrer ganz besonderen, wenn auch traurigen Situation. Das Identifikationspotential mit den Figuren ist hoch, selbst wenn man ihre Entscheidungen nicht gutheißt, wecken sie doch ein gewisses Verständnis beim Leser.

Sehr ansprechend und einheitlich auch der Schreibstil – kurze, prägnante Sätze, zahlreiche Dialoge, klare Szenen und inhaltlich mehr Platz für Gefühle als für Aussagen. Alles Dinge, die diesen Roman sehr ansprechend und gefühlvoll wirken lassen, ohne jemals ins Kitschige abzugleiten und damit ein wesentlicher Punkt auf der Bewertungsskala.

Lediglich der inhaltliche Aufbau des Textes hat mir persönlich nicht so gefallen, denn hier wechseln in schneller und beinahe willkürlicher Abfolge die Handlungsszenen. Dieses Vorgehen wirkt gerade am Anfang der Lektüre eher störend, denn die kurzzeitig aufgebaute Stimmung wird abrupt unterbrochen und man findet sich plötzlich in einer ganz anderen Situation wieder. Einer Chronologie kann man dadurch nicht recht folgen und selbst wenn die Handlung spannender wird und mehr wie ein Puzzle wirkt, stört das meinen Lesefluss, zumal die diversen Abschnitte nur als numerische Kapitel voneinander abgegrenzt sind und man sich immer wieder auf den neuen Inhalt einstellen muss. Im Verlauf des Textes werden jedoch die Kapitel selbst etwas länger und dadurch entspannt sich auch der etwas unübersichtliche Kontext.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für dieses hoffnungsvolle, eher ungewöhnliche Buch über den Umgang mit dem Tod und dem Sterben. Denn vielmehr steht das Leben im Gespräch, das Leben mit den vielen Möglichkeiten und Chancen, mit guten Freunden und schönen Zeiten und all jenen Inhalten, die uns Menschen erst dann einfallen, wenn die irdische Lebenszeit in ihren letzten Zügen steckt. Alles was schwermütig wirken könnte, wird durch ein positives Erleben aufgewertet, alles was endgültig erscheint, wird durch Möglichkeiten und Freiheiten ergänzt und alles was traurig ist, scheint dennoch Teil eines Lebensplans zu sein, an dem der Einzelne wachsen kann und Entscheidungen überdenken muss. Diese Geschichte ist ehrlich, sie schenkt Vertrauen auf die vielen zwischenmenschlichen Beziehungen im Laufe der Zeit, die manchmal nur kurze Berührungspunkte sein können und dennoch neue Wege eröffnen. Hin und wieder kullert mal eine Träne, aber wenn man das Buch zuklappt, spürt man tief drinnen, was man jeden Tag wertschätzen sollte – die Liebe zum Leben und zu Menschen, die uns etwas bedeuten.

Bewertung vom 25.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

„Hard Land“ ist ein Coming-of-Age Roman, der die gesamte Breite dieser besonderen Zeit abdeckt, sie bildlich wach werden lässt und dabei eine klare Figurenzeichnung und einen realistischen Blick in eine Welt wirft, in der jeder schon einmal feststeckte und an deren Ende die gereifte Persönlichkeit steht.

Der Roman bekommt von mir das Prädikat „Jahreshighlight“, weil es eines der Bücher ist, welches nicht nur universell gilt, sondern weil es Erinnerungen wachruft, den Leser selbst zurückversetzt in die eigene Jugend, in die Gedankenwelt einer vergangenen Zeit, die man doch nicht vergessen wird, weil die Erlebnisse von damals viel prägender waren, als gedacht. Egal, in welchem Lebensjahrzehnt man steckt, diese Erzählung schafft es mühelos, jene Gedankenstränge aufleben zu lassen und mit den Protagonisten mitzufühlen – eine Lektüre, die man auch ein zweites oder drittes Mal lesen kann und die immer wieder neue Töne anschlägt.

Besonders gut gefallen hat mir neben dem flüssigen Schreibstil und der facettenreichen Charakterisierung der Protagonisten, die bloße Schilderung diverser Momentaufnahmen. Egal ob es sich dabei um eine Party handelt, bei der zu viel Alkohol fließt oder um die Eindrücke eines Jungen als er seine Angebetete zum ersten Mal in ihrer Unterwäsche sieht, egal ob es die Verletzungen sind, denen sich ein Heranwachsender stellen muss, wenn er merkt, dass ein Elternteil ihn verlassen wird und es gerade derjenige ist, der ihm mental viel nähersteht.

Egal welcher Satz hier geschrieben steht, in jedem steckt eine Menge Weisheit oder einfach die Ehrlichkeit derjenigen, die hier agieren und stellvertretend für die Leser die Vergangenheit aufleben lassen. Auch als Verfilmung könnte ich mir diese Romanvorlage bestens vorstellen, weil es ein generalistisches Thema mit einer sehr emotionalen Umsetzung ist und dennoch niemals ins klischeehafte abdriftet.

Ich mag es, wenn Romane sich den großen Fragen des Lebens widmen, diese aber auf kleine persönliche Entscheidungen und Gedanken herunterbrechen, so dass gerade das Zwiespältige deutlich wird. Und dieses Buch vollzieht diesen Vorgang über die gesamte Länge von gut 300 Seiten. Es sind Gedanken zu Freundschaft, Familie, Trennung, Zukunft, Liebe, Verantwortung – und doch stehen diese einzelnen Punkte nicht separat im Raum sondern werden miteinander in eine Interaktion gebracht, so dass deutlich wird, wie schwer es fallen kann eine Entscheidung zu treffen und wie sehr man später daran verzweifeln kann, genau diese Option gewählt zu haben und nicht die andere, inklusive der persönlichen Vorwürfe so nach dem Motto: „Warum habe ich nur?“

Fazit

Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne für diesen zeitlosen, innigen Roman, der vom Protagonisten selbst aus seiner Erinnerung heraus geschildert wird. Große Lebensfragen, menschliche Beziehungen, getroffene Entscheidungen und der ein oder andere unvorhersehbare Einschnitt – alles wird hier miteinander in Einklang gebracht und ergibt ein nahezu perfektes Leseerlebnis, mit viel mehr als nur einer endgültigen Aussage.

Ganz nebenbei ist es auch ein Aufruf dazu, wie wichtig menschliche Bindungen sind, auch wenn sie manchmal sehr schmerzhaft sein können, auch wenn das Leben der Liebe nur eine gewisse Zeit zugesteht, so kann man doch gerade durch andere und deren Einfluss und Gedankenspiele wachgerüttelt werden und findet sich über kurz oder lang in einer Welt wieder, wo trotz Traurigkeit auch wieder Platz für neue Pläne geschaffen wird.