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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2021
Sarg niemals nie / Betty Pabst Bd.1
Lüdicke, Paul

Sarg niemals nie / Betty Pabst Bd.1


gut

Als Betty Pabst stressbedingt einige Tage bei ihrer Familie in Bielefeld ausspannen will, wird ihr gleich wieder klar, warum sie nach dem Abitur so schnell nach Berlin zum Studium geflohen ist.

Die Pabst sind seit Generationen die Bestatter im Ortsteil Jöllenbeck und das Sarglager war früher Bettys liebster Spielplatz. Aber nun begegnen sich die Eltern nur gereizt und haben Geheimnisse, der Großvater zeigt demenzbedingte Ausfälle, will aber das Zepter nicht aus der Hand geben und der kleine Bruder scheint zum Ekelpaket mutiert. Als ob Betty mit ihren Beziehungsproblemen nicht schon genug Sorgen hätte, liegt nun im Keller ihre frühere Musiklehrerin. Angeblich an einem allergischen Schock nach einem Bienenstich gestorben. Aber nun ist Betty Ärztin, zwar erst überforderte Assistenzärztin, aber dass an diesem Tod nicht alles koscher ist, erkennt sie sofort. Aber weder ihr Vater, noch ihre Jugendliebe, inzwischen örtlicher Kriminalkommissar wollen sie ernst nehmen. Der alte Hausarzt, der den Totenschein ausstellte, reagiert natürlich sofort gereizt und wirft Betty aus der Praxis, aber die lässt nun nicht locker. Was stimmt nicht in diesem esoterischen Zentrum, das die Tote sehr erfolgreich führte?

Bestatter und Mord – das ist schon bei einigen Krimis ein Erfolgsrezept gewesen. Kein Wunder, dass mich der Titel auch gleich angesprochen hat. Der Plot ist wirklich ganz clever ausgedacht, Bienengiftallergie ist nicht grade selten und wie viele Morde unentdeckt bleiben, kann man nur ahnen.

Die Geschichte ist temporeich und ziemlich turbulent, aber auch etwas überladen. Betty muss ihren aktuellen Beziehungsstress verarbeiten und mit Kommissar Jonas kommt auch noch die Enttäuschung der ersten unerwiderten Liebe dazu. Und ausgerechnet mit ihrer ehemals besten Schulfreundin ist Jonas inzwischen verheiratet! Die Auftritte von Betty sind immer ziemlich wirr und unausgegoren, ihre Spurensuche kann man am ehesten mit tollpatschig beschreiben. Aber daraus resultiert weniger Humor, eher fand ich es nervig. Mal ist Betty taff und gleich danach wieder unsicher und hilflos. Letztendlich trifft es ein Satz aus dem Buch sehr gut: „ du sendest immer so widersprüchliche Signale“.

Der Autor schreibt unterhaltsam und als Drehbuchautor weiß er auch seine Pointen und Gags zu setzen, aber restlos überzeugt hat mich der Krimi nicht.

Und dann ist da noch die Frage, die mich schon lange umtreibt: Warum müssen manche Autoren in ihrer Kurzbiografie immer eine ganze Liste möglichst abwegiger, skurriler Tätigkeiten und Berufe auflisten? Warum hier ausgerechnet der oft genannte Totengräber fehlt, wundert mich – das hätte doch zum Plot gepasst.

Bewertung vom 16.11.2021
Feind des Volkes / Max Heller Bd.7
Goldammer, Frank

Feind des Volkes / Max Heller Bd.7


ausgezeichnet

Max Heller muss in seinem letzten Fall in Dresden einen Doppelmord aufklären. Wie schon früher macht er bei den Ermittlungen die Erfahrung, dass die Polizeiführung gern ein schnelles Ergebnis ohne großes Aufsehen möchte. Sein neuer Chef Appelt ist sehr linientreu und als sich hier ein Verdächtiger mit mentalen Defiziten findet, ist das der ideale Täter. Zumal sich der Mann durch die Verhöre so unter Druck gesetzt fühlt, dass er gesteht um seine Ruhe zu haben.

Heller hätte gerne noch andere Spuren untersucht, aber das passt der Führung nicht und er wird in den Innendienst versetzt. Jetzt kurz vor seiner Pensionierung hält er still, die Lebenssituation ist immer schwieriger geworden. Es gibt deutliche Anzeichen, dass Heller überwacht und abgehört wird.

Doch dann meldet sich nach zwei Jahren der wahre Täter bei Heller und kündigt neue Morde an, so muss er wieder aktiv werden und dies unter ständiger Beobachtung und deutlicher Ausgrenzung.

Die politische Lage der DDR im Jahre 1961 ist so fragil, wie noch nie. Die Staatsführung will der Massenflucht etwas entgegensetzen. Wir wissen, dass es der Bau der Mauer war, aber Heller nimmt nur die zunehmende Unruhe der Partei wahr, für Personen wie ihn, die auf ihrer Meinung bestehen und kein SED Mitglied sind, werden die Zeiten rauer.

Ich habe alle Bände von Goldammers großartiger Krimi-Serie gelesen. Nicht nur, weil sie spannend sind, sondern weil ich sie auch als Zeitdokument der jungen DDR gelesen habe. Es beginnt unmittelbar nach dem Krieg, als die „Zone“ noch unter sowjetischer Verwaltung stand und die Hoffnungen auf einen eigenen Staat noch sehr jung waren. Alle Figuren werden vom Autor sehr lebensecht dargestellt und das macht den zeitgeschichtlichen Hintergrund besonders erlebbar.

Die Figur des Max Heller, der sich nicht den Nazis beugen wollte und der zunehmend merkt, dass im neuen Staat die Freiheit anders interpretiert wird, sich aber trotzdem nicht gleichschalten lassen möchte, ist beeindruckend. Er ist ein loyaler Beamter, der aber sein Umfeld kritisch sieht. Es geht ihm dabei nicht nur um die Knappheit in fast allen Dingen des täglichen Bedarfs, sondern um die fehlende echte Demokratie. Sein Sohn Klaus, als aktiver Mitarbeiter der Staatssicherheit ist ihm längst entfremdet. Seine Frau möchte zu ihrem jüngeren Sohn Erwin in die Bundesrepublik ausreisen, vor allem als spürbar wird, dass ein Studium für Tochter Anni nahezu aussichtslos ist. Der Zwiespalt zwischen Heimatliebe und Freizügigkeit zerreißt Heller fast.

Das ist ein großartiger und gelungener Abschluss für diese Reihe.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2021
Commissario Tasso auf dünnem Eis / Commissario Tasso Bd.1
Milani, Gianna

Commissario Tasso auf dünnem Eis / Commissario Tasso Bd.1


sehr gut

Commissario Tasso – wie so viele Beamte – aus dem Süden Italiens nach Südtirol versetzt, hat sich mit dem Winter in den Bergen nie so recht anfreunden können. Ansonsten hat er sich arrangiert und auch Verständnis für das immer spürbare Unbehagen der deutschsprachigen Südtiroler im Umgang mit den italienischsprachigen Behörden.

Im Grandhotel Bellevue in Meran wird die Leiche eines Kunstmalers gefunden, ein Mord im beschaulichen Städtchen. Ausgerechnet jetzt bekommt Tasso noch eine „Praktikantin“ aufgedrückt. Die Tochter des Bozener Bürgermeisters will vor ihrem Studium noch hospitieren. Eine Frau bei der Polizei? Das ist für Tasso kaum vorstellbar, da soll das Fräulein doch besser Kaffee kochen. Aber Mara Oberhöller hat da andere Vorstellungen und versucht sich durchsetzen.

Die Spuren führen von Meran bis nach Cortina d’Ampezzo und Tasso und Oberhöller scheuen keine Strapazen um das Verbrechen aufzuklären.

Schon das Titelbild verweist auf die 60ger Jahre, in der dieser Kriminalroman spielt. Als man noch in plustrigen Anoraks auf Holzski ins Tal fuhr und Aprés Ski ein Gugelhupf im gemütlichen Berghof war. Das ist schon nostalgisch. Die Autorin hat diese Zeit auch sehr gut als Hintergrund für die Stimmung in Südtirol eingebaut. Damals waren die Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen hoch, es gab Anschläge und Misstrauen. Das macht sich in der Zusammenarbeit zwischen Mara und Tasso bemerkbar und vor allem auch Tassos Frauenbild, das mir auch schon für die 60ger Jahre etwas antiquiert schien, gibt Reibungspunkte. Aber er ist ja lernfähig.

Die Autorin schreibt einen leichten, unterhaltsamen Stil und nutzt auch die zeitgeschichtliche Zusammenhänge für ihren Spannungsbogen. Die Figuren sind sehr sympathisch beschrieben und wirken sehr realistisch. Trotz des italienischen Klangs steckt eine deutsche Autorin hinter dem Pseudonym, ihr Interesse an Land, Leuten und ihrer Geschichte sind immer spürbar.

Ein amüsanter Krimi, der mir sehr gut gefallen hat.

Bewertung vom 09.11.2021
Der Traum vom schönen Leben / Dallmayr Saga Bd.1
Graf, Lisa

Der Traum vom schönen Leben / Dallmayr Saga Bd.1


sehr gut

Es war ein mutiger Schritt als Anton und Therese Randlkofer ihren kleinen Kramladen verkauften und stattdessen das feine “Colonialwaren“- und Delikatessengeschäft Dallmayr übernahmen. Vor allem Therese hat ein unfehlbares Gespür für die Wünsche der Kunden und das braucht sie auch, denn schon nach kurzer Zeit verstirbt Anton. Als Witwe und Geschäftsfrau hat sie es nicht leicht, Ende des 19. Jahrhunderts traut man Frauen das nicht zu und auch ihr Schwager möchte sich nur zu gern das Geschäft einverleiben. Doch Therese ist stark und wird mit geschäftlichen und privaten Problemen scheinbar mühelos fertig.

Das Buch ist der Auftakt einer Saga über das berühmte Geschäft, das inzwischen schon zu den Münchner Wahrzeichen zählt. Interessant ist vor allem der geschäftliche Teil. Wie sich allmählich exotische Waren etablieren, wie Therese es schafft zum Hoflieferanten aufzusteigen und sie dem Geschäft das Gesicht gibt, das heute jeder kennt. Das habe ich mit Interesse und Spannung gelesen, allein schon wie die ersten Münchner Bananen, die Thereses ältester Sohn von einer Auslandsreise mitbringt, vermarktet werden, ist eine gelungene Anekdote.

Therese hat viele Ideen und es hat Spaß gemacht über das Wachsen dieses Hauses zu lesen, man hat den Geschmack der feinen Backwaren und Schokoladen auf der Zunge, besonders wenn der Lehrling des Hauses davon schwärmt.

Weil diesem Buch noch weitere Bände folgen sollen, lässt sich die Autorin natürlich viel Zeit für die Irrungen und Wirrungen der Familie. Das ist durchaus nett zu lesen, aber die vielen Fäden, die schon gesponnen werden, kommen wahrscheinlich erst in den Folgebänden so richtig zur Geltung.

Sehr gefallen hat mir der Blick auf das alte, großbürgerliche München. Diese Zeitreise hat die Autorin gekonnt und farbig in Szene gesetzt.

Ein richtiger Schmöker, mit dem man in die Welt von Dallmayr eintauchen kann.

Bewertung vom 05.11.2021
78° tödliche Breite / Spitzbergen-Reihe Bd.1
Kvandal, Hanne H.

78° tödliche Breite / Spitzbergen-Reihe Bd.1


sehr gut

Trond Lie ist ein seit wenigen Monaten pensionierter Kommissar aus Bergen. Er möchte mehr Zeit mit seinem Enkel verbringen und seiner Tochter ein wenig zu helfen, die in Spitzbergen hoch im Norden arbeitet.

Kurz nach seiner Ankunft geschieht ein Mord. Ein Mitglied einer internationalen Forschungsgruppe wird erschossen aufgefunden. Die erste Gewalttat seit mehr als 80 Jahren in Svalbard, der nördlichsten norwegischen Provinz mit der bekannten Insel Spitzbergen. Die Gouverneurin bittet Trond um Ermittlungen, den bei den Wetteraussichten wird ein offizieller Beamter erst in einigen Tagen eintreffen.

Zusammen mit der Niederländerin Frida van Namen, die schon seit Jahren mit ihren Huskys als Musherin in Spitzbergen lebt und die auch den Toten gefunden hat, beginnt er mit den Ermittlungen. Schon bald fallen ihnen seltsame Ungereimtheiten bei der internationalen Geologengruppe auf und es scheint sehr viel mehr hinter dem Mord zu stecken. Klar wird das auch, als Arvid Kristoffersen vom Festland eintrifft und offensichtlich ein ganz spezielles Interesse an der Aufklärung in seinem Sinn hat.

Trond Lie ist zum ersten Mal mit der Polarnacht konfrontiert und die ewige, undurchdringliche Dunkelheit macht ihm sehr zu schaffen, trotzdem fühlt er sich von den Ermittlungen herausgefordert.

Der Klimawandel hat aber viele Auswirkungen, die spürbar werden. Die Eisdecke wird dünner, Bodenschätze erreichbar und die Schifffahrtspassagen durch das Eismeer möglich und plötzlich findet sich Svalbard in Mittelpunkt von vielen geopolitischen Interessen.

Schon der Schauplatz dieses Kriminalromans ist außergewöhnlich und hat mir ausnehmend gut gefallen und ebenso gut fand ich den Hintergrund, der den Plot des Krimis so aktuell macht. Die Autorin bringt die Atmosphäre des Polarkreises sehr gut in ihrem Buch rüber und ihre Beschreibung der Polarlichter macht mich sehnsüchtig. Wie gern würde ich das farbige Leuchten einmal sehen.

Wer in dieser extremen Umgebung leben mag, ist oft auch eine besondere Persönlichkeit, das spürt man in den Beschreibungen der Protagonisten.

Der Krimi hat mir sehr gut gefallen. die Spannung ist durchgehend hoch und die Autorin bringt viel geschichtlichen und wissenschaftlichen Hintergrund in der Handlung unter.

Sehr gelungen!

Bewertung vom 04.11.2021
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


gut

Anna und Maria sind Schwestern und schon von klein auf verschieden wie Feuer und Wasser. Maria ist Mutters kleines Prinzesschen, verwöhnt und verhätschelt. Die Mutter bildet sich auch viel auf ihren adligen Namen, sie lebt ihren Standesdünkel aus. Anna ist wesentlich handfester und lehnt sich schon früh gegen den mütterlichen Zwang auf. Sie konvertiert und wird letztendlich sogar evangelische Pastorin.

Nun hat Anna ihre erste Gemeinde am Niederrhein und die Bevölkerung, inclusive der Pfarrhaushälterin macht ihr das Leben nicht einfach. Als dann Maria über Nacht vor den Trümmern ihrer Existenz steht und mit ihren Lebenslügen konfrontiert wird, bringt das auch für Anna viele Erkenntnisse mit.

Anne Gesthuysens Stil ist erfrischend und oft sehr lebensnah. Das mag ich bei ihren Büchern, allerdings sind mir bei ihrem neuen Roman einige Figuren zu holzschnittartig geraten. Die Mutter von Betteray ist fast schon eine Karikatur einer aus der Zeit gefallenen standesdünkeligen Adligen. Ebenso die Haushälterin in Pastorin Annas Haushalt scheint direkt einer Posse entsprungen. Ihr nimmt man auch später den Wandel zu herzlich zupackenden Helferin nicht mehr ab. Bösartiger Tratsch und handfeste Ausgrenzung im Dorf lösen sich schnell in Idylle auf, auch das ging mir etwas zu schnell und unrealistisch.

Der Niederrhein ist der landschaftliche Hintergrund der Gesthuysen-Romane und sie kann die Gegend und ihre Menschen sehr schön schildern. Das weckt schon fast heimatliche Gefühle.

Eine turbulente Familiengeschichte, in der wirklich alles passiert, was man sich vorstellen kann und die sich manchmal ins Klischee verirrt hat

Bewertung vom 03.11.2021
Das Glück des Wolfes
Cognetti, Paolo

Das Glück des Wolfes


sehr gut

In seinem neuen Roman „Das Glück des Wolfes“ ist die grandiose Bergwelt des Aostatals Hintergrund und Hauptsache zugleich.

Fausto und Silvias Wege kreuzen sich in dem kleinen Bergdorf Fontana Fredda in der winterlichen Skisaison. Beide sind Suchende, die sich neu orientieren wollen. Fausta langjährige Beziehung scheiterte, die Wohnung in Mailand steht zum Verkauf und die Sehnsucht nach Stille hat ihn in seine geliebte Bergwelt getrieben. Silvia scheint familiäre Probleme zu haben, aber das wird eigentlich nie richtig thematisiert und treibt noch ein wenig ziellos in die Zukunft. Auch sie liebt die Herausforderung der alpinen Welt.

Wie immer hat mich die poetische Sprache und wunderbare Beschreibung einer grandiosen Bergwelt begeistert. Vor dieser Kulisse scheinen die Menschen mit ihren Nöten fast unscheinbar. Trotzdem hätte ich gern mehr über die Schicksale der Protagonisten erfahren. Es gibt durchaus interessante Persönlichkeiten in diesem Buch, die es wert gewesen wären, sie ein wenig in den Vordergrund zu stellen. Zum Beispiel der knorrig-knurrige Pistenraupenfahrer Santorso und die Wirtin Babette, in deren Lokal Fausto und Silvia als Saisonkräfte arbeiten. Doch menschliche Schicksale streift Cognetti nur oder lässt allenfalls zwischen den Zeilen etwas aus ihrem Leben durchschimmern.

Aber der Stil des Autors, voller Poesie und Sprachmelodie hat mich wieder sehr begeistert. Wenn er einen Gipfelanstieg beschreibt, war ich gedanklich mit auf dem Weg. Habe die Luft, die Kälte, das Eis gespürt und wunderbare Bilder im Kopf. Dabei gibt es nicht einen Hauch von Kitsch oder Naturüberhöhung. Er verschweigt nicht die Gefahren des Tourismus auf die fragile Landschaft oder die harten Lebens-und Arbeitsbedingungen der Bewohner.

Hätte Cognetti seinen Protagonisten ein wenig mehr Raum gegeben, hätte ich den kurzen Roman noch intensiver gefunden.

Die Covergestaltung finde ich sehr gelungen.

Bewertung vom 02.11.2021
Todsichere Rezepte für die moderne Hausfrau
Brown, Karma

Todsichere Rezepte für die moderne Hausfrau


gut

Alice und Nate sind ein modernes New Yorker Ehepaar, als Alice ihren Job aufgibt, dass sie gekündigt wurde verschweigt sie ihrem Ehemann, möchte sie einen Roman schreiben. Nate träumt vom Umzug in ein geräumiges Haus in einer Vorstadt, er wünscht sich auch ein Kind und geht davon aus, dass auch Alice dafür bereit ist. Aber er sollte sich täuschen. Alice steht dem Haus anfangs sehr skeptisch gegenüber, sie fühlt sie absolut nicht heimisch. Erst als sie Kartons mit Büchern und Zeitschriften der Vorbesitzerin findet und mit der Nachbarin in Kontakt kommt, ist ihr Interesse geweckt. Es sind nämlich die Bücher von Nellie, die bis zu ihrem Tod in diesem Haus lebte.

Nellie und Richard waren nur nach außen das perfekte amerikanische Ehepaar. Schon kurz nach der Heirat zeigt Richard seine wahres Gesicht: er verlangt absoluten Gehorsam von Nellie. Sie soll eine perfekte Hausfrau und Mutter werden, keine eigenen Interessen haben, außer ihm das Leben als Familienoberhaupt so angenehm wie möglich zu machen. Auch vor Schlägen schreckt er nicht zurück. Nellies Fluchtort ist der Garten, er ist ein blühendes Paradies geworden, aber auch im Paradies gibt es giftige Pflanzen.

Jedem Kapitel stellt die Autorin ein Zitat eines historischen Eheratgebers voran. Im ersten Augenblick musste ich darüber schmunzeln, aber schon nach wenigen Augenblicken ging mir auf, welche Unterdrückung da gesellschaftlich propagiert wurde.

Aber so ganz hat mich der Roman nicht abgeholt. Besonders die Figur der Alice blieb mir rätselhaft und durch ihre ständigen Lügen auch unsympathisch. Mir war bei dieser Protagonistin nie klar, was sie eigentlich will. Tatsächlich haben mich die Kapitel um Nellie sehr viel mehr angesprochen.

Der Roman liest sich unterhaltsam und spannend. Je mehr Alice in die Vergangenheit abtaucht, umso schwärzer werden meine Ahnungen, denn Nellies Kochbuch ist mehr als eine Rezeptsammlung.

Das Buch zeigt ein stimmiges Frauenbild aus den 50ger Jahren und wieviel Wegstrecke zu richtigen Emanzipation noch bleibt, auch wenn vieles schon erreicht wurde.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2021
Der Flug des Raben
Wagamese, Richard

Der Flug des Raben


ausgezeichnet

Richard Wagamese (1955-2017) ist eine wichtige indigene Stimme Kanadas. Geboren als Angehöriger des Ojibwe Stammes wurde er als Kind, wie so viele andere Kinder, seinen Eltern weggenommen, um in den berüchtigten Heimen und bei Pflegefamilien aufzuwachsen. So sollte die indianische Kultur, Religion und Sprache der First Nations ausgerottet werden. Erst als junger Mann mit 23 Jahren konnte er mit seiner Familie wieder vereinigt werden.

In seinem Erstlingswerk „Der Flug des Raben“ hat der Protagonist Garnet Raven ein ganz ähnliches Schicksal. Die Kinder der Ravens wurden den Eltern entzogen und Garnet, als Dreijähriger von seinen Geschwistern getrennt. Er wächst in ständig wechselnden Familien auf, ist entwurzelt und schließt sich, nach seiner Volljährigkeit einer schwarzen Familie an, R&B und Blues ist die Musik, in der er sich wiederfindet. Schließlich landet er als Kleinkrimineller im Gefängnis. Dort wird er von seinem Bruder Stanley ausfindig gemacht, der ihn nach der Entlassung nach Hause holen will.

Doch was ist Zuhause für Garnet? Er spricht weder die Sprache, noch kennt er das Leben der Ojiewe, er fühlt sich wie ein Exot, der er auch ist, als er mit Afro und grüner Schlaghose im Reservat eintrifft.

Die Wiedervereinigung mit der Familie, das Suchen und Finden der Wurzeln und seiner Zugehörigkeit zu Volk und Kultur beschreibt Wagamese mit einfachen, aber zu Herzen gehenden Worte. Garnet findet in Keeper, einem trockenen Alkoholiker, einen Führer. Keeper wurde von Garnets Großvater, einem alten, ganz traditionell lebenden „Medizinmann“ ausgewählt, das alte Wissen weiterzugeben, konnte aber letztendlich den Verlockungen des Alkohols nicht widerstehen. Mit Garnets Rückkehr wird er an diese Verpflichtung erinnert und wie er dem Jungen hilft, sich zurecht zu finden, gibt ihm Garnet unbewusst die Stärke, dem Alkohol zu entsagen.

Sprachlich ist der Roman von einer Einfachheit, die man nicht mit Kunstlosigkeit verwechseln sollte. Seine Worte sprachen mich unmittelbar an, herzhaftes Lachen wechselte sich mit Traurigkeit und manchmal feuchten Augen ab.

Es ist an der Zeit die Stimme der First Nations zu hören. Richard Wagamese ist dazu ein guter Weg.

Bewertung vom 29.10.2021
Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2
Bennett, S J

Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2


sehr gut

Als gäbe es nicht schon genug Ärger mit dem Brexit, wird im Schwimmbad des Buckingham Palace eine tote Frau gefunden. Es ist die langjährige Haushälterin, die wohl beim Aufräumen einen Unfall hatte. Außerdem nerven die öffentlichen Auftritte, besonders als die Queen bei einer Ausstellung ein kleines Bild entdeckt, dass unzweifelhaft ihr gehört. Es ist kein wertvolles, ja noch nicht mal gelungenes Gemälde der HMS Britannia, aber Elizabeth verbindet damit die Erinnerung an ihre geliebte Yacht.

Wie schon im ersten Band, steht die stellvertretende Privatsekretärin Rozie für die Aktionen, während die Queen im Hintergrund ihre Fäden zieht.

Ich mag die entspannten Krimis um Queen Elizabeth die J.S. Bennett mit liebenswertem Stil in Szene setzt. Ein klein wenig Spott darf dabei nicht fehlen, Höflinge, Premierministerinnen mit Vorliebe für Schuhe im Leopardenlook, aber auch Prince Charles und Philipp sind dabei nicht ausgenommen. Aber das serviert die Autorin mit Respekt und spürbarer Sympathie für ihre Figuren.

Der Krimi ist natürlich schon sehr cosy, auch wenn sich noch eine zweite Leiche einstellt, so bleibt die Spannung eher verhalten. Ich habe das Buch eh weniger für die Krimispannung, sondern mehr als skurrilen Blick hinter die Fassaden eines Königshauses gelesen. Wenn die Queen über die Fledermäuse in ihrem Palast seufzt, Charles aber ihre Ausscheidungen als hervorragenden Dünger lobt oder als die Queen trotz morscher Knie in einen riesigen Kleiderschrank klettert, als kleine Erinnerung an die Spiele mit Margaret und dabei ein interessantes Gespräch belauscht, habe ich mich amüsiert.

Das gelungene Titelbild ist ein richtiger Hingucker!