Der marxistische Wirtschaftshistoriker Dietrich Eichholtz ist als profunder Kenner deutscher Wirtschaftsgeschichte vor allem durch sein mehrbändiges Werk "Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945“ bekannt. Nun legte der Leipziger Universitätsverlag einen Sammelband mit Arbeiten Eichholtz`
vor, in der sich der Autor eingehend mit deutscher Ölpolitik befasst.
Richtungsweisend für das…mehrDer marxistische Wirtschaftshistoriker Dietrich Eichholtz ist als profunder Kenner deutscher Wirtschaftsgeschichte vor allem durch sein mehrbändiges Werk "Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945“ bekannt. Nun legte der Leipziger Universitätsverlag einen Sammelband mit Arbeiten Eichholtz` vor, in der sich der Autor eingehend mit deutscher Ölpolitik befasst.
Richtungsweisend für das Verständnis der Untersuchungen, im Band aber nicht enthalten, sind Ausführungen von Eichholtz am 9. Juni 2009 vor der Berliner Gesellschaft (www.berliner-gesellschaft.org) zu der Thematik. "Meine Beschäftigung mit dem Thema geht auf 2001/2002 zurück, als ich nach 9/11 (spät!) begriff, welche ungeheure Rolle das Erdöl als inzwischen wichtigster Weltrohstoff spielt und wie das Öl heutzutage im Zentrum der weltweiten imperialistischen Auseinandersetzungen steht. Vom Imperialismus im Leninschen Sinne zu reden, fällt unseren heutigen Kollegen Historikern, und nicht nur diesen, überaus schwer." Damit sind die methodologischen Grundlagen der Untersuchung fixiert.
"Die kapitalistische Großindustrie schuf sich selbst in Form der Erdölindustrie einen Zweig, der ihren Bedarf an Treibstoff, industriellem Rohstoff und Schmierstoff an jedem Punkt der Welt zu befriedigen in der Lage ist. Die weltweite Ausbreitung der Erdölindustrie geschah in sehr wenigen Jahrzehnten, im wesentlichen bis zum Ersten Weltkrieg ... Insofern war der Erste Weltkrieg ein Wendepunkt in der modernen Waffentechnik und der modernen Kriegführung überhaupt. Lehrjahre waren die Kriegsjahre insbesondere für den deutschen Imperialismus. Als gelehrig zeigten sich hierin damals und später Militärs und Politiker wie Erich Ludendorff und Adolf Hitler."
Bereits in der Studie "Die Bagdadbahn, Mesopotamien und die deutsche Ölpolitik bis zum ersten Weltkrieg" zeigen sich die verschiedenen, dann immer wieder verfolgten Entwicklungsstränge: Die mit der technischen Entwicklung bis in die Gegenwart verbundenen Fragen der Energiegewinnung und -erzeugung und deren Verknüpfung mit dem Begriff "Fortschritt", wie die hinter diesen "hehren Zielen" stehenden imperialen Interessen, die dokumentieren, was unabhängig unterschiedlicher ideologischer Positionen den Inhalt des Begriffes "Imperialismus" ausmacht. Den Drang nach Eroberung und Ausbeutung der Rohstoffquellen, wirtschaftlicher Stärke und hohen Profiten galt es mit allen Mitteln umzusetzen. So wird deutlich, wie sich das Bewusstsein vom Erdöl als einer treibenden Kraft zukünftigen wirtschaftlichen Gestaltungsspielraumes bei den herrschenden ökonomischen, politischen und militärischen Kreisen entwickelte und bereits in die Kriegsziele des ersten Weltkrieges seitens aller beteiligten Mächte einfloss. Diese Ansätze werden durch alle Teile des vorliegenden Bandes verfolgt - und wenn sich bei den handelnden Akteuren auch die Namen ändern, so bleiben doch die beteiligten Einrichtungen der Großindustrie wie der beteiligten Finanziers über die Zeiträume vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis in die Herrschaftszeit des deutschen Faschismus (erstaunlich?) konstant.
Das Ende des ersten Weltkrieges brachte eine Liquidierung deutschen Eigentums und Einflusses auf Erdölunternehmungen in Europa wie das Ende der deutschen Ölaussichten im Irak. So wird „das Versailler System“ als Gestaltungsgefüge eines imperialistischen Friedensschlusses aufgezeigt, in dem wirtschaftliche Interessen wie deren weitere Sicherung das Hauptmoment darstellen. Inhaltlich schließen die in der zweiten Studie behandelten Fragen mit dem Kapitel "das mesopotamische Trauma der deutschen Erdölpolitik." Den folgenden Zeitraum von 1928 bis 1938 untersucht Titus Kockel. Immer wieder wird aber auch herausgearbeitet, dass sich die politischen Interessen nicht kongruent zu den wirtschaftlichen Interessen der Ölindustrie verhielten, zumal diese sich von Beginn an international organisierte.
Über "Rumänisches Öl - Kardinalproblem der deutschen Kriegsplanung" spannt sich der Bogen