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Auf jeden Prager kommen rund fünf Besucher pro Jahr, die meisten davon aus Deutschland. In der Altstadt ist vor lauter Junggesellenabschieden kaum ein Durchkommen. Vor dem Goldenen Gässchen, wo einst Kafka schrieb, bilden sich lange Warteschlangen.Doch geht man ein paar Gassen weiter, im Nový Svet, wird es ruhiger. Hier gab es früher Weinstuben, und wer genauer hinsieht, findet unzählige Geschichten, die in den Nischen lauern. Blickwinkel und Ungleichzeitigkeiten sind entscheidend in dieser Stadt der Literatur. Mal ist es ein Obdachloser, der in Smíchov die Veränderungen notiert; mal erinnert…mehr

Produktbeschreibung
Auf jeden Prager kommen rund fünf Besucher pro Jahr, die meisten davon aus Deutschland. In der Altstadt ist vor lauter Junggesellenabschieden kaum ein Durchkommen. Vor dem Goldenen Gässchen, wo einst Kafka schrieb, bilden sich lange Warteschlangen.Doch geht man ein paar Gassen weiter, im Nový Svet, wird es ruhiger. Hier gab es früher Weinstuben, und wer genauer hinsieht, findet unzählige Geschichten, die in den Nischen lauern. Blickwinkel und Ungleichzeitigkeiten sind entscheidend in dieser Stadt der Literatur. Mal ist es ein Obdachloser, der in Smíchov die Veränderungen notiert; mal erinnert sich der beste Balljunge des jüdischen Sportklubs Hagibor an die Erste Republik; ein anderer erzählt, wie er im heutigen Ausgehviertel Zizkov frierend für Kohlen anstand. Und manchmal verschwinden die Postkartenmotive von ganz allein, weil sich die Statuen auf der Karlsbrücke vom vielen Angeglotztwerden in Elche verwandeln und einfach davonlaufen.Mit literarischen Entdeckungen der tschechischen Gegenwartsliteratur und unbekannten Texten von bekannteren Autorinnen und Autoren wie Michal Ajvaz, Daniela Hodrová, Bohumil Hrabal, Eva Kanturková, Pavel Kohout, Jaroslav Hasek, Milan Kundera, Jaroslav Rudis, Lenka Reinerová, Jáchym Topol und Jirí Weil.
Autorenporträt
Die Herausgeberin Petra Knápková wurde 1976 in Prag geboren, wo sie nach einer zehnjährigen Unterbrechung auch lebt. Sie studierte Germanistik und Romanistik, promovierte zur deutschsprachigen böhmisch-mährischen Literatur und unterrichtet am Goethe-Institut Prag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2019

Von Ankünften und Abschieden

Prag trägt stolze Beinamen. "Stadt aller Städte" etwa oder "Mutter aller Städte". Praha, wie es in der Landessprache heißt, hat die Strahlkraft einer Verführerin, ist im Tschechischen auch grammatikalisch weiblich. Der schmale Band versammelt Kostproben tschechischer Literatur von den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Drei Autorinnen und neunzehn Autoren treten an, um Geschichten aus der goldenen Stadt an der Moldau zu erzählen. Egon Bondy macht mit den ebenso bezaubernden wie frechen "Prager Gespensterchen" bekannt, Michal Ajvaz lässt Elche mit Leuchtgeweih in den Sockeln von Brückenheiligen wohnen, Literaturnobelpreisträger Jaroslav Seifert ist auf der Suche nach einem im Schnee versteckten Schlüssel. Und Jirí Weil versteht sich mit "Mendelssohn auf dem Dach" darauf, das Drama der Nazi-Okkupation in eine Komödie zu verwandeln. Die meisten dieser Prager Skizzen sind in der Vergangenheit angesiedelt, vom Prag der Gegenwart erfährt man so gut wie nichts. Selbst der jüngste Autor Jaroslav Rudis kennt dazu nur wenige klischeehafte Formeln: "Was der Kommunismus und der Kapitalismus unberührt gelassen hatten, wurde vom Massentourismus um die Ecke gebracht." In Rudis' "Geruch der Stadt" wittert man, abgesehen von der Schweißfahne der Taxifahrer, nichts von den Aromen Prags. Immerhin erfahren wir aus seinem Text, dass man den Letná-Park nicht auslassen sollte: "Wo es sich manchmal sogar lohnt, ganz allein zu sein. Oder zu zweit. Laut zu sein. Oder ganz leise." Das Buch legt ansonsten keine Spuren. Der Leser wird nach Genuss dieses literarischen Kaleidoskops sein Prag allein suchen müssen. Jenseits von Sauftourismus und Junggesellenabschieden, jenseits vom Gedränge auf der Karlsbrücke und im Goldenen Gässchen. Denn Praha, das "Mütterchen mit Krallen", wie Kafka einst notierte, zieht noch jeden in seinen Bann. Wenn man ihm genau auf die Finger schaut.

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"Prag. Eine literarische Einladung" herausgegeben von Petra Knápková. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2019. 144 Seiten. Gebunden, 18 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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