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Der Schriftsteller Sidney Orr, 35, wohnhaft in Brooklyn, ist nach einem schweren Unfall auf dem Weg der Genesung. Als er in einem Schreibwarengeschäft von einem mysteriösen Chinesen ein wundervolles blaues Notizbuch kauft, verschwindet auch seine Schreibhemmung, die ihn seit dem Unfall plagt. Die Geschichten fliegen ihm nur so zu: eine gebiert eine andere, diese die nächste, und so taucht er ein in ein Labyrinth von Erzählungen, bis ihm langsam dämmert, dass diesen Geschichten eine seltsame Neigung innezuwohnen scheint. Sie beginnen fulminant und führen immer häufiger in ausweglose Situationen.…mehr

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Produktbeschreibung
Der Schriftsteller Sidney Orr, 35, wohnhaft in Brooklyn, ist nach einem schweren Unfall auf dem Weg der Genesung. Als er in einem Schreibwarengeschäft von einem mysteriösen Chinesen ein wundervolles blaues Notizbuch kauft, verschwindet auch seine Schreibhemmung, die ihn seit dem Unfall plagt. Die Geschichten fliegen ihm nur so zu: eine gebiert eine andere, diese die nächste, und so taucht er ein in ein Labyrinth von Erzählungen, bis ihm langsam dämmert, dass diesen Geschichten eine seltsame Neigung innezuwohnen scheint. Sie beginnen fulminant und führen immer häufiger in ausweglose Situationen.
Autorenporträt
Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004

Geschenktes Leben hält länger
Schattenkabinett: Paul Auster verwandelt die Sackgasse in einen Königsweg / Von Tobias Döring

Sackgassen gelten gemeinhin als Ärgernis. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, hält stetig darauf zu und will die Durchfahrt nicht verbaut sehen. Allein der Zukunft zugewandt, eilt er voraus und sieht jeden erzwungenen Rückweg bloß als Zeitverlust. Episches Erzählen allerdings lebt genau von solchen Umwegen. Sackgassen, die im Englischen auch "dead end" heißen, sind der Königsweg zu allen unvergänglichen Geschichten. Denn von jeher besteht, was der Weltliteratur zugehört, aus nichts als reiner Zeitverschwendung. Die jahrelangen Irrfahrten eines Odysseus, die nutzlosen Windmühlenflügelkämpfe eines Don Quichotte, die erotischen Abenteuer aus Boccaccios "Dekameron" wie erst recht die verschlungenen Geschichten, die Scheherazade gegen den drohenden Tod erzählt: sie alle verführen uns mit schönster Ziel- und Zügellosigkeit. Vielleicht entstehen so die größten Werke in der tiefsten Ausweglosigkeit, wenn nichts als Phantasie noch Rettung bringen kann.

In "Nacht des Orakels" führt Paul Auster seinen Erzähler immer wieder in dergleichen desolate Lagen: "Ich bin durch diese neun Tage im September 1982 gestolpert wie durch dichten Nebel", heißt es gegen Ende resümierend. "Ich habe versucht, eine Erzählung zu schreiben, und bin in eine Sackgasse geraten. Ich habe versucht, die Idee für einen Film zu verkaufen, und bin abgewiesen worden. Ich habe das Manuskript meines Freundes verloren, ich habe beinahe meine Frau verloren, und so inbrünstig ich sie liebte, habe ich in einem finsteren Sexclub, ohne zu zögern, die Hosen heruntergelassen und mich in den Mund einer Fremden geschoben." Doch damit nicht genug. Der eigentliche Schrecken steht erst noch bevor und bricht just herein, als die Welt sich eben einzurenken schien. Sosehr dieser Erzähler auf Ordnung und Orientierung bedacht ist, kein Umweg bleibt ihm erspart. Schon sein Name lautet Orr, was an einer Stelle vielsagend als englisches "oder" mißverstanden wird. Es kommt tatsächlich immer alles anders.

Und doch ist alles wie gehabt. Im Grunde erzählt uns Paul Auster - auch in dieser Hinsicht ganz wie Woody Allen von der anderen Seite der Brooklyn Bridge - seit Jahrzehnten immer wieder dieselbe Geschichte, dabei jedesmal mit so gelassener Könnerschaft, daß er uns erneut in ihren Bann zieht. New York als Labyrinth unsicherer Zeichen, ein Autor in der Rolle eines Detektivs auf Geisterjagd und Spurensuche, dem Leser mal Komplize, mal Rivale und zuweilen einfach ein Phantom: "Nacht des Orakels" bietet wieder viel Bekanntes aus Austers altem Schattenkabinett. Seit er zwanzig war, habe er keine neue Idee mehr gehabt, erklärte er schon anläßlich des vorigen Romans. Doch auch diesmal schafft das Déjà-vu-Erlebnis der Lektüre eine eigentümliche Faszination. Wer sich aus Sackgassen herauswindet, sieht stets eine vertraute Szenerie in neuer Perspektive.

Sidney Orr ist Schriftsteller, der nach einer schweren Krankheit endlich wieder in die Arbeit findet, als er eine geborgte Idee literarisch ausspinnt. Auf Vorschlag eines väterlichen Freundes und Kollegen (im wirklichen Leben soll Auster dieser Vorschlag einst von Wim Wenders unterbreitet worden sein) läßt er sich von einer Episode aus Dashiell Hammetts "Der Malteser Falke" anregen und schreibt eine Fabel über die lebensverändernde Macht des Zufalls. Bei Hammett wird beiläufig berichtet, wie ein erfolgreicher Geschäftsmann von einem Moment auf den anderen die geordneten Bahnen seiner Existenz verläßt. Gerade dem Unfalltod entkommen, als ein herabstürzender Balken ihn um Zentimeter knapp verfehlt, meint er, das geschenkte Leben müsse ein grundsätzlich neues werden. Ohne Abschiedsgruß verläßt er die Familie und fängt andernorts von vorne an. Wie besessen von den Möglichkeiten einer solchen Selbsterfindung gerät auch Orr bald in den Strudel dieser Geschichte. Erst als er seinen Helden in eine ausweglose Lage manövriert hat, bemerkt er, daß derweil seine eigene Lebenswelt zu zerbrechen droht.

Ein gutes Drittel sind wir bis dahin dem Roman gefolgt, als er hier unvermittelt stockt, abbricht, kehrtmacht, neu ansetzt. So geht es fortwährend. Wann immer wir uns einen Pfad durch das Erzählgelände gebahnt haben, lockt der Erzähler uns auf neue Wege. Fußnoten bieten seitenlange Abschweifungen, die doch sehr Wesentliches mitteilen. Die angeführten Quellen und Dokumente dagegen geben nur scheinbar faktische Versicherung. Nach dem Vorbild aller großer Epen öffnen sich auch in dieser Geschichte immer wieder neue Fabulierwelten, in die ihrerseits weitere Geschichten eingelagert sind. So entsteht auf knappem Raum bald ein Erzählgeflecht, das gleichermaßen zur Verwirrung wie auch zur Betörung taugt. Denn schon allein wie Auster alle Regeln des Creative Writing wunderbar mißachtet und souverän mit losen Enden, blinden Motiven und durchsichtigen Figuren spielt, ist schlichtweg virtuos. Letztlich aber hält er uns auf ganz altmodische Art in Atem, weil er einfach spannend zu erzählen weiß.

Orr fällt erst in eine Schaffens-, dann in eine Ehekrise. Beide scheinen sich zunächst durch neuerliche Hilfe des befreundeten Schriftstellerkollegen zu lösen, bis mit einemmal der furchtbare Verdacht siegt, daß dieser längst eine viel entscheidendere Rolle in Orrs Leben spielt. Aber da gerät diese Geschichte schon in den Sog eines ganz anderen Endes, das keine Ausflucht mehr erlaubt: "Man kann im Traum nicht sterben. Selbst wenn die Tür abgeschlossen war, wäre irgend etwas geschehen, was uns befreit hätte. So geht das doch immer. Solange man träumt, gibt es immer einen Ausweg." Erst wenn man aufwacht, heißt das, wird die Ausweglosigkeit zum Albtraum.

Vor zehn Jahren hat Paul Auster in "Mr. Vertigo" einem Varieté-Artisten, der die unglaublichsten Kunststücke vollführte, Stimme und Figur gegeben. Auch sein neuer Roman hat viel von solchem Budenzauber, der uns gerade deshalb fesselt, weil wir ihm eigentlich mißtrauen. Doch während wir noch über derlei Kulissenspiel und Bauchrednerei die Stirn runzeln, sind wir ihnen doch bereits verfallen. Selbst "Der Malteser Falke" endet zwar mit der ernüchternden Entdeckung, daß jenes Objekt der Begierde nur eine gut gemachte Fälschung ist, aber führt damit die Suche immer weiter fort. Die schönsten Sackgassen sind eben solche, die nie an ein Ende kommen.

Paul Auster: "Nacht des Orakels". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 286 S., geb., 19,90 [Euro].

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"Er versetzt immer wieder in Erstaunen, dieser Paul Auster, mit seiner seltsam faszinierenden Art des Erzählens." (Welt am Sonntag)

"Dieser Roman ist eine Zauberschachtel" (Focus)

Paul Auster ist der Zeremonienmeister des Zufalls. FAZ