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Der berühmte Vortrag Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt (1906/1911) sowie weitere Texte zur Kulturbedeutung von Luthertum und Calvinismus aus der gleichen Zeit werden hier in einer textkritischen Edition vorgelegt.
In die Auseinandersetzung um die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der Moderne hat Troeltsch zusammen mit Max Weber im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts nachdrücklich eingegriffen. Die in diesem Band vereinigten Beiträge haben eine intensive Diskussion ausgelöst, von der die konfessions- und kulturgeschichtliche Forschung bis heute bestimmt ist. …mehr

Produktbeschreibung
Der berühmte Vortrag Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt (1906/1911) sowie weitere Texte zur Kulturbedeutung von Luthertum und Calvinismus aus der gleichen Zeit werden hier in einer textkritischen Edition vorgelegt.

In die Auseinandersetzung um die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der Moderne hat Troeltsch zusammen mit Max Weber im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts nachdrücklich eingegriffen. Die in diesem Band vereinigten Beiträge haben eine intensive Diskussion ausgelöst, von der die konfessions- und kulturgeschichtliche Forschung bis heute bestimmt ist.
Autorenporträt
Trutz Rendtorff ist emeritierter Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München.

Stefan Pautler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2002

So fruchtbar ist der Bruderzwist
Neuedition Ernst Troeltschs zum Protestantismus in der Moderne

Neben der Kritischen Gesamtausgabe der Werke Schleiermachers erscheint im Verlag de Gruyter ein zweites ambitioniertes, langfristiges und entsprechend risikoreiches Editionsprojekt, nämlich die Kritische Gesamtausgabe der Werke Ernst Troeltschs. In beiden Fällen handelt es sich um epochale Editionen, die einen theologiegeschichtlichen Wendepunkt markieren: In ihnen meldet sich die Tradition des liberalen Protestantismus unüberhörbar zurück, deren Fragestellungen und Positionen nach 1918 und stärker noch nach 1945 besonders von den Vertretern der Dialektischen Theologie zum Alteisen der Theologiegeschichte gelegt worden waren.

Der Band bietet Schriften Troeltschs zum Verhältnis von Protestantismus und Gegenwartskultur aus den Jahren 1906 bis 1913, also bis zum Zeitpunkt des Weggangs aus Heidelberg. Dankbar ist man besonders dafür, daß nun der Aufsatz von 1908 ("Luther und die moderne Welt"), den Hans Baron im vierten Band der Gesammelten Schriften (1924) unglücklicherweise mit einem späteren Text Troeltschs zu einem ähnlichen Thema kombiniert hatte, wieder voll- und selbständig zugänglich ist. Neben dem berühmten Aufsatz zur "Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt" (1906/11; einschließlich des interessanten Vorworts zur englischen Übersetzung) finden sich Troeltschs Analysen der unterschiedlichen Kulturwirkungen und -vermittlungen von Calvinismus und Luthertum, die im Umfeld der Genfer Calvinfeier entstanden waren (1909/10); der Band schließt ab mit der Arbeit zu "Renaissance und Reformation" (1913), in dem Troeltsch unter dem Einfluß von Burckhardt und Dilthey die zweite die Neuzeit prägende Geistesströmung neben der Reformation - die Renaissance - und ihr Verhältnis zur Reformation analysiert.

Die ausgezeichnete Einleitung des Bandes erschließt den biographischen, theologie- und werkgeschichtlichen Kontext in vorbildlicher Weise, insbesondere die Auseinandersetzung des Historikers Felix Rachfahl mit den Arbeiten von Weber und Troeltsch zu den religiösen Wurzeln der Moderne. Die editorischen Berichte erheben minutiös den Entstehungskontext der einzelnen Arbeiten; präzise Biogramme im Anhang orientieren über die im Text genannten Personen.

Die Arbeiten Troeltschs über das Verhältnis des Protestantismus zur Gegenwartskultur hängen mit seinem Hauptwerk, den "Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen" (1912) thematisch engstens zusammen. Sie gehören in die Heidelberger Zeit Troeltschs (1894 bis 1915), in der es im interdisziplinären "Eranos-Kreis" zu einer engen Zusammenarbeit unter anderen mit Max Weber und Georg Jellinek kam, die sich aus soziologischer und rechtsgeschichtlicher Perspektive ebenfalls mit den Kulturwirkungen des Protestantismus befaßt hatten - im Falle Webers die berühmte Herleitung des "Geistes des Kapitalismus" aus Grundstellungen eines calvinistisch geprägten religiösen Bewußtseins; im Falle Jellineks der Nachweis des religiösen Ursprungs der nordamerikanischen Menschenrechtstradition.

Die enge Zusammenarbeit mit Weber und Jellinek ist in den Texten Troeltschs immer wieder greifbar und führte dazu, daß Rachfahl in Troeltsch und Weber eine gemeinsame Position anzugreifen glaubte. Spezifisch für Troeltsch aber ist der Hinweis auf die Ambivalenz des Verhältnisses von Reformation und Neuzeit. Einerseits sind viele Phänomene der Moderne nur als Säkularisat protestantischer Grundeinstellungen verständlich; andererseits ist aber zu konstatieren, daß gerade das deutsche Luthertum in der Kaiserzeit sich in politischer und sozialer Hinsicht als Gegenkraft der Moderne verstand und etabliert hatte.

Troeltsch fragt danach, wie der religiöse Impuls der Reformation eine solch ambivalente Wirkungsgeschichte entfalten konnte, in der ein Zweig - der Calvinismus und die spiritualistischen Sekten beziehungsweise die Independenten - sich besonders in Nordamerika als Vorbote und Fundament der Kultur der Moderne etablieren, während der andere Zweig - das kontinentale Luthertum - zu den entschiedenen Gegenkräften der Moderne gehört. Diese Frage ist darum so ungeheuer fruchtbar, weil sie eben nicht nur den Gegensatz des kirchlichen, lutherischen Protestantismus gegen die Kultur der Moderne und umgekehrt im Rückgang auf die religiösen Voraussetzungen dieses Gegensatzes zu verstehen lehrt; vielmehr gibt dieser Rückgang auch zu erkennen, daß schon der anfängliche religiöse Impuls der Reformation in sich ambivalent war und in unterschiedlichen Kontexten eine uneinheitliche Wirkungsgeschichte freisetzte.

Im Zentrum stehen Unterscheidungen, in denen sich die theologischen und gesellschaftlichen Polaritäten der Gegenwart Troeltschs widerspiegeln: die Unterscheidung des reformatorischen Impulses Luthers von seiner Vermittlung mit den sozialen und kirchlichen Gestaltungen des ausgehenden Mittelalters; die daran anknüpfende Unterscheidung einer am Objekt des Glaubens orientierten Fortführung des reformatorischen Anliegens im kirchlichen Luthertum und einer am Subjekt orientierten Fortführung in den spiritualistischen Sekten; die Unterscheidung von Alt- und Neuprotestantismus, die es erlaubt, die im Verhältnis zur Kultur der Moderne ambivalente Gegenwartsgestalt des Protestantismus als Folge dieser uneinheitlichen Wirkungsgeschichte nicht nur zu beschreiben, sondern zu bewerten.

Alle diese Unterscheidungen machen einerseits begreiflich, daß es sich im Konflikt des traditionell-kirchlichen Christentums mit dem bürgerlich-westlichen Liberalismus letztlich um einen Bruderzwist handelt, in dem die kontinentale Gestalt der lutherischen Tradition gegen die Säkularisate der calvinistischen und independentistischen Tradition steht, die aus dem Westen in das Heimatland der Reformation zurückwirken. Sie machen ferner begreiflich, daß die innerprotestantischen Spannungen zwischen traditional-konfessioneller und liberaler Theologie die Manifestation eines gesamtgesellschaftlichen kulturgeschichtlichen Bruches ist, des Übergangs zur Moderne nämlich, den das protestantische Christentum ebenso erlitten wie mit ausgelöst und befördert hat.

Die Stärke der Texte Troeltschs liegt darin, daß seine historischen Rückfragen von einem intensiven und lebendigen Interesse am Verständnis der Gegenwartsgestalt des Protestantismus und an deren Deutung und Fortentwicklung im Kontext der Gegenwartskultur geleitet sind. Es ist zu hoffen, daß die Neuedition der Texte von Troeltsch nicht nur ein archivarisches Interesse an diesen Fragestellungen fördert, sondern sich auch in einer lebendigen Fortführung seiner zeitdiagnostischen Fragestellungen niederschlägt.

NOTGER SLENCZKA

Ernst Troeltsch: "Schriften zur Bedeutung des Protestantismus für die moderne Welt (1906-1913)". Hrsg. von Trutz Rendtorff in Zusammenarbeit mit Stefan Pautler. Kritische Gesamtausgabe, Band 8. Walter de Gruyter, Berlin, New York 2002. 474 S., geb., 178,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Gesamtausgabe der Werke des Ernst Troeltsch ist ein, so der Rezensent Norbert Slenczka, "epochales" Unterfangen und zugleich ein Signal: die "Tradition des liberalen Protestantismus" kehrt zurück in die Gegenwart der Theologie. In diesem Band finden sich Schriften Troeltschs aus den Jahren 1906 bis 1913, zum "Verhältnis von Protestantismus und Gegenwartskultur". Ganz hervorragend, findet Slenczka, ist die Einleitung, sie bietet Orientierung biografischer und thematischer Art, die editorische Arbeit lobt er als "minutiös". Von besonderem Interesse in den versammelten Texten ist das Verhältnis Troeltschs zu Max Weber, dem Heidelberger Kollegen; es zeigt sich, dass Troeltsch die Unheitlichkeit der Wirkungsgeschichte des Protestantismus stärker betont als Weber. Der Konflikt zwischen Christentum und liberaler Gesellschaft erweist sich für Troeltsch als "Bruderzwist" - und stets bleibt seine historische Rekonstruktion auf die Gegenwartsgestalt des Protestantismus bezogen. Insbesondere diesen Impuls hält der Rezensent für bewahrenswert und hofft, dass auch Troeltschs Werk fortan wieder mit mehr als bloß archivarischem Interesse gelesen werden wird.

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