Fritz Jansen, Uta Streit, Erfolgreich erziehen, Krüger 2010, 431 Seiten, ISBN 9783-8105-0921-5
Die aktuelle sich mittlerweile ins total Irrationale ziehende Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin verstellen den Blick auf ein soziales Phänomen, das in unserem Land existiert, vollkommen
gleichgültig wie hoch der Anteil an muslimischen Migranten an der Bevölkerung ist. Es ist die Tatsache, dass…mehrFritz Jansen, Uta Streit, Erfolgreich erziehen, Krüger 2010, 431 Seiten, ISBN 9783-8105-0921-5
Die aktuelle sich mittlerweile ins total Irrationale ziehende Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin verstellen den Blick auf ein soziales Phänomen, das in unserem Land existiert, vollkommen gleichgültig wie hoch der Anteil an muslimischen Migranten an der Bevölkerung ist. Es ist die Tatsache, dass nicht nur in den Unterschichten, sondern bis in gebildete und sozial abgesicherte Familien hinein so etwas wie Erziehung der Kinder regelrecht verweigert wird.
Mangel an Zeit, Unfähigkeit sich auseinanderzusetzen, Egoismus auf der einen Seite und ein enormer ausgeübter Erfolgsdruck von Eltern auf ihre Kinder auf der anderen Seite beschreiben die Schere, in der unsere Kinder nicht wirklich vorbereitet werden auf das Leben.
Wenn man die Situation und den Entwicklungsstand von Kindern in den Kindergärten und Grundschulen von heute mit dem vor etwa 10 Jahren vergleicht, sagen alle mir bekannten Lehrerinnen und Erzieherinnen, offenbaren sich gravierende Unterschiede. Das, was die Kinder in ihren Herkunftsfamilien lernen, wie sie dort seit ihrer Geburt (ich finde auch die Zeit der Schwangerschaft extrem wichtig!) sozialisiert wurden, hat deutlich an Qualität abgenommen. Obwohl sich die Institutionen Kindergarten und Grundschule enorm professionalisiert haben, obwohl mehr Personal für weniger Kinder dort beschäftigt ist, trotz mannigfaltiger Qualitätsoffensiven spitzt sich die Situation zu. Die Erzieher können kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein geben.
Schon jetzt fehlen unserer Gesellschaft normal ausgebildete Schüler für die unterschiedlichsten Berufe, während 20 Prozent eines Jahrgangs nicht richtig lesen und schreiben können. Und das sind eben nicht nur Muslime, Herr Sarrazin ! Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind ganz andere.
Wenn bei der Bildung und der Erziehung, vor allem in dem Bereich, wo er zunächst einmal stattfindet, in der Familie, sich nicht bald etwas ändert, wird unsere Gesellschaft schweren Zeiten entgegengehen. Die Zukunft der heutigen Kinder, denen so etwas wie Erziehung verweigert wird, ist dunkel.
Fritz Jansen und Uta Streit, die schon in der Vergangenheit mit pädagogischen Büchern sich in dese Debatte, die seit den ersten PISA Studien nicht verstummt, eingebracht haben, legen nun einen anspruchsvollen Erziehungsratgeber vor, der sich nicht nur an Eltern, sondern auch an Erzieherinnen und Lehrer richtet. Die werden es wohl auch häufiger lesen, denn das Reflexionsniveau des Buches wird viele Eltern, die nicht gewohnt sind, solche Bücher zu lesen, eher abschrecken.
Und damit ist auch ein weiteres Dilemma bezeichnet, auf das Thilo Sarrazin meines Erachtens eigentlich hinweisen wollte, hätte er sich nicht in seine genetischen Spinnereien verrannt. Wie sollen „bildungsferne“ (eines dieser politisch korrekten Worte, die mehr vernebeln als erhellen) Eltern ihren Kindern Bildung nahebringen? Mit ihnen von Anfang an reden, ihnen vorlesen, sie lehren, Konflikte zu lösen, zu fühlen u.v.m. Ich weiß es nicht. Kindergarten und Schule können diese Lücke nicht füllen. Niemals.