Bemerkenswert: Ein Venedig-Kenner-und-Liebhaber-Autor, der auch Touristen mag
Das Buch ist wirklich des Merkens wert: Karl Heinz Ritschel schreibt nicht nur über die von ihm oft besuchte und geliebte Stadt, er mag auch Venedig-Touristen und schreibt erklärtermaßen für sie. Bei manch anderem
Autor, der es sich nicht verkneifen kann, abfällige Bemerkungen über Venedig-Touristen zu machen, fragt…mehrBemerkenswert: Ein Venedig-Kenner-und-Liebhaber-Autor, der auch Touristen mag
Das Buch ist wirklich des Merkens wert: Karl Heinz Ritschel schreibt nicht nur über die von ihm oft besuchte und geliebte Stadt, er mag auch Venedig-Touristen und schreibt erklärtermaßen für sie. Bei manch anderem Autor, der es sich nicht verkneifen kann, abfällige Bemerkungen über Venedig-Touristen zu machen, fragt man sich verwundert, für wen er oder sie denn eigentlich schreibe. Adressaten eines Venedig-Buches können doch wohl nur Venedig-Besucher sein. Wer die beschimpft, brüskiert seine Leser und nicht nur die, sondern eigentlich jeden, denn wohl jeder ist irgendwann und irgendwo in dieser Welt Tourist. Karl Heinz Ritschel ist sich auch nicht zu fein, sich selbst in "die Fremden" mit einzuschließen (S. 189). Das alles macht mir Buch und Autor sehr sympathisch.
Karl Heinz Ritschel meint, gleichsam wie zufällig eingefangene bunte Herbstblätter, Eindrücke und Beobachtungen, Orts- und Architekturbeschreibungen, Geschichte und Legenden, Überblicke zu Museen und Kunstwerken (S. 65-84, 122-129), zu Architekten, Bildhauern und Malern (S. 162-178), zu Musik und Theater (S. 183-200), zu Carlo Goldoni, zu den Brüdern Gozzi, zu Lorenzo da Ponte, Pietro Aretino und Giacomo Casanova (S. 190-214) liefern zu sollen. Auch Beschreibungen und Empfehlungen zu Gegenden "abseits des Touristenstromes", zu Torcello (S. 15-18), Burano (S. 133-137), Murano (S. 138-148), "Lagunenfahrt" (S.149-161, 260-262), Ghetto, Cannaregio und Zattere (S 215-220), venezianische Küche (S. 211-228) fehlen nicht. Dabei wendet er sich immer - direkt oder indirekt - an aktuelle oder zukünftige Venedig-Besucher. Er schreibt für sie, um ihnen zu einer vertieften, umfassenderen Wahrnehmung der Allerheitersten zu verhelfen und nicht etwa (wie manch anderer Autor), um sich vor Nicht-Venezianern wichtig zu tun; ja er rafft sich sogar dazu auf, Reiseveranstalter zu loben (S. 250). Danke!
Der Autor ist sichtlich bemüht, alle irgendwie im Kontext "Venedig" vorkommenden Themen anzusprechen. Auch "Venedig muß nicht sterben" (S. 229-241) darf da naürlich nicht fehlen. Wirklich alles zu bringen, ist jedoch praktisch nicht möglich und ein Auswahlkriterium, eine Systematik kann ich leider bei ihm nicht erkennen. So macht der Text oft den Eindruck des Zufälligen. Die Textabschnitte "Speziell für ihren Venedig-Besuch", "Einen Tag in Venedig", "Drei Tage in Venedig", "Ein Urlaub in Venedig", "Mit einem Blick" (S. 242-267), die ähnlich auch in nahezu allen Reiseführen vorkommen, sind sicher irgendwie nützlich, wie auch die Auflistungen "Museen und Theater", "Kunst in den Kirchen", "Künstler, Dichter, Musiker" (S. 268-275). Die 1 1/4 (!) Seiten "Tausend Jahre Geschichte" (S. 276-277) und die Auflistung der Dogen Venedigs (S. 278-281) scheint mir aber die auffälligste überflüssige Folge unsystematischen Vollständigkeitsbemühens zu sein. Dagegen fehlt ein Literaturverzeichnis. Ein Personen- (S. 282-285) und ein Sachregister (S. 285-287) ist immerhin vorhanden. Ich will dem Autor zugute halten, daß es ihm die Verlage vielleicht ausgeredet haben, genauere Angaben zur zugrundegelegten und zu weiterführender Literatur zu machen. In der Populärliteratur ist es ja weit verbreitet, auf jegliche Literaturangaben zu verzichten: Man hält wohl nicht allzu viel von seinen Lesern. Vielleicht aber auch hat die Betätigung des Philosophie-Professors als Journalist hier unvorteilhafte Wirkungen hinterlassen. Bei Journalisten ist ja wohl die Neigung, seine Quellen geheim zu halten, eine Art Berufskrankheit und das mag daher hier als läßliche Sünde durchgehen. Ohne Quellenangabe zu zitieren ist aber eine unverzeihliche Mißachtung der zitierten Autoren!