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Warum aus Mozarts Sohn nichts Rechtes werden konnte und warum Goethe nichts mit E.T.A. Hoffmann zu tun haben wollte: Dieter Kühns heikle Geschichten.
Franz Xaver Mozart, geboren 1791 in Baden, gestorben 1844 in Karlsbad, Hauslehrer in Galizien, Komponist von gut zwei Dutzend, meist kleineren Werken - eine Randfigur der Musikgeschichte allenfalls, wäre da nicht der Nachname, der ihn heraushebt aus einer Schar heute völlig vergessener Komponisten, aber möglicherweise einer glanzvolleren Karriere im Wege stand. Behutsam und voller reflektorischer Skrupel nähert sich Dieter Kühn seinem Erzählgegenstand an. Er trägt zusammen, was es an Fakten, Zeugnissen und Gerüchten gibt, hält sich mit Schlussfolgerungen aber zurück. Das Spannungsverhältnis von gleichsam wissenschaftlicher Biographie und historischem Roman durchzieht seinen Text wie einen roten Faden, an neuralgischen Punkten der Lebensgeschichte Franz Xaver Mozarts stellt er explizite Überlegungen an, wie er nun als Biograph oder Romanautor verfahren könnte.
An offenen Fragen im Leben des jüngsten Mozart-Sohnes herrscht kein Mangel. Dies fängt schon bei den Gerüchten um die Vaterschaft an. Ist der wenige Monate vor Mozarts Tod geborene Sohn überhaupt von diesem, oder ist der Vater nicht vielmehr dessen Schüler Franz Xaver Süßmayr, zur Zeit der Zeugung und Geburt treuer Begleiter von Mozarts Frau Constanze? Der übergroße Name des Vaters steht dem eigenen Erfolg im Weg. Und doch sät Dieter Kühn, der die Epigonenproblematik schon einmal in seinem schönen Buch "Goethe zieht in den Krieg" anhand der als Künstler scheiternden Goethe-Enkel aufgegriffen hat, auch leise Zweifel an dieser Sicht. Er porträtiert einen antriebsschwachen, phlegmatischen Menschen, dem es vielleicht an Ehrgeiz gefehlt hat, etwas Größeres zu erreichen. "Nur zwei Jahre Herr meiner Zeit, und mein Vater sollte sich im Grabe über mich freuen", schreibt Franz Xaver Mozart 1828 über seine verkümmerte Komponiertätigkeit, und das, obwohl er in den vergangenen Jahren fast übermäßigen Freiraum besaß, ohne diesen indes kompositorisch zu nutzen.
Zwei weitere Erzählungen sind dem titelgebenden Mozartstück beigegeben. Die erste, "Festspiel für Rothäute", eine überarbeitete Version eines sehr viel älteren Textes, berichtet in nüchtern-chronikalischem Stil vom Besuch vierer Irokesenhäuptlinge im England des Jahres 1710. Die zweite, "Hoffmannstropfen für Goethe", besteht aus Briefen eines Lüneburger Verlegers, der Goethe dazu bewegen möchte, eine posthume Auswahl aus dem Werk E.T.A. Hoffmanns samt Nachwort zu erstellen, ein hoffnungsloses Unterfangen. Kühn nutzt die Konstellation, um Episoden aus Hoffmanns Biographie zu präsentieren oder seine Texte vorzustellen. Dies mag als Werbung fürs Werk gut gemeint sein, ermüdet aber in seiner Weitschweifigkeit. Die abschließende Mozarterzählung indes entschädigt für den spröden Beginn.
THOMAS MEISSNER
Dieter Kühn: "Ein Mozart in Galizien". Erzählte Geschichte. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008. 474 S., br., 11,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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