Gelungene Verbindung von Fakten, Einfühlung in Eltern und Jugendliche und Gesprächsanregungen
"Erklär mir die Liebe", gemeinsam geschrieben von einer Journalistin und einer Ärztin, die Mutter von Töchtern ist und an Schulen Sexualkunde unterrichtet, richtet sich an Mütter von Töchtern. Die
Autorinnen stellen klar, dass sie nicht allein über den weiblichen Körper, sowie seelische und körperliche…mehrGelungene Verbindung von Fakten, Einfühlung in Eltern und Jugendliche und Gesprächsanregungen
"Erklär mir die Liebe", gemeinsam geschrieben von einer Journalistin und einer Ärztin, die Mutter von Töchtern ist und an Schulen Sexualkunde unterrichtet, richtet sich an Mütter von Töchtern. Die Autorinnen stellen klar, dass sie nicht allein über den weiblichen Körper, sowie seelische und körperliche Veränderungen während der Pubertät informieren wollen. Mit der Verbindung aus Sachinformationen, Einblick in die Gefühlswelt Jugendlicher und konkreten Gesprächsanregungen wollen sie Mütter ermutigen, ihre Töchter durch offene Gesprächen vor Erlebnissen zu bewahren, für die die jungen Frauen sich noch nicht bereit fühlen. Dazu gehören gewalttätige Doktorspiele unter Kindergartenkindern, frauenfeindliche Pöbeleien, Pornografie, unangenehme Erlebnisse beim Chatten und erste sexuelle Erfahrungen unter dem Druck, dazugehören zu wollen. Die genannten Erlebnisse könnten Kinder in der falschen Vorstellung aufwachsen lassen, all dies sei normal und sie müssten sich als Erwachsene selbst einmal so verhalten. - Die Autorinnen räumen mit der falschen Einschätzung auf, dass Kinder durch den Einfluss der Medien heute schon früh umfassend über Sexualität informiert seien und Aufklärungsgespräche damit unnötig. Die sexualisierte Sprache einiger Kinder und ihre kühne Behauptung, es bestehe kein Informationsbedarf, sollte Eltern nicht über Wissenslücken hinwegtäuschen und die Tatsache, dass unter Jugendlichen nur noch selten von Liebe die Rede ist. Schoonbrood/Dobrick teilen Winterhoffs These Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit, dass Kinder zunehmend nicht ihrem Entwicklungsstand entsprechend erzogen werden und von ihren Eltern keine Grenzen gesetzt bekommen. Wer zu früh wie ein gleichberechtigter Partner behandelt würde, könne nicht mehr lernen, sich vom eigenen Gewissen leiten zu lassen. Im Gegensatz zu Winterhoff, der den Zustand beklagt und Eltern in seinem ersten Buch noch keine Hilfe bietet, nimmt Schoonbrood elterliche Sorgen um das zu frühe Ende einer behüteten Kindheit ernst und hält eine Fülle von Ratschlägen aus ihrer sexualpädagogischen Praxis parat. Die angeführten Beispiele aus dem Sexualkunde-Unterricht in Schulklassen kann jede Lehrkraft bestätigen; die Autorinnen untermauern ihre Einschätzungen mit den Ergebnissen einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter 14- bis 17-Jährigen im Jahr 2006. - Ob es um die Verantwortung des männlichen Partners für Verhütung, um Lust und Orgasmus, um ungeplante Schwangerschaften, sexuellen Missbrauch oder den Besuch beim Frauenarzt geht, die offenen Worte der Autorinnen sind realistisch. Sie nehmen Stellung zu sämtlichen Spielarten von Pornografie und Gewalt, mit denen Jugendliche im Internet konfrontiert werden, zu den Auswirkungen verzerrter Darstellungen von Sexualität in der Rap-Musik und zur alltäglichen, sexuell motivierten Anmache auf dem Schulhof. - Wer selbst die Richtung und die Normen im Leben seiner Kinder bestimmen wolle, dürfe sich nicht vor unangenehmen Gesprächen scheuen, aus Angst, damit selbst zum Ende der Kindheit beizutragen. Eltern müssten ihre Kinder darin bestärken, Anzüglichkeiten und Grenzverletzungen deutlich zurückzuweisen, und konsequente Grenzsetzung auch von Erziehern und Lehrern ihrer Kinder einfordern. - "Erklär mir die Liebe" verbindet auf sprachlich hohem Niveau sorgfältig recherchierte Informationen mit liebevoller Einfühlung in die Zeit der Pubertät. Das Buch konfrontiert Eltern und Erzieher mit unbequemen Tatsachen und bietet ihnen zugleich Gesprächsanregungen. Für erwachsene Lesemuffel ist das Buch aufgrund des Textumfangs weniger geeignet, für interessierte Jugendliche (die ja auch einmal Kinder erziehen werden) empfehle ich es ab 14 Jahren.