Das Bewußtsein bestimmt das Sein...
Dies ist ein sehr wichtiges Buch, wenn es auch sehr kontrovers diskutiert wurde! Der Autor beschreibt in ihm anhand dreier verschiedener Situationen von Massenmord an den Juden unter Hitler (Polizeibataillone, Arbeitslager und Todesmärsche), daß ganz normale
Deutsche, also eben nicht nur besonders rohe und fanatische SS-Angehörige, an der Vernichtung der…mehrDas Bewußtsein bestimmt das Sein...
Dies ist ein sehr wichtiges Buch, wenn es auch sehr kontrovers diskutiert wurde! Der Autor beschreibt in ihm anhand dreier verschiedener Situationen von Massenmord an den Juden unter Hitler (Polizeibataillone, Arbeitslager und Todesmärsche), daß ganz normale Deutsche, also eben nicht nur besonders rohe und fanatische SS-Angehörige, an der Vernichtung der europäischen Juden teilnahmen. Die Schilderungen der verübten Grausamkeiten sind dabei im Zusammenhang mit der vorgestellten Privatsphäre der einzelnen Täter besonders grotesk und zeigen, wie überaus stark Menschen weltanschaulich verblendet gewesen sein müssen, um diese Taten auch noch heldenhaft feiern und sich ihrer vor anderen rühmen zu können. Möglich wurde dies durch ein vorher bereits vorhandenes "kognitives Modell" des eliminatorischen Antisemitismus, daß in der deutschen Gesellschaft sicherlich sehr weit verbreitet gewesen war, sich aber natürlich erst durch die Aktivierung innerhalb des Nazi-Regimes, also über Hitler, zu seiner so deletären und in der Geschichte beispiellosen Folge des Holocaust entwickeln konnte. - Wer Friedrich Heers Buch "Gottes erste Liebe" gelesen hat, dem ist dieses "kognitive Modell" bekannt, das an uralte Rivalitäten zwischen Christen und Juden anknüpft. Diese haben sich seit Entwicklung des Christentums zur Staatsreligion in Ghettoisierung und Pogromen an den Juden als den "Gottesmördern" entladen. - Goldhagen versteigt sich aber nicht zur Behauptung einer Kollektivschuld Heutiger. Leider nur im deutschen Vorwort ("Auf keinen Fall wird hier ein ewiger Nationalcharakter der Deutschen behauptet") und ganz am Schluß in Anmerkung 54 des 16. Kapitels stellt er klar, daß über Reeducation und ein nicht länger antisemitisches "Gespräch" die Bundesrepublik inzwischen die vormals absurde Vorstellungswelt abgelegt habe, wenn es auch immer noch eine schwelende Infektion des Antisemitismus gebe. Etwas störend sind die häufigen Wiederholungen seiner Thesen, das Buch hätte sicher weit kürzer ausfallen können. (24.02.03)