Die Geschichte umspannt einen Zeitraum von 64 Jahren. Bieten all diese Jahre jede Menge Stoff für gemütliche Lesestunden? Zumal ja auch der Titel auf einen spannenden zweiten Erzählstrang hindeutet.
Vielversprechend beginnt der Roman mit dem eigentlichen Ende im Jahr 1220 und einer drohenden
Verhaftung. Danach folgt die Geschichte, die zu eben dazu führt.
Die Beschreibung der damaligen…mehrDie Geschichte umspannt einen Zeitraum von 64 Jahren. Bieten all diese Jahre jede Menge Stoff für gemütliche Lesestunden? Zumal ja auch der Titel auf einen spannenden zweiten Erzählstrang hindeutet.
Vielversprechend beginnt der Roman mit dem eigentlichen Ende im Jahr 1220 und einer drohenden Verhaftung. Danach folgt die Geschichte, die zu eben dazu führt.
Die Beschreibung der damaligen Zeit ist anschaulich und nachvollziehbar gestaltet. Egal ob es sich um die Lebens- und Wohnverhältnisse, die Macht der Kirche und ihrer Vertreter, die Willkür der Herrschenden, die Verklärung des Rittertums oder das damalige Frauenbild handelt: Man hat keine Schwierigkeiten, sich die Gegebenheiten und Unwägbarkeiten vorzustellen. Die Sprache der Autorin ist an die damalige Zeit angepasst und lässt sich grundsätzlich leicht lesen. Das Ende der Geschichte ist offen und im Bezug auf Judith und Silas überraschend. Damit lässt die Autorin LeserInnen Platz für eigene Gedankengänge und sich selbst Raum für eine Fortsetzung.
Doch trotz dichter Atmosphäre und an sich spannender Grundidee gibt es Schwächen. Zum einen sind die Charaktere außer Judith zu distanziert und oberflächlich skizziert. Judith selbst präsentiert sich eingangs als sympathisch-wissbegierige, mutige Figur. Sie entwickelt sich m. E. aber zu wenig und wurde mir dadurch zunehmend fremder. Man könnte sagen, dass sie trotz mädchenhafter Züge von Anfang an alt ist oder sich im Alter trotz aller Erlebnisse etwas Mädchenhaftes bewahrt. Silas bleibt blass und wird wie alle anderen Charaktere nicht näher beleuchtet. Da die beiden wenig gemeinsame Zeit miteinander verbringen, bleibt die vermutete Liebesgeschichte eher angedeutet.
Ferner wirken die Geheimnisse zu bemüht. Ihre angedeutete Brisanz wird durch die Handlungsweise der Geheimnisträger fast ad absurdum geführt. Zwar erscheinen Judiths Reaktionen nachvollziehbar, die ihrer Widersacher aber ausgebremst.
Hinzu kommen Zeitsprünge. Zwischen 1156 und 1166 mehrere kleinere, die nicht weiter ins Gewicht fallen. Insgesamt widmet die Autorin diesen Jahren, in denen sich Judiths und Silas‘ Wege mehrfach kreuzen, 2/3 des Buches. Auf Seite 342 findet man sich dann aber zu abrupt im Jahr 1184 wieder. Dort wird erwähnt, dass Judith Äbtissin geworden ist und vom Kaiser nach Mainz geladen wird. Abgesehen davon, dass sie dabei Silas erneut begegnet, spielt die Beziehung der beiden nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Zu ausführlich geht die Autorin dabei auf ein Ereignis während der Feierlichkeiten und auf eines der Geheimnisse ein, knüpft weitere Intrigen und Widersacher in die Geschichte ein. Dann folgt ein weiterer Sprung ins Frühjahr 1191, ein weiteres Geheimnis, ein weiterer Widersacher, dessen Beweggründe zu verwaschen bleiben. Speziell dieses Kapitel lässt den Eindruck entstehen, dass die Geschichte schnell fertig erzählt werden musste. Die letzten Zeitsprünge drohen die roten Handlungsfäden fast zu zerreißen.
Trotz überraschender Wendungen nimmt die Spannung eher ab. Zu vieles wird, vor allem gegen Ende, einfach erwähnt, ohne plausibel erklärt zu werden. Zu oft wird vom Tod einer Figur berichtet, die ohnehin bereits sang- und klanglos aus dem Fokus der Autorin verschwunden zu sein scheint oder aber gerade erst an Kontur gewinnt.
Einerseits also der anschaulich beschriebene Hintergrund, der dazu passende Schreibstil, die leicht lesbare Sprache und die glaubwürdige Hauptfigur. Andererseits sorgt der Spannungsverlust für Längen, die das Lesen erschweren. Erschwerend hinzu kommen zu blasse Nebenfiguren und die Diskrepanz zwischen Inhaltsangabe und daraus bei mir entstehender Erwartungshaltung. Wirklich schlecht fand ich Judiths Geschichte nicht, weil der historische Bezug zu gut gelungen ist. Doch richtig packen konnte sie mich auch nicht, weshalb ich nur drei von fünf Punkten vergeben möchte.
2013 Antje Jürgens (AJ)