Das Zeitalter der Sturlungen - benannt nach dem mächtigsten Wikingerklan - war das blutigste und brutalste Kapitel der isländischen Geschichte. Es läutete gleichzeitig das Ende der Wikingerära ein. Dieser Epoche setzt Einar Kárason mit seiner imposanten Isländer-Saga - übersetzt von Bestseller-Autor Kristof Magnusson - ein einzigartiges Denkmal. Ein außergewöhniches Projekt, dem sich der vielfach ausgezeichnete größte isländische Gegenwartsautor über ein Jahrzehnt gewidmet hat.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2019NEUE TASCHENBÜCHER
Große Taten vollbringen –
Einar Kárasons „Isländer-Saga“
Sonst spielen seine Romane in Island heute, aber hier wollte Einar Kárason die faktenreiche, „eher anstrengend zu lesende“ Sturlungen-Saga neu erzählen. Die isländischen Saga-Dichter sind berühmt für hohe literarische Kunst und Ergiebigkeit ihrer Texte als historische Quellen. Dieser hebt sich ab durch die Unmittelbarkeit, mit der von den Machtkämpfen und Taten einzelner Mitglieder dieses Klans berichtet wird, als sprächen Zeitzeugen. Vielleicht hat dieser subjektive Ton dazu inspiriert, die mittelalterlichen Figuren, Frauen wie Männer, nach modernen Maßstäben selbst berichten zu lassen: Zeugenaussagen, die das Geschehen quasi dokumentarisch ausbreiten. Die widersprüchlichen Gefühle zwischen Treue und Eigeninteresse machen die Einzelstimmen zu heutigen Helden mit archaischem Temperament.
Ein Zweitgeborener sieht wie ein geübter Therapiebesucher seine Bevorzugung, als aber der ältere Bruder mit schöner Pfründe bedacht wird, beneidet er ihn trotzdem. Eyjolfur gehört, anders als seine Frau, nicht zur Familie. Sie tut ihn ab, ein launisches, unberechenbares Kind. Er dürstet danach, „auch einmal eine große Tat zu vollbringen, einen übermächtigen Gegner zu besiegen“. Es wurmt ihn bis hin zur Depression, dass er an Beratungen nicht teilnehmen darf. Ein blau angelaufener, abgeschlagener, halb verwester Kopf verkündet ihm im Traum voll Häme, dass er „ein Schwachkopf und Versager“ sei, worauf er sich nicht mehr einzuschlafen traut. Einen Sieger, Kolbeinn den Jungen, plagen Bilder der Grausamkeiten, die er bei der Vernichtung eines konkurrierenden Familienzweigs angeordnet hat. Sein zuvor noch stolzer, in Norwegen als Raufbold respektierter Cousin Kakali verliert nach dem Untergang des Klans sein Ansehen und gleitet ins Elend, wo ihn Kárason, etwas kokett, mutmaßen lässt, ob sein historisch verbürgter schreibender Onkel Snorri Sturloson die Saga von Egil Skallagrímsson noch habe beenden können, bevor auch er erschlagen wurde. Eine spannende Reise in fremde ferne Vergangenheiten. RUDOLF VON BITTER
Einar Kárason: Die Sturlungen. Die große Isländer-Saga. Roman. Aus dem
Isländischen von Kristof Magnusson.
Btb, München 2019, 829 Seiten, 14 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Große Taten vollbringen –
Einar Kárasons „Isländer-Saga“
Sonst spielen seine Romane in Island heute, aber hier wollte Einar Kárason die faktenreiche, „eher anstrengend zu lesende“ Sturlungen-Saga neu erzählen. Die isländischen Saga-Dichter sind berühmt für hohe literarische Kunst und Ergiebigkeit ihrer Texte als historische Quellen. Dieser hebt sich ab durch die Unmittelbarkeit, mit der von den Machtkämpfen und Taten einzelner Mitglieder dieses Klans berichtet wird, als sprächen Zeitzeugen. Vielleicht hat dieser subjektive Ton dazu inspiriert, die mittelalterlichen Figuren, Frauen wie Männer, nach modernen Maßstäben selbst berichten zu lassen: Zeugenaussagen, die das Geschehen quasi dokumentarisch ausbreiten. Die widersprüchlichen Gefühle zwischen Treue und Eigeninteresse machen die Einzelstimmen zu heutigen Helden mit archaischem Temperament.
Ein Zweitgeborener sieht wie ein geübter Therapiebesucher seine Bevorzugung, als aber der ältere Bruder mit schöner Pfründe bedacht wird, beneidet er ihn trotzdem. Eyjolfur gehört, anders als seine Frau, nicht zur Familie. Sie tut ihn ab, ein launisches, unberechenbares Kind. Er dürstet danach, „auch einmal eine große Tat zu vollbringen, einen übermächtigen Gegner zu besiegen“. Es wurmt ihn bis hin zur Depression, dass er an Beratungen nicht teilnehmen darf. Ein blau angelaufener, abgeschlagener, halb verwester Kopf verkündet ihm im Traum voll Häme, dass er „ein Schwachkopf und Versager“ sei, worauf er sich nicht mehr einzuschlafen traut. Einen Sieger, Kolbeinn den Jungen, plagen Bilder der Grausamkeiten, die er bei der Vernichtung eines konkurrierenden Familienzweigs angeordnet hat. Sein zuvor noch stolzer, in Norwegen als Raufbold respektierter Cousin Kakali verliert nach dem Untergang des Klans sein Ansehen und gleitet ins Elend, wo ihn Kárason, etwas kokett, mutmaßen lässt, ob sein historisch verbürgter schreibender Onkel Snorri Sturloson die Saga von Egil Skallagrímsson noch habe beenden können, bevor auch er erschlagen wurde. Eine spannende Reise in fremde ferne Vergangenheiten. RUDOLF VON BITTER
Einar Kárason: Die Sturlungen. Die große Isländer-Saga. Roman. Aus dem
Isländischen von Kristof Magnusson.
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