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Noch mehr unheimliche Geschichten Benjamin Lacombe hat sein erfolgreiches Edgar-Allan-Poe-Buch noch schöner gemacht. Die Neuausgabe wartet jetzt nicht nur mit einer zusätzlichen Geschichte - Ligeia - und mit neuen romantisch-morbiden Bildern auf, sondern auch mit einer gehobenen Ausstattung. Ein starkes Geschenk für alle Gruselfans!

Produktbeschreibung
Noch mehr unheimliche Geschichten Benjamin Lacombe hat sein erfolgreiches Edgar-Allan-Poe-Buch noch schöner gemacht. Die Neuausgabe wartet jetzt nicht nur mit einer zusätzlichen Geschichte - Ligeia - und mit neuen romantisch-morbiden Bildern auf, sondern auch mit einer gehobenen Ausstattung. Ein starkes Geschenk für alle Gruselfans!
Autorenporträt
Benjamin Lacombe, geb. 1982 in Paris, studierte Graphische Künste und ist inzwischen ein international sehr erfolgreicher Künstler. Er lebt und arbeitet in Paris mit seinen Hunden Virgile und Lisbeth, die sich häufig in seine Bilder einschleichen.Edgar Allan Poe, geb. 1809 in Boston, gilt als der einflussreichste amerikanische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten war seinen Texten allerdings kein Erfolg beschieden. Poe lebte stets in Armut und starb 1849 unter ungeklärten Umständen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2017

Der fieberhaft Getriebene

Charles Baudelaire machte mit seiner kommentierten Werkausgabe Edgar Allan Poe zum Gründervater der literarischen Moderne. Nun erscheint diese Auswahl auf Deutsch.

Von Paul Ingendaay

Ließen sich die Räume der Phantasie in Meilen übersetzen, wäre Edgar Allan Poe ein mehrfacher Weltumsegler, ein Himmelsstürmer und Planetenbezwinger. Er selbst war arm geboren und früh verwaist; als müssten sie es für den Autor wiedergutmachen, können viele seiner Helden einen undeutlichen Hintergrund von ungarischen Gütern, alten Rheinburgen oder verlassenen englischen Abteien vorweisen. So dehnt der Autor, der mit seinen dunklen Augen und der adretten Figur seinerseits wie ein "Southern Gentleman" auftrat, die Zeit in beide Richtungen, nach hinten in die deutsche Romantik, nach vorn bis zur Science Fiction und der Herrschaft von Logik, Raumfahrt und Elektromagnetik. Nur der Kopf will bei seinen Helden nicht ganz mitspielen und führt sein eigenes Foltertheater auf. "Nerven" und "nervös" zählen zu seinen häufigsten Vokabeln. Es ist nicht ohne Ironie, dass die Detektivgeschichten, als deren Erfinder wir ihn ansehen dürfen, noch fast seine friedlichsten sind.

Umso grauenvolleres Unwesen treiben die Dämonen in der menschlichen Seele, wenn die Ratio schläft. Taucht weibliche Schönheit auf seinen Seiten auf, landet sie todsicher auf der Grabstatt. Und die Elemente? Poe ist der markanteste Vertreter des dunklen Sublimen, des schönen Schauers im Angesicht der Naturkatastrophe, ob in der Luft, im Eis oder im Meeresstrudel vor den Lofoten. Nur wäre es zu billig, ihn allein als Vorläufer des Horrors zu feiern - er ist auch der Exerzitienmeister der kalten Vernunft, die exakt die Meter misst, die hinunter zur Hölle führen.

Sein überspannter Dualismus hat Poe viel gekostet, im Leben (1809 bis 1849) und auch noch danach. Immerhin nennt ihn die Encyclopædia Britannica gut dreißig Jahre nach seinem Tod und durchaus gegen den Trend der Zeit "die interessanteste Figur der amerikanischen Literatur", das "bisher außergewöhnlichste Beispiel für systematische Falschdarstellung durch den Biographen". Was war geschehen? Man hatte Poe, den gehetzten, verschuldeten Trinker, in der allerersten Biographie durch Lügen und üble Nachrede vollends zu erledigen versucht. Als wäre alles andere nicht schlimm genug gewesen - Verlust der Eltern mit zwei Jahren, Konflikte mit dem kommerziell orientierten Stiefvater, schwere Erkrankung seiner Ehefrau Virginia, die blutjung starb, Armut, Zurückweisung, Alkohol.

Die Ehrenrettungen, die es ebenfalls gab, machten geltend, dass der rastlose Dichter, Erzähler, Journalist und Zeitschriftenherausgeber von geradezu fieberhafter Arbeitswut gewesen war. Sein Gesamtwerk ergibt, normal gedruckt, etwa fünftausend Seiten, nicht wenig für einen, der gerade einmal vierzig wurde und den gesundheitlichen und finanziellen Ruin ständig vor Augen sah. Meistens schrieb er die Magazine, die er herausgab, selbst voll, teilte als Rezensent kräftig aus und musste ebenso heftig einstecken. Die Rachsucht der New Yorker Literatensalons unterschätzte er bis zum Ende.

Dennoch. Wer zu lesen vermochte, erkannte in Poe das Genie. "Es gibt wenige englischsprachige Schriftsteller dieses Jahrhunderts", schließt der obenzitierte Enzyklopädie-Eintrag, "deren Ruhm dauerhafter sein dürfte. Die Empfindungen, die Poe anspricht, sind einfach, aber universal, und er spricht sie mit einer Macht an, die nie überboten wurde."

Einer, den das Werk des Amerikaners um die Jahrhundertmitte traf wie ein Blitz, war Charles Baudelaire, zwölf Jahre jünger als Poe und genauso mittellos wie sein literarisches Vorbild aus Amerika. In den nächsten fünfzehn Jahren würde der Dichter für Poes Werk mit einem Missionierungseifer werben, der in der Literaturgeschichte ohne Parallele ist. Es gibt reichlich Zeugenaussagen dafür, dass Baudelaire buchstäblich jedem Gesprächspartner mit seiner Begeisterung in den Ohren lag und von kaum etwas anderem sprechen konnte. Während er seine eigene Stimme fand und mit den "Fleurs du mal" zum paradigmatischen poète maudit wurde, begann er, die Stories, Essays und Gedichte des Amerikaners ins Französische zu übersetzen.

Die fünfbändige Poe-Ausgabe, die zwischen 1856 und 1865 in Paris erschien, sickerte in das ästhetische Denken ein und veränderte dessen Grundwasser für immer. Europa nahm von Poe Notiz. Seine Texte beeinflussten die Symbolisten, die Surrealisten, die Modernisten, die Maler, Illustratoren, Fotografen und Filmemacher, dazu Popmusiker, Comiczeichner und Internetkunst. Dass seine Kriminalerzählungen den Grundstein für das populärste Genre der Moderne überhaupt legten, bezeugen alle - aber eben auch Sir Arthur Conan Doyle, der nach Poes Hobbydetektiv C. Auguste Dupin seinen Sherlock Holmes modellierte.

Man braucht nur Poes Namen in die Suchmaschine einzugeben, um zu erkennen, wie tief dieser Schriftsteller in die Gegenwart eingedrungen ist - als panischer, niemals schlafender Verstand, der bleibende Bilder von Wahn, Grauen und Gothic hinterlassen hat. Jeder kennt Poes Gesicht mit den traurigen großen Augen, den schrägen Brauen und dem qualvoll verzogenen Mund: American angst. Es ist die Nachtseite des fortschrittsoptimistischen neunzehnten Jahrhunderts, so wie das Gesicht Kafkas die Nachtseite des zwanzigsten ist.

Baudelaire hat das meiste davon gewusst und den Rest davon geahnt. Es ist seine Ausgabe, die der Deutsche Taschenbuch Verlag jetzt in fünf Bänden nachbildet, natürlich nicht auf Französisch, sondern in deutscher Neuübersetzung durch Andreas Nohl und im Anhang mit den Essays und Kommentaren Baudelaires zu Poe versehen. Band eins enthält die dreizehn "Unheimlichen Geschichten" der damaligen französischen Ausgabe, darunter die Kriminalerzählungen "Der Doppelmord in der Rue Morgue" und "Der entwendete Brief", Stories über Schiffs- und Ballonfahrten wie "Das beispiellose Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall" oder "Ein Sturz in den Malstrøm", ferner Geschichten über Mesmerismus und junge ätherische Frauenleichen ("Morella", "Ligeia"). Wenn alles geschafft ist, werden 45 (von insgesamt 69) Erzählungen vorliegen, dazu der Roman "Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym" (den Jules Verne 1897 mit seiner "Eissphinx" fortschrieb, gewidmet "dem Andenken Edgar Poes") und das philosophische Prosapoem "Heureka". Dagegen keine Lyrik - außer dem "Raben". Ein Schwan ziert das Cover von Band eins; streift man den Schutzumschlag ab, steht da sein Skelett. Hier hat der Grusel nicht nur Formen, sondern auch Humor.

Es gibt zwei Dinge, die eine solche Ausgabe rechtfertigen - die Qualität der Übersetzung und die Begleitmusik des Herausgebers. Um mit dem Zweiten zu beginnen: Baudelaire ist ein origineller, ein großzügiger und schwärmerischer Fürsprecher. "Edgar Poe", so sein Argument, sei an seiner denkfaulen Zeit und seinem verspießerten Land zugrunde gegangen. Kein Zweifel, dass "die Vereinigten Staaten für Poe ein einziges großes Gefängnis waren, durch das er wie ein fieberhaft Getriebener irrte, er, der eigentlich in einer reichen duftenden Welt hätte atmen sollen als in diesem großen Basar mit Gasbeleuchtung." Das ist schwungvoll und mit Leidenschaft gesagt. Manchmal streift Baudelaire die Hagiographie: Sein Poe, den er nie kennengelernt hat, bleibt auch als Trinker ein Denker. Und der himbeersüßen, romantisierenden Darstellung der Schriftstellerin Frances Osgood, mit der Poe eine Affäre gehabt haben dürfte, geht Baudelaire ziemlich auf den Leim und zitiert sie beifällig auf zwei ganzen Seiten. Geschenkt. Sein Plädoyer reißt noch einmal Fenster und Türen auf für Poes radikales Denken.

Wenn Baudelaire es mit dem Übersetzen nach eigener Aussage übergenau nimmt - er habe "ein schwieriges, manchmal fast barockes Französisch vorgezogen, um Edgar Poes Handwerk voll zur Geltung zu bringen" -, dann strebt Andreas Nohl mit seiner Neuübersetzung ins Deutsche das Gegenteil an: einen klaren, schlichteren Poe, um dessen Modernität zu erweisen, einen Autor ohne Zierrat. Den Vergleich mit der fünfzig Jahre alten Übersetzung von Arno Schmidt und Hans Wollschläger braucht Nohl jedenfalls nicht zu scheuen; im Gegenteil, er bläst eine Menge Staub von den preziösen, oft pedantischen Sätzen des selbsternannten Poe-Hohepriestertums der beiden Schriftsteller.

In dieser Form hat die historisierende Edition des Deutschen Taschenbuch Verlags ihren Sinn, und die schöne Buchgestaltung gibt's außerdem. Einerseits macht sie einen noch heute staunenerregenden Kulturtransfer neu erfahrbar - und andererseits liefert sie mit einer schlanken, klugen Übersetzung einen Edgar Allan Poe für das einundzwanzigste Jahrhundert: außen Droschke, innen Turbo.

Edgar Allan Poe: "Unheimliche Geschichten". Herausgegeben von Charles Baudelaire.

Aus dem Englischen von Andreas Noll, aus dem Französischen von Kristian Wachinger. dtv, München 2017. 421 S., geb., 28,- [Euro].

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