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Der über 500 Schreiben umfassende Band setzt wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ein. In welchem Ausmaß Hermann Hesse und sein deutscher Verleger Peter Suhrkamp von den Repressionen des Nazi-Regimes betroffen waren, illustrieren die Briefe in vielen dramatischen Episoden. Mindestens ebenso spannend lesen sich Hesses Antworten an zahlreiche deutsche Korrespondenzpartner, die dem seit 1912 in der Schweiz lebenden Dichter ihr Schicksal anschaulich schilderten und ihn um Rat und Hilfe baten. Bereits 1931 hatte Hesse damit begonnen, mit dem Glasperlenspiel eine Gegenwelt zur…mehr

Produktbeschreibung
Der über 500 Schreiben umfassende Band setzt wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ein. In welchem Ausmaß Hermann Hesse und sein deutscher Verleger Peter Suhrkamp von den Repressionen des Nazi-Regimes betroffen waren, illustrieren die Briefe in vielen dramatischen Episoden. Mindestens ebenso spannend lesen sich Hesses Antworten an zahlreiche deutsche Korrespondenzpartner, die dem seit 1912 in der Schweiz lebenden Dichter ihr Schicksal anschaulich schilderten und ihn um Rat und Hilfe baten. Bereits 1931 hatte Hesse damit begonnen, mit dem Glasperlenspiel eine Gegenwelt zur Ideologie des NS-Staates zu entwerfen. Die Niederschrift zog sich jedoch über elf Jahre hin, da sie ständig unterbrochen wurde durch seinen Einsatz für Flüchtlinge und Emigranten.

Informiert durch tausende Leserzuschriften, sind Hesses Briefe nicht nur ein unerschöpfliches Quellenwerk zur Zeit- und Kulturgeschichte jener Jahre, sondern sie zeigen auch, wie das, was uns als Menschen ausmacht, auch unter unmenschlichen Bedingungen praktiziert werden kann.
Autorenporträt
Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano. Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin. Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wolfgang Schneider hält die neue Edition mit Briefen von Hermann Hesse aus den Jahren 1940-1946 für die bedeutendste. Die Zeitumstände des Krieges lassen Hesse sich verstärkt aufs Briefeschreiben verlegen, die Bedeutung des Dialogischen für sein Denken und Schreiben tritt für Schneider zutage. Außerdem wird die Mär vom Idyllen-Dichter angekratzt, weil Hesse hier gallig wie scharfsichtig Zeitumstände analysiert, meint Schneider. Mit sorgsamen, pointierten Formulierungen darf der Leser rechnen, so Schneider, ob Hesse nun düstere Todeswünsche formuliert oder über Literaturpreise schimpft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2021

Nichts für Backfische
Hesses Briefe aus Kriegs- und früher Nachkriegszeit

Während weit draußen der Zweite Weltkrieg tobt, verbringt Hermann Hesse einen großen Teil seiner Tage in seinem Tessiner Garten, kniet in den Beeten, während aus dem Tal die Kirchenglocken heraufklingen. Die größten Weltreiche vergehen, die Blumen aber kehren alle Jahre wieder und seien "unwiderlegbar", schreibt er in einem Brief. Weniger erfreulich sind die Menschen, die unangekündigt ums Haus kommen, unbeirrt vom Schild vor der Casa Rossa: "Bitte keine Besucher". Oft sind es Bewunderer aus Deutschland, einmal auch eine Dame, die von Gott den Auftrag erhalten haben will, ihn zu heiraten. Verlegen zieht sie sich zurück, als sie Hesses Frau erblickt.

Was wie Idyll wirkt, ist keines. Hesse hat den Unfrieden in sich. Der milde Mönch von Montagnola, der weise Alte mit seiner indischen Philosophie - man sucht ihn vergebens in diesen oft mit Galle geschrieben Briefen. Der sechste der auf zehn Bände angelegten Hesse-Briefausgabe ist einer der interessantesten, weil er die katastrophische und wechselhafte Zeit zwischen 1940 bis 1946 spiegelt, Jahre, in denen Hesse den Ruin vor Augen hat und schließlich ein unerhörtes Comeback erlebt.

Obwohl er das Kriegsgeschehen nur am Rand wahrnimmt, zeigt er sich besser informiert als viele Deutsche. Im Juli 1944 schreibt er über die Nationalsozialisten: "Wie sie jetzt, während sie selber schon am Umfallen sind, schnell noch die paar hunderttausend Juden in Ungarn abschlachten, das allein würde genügen, das Wort ,deutsch' für lange Zeit zu einem Schimpfwort in der Welt zu machen." Viele Angehörige seiner jüdischen aus der Bukowina stammenden Frau Ninon werden im Holocaust ermordet. Es sind grausige Zeiten: "Man tritt ja heut bei jedem Schritt in irgendeine Blutlache."

Literatur und Kunst sind für Hesse Mittel der Wirklichkeitsabwehr. Das gilt insbesondere für seinen letzten Roman "Das Glasperlenspiel", den der Modernisierungsverweigerer im April 1942 beendet. Die Arbeit daran, auch wenn sie nur noch sehr stockend voranging, war lange sein "Panzer gegen die hässliche Zeit", ein "Haus aus Kristall", in dem das "Aktuelle und Allzumenschliche keinen Zutritt hat", wie er in einem Brief schreibt. An eine Veröffentlichung im nationalsozialistischen Deutschland aber ist nicht zu denken, und der Druck in der Schweiz bringe ihm nichts ein. "Hätte es in Berlin erscheinen können, so wäre es jetzt ein Saison- und Modebuch, würde auf jedem Tisch liegen und mir reichlich zu leben einbringen."

Wegen der Drosselung des Devisenverkehrs erhält Hesse kaum noch Honorare aus Deutschland. In vielen Briefen klagt er darüber, dass sein Lebenswerk "nicht nur durch Hitler und Goebbels, sondern noch weit gründlicher durch die amerikanischen Bomben ausradiert worden" sei. Manche seiner Werke wurden im "Dritten Reich" noch gedruckt und verkauft. "Da kamen frisch und munter die Alliierten geflogen und haben mit einer einzigen Bombe der Verlegenheit ein Ende gemacht. Es ist jetzt keins meiner Bücher mehr da" - die Bombe traf 1943 das Leipziger Auslieferungslager seines Verlags. Überhaupt ist Hesse auf die Amerikaner nicht gut zu sprechen. Die "Gewalttäter und Schieber, die Sadisten und Gangster" seien in Deutschland jetzt nicht mehr die Nazis, sondern die Amerikaner, schreibt er doch recht verallgemeinernd im Oktober 1946 an Thomas Mann. Er sieht die Menschheit in einer tiefen Krise der Inhumanität, die "mit dem Abhauen des kränksten Gliedes, des Nazitums, noch lange nicht geheilt" sei.

Das Kriegsende hebt bei Hesse also keineswegs die Laune. Zwar werden jetzt wieder viele seiner Gedichte in Deutschland gedruckt, aber man kümmert sich nicht um seine Einwilligung, er bekommt keine Honorare, und manchmal fehlen ein paar Verse, was ihn besonders erbost. "Ich ersticke im Ekel über all diese Zustände", schreibt er an Peter Suhrkamp, seinen im Konzentrationslager geschundenen Verleger, dem er ansonsten in freundschaftlicher Verbundenheit die Treue hält.

Vor allem ärgert ihn der Opportunismus in Deutschland. Niemand will mehr an "Hitlers Triumphwagen" mitgezogen haben. An Luise Rinser, von der Hesse nicht wusste, dass auch sie ihr ambivalentes Verhalten im "Dritten Reich" zu einer Widerstandslegende umbog, schreibt er 1946 mit sarkastischer Ironie, er könne nur jene Hitlergegner ganz ernst nehmen, "die mit beiden Füßen im Lager waren, nicht mit dem einen im Lager, mit dem andern in der Partei".

1946 erhält Hesse den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, was er harsch kommentiert: "Nützt mir nicht, freut mich nicht, ist nur Belastung." Und als wäre das noch nicht Behelligung genug, wird ihm auch noch der Literaturnobelpreis verliehen. "Dass nun die Sache über mir hängt, mit Stockholm, hat gerade noch gefehlt", jammert er und spricht abschätzig - auf Alfred Nobels Geschäfte anspielend - vom "Dynamitpreis". Er flieht vor den Gratulanten und der "Hetzjagd der Journalisten" in ein Sanatorium. Natürlich fährt er weder nach Frankfurt noch nach Stockholm, um die Ehrungen entgegenzunehmen. In einem Brief schreibt er einen lakonischen Satz, den man allen Pessimisten für den Fall unerwarteter Glücksfälle empfehlen kann: "Schade, dass die äußeren Erfüllungen im Leben immer erst dann kommen, wenn sie einem keinen Spaß mehr machen."

Hesse hadert mit der Welt und hegt wie in "Steppenwolf"-Zeiten bei jeder Missstimmung Selbstmord- und Todesgedanken: "Ich hoffe, es platze bald eine Arterie und gebe mir die erwünschte Ruhe." Thomas Mann hatte solche Wehleidigkeiten und Stimmungseinbrüche ins Tagebuch verbannt und in seinen Briefen souveräner und diplomatischer formuliert. Hesse ist ehrlicher, unverblümter; er scheut sich auch nicht, seinen Briefpartnern schroffe Worte zu schreiben, etwa in seiner Antwort an den Vater eines jungen Selbstmörders, der dem Verfasser des "Steppenwolfs" die Mitschuld am Tod seines Sohnes gibt. Ernst zu nehmende Literatur sei nun mal kein "Sirup für Backfische", sondern müsse immer wieder den Mut haben, "tiefliegende seelische Gefahren und Erkrankungen aufzuzeigen", gibt ihm Hesse Bescheid. In einem anderen Brief tadelt er, dass sich viele deutsche Schriftsteller zu wenig Mühe gäben und so tun würden, als wäre "Dichtung so etwas wie Spucken und Verdauen".

Seine Briefe, darf man sagen, sind nie hingespuckt, sondern sorgsam formuliert und oft erstaunlich pointiert. Auch an feuilletonistischen Momenten mangelt es nicht, etwa wenn Hesse über Ernst Jünger schreibt, der sei ein "als Bombenflieger ausgebildeter Stefan George". Hesse stilisierte sich gern als Einzelgänger, aber das Dialogische war essentiell für ihn, wie die Briefe eindrucksvoll zeigen. Wichtig ist dieser Band aber insbesondere deshalb, weil die Briefe nun immer mehr an die Stelle des erzählerischen Werks treten. Der Schriftsteller Hesse ist in seinen späten Jahren vor allem eines - ein unermüdlicher Briefschreiber, zurückgezogen in Montagnola, aber immer in Kontakt mit der Welt.

WOLFGANG SCHNEIDER

Hermann Hesse: "Große Zeiten hinterlassen große Schutthaufen". Die Briefe 1940-1946.

Hrsg. von Volker Michels. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 720 S., geb., 58,- [Euro].

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»Seine Briefe ... sind sorgsam formuliert und oft erstaunlich pointiert. ... Der Schriftsteller Hesse ist in seinen späten Jahren vor allem eines - ein unermüdlicher Briefeschreiber, zurückgezogen in Montagnola, aber immer in Kontakt mit der Welt.« Wolfgang Schneider Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210605