Die Zugehörigkeit der Bevölkerung zu einer der beiden großen christlichen Kirchen befindet sich im Sinkflug. Große Austrittswellen, zunächst oft aus finanziellen Gründen bei niedriger Affinität zur Kirche, später dann immer wieder auch von überzeugten Christen aufgrund unsäglicher Missstände in den
Kirchen finanzieller und moralischer Art, haben die Mitgliederzahlen erheblich sinken lassen und…mehrDie Zugehörigkeit der Bevölkerung zu einer der beiden großen christlichen Kirchen befindet sich im Sinkflug. Große Austrittswellen, zunächst oft aus finanziellen Gründen bei niedriger Affinität zur Kirche, später dann immer wieder auch von überzeugten Christen aufgrund unsäglicher Missstände in den Kirchen finanzieller und moralischer Art, haben die Mitgliederzahlen erheblich sinken lassen und beiden Großkirchen zu bedeutenden Einsparungen und strukturellen Veränderungen gezwungen. Als Beispiele seien hier nur der Skandal um den Limburger Bischofssitz und die zahllosen Fälle von sexuellem Missbrauch in den vergangenen Jahrzehnten durch katholischen Priester und Ordensleute, die vor wenigen Jahren bekannt wurden.
Oft wird aus den zurückgegangenen Mitgliederzahlen der Kirchen geschlossen, dass auch weniger Menschen an Gott glauben und sich als Christen bezeichnen. Das ist nicht der Fall. Viele Menschen verlassen die Kirche, aber kehren nicht ihrem Glauben den Rücken.
Dennoch ist festzuhalten: obwohl allenthalben von einer Rückkehr der Religion gesprochen wird, hat der Philosoph Habermas vor einjgen Jahren in einer Rede gesagt:
„Die praktische Vernunft verfehlt ihre Bestimmung, wenn sie nicht mehr die Kraft hat, ein Bewusstsein von dem, was fehlt, von dem, was zum Himmel schreit, zu wecken und wachzurütteln.“
Die Theologen haben damals etwas vorschnell geglaubt, Habermas habe damit die Religion salviert, und seine Texte schnell aufgegriffen. Wenn ich es recht sehe, waren die protestantischen Theologen hierbei zurückhaltender. Sie haben sich an der sich bis auf den heutigen Tag hinziehenden Debatte über die „Wiederkehr der Religion“ viel weniger beteiligt als ihre katholischen Kollegen, hier insbesondere die Jesuiten.
Der Autor des vorliegenden, beim religions-und kirchenkritischen Verlag Tectum erschienenen Buches, Robert E. Manus ist von Haus kein Theologe. Aber er hat sich sein ganzes bisheriges Leben lang mit religiösen und philosophischen Fragen beschäftigt und eine klassische katholische Erziehung durchlaufen. Bald schon begann er sich mit seinem katholischen Erbe auseinanderzusetzen und sich langsam davon zu lösen. Jahrzehntelang hat er sich damit gequält, seinen immer mehr ins Wanken geratenen christlichen Glauben festzuhalten, was ihm aber immer weniger gelang. Als er dann das umstrittene und meiner Meinung nach mit vielen Mängeln behaftete Buch „Der Gotteswahn“ von dem radikalen und fanatischen Religionsfeind Richard Dawkins las, „wusste ich, es ist falsch, nur tolerant zu sein.“
In seinem umfangreichen und mit zahllosen Anmerkungen versehenen Buch spricht Manus all diejenigen Menschen an, die sich so wie er kritisch mit ihrem christlichen oder muslimischen Glauben auseinandersetzen und sich vielleicht von ihm lösen möchten.
Nach einer ausführlichen religionswissenschaftlichen Auseinandersetzung kommt er zu dem Schluss, dass Bibel und Koran keine Dokumente sind, die Liebe und Toleranz predigen, sondern eher Bücher der Abgrenzung des Hasses und der Gewalt.
Er glaubt, dass ein erfülltes und glückliches Leben besser gelingt ohne den Bezug auf Gott und bezieht sich am Ende seines Buches auf Gottfried Keller, der in einem Brief an Wilhelm Baumgartner schrieb:
„Wie trivial erscheint mir gegenwärtig die Meinung, dass mit dem Aufgeben der sogenannten religiösen Ideen alle Poesie und erhöhte Stimmung aus der Welt verschwände! Im Gegenteil! Die Welt ist mit unendlich schöner und tiefer geworden, das Leben ist wertvoller und intensiver, der Tod ernster, bedenklicher und fordert mich nun erst mit aller Macht auf, meine Aufgabe zu erfüllen und mein Bewusstsein zu reinigen und zu befriedigen, da ich keine Aussicht habe, das Versäumte in irgendeinem Winkel der Welt nachzuholen.“