Hans Mommsen, Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, DVA 2010, 400 Seiten, ISBN 978-3-421-04490-7
Hans Mommsen ist unbestritten einer der bedeutendsten Historiker der Nachkriegszeit. Immer wieder hat sich der streitbare Wissenschaftler eingemischt in die öffentliche und politische
Debatte, etwa im Historikerstreit 1986, wo er in einem Beitrag im Merkur eine Tendenz in der…mehrHans Mommsen, Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, DVA 2010, 400 Seiten, ISBN 978-3-421-04490-7
Hans Mommsen ist unbestritten einer der bedeutendsten Historiker der Nachkriegszeit. Immer wieder hat sich der streitbare Wissenschaftler eingemischt in die öffentliche und politische Debatte, etwa im Historikerstreit 1986, wo er in einem Beitrag im Merkur eine Tendenz in der bundesrepublikanischen Geschichte kritisierte, das Dritte Reich zu verdrängen. Dazu zählte er auch die „Theorie der ‚totalitären Diktatur‘“, mit welcher die Konservativen eine „prinzipielle Gleichsetzung von nationalsozialistischer Diktatur und kommunistischer Herrschaft“ vollzogen hätten. Damit habe man sich sowohl als antifaschistisch bezeichnet als auch die Linke ausgegrenzt und kriminalisiert. Nun werde versucht, „durch die historische Relativierung des Nationalsozialismus ältere obrigkeitsstaatliche Einstellungen wieder hoffähig“ zu machen.
Die hier veröffentlichten Aufsätze sind bis auf sechs Ausnahmen bisher unveröffentlicht und atmen alle den Geist des zitierten Merkur - Aufsatzes. Die Essays umfassen einen Zeitraum der Geschichte Deutschlands von 1918 bis 1945. Die handeln von „Demokratie, Diktatur, Widerstand“, wie der Untertitel des Buches heißt. Insofern ist der Haupttitel etwas irreführend, denn die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert hat ja nicht 1945 geendet, ganz im Gegenteil.
Doch das, was in den Jahren 1918 bis 1945 geschehen ist, muss richtig verstanden und begriffen, richtig eingeschätzt und bewertet werden, will man die Geschichte Nachkriegsdeutschlands einordnen. Das genau hat ja der Historikerstreit gezeigt, dass es nicht unerheblich ist, wie viele historische Fakten zwischen 1918 und 1945 bewertet werden.
Die zu ganz unterschiedlichen Anlässen entstandenen Essays sind für dieses Buch gut und systematisch angeordnet und bieten erstklassigen historischen Lesestoff. Man kann sie je nach Interesse einzeln lesen, aber auch die fortlaufende Lektüre bietet einen exzellenten Überblick über die Geschichte Deutschlands in diesem Zeitraum.
Für alle Menschen, die sich für deutsche Gesichte interessieren, für alle, die ahnen, dass die Zeit zwischen 1918 und 1945 eben nicht einfach historisiert werden kann, ist dieses Buch eine unverzichtbare Lektüre und ein intellektuelle Genuss.