Interessante jüdische Familiengeschichten im Zusammenhang mit Hausgeschichten
Viel treffender als Titel für dieses Buch wäre sein Untertitel – wenn Häuser Geschichten erzählen. Wobei nicht die Geschichten der Häuser das Buch so spannend machen, sondern die Geschichten ihrer Bewohner. Die Autorin
schreibt dazu in ihrem Vorwort „Das Ausseerland ist geprägt von starken Frauen: frühe…mehrInteressante jüdische Familiengeschichten im Zusammenhang mit Hausgeschichten
Viel treffender als Titel für dieses Buch wäre sein Untertitel – wenn Häuser Geschichten erzählen. Wobei nicht die Geschichten der Häuser das Buch so spannend machen, sondern die Geschichten ihrer Bewohner. Die Autorin schreibt dazu in ihrem Vorwort „Das Ausseerland ist geprägt von starken Frauen: frühe Frauenrechtlerinnen und Schriftstellerinnen, Studentinnen und Schauspielerinnen, Salondamen und Reformpädagoginnen. Sie alle zeigen eines: Sommerfrische ist weiblich“.
Es sind also Lebensgeschichten von überwiegend Frauen, die entweder ihre Sommerfrische im Ausseerland verbracht hatten oder dort wohnten. Arnbom belebt diese Erzählungen mit zeitgenössischen Zeitungszitaten und mit vielen wirklich interessanten historischen Bildern, die ihr aus privaten Archiven zur Verfügung gestellt wurden.
Manche Frauennamen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Eine dieser Personen ist Eugenie Schwarzwald, eine große Pädagogin, die dem autoritären Schulsystem um 1900 eine völlig neue Schul-„Erziehung zum Glück“ gegenüberstellt. In den Sommern bot sie mit ihrem „Erholungsheim Seeblick“ am Grundlsee die Möglichkeit der Sommerfrische für „schaffende, strebende und strebernde Kapazitäten“ – ein intellektueller Treffpunkt im Ausseerland. Geführt wurde der Seeblick von Marie Stiasny, die eine unersetzbare Seele und ein guter Geist des Hauses war. Beide Biografien, jene von Eugenie Schwarzwald und Marie Stiasny stellen zwei faszinierende Beiträge von modern denkenden Frauen zwischen 1900 und 1938 dar. Sie geben, wie viele andere Beiträge in diesem Buch, einen Einblick in die friedliche Gesellschaft und glückliche Zeit der Sommerfrische im Ausseerland vor dem grausamen und alles zerstörenden Hitler-Regimes.
Die Geschichten dieser Personen und ihrer Familien fließen in die Geschichten ihrer Häuser ein. Ein Beispiel wäre der Kais. Rat Dr. Josef Schreiber (* 1835; † 1908 in Bad Aussee), Obmann der Kurärztevereinigung und Ehrenbürger von Bad Aussee. Zunächst errichtete er eine Villa in Aussee, wo er wenige Meter von seiner Villa entfernt ein Sanatorium bauen ließ und neben seiner Villa später auch noch die „Cur- und Wasserheilanstalt Alpenheim“. Seine Frau Clara war eine frühe Frauenrechtlerin, seine Töchter Adele Schriftstellerin, Ida betrieb in Wien ein Sanatorium und Lilli, verh. Baitz, war eine gefeierte Schaufenster-Designerin, die vor allem mit Motiven aus ihren Kindheitserinnerungen im Ausseerland und aus Märchen bis nach Amerika bekannt wurde.
Viele der Häuser und Villen, über die Arnbom in ihrem Buch schreibt, existieren heute nicht mehr, manche bestehen noch fast im Original, andere wurden umgebaut oder es stehen noch Teile von ihnen. Das Buch ist eine geschichtliche Fundgrube und Spurensuche in einer Ecke Österreichs, die auch als der geistige Geburtsort der Salzburger Festspiele gilt. Marie-Theres Arnbom schildert in angenehm politisch-geschichtlich neutral gehaltenen Beschreibungen Haus- und überwiegend jüdische Familiengeschichten. Ein empfehlenswertes Buch.